Pester Lloyd, April 1863 (Jahrgang 10, nr. 74-98)
1863-04-22 / nr. 91
TeL Depeschkasnd.Pester Lloyd. Hermannstadt,21.April.Die rumänische Nationalkonferez hat in ihrer heutigeher Sammlung sich einstimmig für die vom Erzbischof Stekka Sulutz und Bischof Schaguna entschieden vertretene Verwirklichung der im Oktoberdiplom und Federpatente ausgesprochenen allerhöchste Intentionen erklärt. Die von Schaguna vorgeschlagenen Punkte zur Adresse wurden eisistimmixz angenommen. dissau,21.April.Die»Schlesischthg.«bildet auö Ostrowo,20.b.:Der Aufstand bii Kallsch wächst. Gestern Abends wurde die Garnison allarmirt,mild-Umsfischt Patrouille von 40 Mann nahe bis Kalischintiehände dchafurgmtengefallen.Man schätzt die Stärke der Insurgen ihn auföOOO Mann.Ein Angriff auf die Stadt wird täglich erwartet. Köln. 21. April, Das geflrige „Pays“ bringt eine Analyse Der französischen,, die Heutige „Röltiche ig.“ eine Analyse der österreichischen Note an Rußland, stast nune Zur Tagesgeschichte, gseft, 21. April. Auch die neuesten Berichte aus Paris und London stellen die Situation als eine unferst gespannte dar. In der französischen Hauptstadt war das Gerücht verbreitet, der Herzog von Montebello habe allein in Petersburg seine Note überreicht, die Gefantten von Oesterreich und England dagegen hätten die Ubergabe aufgeschoben, um der Maßregel etwas von ihrer Schärfe zu nehmen. Eine telegraphische Depesche widerlegt letztes Gerücht durch die Bestätigung , daß alle drei Noten am 18. übergeben wurden. — Eben daselbst soll sich Baron v. DBudberg bei Drouin de Lhuys über die heftige Sprache beklagt haben, welche die französische Presse, ohne Ausnahme der offiziösen Blätter, gegen Rußland führe. — Die „Oy'n. Nat”, deren Beziehungen man rennt und die zum wellen aus der Schule plaudert, bringt einen förmlichen Aufruf zu den Waffen: „Wir sind, sagt der Artikel, „die Kriegspartei, und wir benennen es. Wir haben es sicher, daß Franfreich Krieg führt, als tag FS Gewehr bei Fuß der Ausrottung einer edelmüthigen Race, eines uns wurch das Herz und das Interesse verbünteten Wolfes anmwohnt.” Zum Schluß fordert die „Opin. Nat.” den Kaiser Napoleon auf, zu Gunsten Polens den Degen zu ziehen. Indem sie ihm noch begeistertere Afflamationen verspricht, als die, welche ihm sein Zug nag Italien einbrachte. Und aus London wird der „Köln. 3." geschrieben : 3 Aft sicher, dag man hier auf eine abschlägige Antwort aus Petersburg gefaßt ist und daß Earl Nuffell, der in seiner Depesche eine energischere Sprache geführt, als Frankreich und Oesterreich, auch in seiner mündlichen Unterhaltung sich sehr entschieden zu Gunften Polens ausläßt. In der Depesche bestreitet die englische Regierung das Recht Nuflants, die polnische Trage als eine rein innere Angelegenheit anzusehen. Baron Gros gegenüber aber hat der P Minister der auswärtigen Angelegenheiten geäußert, das Rußland,sich beeidlen müsse mit dem, was es für Polen thun wolle, da selbst eine eventuelle Unterdrückung des Aufstandes die europäischen Mächte nicht unabätig machen dürfe. Dieses Niederwerfen der Insurrestion beweise,eben weiter nichts , da sie morgen wieder beginnen könne. — Im Parlament brachte Griffith gleichfalls diese Frage zur Sprache. Er bemerkte zunächst, das der edle Viscount an der Spige die auf Polen bezüglichen Verträge früher fanguinisch angesehen habe, und in seinen Reden über diesen Gegenstand herrsche dieselbe Unbestimmtheit wie in den Drosfden des Staatssekretärs des Auswärtigen. Rußland habe zur Antwort auf die Depeschen des einen Earl eine Amnestie erlassen,, welche die Forderungen Polens nicht befriedige, und Die wichtige Frage sei nun, welcher Schritt zunächst zu ergreifen se. Dem Erlas der Amnestie ging eine blutdürftige Proklamation des Gouverneurs von Warschau zur Seite, aus der man sehe, wie geringen Werth die Amnestie habe. Die Fempfschaft,, die von jeher