Pester Lloyd - Abendblatt, Oktober 1866 (Jahrgang 13, nr. 224-250)

1866-10-20 / nr. 241

Samstag,20.Oktober. Ne­al. (Die einzelne Nummer Toftet & Er. 6, HB.) „Belti Naple” bemerkt auf die Kommentare, die das Y.b.Handschreiben an­ den Herrn Hoflanz­­­er, wie unsere Leser wissen, in den Wiener Blättern ges­tunden : „Sast alle bedeutenderen Wiener Bläter drüden ihre Ver­­wunderung darüber aus, bab der ungarische Reichstag, wem doch bisher die N­egierung das erste Wort in der Verfassungsfrage der Monarchie geben wollte, noch nicht auf einen bestimmten Tag einberufen wurde. Diese Theilnahme der Wiener Blätter für die Konstitutionelle Thätigkeit Ungarns verdient unsere volle Anerkennung , indessen, wir gestehen es, wenn auch die Einbe­­rufung des ungarischen Neichstages und nahe angeht und wir vieselbe für sehr wichtig halten, so sind wir sowohl wie da publifum boch fest von geringe­­ren Erwartungen bezüglich des Erfolg des Neichstages erfüllt, als vor einem Jahre. Die Wiederherstelung unserer mit Recht geforderten gelegmäßigen Verhältnisse, sie ist es, die unsere auf den Reihe­­tag gelegten Hoffnungen wieder beleben kan ; und was Un­­garn vor Allem zu wissen wünscht, ist, ob die verfassungsmäßi­­gen V­erhältnisse wieder hergestellt oder entschieden negirt wer­­den. Von der Verwirklichung unseres Hauptverlangens hängt­­­­ es ab, ob wir wieder etwa­ an der Schwelle einer sterilen Ges­­sion stehen, oder ob­ wir die Segnungen einer­ wahrhaft schöpfe­­rischen und neuschaffenden Legislatur erwarten dürfen. Die einflußreicsten gegenwärtigen Nachge­­ber der Krone (wir wissen nicht,­ wer sie sind) sind in dieser Hauptfrage entweder der Meinung, daß die gerechten Forderungen der Nation ganz verweigert werden sollen, oder sie vermochten so zu seinem Entschluß zu gelan­­gen, und es kommen ihnen, ‚behufs ihrer, Entscheidung, noch die ein oder zwei, Wochen zugute‘, welche bis zum Aufhören der Epidemie noch vergehen­ werden. Der Grazer „Telegraph“ möchte dem Aufschub ver Einberufung gerne eine günstige Seite abgewinnen und sagt in dieser Beziehung : „Denn das A. b. Handschreiben auch bie in Pest:Dfen herrschende Epidemie als die Ursache dieser Verzögerung in der Wiederaufnahme der konstitutionellen Thätigkeit der ungarischen Landesvertretung angibt, so wird man 004 nicht fehlgehen, wenn man in dieser väterlichen Fürsorge Sr. Majestät auch noch eine Rücksicht eminent politischer Natur erblicht und man der A. b. Entschlickung eine dem Ausgleiche günstige Deutung beilegt. ES unterliegt nämlichh seinem Zweifel, dab nach der heute in Ungarn beru­henden Stimmung eine Vereins­barung über die reichsgemeinsamen Angelegenheiten durch den ungarischen Landtag ohne vorhergegangene Einlegung eines ungarischen verantwortlichen Ministeriums nicht zu gewärtigen ist. Mittheilungen, die uns aus Bett von vollkommen ver­­läßlicher Seite zugehen, stellen gewisse Imagen eine Selbst­auflösung des ungarischen Landtages für den Fall in sichere Aussicht, als sich die Regierung fortan weis­ern solte, die Konstitutionellen,, zur Unterhandlung mit der erbretung berufenen Organe in Thätigkeit zu geben. Der Landtag­ würde nach unserer Information, die wir für voll­ommen verläklich zu halten alle Ursache haben, eine Resolution fassen,in welcher er die Been­digung seiner Berathbungen auf der bi­serigen Grundlage des P­rovisoriums aussprechen­ wür­de. Man it in maßgebenden Krei­­sen gewiß über diese Stimmung in voller Kenntniß