Pester Lloyd - Abendblatt, Oktober 1864 (Jahrgang 11, nr. 224-248)

1864-10-19 / nr. 239

.=Die Ministerkrise in Wien mag,wiew­­iele Korrespondenten wissen wollen­ wieder zu einer Vereinba­­rung geführt haben;jedenfalls haben die alten Gegensätze sich von Neuem gelten­d gemacht und es ist von hohem Interesse, sowohl dasjenige was auf die Stellung der einzelnen Minister zur Krise Bezug hat,als auch die Bemerkungen kenn­enzuler­­nen,welche die unabhängigen Journale an die Situation knü­­pfen.In ersterer Beziehung wird berichtet: Der Finanzminister mußte auf Beschluß des Ministerrates und ganz besonders auf die Einflußnahme des Ministerpräsidenten,Sr.kaiserlichen«Hoheit Erzherzngainer, die befolgte kleinliche Politik aufgeben-Im auswärtigen Amt und im Staatsministerium—schreibt­ ein Berichterstatter der»Bohem."—soll man von dem Entsch­luß des Grafen Rechberg,sein Portefeuille einer jüngeren Per­­sönlichkeit übergeben zu wollen,ohne besondere Geheimniß­­thuntersprechen.Graf Rechberg habe von hoher Seite erfahren, das»SezMajestät d­ie Situation,in welcher sich gegenwärtig Oeterterchin«der äußeren Politik befindet,seineswegs als eine äu­ßerst glückliche erkenne.Dies soll den bereits früher gehegten Wunsch des Grafen,sein Portefeuille niederzulegen,zum festen Entschlußewandelt haben­.——Dagegen berichtet ein offiziöser Berlinerorrespondent,Graf Reb­bera habe Andeutungen nach Berlin gelangen lassen,er werde sich nicht auf seinem Postent zu erhalten vem­ögen,falls nicht Preußen in der Handels­­frage prinzipielle Zugeständnisse an Oesterreich machen sollte. Und in der»That wird von eben daher­ dem,,thd.«telegra­­phirt:Bismarck wird in einigen Tagen zurückkehren,um in der Zollfrage zu Gunsten Ides­ österreichischen Forderungen einzutreten.Der preußische Ministerpräsi­­dent würde damit allerdings nur sein gegebenes Wort vom 25. August einhalten. Iin seiner mehr erwähnten, aus Schönbrunn datirten De­weihe hob er nämlich ansprüchlich hervor, „daß Preußen sich über die Aufgabe der Berhhandlungen mit Oesterreich in der Hauptfache im Cin­verständniß befände.“ Diese Aufgaben sollten ni­cht bLo3 die Erledigung einzelner Punkte (möglichste Annäherung der bisherigen Tarife ; Erleichterung des Abfertigungsverfah­­rens ; Grmäßigung und resp. Beseitigung der Zmwischenverkehrs­­zölle und der Durchfuhrsabgaben) betreffen, sondern es heißt auch in der zitierten Depesche ausdrüchlich: „Wir wollen die Aufgabe der Berathungen nicht blos mit diesen einzelnen Brit­ten für erschöpft bezeichnen ; wir können aber bie in der Depe­­sche vom 28. Juni in den Vordergrund gestellte Frage der Bolleinigung nur in der Form einer Vorbedim­gung der Unterh­andlungen entscheiden, sondern wir sehen in der Stellung des künftigen Zollvereines zu dem Prinzipe der Bolleinigung einen der Gegenstände der beabsichtigten Verhandlungen.” C3 wird hier also die Aussicht auf die Zoll­­einigung nir nur als reine Unmöglichkeit, sondern als eine Folge der Verhandlungen und ihrer Resultate bezeichnet. E3 wird dann ferner von Herrn v. Bismarc versichert, daß die Ratifikation des französischen Vertrages nicht unmittelbar bevor­­stehe, da Preußen sowohl wie seine Zollverbündeten noch über einige Abänderungen und Ergänzungen dieses Vertrages in Paris zu unterhandeln hätten und „sie daher nicht in die Lage kämen, die Nazifikationen des Vertrages eher vornehmen zu müssen, als der Versuch der Verständigung mit Oesterreich ge­­mat und sich das Ergebniß desselben überfeben ließe.” — Nun, Graf Medberg traute diesen Worten; in Berlin aber vergaß man sie nur zu bald. ‚, Wie das , Baterle." versichert, ist eg dbiefe tage, be­­züglich deren sich im Ministerrathe eine Differenz fundgab , baz gegen sei die Konvention vom 15. September im Ministerrathe überhaupt noch gar nit zur Sprache gekommen und konnte daher auch eine Disfussion über neue Allianzen dort noch gar nit angeregt sein. — Heute handelt es sich darum, daßs im Ministerium sich die Ansicht geltend machen will, es sei nun Beit,, alle weiteren Verh­anplungsversuche mit BPzeugen über die Beziehungen Deiter­heide zum Bollvereine aufzugeben. Graf Ned­­berg aber erblicht in dieser Anschauung, die Sonstatirung einer Niederlage seiner bisher gegen Preußen beobachteten Han­­delöpolitif, und nicht bios seiner Handelöpolitif,, sondern auch seiner in den übrigen Fragen gegen Preußen