zwischen Rußland und Schweden hertrat, sei dur den neulichen Vorfall mit dem „Sadson Ward“ stärker angefacht worden. Er wolle hoffen, das der edle Lord, der sich einmal einen „taftvollen Slafchenhalter“ (Borerfefundanten) nannte, Rußland von einem Angriff auf Schweden abhalten were. Von den Nüstungen in Kronstadt wife man in ganz Europa, und da Stocholm nur 24 Stunden Segelfahrt von St. Petersburg liege, so würfe die größere Macht ihren Druck auf die Kleinere unwahrscheinlich mit Geschwindigkeit üben. Ein ehrenwerthes Mitglied habe ihm einen vom 26. März batirten Brief von einem Verwandten in Schweden in die Hand gegeben, und diesem Schreiben zufolge seien 20.000 Norweger und 40.000 Schweden zum Marsch nach Finnland beordert. Der Schreiber seße hinzu, da, obgleich man von Krieg als eine große Trübsal ansehe, der Zug nach Finnland tod in ganz Sfanbinasien populär sei. Er glaube, die Armee habe dlos Befehl erhalten, fi marschbereit zu machen, aber seine Nachricht komme aus hoher Duelle, und wenn der edle Biscount den Namen des Schreibers zu wisen wünschte, so wolle er ihm denselben privatim mittheilen. — Lord Palmerston erklärte Inveg, nicht in die polnische Frage eingehen zu dürfen und, wie es vom Diplomaten zu erwarten, fügte er noch hinzu, daß „sein Grund zur Annahme vorhanden sei, daß zwischen Rußland und Schweden eine unfreundliche Stimmung herrsche.” Nun, Lord Palmerston durfte eben nnt Alles sagen, was er wußte ; denn wie wir neuerdings erfahren, geht die Parteinahme für die polnische Bewegung im Schweden ganz offen vor sich. An verschiedenen Orten des Landes ist man mit der Herstellung von Drudereien beschäftigt, um Zeitungen, Slugschriften und Proklamationen in russischer Sprache herzustellen, um, wo Herzen in einer der neuesten Nummern ded „Kolofol” offen erklärt, die Branpfadel ver Revolution nach Rußland zu werfen. Daß Bafunin in Stodholm politisch sehr thätig ist, haben die Zeitungen bereits gemeldet ; auch ein Sohn von Herzen fol jegt mit einer Mission dort eingetroffen sein. Endlich wurden auch Waffen und Pulver von den fehwenischen Inseln aus an die russische Küste geschafft. Unser Wiener R.-Korrespondent weist darauf hin, weil fen man sich von Preußen zu versehen hat, und daß die Federkonvention zu einem Offensiv- und Defensivbündniß heranreifen müsste; auch anderseitige Berichte lassen Ähnliches besorgen. Eon Hit regt in Paris die Rede von einer bevorstehenden Zusammenkunft des Kaliıs von Rußland mit dem König von Preußen. Und der Berliner Korrespondent der „Europe“ fehildert die Hoffnungen der dortigen Junferfreife dahin, daß das Zusammengehen Preußens mit Rußland zur Folge haben werde, daß England und Oesterreich sich neutral verhalten werden ; Im Falle Frankreich faktisch interveniren wollte, — die Freunde des Herrn v. Bismarc vergeffen dabei ganz, das Frankreich kaum mehr von den beiden genannten Mächten verlangt als ihre Neutralität , indem es nicht ohne Überhesbung fi ber Hoffnung hingeben kann, im Bunte mit Schweden und der polnischen Bewegung £ 8 mit dem preuz Bischeruffischen Bündnis Fühn aufnehmen zu können. Detail vom Kampfplatz haben wir heute ferne auszuführen. Der Berliner „Staatsanz.” bementirt das von verschiedenen Zeitungen verbreitete Gerücht von einem ernstlicheren Zusammenstoße preußischer Truppen und Insurgenten im Pleschener Kreise, er habe blos eine widerstandslose Festnahme von Fahrzeugen mit Skriegamaterial und Menschen stattgefunden. In Konstantinopel haben die Vertreter der sechs Mächte eine Kollettionote an die Pforte wegen des Stafpestorates bei Donaumündungen gesandt. Wie aus Newyork vom 4. März gemeldet wird, war der Gouverneur von Dehio durch den Sherif der zu jenem Staate gehörigen Fairfield County wegen unbefugter Einsperbung eines Mitgliedes der gesebgebenden Versammlung verhaftet, aber gegen Erlegung einer Kaution wieder in Freiheit gerecht worden, um im Sunt vor Gericht gestellt zu werden. R. Wien, 20. April. Lord Bloomfield hatte gestern eine längere Konferenz mit dem Grafen Nedberg. Man versichert, was der Lord bei dieser Gelegenheit neuerdings darauf hingewiesen hat, daß England die bisher beobachtete Neutralität nicht aufgeben werde. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist auch von Oesterreich seine andere Politik zu erwarten, da man weder mit Frankreich durch Did und Dünn gehen, noch sich an Rußland anschließen will, obwohl in tiefer lebteren Nichtung von ein=flußreicher Seite fortwährend agitirt wird.s Läßt sich jedoch ni s erkennen, daß in neuster Zeit diese Bestrebung sehr tel von ihrer Gefährlichkeit verloren hat, und wird man kaum irren, wenn man diese Thatsache mit gewissen Enthüllungen in Verbindung bringt, welche über die Bedeutung der russischen Pläne seinen Zweifel übrig raffen und nur bestätigen, was ohnehin kein Geheimnis mehr ifit, a Sehr Politis hauptsächlich gegen Oesterrrich gesichtet ist. Die Nachrichten aus Berlin lauten sehr berenf[ig und betrachtet man es hier Feinsawegs als unwahrscheinlich, dag ter Vertrag vom 8. Februar in ein förmliches Bündnis übergeht. Daß man es hier keineswegs mit bloßen Zeitungsnachrichten zu thun hat , beweist schon der Umstand, daß sicherem Bernehmen nach unser Kabine bereits Veranlassung genommen hat, in Berlin auf die Gesfahren hinzuweisen, welche ein solcher Schritt für den europäischen Srhevden haben müßte. Daß diese Besorgnisse nicht unbegründet sind und Preußen von französischen Plänen nicht besser In die Hände arbeiten könnte, als wenn es die Konvention vom 8. Februar zu einem förmlichen Allianzvertrage mit Rußland erweitert, bedarf wohl keiner weiteren Auseinanderlögung. = Wien, 19. April. Für den Bau junger Bahnen scheint fest eine sehwierige Zeit anzubrechen. Die Veranlassung bietet hiezu der schon vor einiger Zeit bekannt gewordene Erlaß des Finanzministeriums, nach welchem die Auszahlung der Staatssubvention an die Bahnverwaltungen erst dann erfolgen sol , wenn die Rechnungen richtig gestellt sind. Dardurch Fünnen die Bahnverwaltungen sehr leicht in die Lage kommen, ihre Koupons nicht einlösen zu können. Der Koupon der Theißbahn is meines Erinnerns im Mai fällig; für sie würde die Gefahr zunächst drohend sein, wenn die Verfügung des Finanzminiters aufrechterhalten und durchgeführt würde. Die Verwaltung der Theisbahn hat deshalb eine Vorstellung an das Finanzministerium gerichtet, in welcher auf die Bedenken, welche der erwähnten Maßregel entgegenstehen und die Gefahren, welche sie mit fi bringt, hingewirfen wird. Man sieht in den betheiligten Kreisen der Entfehelung mit Spannung entgegen. Es ist nahe liegend, daß der Ausfall verselben für die projektirten Bahnen nicht gleichgiltig sein kann. Und Infoferne und eben mit Rücksicht auf die projektirten Bahnlinien Großwardein- Klausenburg um Arad-Hermannstadt verdient der Vorfall auch in Ungarn Aufmerksamkeit. Denn das Kapital, welches sich nur solten und vorsichtig an die neuen Unternehmungen wagt, würde gewiß gründlich zurückgefähredt, mein Infolge verweigerter Subventiongleistung bei einem Koupons-Beifaldtermin nicht die nöthigen Gelder vorhanden wären, um die Koupons einzulösen, und die Aktionäre si etwa mit einer Sheilzahlung begnügen mußten, soweit sie eben aus den eigenen Einnahmen der Bahnverwaltung geleistet werden könnte. Oesterreich und Polen. „Es ist nicht das erste Mal, daß der Lauf der Ereignisse Oesterreich mahnt, den großen Fehler der ersten Theilung Polens wieder gut zu machen. Damals fehmiedete er die Kette, die seine Politik an Rußland fesselt, und troß seiner unwohlbefannten Abneigung , troß der dringenden AuffürDie Nothwendigkeit, ven drei in St. Petersburg übergebenen Depeschen durch weitere Schritte einen vprastischen Erfolg zu sichern, senft Die Blide der Politiker