Pester Lloyd - Abendblatt, September 1861 (Jahrgang 8, nr. 200-224)

1861-09-12 / nr. 209

rückhaltlose Rückkehr zum Oktoberdiplom jedenfalls die Bei­deutung hätte,daß die Theorie des»Verwirkens«durch sie ihr verdientes Verdammungsurtheil erhielte und der Träger dieser Theorie Herr Ritter vancil­erling,sich durch dasselbe aufs tiefste getroffen fühlen müßte. Gegen den Herrn Hofkanzler,den Grafen Forgfich, richtet heute Baron Einsxich Miste im»Napli­­«ernste Worte,die den Grafen geradezu zum­­ Rücktritt von seinem hohen Posten auffordern.Der Herr Baron sagt im Wesentlichem Wir haben uns darüber gewundert,als einige behaup­­teten,daß Se.Excellenz in die Fußtapfen seines Vorgän­­gers treten und folglich sowohl dieselben Prinzipien beobachten, als auch dasselbe Verfahren befolgen wer­de,daß also damals, als Se.Exzellenz zum Kanzler von Ungarn­ ernannt wur­de, in der Regierung Ungarns nur ein Personen- und sein Prin­­ziptenwechsel stattgefunden habe. Denn obgleich wir überzeugt waren und überzeugt sind, daß Se. Erzellenz in einigen, ja vielleicht in vielen Stüden die Ansichten und Prinzipien sei­­nes Vorgängers theilt, so finden wir doch, daß seine Stel­­lung von jener seines Vorgängers vollkommen verschieden sei, ja hab sie sich in mancher Hinsicht Schnurrtracts gegenüber ste­­hen, und daraus folgerten wir, daß das durch seinen Namen sanktionirte Verfahren auch vom Verfahren seines V­orgän­­gers ab­weichen werde, denn wenn wir auf die Genesis des Nestriptes vom 21. Juli zurückgehen, so finden wir sie haupt­ fachlich darin, daß Dasselbe im Widerspruch mit den Rath- Thlägen und Anfichten der ungarischen Näthe Sr. Majestät, und der ungarischen Neidsbarone, und demnach im Wider­­spruch mit den Rathschlägen und Anfichten der, wenn auch nur im Sinne der Gefege von 1848, aber doch jedenfalls aus Ungarn und im Sinne des 10. ö.­A. von 1790 gebildeten Regierung Ungarns auf den Rath und Wunsch jener Männer erlassen wurde, die bisher nur die anderen Länder Sr. Ma­­jestät regiert hatten. Wir sahen deshalb in der Unterzeichnung und im Er­­scheinen des NRefkriptes die thatfägpliche Vernichtung der mehr­­erwähnten Gefegartifel, den Sturz der unabhängigen Stel­­lung und Wirksamkeit der ungarischen Regierung, und die Sank­ton­ rung desser, daß fremde Elemente in unsere Angele­­genheiten entscheidend dreinsprechen künnen, und so sahen wir es denn voraus, daß, — nachtem die, mit unseren Gebeten, ja selbst mt dem Diplom vom 20. Oktober im Widerspruch stehende Einflußnahme des österreichischen Staatsministers und­­ seiner Kollegen auf ungarische Angelegenheiten durch die An­­nahme des von ihnen in Vorschlag gebrachten Reffriptes fat­­tif anerkannt wurde, — derjenige, der dieses Reffript mit feiner Unterschrift verfahle, auf die daraus für die Zukunft entspringenden Sorgen und namentlich das Merde anerkennen müssen, daß es $errn Schmerling und seinen Kollegen auch ferner freistehen werde, in den ungarischen Angelegenheiten ihre Stimme abzugeben. Hierdurch sahen wir aber die auch von uns Herausgelöste ungarische Gesinnung Sr. Erzellenz des Grafen Borgad­ vollständig und definitiv paralysirt, wir sahen Hieraus, — und Se, Exzellenz möge es verzeihen, daß wir es aufrichtig rund herausragen , — daß die Entscheidung und Erledigung der ungarischen Lebensfrage nur dem Namen nach ihn anvertraut, eigentlich und faktisch aber In Die Hände des Österreichisc­hen Staatsministers und seiner gleichgesinnten Kollegen niedergeredt und ihnen anvertraut worden sei, gegen deren entscheidenden Einfluß alle Bestrebungen Sr. Erzellenz vergeblich sein werden. Wir können die Ansicht Sener nicht theilen, welche das Verbleiben Str. Erzellenz in seiner jegigen Stellung als noth­­wendig und heilsam für das Vaterland halten und dies be­­haupten. Wir finden wenigsteng darin, daß der Sprosse einer berühmten alten ungarischen Magnatenfamilie durch seinen Kanzlertitel au ferner solche Bezoichnungen, welche unsere Konstitution umstürzen und gefährden, als Die feinigen taufen sol, nichts Heilsames für das Baterland, und deshalb sehen wir auch die Nothwendigkeit nicht ein, daß Se. Erzellenz dem Baterland zu Liebe solche Unannehmlichkeiten auch ferner ertragen und Leiden sol. Wir würden uns daher nicht im geringsten wundern, wenn Se, Erzelleny — in rich­­tiger Auffeifung und Würdigung aller angeführten Schwierig­­keiten und der Paralysirung seines ungarisch gesinnten Ein­­­­­­guffes dur bag Neffript vom 21. Juli und durch alle nach demselben eingetretenen Ereignisse, sowie von dem Bewußtsein geleitet, daß bei der ne Rage­ter Dinge das V­er­­bleiben auf seinem Posten dem Vaterlande sein Heil bringen kann, sondern eben durch, seinen glänzenden Namen nur Scha­­den verursacht, und seine eigene Stellung im Vaterlande im­­mer mehr und mehr erschwert, — in nicht langer Zeit, so wie es die Zeitungen schon als Gerich­t wieder und wieder berichtet haben, auf seinen alten Posten als Statthalter von Böhmen zurückehren würde, wodurch der allgemeine Wunsch aller seiner wohl­­wollenden Freunde im Vaterlande, wie wir öfter Gelegenheit hatten uns zu überzeugen, in Erfüllung ginge. „Magyarorp.” veröffentlicht einen Artikel, der von hoher Bedeutung und auch jenseits der Leitha die Aufmerk­­samkeit der Staatsmänner auf sich ziehen wird ; er trägt die Ueberfrist: „Die Großmachtstellung Dester­­reich 8”, und weist durch eine gediegene Beweisführung die von den Zentralisten aufgestellte Behauptung zurück, als müßte Oesterreich aufhören ein Großstaat zu sein, im Falle es die Wünsche Ungarns und Kroatiens erfüllen würde. Wir wer­­den den Artikel im nächsten Morgenblatt vollständig mitthei­­len. — Ein günstiges Zusammentreffen ist es, daß ang­eben heute an aus Deutschland eine Stimme zukommt, welche sich in ähnlicher Weise ausspricht. Bei der Generalversammlung des Nationalvereines in Heidelberg hatte nämlich P­feffer aus Stuttgart für die Vereinigung Deuts- Desterreichs mit dem Fünfzigen deutscher Staate sich ausgesprochen ; in der „„Süddeutschen 3tg." motivirt er jept diese feine Anschauung durch ein längeres Schreiben, dem wir Folgendes entlehnen : In Süddeutschland findet der deutsche Nationalverein blos darum so wenig Anklang, weil der Glaube herrscht, der Berein fliebe auf einen Ausfluß Deutsch-Desterreichs aus Deutschland, auf ein sogenanntes Kleindeutschland hin. Nun ist aber die Sachlage gegenwärtig so, daß nicht das übrige Deutschland Deutsch- Desterreich von sich ausstoßen will, sondern daß vielmehr umgekehrt die österreichische Re­gierung im Werke begriffen ft, ihre zu Deutschland ge­­hörigen Länder thatsächlich und reell von Deutschland abzu­­trennen, wenn sie aug, um ihren Einfluß auf Deutschland zu behaupten, nominell auf dem Papiere dieser Länder noch als Theile des deutschen Bundes gelten lassen möchte. Denn es kann wohl sein Einsichtiger zweifeln, daß dur den Eintritt Deutsch-Desterreichs in den durch das Oktoberdiplom und das Weberpatent proflamirten Gesammtstaat mit einheitli­­cher oberster Bolfsvertretung die Deuts-Desterreicher ihre Selbstständigkeit verlieren, und daß die Deutschen in Oester­­reich bei ihrer Minderzahl und ihrer geringern politischen Energie in eine Abgängigkeit von den andern Nationalitäten gerat­en, wodurch sie nicht einmal ihre gegenwärtig so Iofen Verbindungen mit Deutshland aufrecht­erhalten, noch viel weniger an dem in Deutschland angestrebten nationalen Bunde der Deutschen theilnehmen können, daß vielmehr sehr bald der wesentlich flasisch-magyarische Staat Oesterreich mit den Deutschen in ihm in einem gleichen Verhältnisse zu Deutsch­­land fliehen wird, wie Branfreich mit den Lothringern und Elsäßern zu Deutschland steht. Der deutsche Nationalverein aber sollte nach meiner Meinung nicht gleichgiltig dem Ber­ Íufte zugeben, welcher der Deutschen Nation jegt in Deutsch- Oesterreich droht. Das positive Recht gibt Deutschland eine Einsprache gegen das einseitige Vorgehen der Öesterreichischen Regierung, welches diese sogar mit der Waffengewalt Deutig-Desterreichs, also mit Deutschland ver­­pflichteten Kräften, eget Ungarn durch­­zufegen gem willt sicheintz Deutschland hat Anspruch darauf, daß Deutsch-Desterreich diejenige Selbstständigkeit be­­hatte, welche es in den Stand fect seine Verpflichtungen gegen Deutschland stets zu erfüllen, weil es auf dem Wiener Kongresse als unauflöslich zu Deutschland gehörig erklärt worden Hits es bat ferner Anspruch darauf, daß Deutsch-Oesterreich an der angestrebten Verbinierung der deutschen Bundesverfassung Tpetl ‚

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