und wird die Zeit bis zur Einberufung des ungarischen Landtages­ sicher­­lich dazu benügen, um jene unerläßlichen Bedingungen zu erfüllen, wie sie ein Gelingen dor Ausgleichsbestrebungen erfordert.” Sagen wir­ es offen , wir können uns, so gerne wir es möchten, diesem Optimismus schwer anschließen ; wie sollte, in der That, was im Zeitraume von vielen Monaten nicht gelun­­gen, nun in wenigen Wochen errungen werden — die Welter­­zeugung der Negierungsmänner, hab bie restitutio in integrum unseres Berfaffungglebens zur unumgänglichen Nothwendigkeit geworden! „Magyar Bilág", dessen Beziehungen zur Regierung bekannt sind, beeilt sich denn auch, hinsichtlich der hinausgeschobenen Einberufung des­­ Reichstages , jeden Schein eines politischen Hintergewantens, fernzuhalten und erklärt an der Spibe seiner heutigen Nummer : „Wie wir im Privatwege erfahren, To­ll — falls die in ven legten Tagen wahrgenommene erfreuliche Abnahme der Cholera­konsequent fortschreitet, so daß auf ihr gänzliches Er­­leichen mit einiger Sicherheit gerechnet werden könnte — die Einberufung des Reichstages Sofort in kürzester Zeit zu erwarten, und es hängt nur von diesem günstigen Umstande ab, daßs der Reichstag gleichzeitig mit den transz­leithanischen Landtagen zusammentrete, — wie bie übrigens auch aus dem Inhalt des Allerh. Handschreibens von selbst folgt.” Wenn unsere Regierungsmänner die Art und Weise näher­ würdigen, in welcher die ausländische Breite, namentlich das Bismarc’sche Organ ‚den dur die Cholera m­otivirten Aufschub beleugtet, so dürften mnd sie, mit uns, bald zur Ueberzeugung gelangen, daß die schleunige Einberufung des Reichetags nim­mermehr von Abgeordneten oder der Stadt Beit jene Gefahr bringen kann, mit welcher der Aufschub­ desselben das Land, ja die ganze Monarchie bedroht. Es ist, in Wirk­­lichkeit nur zu wahr, neben der Choleraepidemie herricht seit geraumer Zeit hier zu Lande eine Epidemie ganz anderer Art, die Epidemie ver Zweifeld und des Mistrauens in die Erfolge der derzeitigen , die Lösung immer mehr verschleppenden Re­­gierungspolitik. — — Mir wenden uns nun wieder zur Argumentation, mit welcher Baron Kemény, gegenüber dem Kaiserfeld’schen Programm, die Abneigung Ungarns gegen ein Zentralparlament begründet . Kemény sagt: Nicht blos die Zentralisten, sondern auch die mit uns in so vielen Beziehungen sompathisirenden Autonomisten halten den 30. Punkt des Glaborats der Fünfzehner-Kommission nicht für befriedigend, weil es in viesem Punkte unter Anderem heißt : „Hinsichtlich der gemeinsamen Angelegenheiten halten wir weder den weiteren Reichsrath noch ein wie immer zu nennen­­des gemeinsames oder Zentral: Parlament für zweckmäßig, und wir accepliren mieder das eine noch Das en vere." Ebensowenig sind sie damit zufrieden, daß im 55. P­unkte „jede Delegation — die österreichische nämlich und die ungarische — gesondert Sigungen hält” ; sowie auch mit den folgenden Bestimmungen des 36. Punktes : „Die zwei Dane­tionen können mit einander in einer gemeinsamen Gisung n­ur berathen, sondern jede theilt den anderen ihre Anfigten und Beischlüffe Schriftlich mit." _Endfisch halten wir die Autonomi­­sten unzufrieden mit dem 23. Bunte, welcher folgendermaßen lautet : „Wenn die zwei Deputationen na­­ben sich des Bor­­schlages nicht einigen können, werden die Meinungen beider Delegationen den beiden Repräsentativkörpern vorpetent. Sollten

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