vorzüglich auf Oesterreich, welches in der Lage ist, den Forderungen der Westmächte den meisten Nachbruch zu verleihen, so wie ed auch durch die Entwicklung der polnischen Angelegenheit am unmittelbarsten berührt wird. Allein während jene dirplomatische Mairegel in Beziehung auf England und grant reich nur als der Anfang einer weitgehenden Thätigkelt betrachtet wird, scheint sie nach mehreren Anzeichen der Tetten Tage das Arußerste zu sein, was Oesterreich für Polen thungt. Der „Temps“, ein Journal, welches eine entfehieden liberale Gesinnung mit einer in Frankreich seltenen Kenntnis des Auslandes verbindet, äußert sich über diese Haltung Oesterreichs in folgender Werfederung seiner wichtigsten Interessen , hat 68 sich nicht entschließen können, diese Kette zu brechen. Im Jahre 1815 trieb Fürst Metternich zu dem Vertrage vom 3. Jänner zwischen Ftankreich, England und Oesterreich gegen Rußland und Preußen , doch willigte er schließlich im die Auflösung des Herzogthums Warschau und verlangte für Desterreich nur eine militärisch annehmbare Grenze. 1831 stand das Wiener Kabinet wie heute zwischen der Furt , Galizien zu verlieren, im gal ver Aufstand firgte , oder Rußland übermächtig zu sehen, wenn Polen niedergeworfen würde. Es begnügte sich damals wie fest, besser zu fen, als Preußen, indem es die Flüchtlinge menschlich behandelte und gegen die Einverleibung Polens protestirte. Auch im orientalischen Kriege blieb Desterreich mit dem Gewehr im Armutehen und zog eine foftspielige Neutralität einem Kampfe vor, dessen Erfolg sicher war, und Rußland in Polen und im Orient zugleich würde zurückgeworfen haben. Man weiß, was diese unentschiedene Politik Desterreich gewüßt hat, es verlor die Freundschaft Rußlands so gut wie jene der Westmächte, mit einem Worte, es blieb trolirt. Sol ft heute dasselbe Schauspiel wiederholen ? Wenn der Wiener Hof, wie man sagt, die Grenze einer diplomatischen Thät’gkeit nicht überschreiten will, so hätte er besser gethan, sich ganz abseits zu halten ; denn, wie wenig er auch thun mag, Rußland wird immer finden , daß er zu viel ist, und wird ihm vorwerfen,, das er die Solidarität zwischen den theilenden Mächten aufgab während die Anhänger einer Wiederherstellung Polens sich über seine Unthätigkeit belagen werden. Durch solche Zögerungen schadet Oesterreich vor Allem sich selbst. Eine vermittelnde Politik ist wesentlich eine Politik ver Nothbehelfe, und hat somit seinen Bestand. Endlich kommt noch einmal der Tag, wo man Partei nehmen muß, und vieleicht sind gerade damals die Umstände ungünstig. So lange Polen ein unabhängiger Staat war, war es auch Defterrens natürlicher Bundesgenosse. Noch gezwiffer müßte es fest diese Stellung einnehmen, wo es bez flimmt sein würde, als Schranke gegen dass Vorbringen Naßlands zu dienen. Die Herstellung Polens würde Desterreich dm Defent freie Hand schaffen. Man wergelte nicht, daß Desterreich erst seit etwa einem Jahrhundert die Erhaltung des türkischen Reiches um jeden Pfeid unter seine politischen Glaubensartikel aufgenommen hat. Ern von dem Tage an, wo Rußland in das europäische Staatensystem eintrat und im Orient das Testament Peters des Großen durchzuführen unternahm, entsagte Oesterreich aller Vergrößerung auf Kosten der Türfel. Seine Rolle verwandelte sich in ihr Gegentheil, und im Widerspruch zu der ruhmvollen Tradition des Paffardchser Friedens feste Desterreich mit einer kurzen Unterbrechung unter Joseph EL seinen Chrgelz darein, die Tűrfet gegen jeden Angriff zu fchnigen. Anstatt die Fürstenthümer in Bezug zu nehmen, wozu er mehr als einmal Gelegenheit hatte, schäßte es sich alüblich, wenn sie nur nicht in ruffische Hände fielen. Oesterreich verhielt sich feindselig gegen den griechischen Aufstand , den es ein Jahrhundert früher begünstigt haben würde, weil es darin ruffische Umtriebe erblichte. Den dem Gespenst des