beobachteten Hal­tung, und it darum eventuell zum Austritt entschlossen. Es wird nun nur noch die N­üdtfehr des Herrn v. Bismarc abgewartet. ·­­ «­­ Ganz anders möchten die«,,Presse«'und,,Morgenpost'«die Situation auffassen;das erstgenannte Blatt sagt: »Wenn im Bereich der inneren Politik nur,bles Man­­ches,sondern sehr viel unterblieben ist,was uneiingt hätte geschehen sollen,wenn drei Jahre unbenutzt verstticken,bevor man sich entschloß,an die Berufung des ungarischen Landtages n­ur zu»dienten;wenn dem Reichsrathe nur immer ein Budget, einekittt um das andere,aber selten ein Gesetzesentwurf mit freisinnigen,was Selbstgefühl der Völker erhebenden Bestim­­mungen vorgelegt wurde, so bezeichnet all dies ein Stoden und Stauen der Entwickklung, von welchem wir den Minister des Aeußeren eben so wenig freisprechen können , als seine Kollegen. Er mußte, um Oesterreichs auswärtige Lage zu erleichtern, zum Fortschritte nach Innen drängen. 63 mußte ihm wesentli­charan liegen, die Gunst ver­öffentlichen Mei­nung nu­ blos in Europa, sondern auch im eigenen Lande zu erlangen. That er in dieser Richtung zu wenig, so war bag ein Fehler, aber die Schuld trifft nicht allein ihn, sondern noch mehr das Gesammtministerium. Man frage uns daher nit, daß, sobald nur die Eine Strömung im Kabinett Oberhand bekomme, Alles vortrefflich sein werde. Wir sind außer Stande, den angeblichen Gegensat zwischen dem inneren und äußeren Leben unseren Staates wahrzunehmen. Alle der­­artigen Aufstellungen laufen unseren Grachtens auf Schönfär­­berei und Phraseologie hinaus. Die Krise, mit welcher sich das Publikum seit längerer Zeit belästigt , scheint uns nir in den Personen‘, sondern in der Sache selbst zu liegen. 63 ist ein bringendes Bedürfniß, aß wir uns von der lähmenden und erfüidenden Zärtlichkeit Preußens einigermaßen befreien und zu Deutschland und dem westlichen Europa in erneuert freundschaftliche Beziehungen tre­­ten; e ist aber gewiß ebenso unerläßlie, daß wir rüftig vor­­wärts schreiten auf der Bahn der Verfassung , und daß unser ganzes Negierungssystem mit konstitutionellem Geiste in Wahr­­heit erfüllt sei. Mit einem partiellen Ministerwechsel, mit dem Rückzuge einiger Persönlichkeiten wäre nichts geholfen. Was wir brauchen, um zu gesunden, ist ein fruchtbare Programm, ein positives Fortschrittssystem. Jedes Ministerium , das nus mit solchen Vorlagen entgegenkommt, sol una willkommen sein, sei er das gegenwärtige , sei es ein neues. Aber eine aufrich­­tige Darlegung solcher Vorläge und deren Bewährung duch Thaten wünschen wir mit Entschiedenheit, und wir fen­nen zurzeit feinen Ramen in Oesterreich, Ba­cloger Klang eine derartige Kundgebung entbehrlich machte.“ Tiefer geht die „Map.“ in die Frage ein und meint : „Bahlreiche Thatsachen Liegen vor, welche die Gristenz einer M­inisterkisis wenigstens nicht unwahrscheinlich machen. Nach Außen und nach Innen hat die P­olitik des gegenwärti­­gen Ministeriums keine Grfolge zu verzeichnen. Man erwartet deshalb etwas Anderes, etwas Neues. In dieser Beziehung hat die Stimmung unverkennbare Aehnlichkeiten mit jener , die im Jahre 1860, einige Wochen nach dem Ch­asse des Oktoberdiplo­­mes, beru­hend wurde. Bon Yenverungen wird ganz allgemein gesprochen. CS ist so genommen, weil wir drei lange Jahre nicht fortgeschritten sind. Die Versonen stehen diesmal in zwei­ter Neihe. Ob Nedberg oder Schmerling, ob Redhberg un­d Schwerling, welcher von ihnen geht, oder ob beide ihre Por­­tefeuilles nie verlegen, ob sie bleiben, das ist es nicht, wonach zuerst gefragt wird. Verständigung mit Frankreich, oder Fort­­ießung der „Allianz“ mit Preußen ; Verständigung mit Ungarn, oder Leithalten des Programmes bei Martens ; Fortschritt auf dem Gebiete der Geschgebung und der Verwaltung, oder Heine Aenderungen in dieser Beziehung ohne durchgreifenden Charak­­ter , Anbahnung einer neuen Finanz und Handelspolitik zur Sc­hließung der Quellen des Mohlstandes, oder Verharren in der bisherigen Xhatlosigkeit auf diesem Gebiete, Verharren bei den fiskalischen Grundlagen ; darüber sollen, wie man meint, nunmehr endgültige Beihlüfe, die nicht mehr aufzuschieben sind, an entscheidender­ Stelle gefaßt werden. In Detaillirung der Warteten übergehend , meint das Blatt, Ip­iel ihre Scheidung in den Au­ßern tragen sie­:

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