Panflavismus, erfehredt welcher die Hälfte seiner Provinzen bedroht, führt es gegen Rußland einen fhien Krieg um den größern Einfluß und bleibt darin selten ver Sieger. Es versplittert seine Kräfte in diesem Kampfe, anstatt der Gefahr ins Auge zu sehen und sie, abzuwenden durch die Errichtung eines unabhängigen Bolffs an seiner Seite, dessen Freundschaft ihm erlauben würde , seinem natürlichen Trieb zur Ausdehnung zu folgen. Auf solche Art kann Orsterreich ich augenblickliche Verlegenheiten ersparen , aber die Geschichte zeigt, daß sie dann viel stärker In späterer Zeit wiederkehren. Im ber That hat die bessere Abgrenzung nach Osten, welche Desterzreich im Jahre 1815 erhielt, nicht verhindert, was es die Uebermacht Rußlands in Konstantinopel und in Europa empfinden mußte. Seine Neutralität im Jahre 1831 macjte Ni tolaus auf zwanzig Jahre zum Gebieter von Europa. Die zaghafte Politik von 1854 hat Desterreich vereinzelt und machtlos ven Berwidlungen in Italien entgegengehen lassen. So wurde die Freiheit der Handlung für Desterreich thatsächlich immer mehr beschränkt weil er zu sehr Darauf hielt, sie zu bewahren, wo sein wahres Lateresse forderte, daß es Partei nehmen und die Neutralität für andere Besten verschieben sollte.” Die venetianischen Diplomaten. Es kann keine Trage sein, daß die heutigen Diplomaten an politiser Geltung außerordentlich verloren haben, und daß ihre resige Rolle nur der Schatten ist der Rolle, die sie z. B. noch in der Zeit von 1815 bis 1853 spielten. Um fr üher die Ursachen dieser veränderten Stellungbar zu werden, müssen wie zurückkehren zu den ersten Reimen der europäischen Diplomatie, die ganz sicherlich nicht weiter zurückreichen als zum Ende des 15. Jahrhunderts. Wohl gab es von vor dieser Zeit Gesandtschaften und Gesandtschaftsberichte, aber alle diese Sendungen hatten nur bestimmte Geschäfte im Auge, nach deren Erledigung der Botschafter heimferte. Damals aber fam die dauernde Befondung der Höfe in Gebrauch , und namentlich die Nepublik Venedig unterhielt am frühesten dauernde Verbindungen mit den europäischen Höfen. Durch Ranke haben die venetianischen Gesandtschaftsberichte zuerst wieder ihre Renaissance als Urkunden von dem höchsten Historifen Werthe gefeiert, bis die vorzüglichsten durch Alberi gebracht und jedermann zugänglich gemacht wurden. U. v. Reumont verbauten wir einen interessanten Cfjay über die Organisation des Botschaftermeiens , und seht Hat Armand Ba het nach archivalischen Studien ein großes Werk über die venetianischen Gesandtschaftsberichte herauszugeben begonnen. *) Die venetianisgen Urkunden zerfallen ihrem Inhalt nach in zwei Gattungen, nämlich in Depeschen (dispacci) und in Berichte Crelazioni). Die ersten wurden auf der Reise oder an den fremden Höfen geschrieben, und enthielten Neuigkeiten sowie Nachrichten über die Entwicklung der aufgetragenen Gräfte, die Relationen dagegen waren publizistische Aufläse über die politische Macht, bei welcher der Botschafter beglaubigt gewesen war, und wurden Innerhalb der ersten 14 Tage nach der Rückkahr des Botschafters verfaßt und unter Grigavria verlesen. Der Brand der Dogenkanzlet im Jahre 1577 hat die älteren Terte vor 1492 auf immer zerstört, fs hat man fortlaufende Berichte erst selt jenem Sabre befist. Daß ältere vorhanden waren, weiß man ganz sicher , weil Gesehe über Abfasfung solcher Schriften fon aus den Jahren 1268 und 1296 vorhanden sind. Die alten stnatsweiten Benetianer hatten unter andern auch vorgeschrieben, daß Feiner der Ignizgen in ein Land als Gesandter gehen dürfe, wo er Befibungen habe, und daß er bei seiner Noüdfede alle empfangenen Geschenke abliefern mane — nin Orfeh, welches die Briten auch bei ihrer asiatischen Diplomatie eingeführt haben. Au wurde den Diplomaten die Lehre eingeschärft, „va Un vorfigtigtett so gefährlich sel wie Untreue". Die Relationen bei der Rückehr sind anerkannte Meisterwerke Historischer und politischer Darstellung, und jeder Publizist, der sie nicht eifrig siudirt, versäumt die Benuhung eines der höchsten Bildungsmittel. Sie waren all für die Zeitgenossen, die sie feifch empfingen, für Die Benetianer, ein politisches Ereigniß, ein größeres Ereignis als Reden von Thiers oder von Guizot in der Deputittenkammer der Julimonarchie für die Pariser gewesen sind. Die Botschafter hatten aber auch ganz eigenthümliche Aufträge: Sie sollten nu blos die fremden Höfe überwachen und an die heimatliche Politik reisen, sondern an das fremde Land selbst beschreiben, und zwar seine Lage nach Längen- und Breitengraden , feine Ausdeinung , feine Eintheilung in Provinzen feine Städte und Häfen, den Lauf der Flüsse, die Gebirge, die Sitten des Volles, die Ein- und Ausfuhren, die Regierungsform u. |. w. In der, That mußten sich niefe Diplomaten solche genaue gengraphische Kenntnisse zu verschaffe n,, Vag fiz „fremde Länder oft besser kannten als die Eingebornen selbst." Nicht blos vie Depishen, sondern all die Relationen wurden geheim gehalten, wie Herr Barchet glänzend nachgewiesen hat. Die Botschafter mußten sogar beschwören , daß sie keine Abschrift von ihren Berichten hatten nehmen Hafen. Dennoch finden sich zahlreiche Sammlungen der venetianischen Relationen in allen Bibliotheken Europa’s , ganz besonders häufig aber in Rom, Florenz und in den Bibliotheken fürstlicher Häuser Italiens. Alle diese Urkunden müsen entwendet worden sein. vielleicht wird man sich vorstellen, dag ein Beifh fter, der ein solches bewundertes Meisterstüd verfaßt hatte, aus Eitelkeit seine Verbreitung befürderte oder Durch die Singer sah, wenn Andere es befürderten. Allein Herr Barchet hat mit Nether tiefen, daß es den Botschaftern selbst am Herzen liegen mußte biese Schriftflüchte geheim zu halten, denn sile waren nur für vertrauliche Mittheilungen geeignet. Die Gesandten sprechen sich nämlich mit großer Freiheit über die maßgebenden Personen an fremden Hifen aus, und ihre viel bewunderten Porträts Historischer Charaktere sind viel zu treu, als daß sie den Urbildern hätten gefallen können. Nun muß man einen seltsamen Begriff von einem Diplomaten haben, wenn man glauben sollte, daß ihm ein Bekanntwerden solcher Aeußerungen je hätte willkommen sein sollen, denn er mußte ich auf's Höchste den Personen gegenüber beschämt fühlen, mit denen er früher in geselliger Vertraulichkeit gelebt hatte. Here Barchet bes weit uns sogar aus den Deptschen selbst, dag ein Botschafter mit größter Bestürzung nach Hause meldet, das er folge venetianishe Urkunden in einer englischen Bibliothek angetroffen habe. Verglichen mit den Geschäften der heutigen Diplomatie war die Aufgabe der venetianischen Botschafter eine wesentlich verfriedene. Wenn wir einen venetianischen Bericht aufschlagen, so finden wir stets, daß sich der Gesandte zuerst mit den Finanzen des fremden Reiches beschäftigt. Er gibt die Einkünfte der Fürsten und ihrer Vasallen an, er bereinet dann die Truppenmacht, die ein Staat auffallen kann, er gibt sogar die Besoldungshöhe an, auch vergißt er nicht die Nassanıszeit der Hilfsquellen eines Staates zu schildern, feinen Aderbau, feinen Handel, feine Gewerbe, die Dichtigkeit der Bevölkerung u. s. w. Damals, wo man keine anderen Hilfsmittel hatte, als die persönliche Erforschung solcher Verhältnisse, war diese Ermittlung der Botschafter ihre wichtigste Aufgabe: Diese Dienste der Diplomaten sind in andere Hände übergegangen. Wenn man fest einen gothaischen Stantekalender zu Hilfe nimmt, so kann man in Bezug auf die Gegenwart viel schärter und genauer die Stärke der Berfer und Staaten abgehoben, ab es jemals den venetianischen Botschaftern möglich war. Heutzutage mußss der Diplomat selbst beim Statistiker Rats erholen, und mit Hilfe der Statistik, die ein Gemeingut aller Nationen geworben ist, sind die inneren Triebkräfte der verschiedenen Nationen so burfihtig und verständlich gestorben, wie ein Uhrwerk nach Entfernung des Gehäuses. Die andere Aufgabe der Botschafter aber bestand darin, die geistigen Fähigkeiten und die politischen Ziele der zeit beherrschenden Männer zu erforschen. Die alten Benetianer waren darin Meister. Sie versaumten nichts und Niemand, mochte er vielleicht auch noch unscheinbar sein ; selbst bis auf die unerwachsenen Prinzen und Prinzessinen erstrebte sich ihre Beobachtung. Wer hätte jemals in ihrer Jugend daran getat, bat Katharina v. Medicis die Gefichde Europa’s mit mächtigem Griffe erfafsen würde? Sie war noch ein Kind (fanevilla) von 13 Jahren, als sie Antonio Suriano sah. Außer ihrer Lebhaftigkeit machte sie sich ihm durch nichts bemerklich ; da höre man seine bedeutsamen Worte: „Sie ist Hein von Wuchs, mager und ohne feine Züge im Gesicht; ihre Augen sind groß, ganz wie biz des mebhälschen Hauses." Welche merkwürdige Beobachtungin unbedeutendes Kind, für das man ein unbedeutendes Schiefer voraussah , aber doch Has Melicherauge ! Man fühlt auch hier wieder, daß die Aufgabe der Diplomatie in andere Hände übergegangen ist. Das Schidsal der Völker hängt sehr viel weniger von einzelnen Personen und von den Entschlüssen großer Staatsmänner ab. In den Staaten, wo freie Verfassungen, parlamentarische Gewalten , politiscches Verständniß bei den zahlreichen Staffen ver Gesellshaft und eine freie Presse vorhanden sind, da hängt die Wahl politischer Wege nicht mehr von Einzelnen ab. Gelbst Staatsmänner höchsten Ranges sind abhängig geworden von den unberechenbaren Capricn beffen , was man die öffentliche Meinung nennt. Nicht einmal das Gute , das Nothwendige, das Zeitgemäße laßt sich mehr Durchführen wie zu Zeiten Richelieus, Ludwigs XIV., Priors des Großen, Maria Theresia’s , sondern überall muß die öffentliche Meinung gewonnen werden. Wir haben keine leitenden Personen mehr , selbst solche, die ee zu sein scheinen, von denen man glaubt, das Schicsal unseres Welttheiles Tiege in ihren Händen , selbst sie sind abhängig , abhängiger als man ahnt, von den Urtheilen nicht blos des eigenen, sondern sogar der fremden Völker. Sie selbst gäben etwas darum, wenn sie stets wüßten, was man von ihnen buchte. Sie hüten. Ich , aufs Aeußerste gegen die öffentlice Meinung zu verstoßen, und sie wissen ganz genau, daß, wenn sie etwas gegen die öffentliche Meinung unternehmen, ein glänzender Erfolg sie rechtfertigen muß, oder sie ihren Krevit verspielt habe. . Worauf beschränken sich z. B. die Dienste eines Botschafters am britischen Hofe ? Vermag er zu ermitteln, ob wo in vier Wochen Wiige oder Tortes im Amt sein werden ? Wenn er es vermag, woraus schöpfte er seine besten Kenntnisse? Aus der Stimmung des Parlaments, and der Preffernft aus den nämligen Quellen, nach denen er jeder Andere auch sein Urtheil bildet. Was kann ein Botschafter, der scharfsinnigste, aus Paris geht melden ? Kann er sagen, was Napoleon III. noch in Bezug auf den polnischen Aufstand thun wird ? Er wird sicherlich thun, was er nicht lassen kann. Er ist abhängig vom Gang der Ereignisse, abhängig von dem, was die Mitspieler an dem europäischen Kartenspiel thun werden, von ihren Fehlern, von ihrer Wissheit, von der Stimmung der Franzosen, von den Begierden seiner Armee nach Avarcement und Oloire,, er ist abhängig von den Grundlagen, zu denen er sich einmal bekannt hat, denen er seinen Kredit und die Meinung von seiner politischen Weisheit verdankt. Wer in Paris‘, wer um den Kaiser lebt, wird Vieles in der Nähe lehen , und in der Nähe sieht Vieles anders aus als in der Gerre, und in den Zeitungen sieht oft Birles anders aus, ale in der Wirklichkeit , ja oft sieht man in den Zeitungen alles Andere nur die Wirklichkeit nicht. Es ist also gewiß von grossem B Vortheil ein paar gesunde Augen an einem fremden Hofe zu haben, aber der Werth der Dienste, die sie zu leisten vermögen, hat sich außerordentli vermindert. Die Presse hat ihnen eine Aufgabe nach der andern entriffen,, die Telegraphen selbst den Gebrauch der Karriere abgeschafft. Nichte war der zeichnender für den Verfall der Diplomatie, als das Herr Tshonvenel den Gebrauch einführte , seine Noten sogleich auch die Presse zu veröffentlichen. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Kabineten sucht man fest sehr oft den Weg, sich durch die Prefse zu bekämpfen. Der diplomatische Schriftenfig! legt Rücksichten auf, die eine wirksame Polemik , ein Umfimmen der öffentlichen Meinung zur Bewältigung des Gegners erschweren oder geradezu verbieten. Man schnl fch daher für genannte amtliche Blätter , allein auch diese legten Rücksichten auf , die noch Hinderlich waren. Zulegt ward der Kampf meistens nur in der halbamtlichen Presse geführt, wo die Verantwortung auf Privatpersonen zurückhält. Wir glauben daher, daß mit der wachsenden Deffentheit des politischen Lebens und dermnwachsenden Durchsichtigkeit aller Staatsgewalten, die Diplomatie mehr und mehr an durcgreifender Wirksamkeit verlieren muß , so daß diejenigen Köpfe und Charaktere, die sich für eine politische Rolle geboren fühlen, nur mehr für dieses Fach, sondern für das öffentliche Auftreten sich ausbilden werden. (UA—b.) = Große, medizinifge Preisbewerbung. Der im vorigen Sabre verstorbene Lelbarzt des Königs Viktor Emanuel von Italien, Dr. Ribert, hat der Wissenschaft ein wahrhaft großartiges Vermächtniß hinterlassen und zum Eremitor seines Testaments die medizinische Akademie zu Turin ernannt, welche bekannt macht, daß das beste Wort aus dem Gebiete der medizinisfirurgischen Wissenschaft, welches anerkanntermaßen zum Fortschritt derselben beiträgt, einen Preis von 20.000 Lire (France) erhalten soll ein wahrhaft königlicer Preis, wie er felten den Gelehrten geboten wird. Die Sri Fri Bewerbung ist bis zum 31. Dezember 1864 ausgedehnt,, und können auch gebruchte Werke, die vom 1. Jänner 1862 an bis zum 31. Dezember 1864 erscheinen, daran Theil nehmen , gleichniel , ob sie in italienischer , lateinischer oder französischer Sprache verfaßt sind. Die genannte Akademie ernennt die Prüfungskommission und macht das Ergebnis bis zum Juli 1865 bekannt. Doc damit ist Diese Preisbewerbung noch nicht erfhöbft ; denn Dr. Ribert hat sieben solche Preise von 20,000 Kire ausgelegt, so bag alle drei Jahre ein solcher zuerkannt werden sol, mithin 21 Jahre lang die gelehrte Welt sich damit beschäftigen Fan, = Bon Pierre Leroug is ein philosophiges Gedicht „La Greve de Samarez” bei Dentu erfahrenen. In der ersten Lieferung behandelt er das Abendmahlsdogma vom philosophischen Standpunkte aus , er erblicht in demselben die Grundlage des rationellen Glaubens und des Glücks der Menschheit. * Die Verwaltung der öffentlichen Unterfrügung zu Paris hat tiefer Tage eine Senkung ganz eigenthümlicher Art nach Neu-Kaledonien befürdert. Es sind bild 20 junge Mädchen zwischen 15 und 22 Jahren, welche dazu bestimmt sind, unter den Auspizien der Regierung an französische Anfiedter meistens frühere Militärs, welche nach siebenjährigem Dienste Aderbauer oder Handwerker geworben, verehelicht zu werden. Man hat dieselben, mit ihrem Einverstänniß, unter den kräftigsten und intelligentesten der Etablissements der öffentlichen Unterflagung ausgewählt und sie auch mit offendie Ausflattung werden, zu welcher die Kaiserin durch das Geschenn eines Shaws an Lebe B.fgetragen hat. Diese zwanzig heirathn- und reifelustigen Jungfrauen sind bereits nach Lorient abgegangen und werben von dort unter Begleitung und Aufsicht mehrerer Geislichen, welche sie bis an ihren Bestimmungsort bringen sollen, auf dem Dampfer , Hulton" eingeschifft werden, a ne $) La Diplomatie Vövitienne, — Les princes de l’Europe au XVI, Sieele, Paris 1852,