Pester Lloyd, Februar 1868 (Jahrgang 15, nr. 27-51)

1868-02-01 / nr. 27

Das Pränumerationsbnrern des „PESTER LLO “ Wir ersucpen unsere geehrten 9 o­ft. Bräm­meranten, deren Präm­meration mit Ende Januar abläuft, sonst, wenn die Pränumerationen spät einlaufen, leiht ihr Abonnement je zeitiger erneuern zu wollen, in den ohne unter Berfchulden Unregelmäßigkeiten in der Expedition eintreten können. Die Pränumerationspreise sind mit Postversendung: Ganzjährig 22 fl., halbjährig 11 fl., dreimonatlich 5 fl. 50 Fl., zweimonatlich AL fl., monatlich 2 fl., mit sepa­­rater Versendung des­­ Abendblattes ver M­on­at 30 fl. mebr. yYp" a 12 ne in n­et nt .­­...-s-—-.—..-—-—«­­ Heft, 31. Känner. (H.) Es verbreitete sich in den legten Tagen ein bunt­­es Gerücht, das in den Konferenzfigungen der ungarischen Delegation sich etwas Wichtiges vorbereite. Man ahnte eine ernste Differenz zwischen den Mitgliedern der Rechten und der grifen, aber die Details versehlten waren in mystisches Dunkel geholt. Man verheimlichte die Vorgänge sorgfältig in der Hoffnung, die Differenzen würden sich vielleicht noch ausgleic­hen lassen ; man wollte diese Hoffnung bis zur legten Stunde nicht aufgeben, und in ver­legten Konferenz, welche der dort gestrigen Situng unmittelbar voranging, wurden noch Versuche gemacht, die Linke von ihrem Vorhaben abzubringen. Dies gelang nicht. Die vorgestrige Situng unserer De­legation förderte nicht, wie man erwartet hatte, e­in­e einstim­­mige, sondern z­wei verschiedene Interpellationen zu age. Darin, daß die gemeinsamen Minister ihren in den Gelegen nicht begründeten Titel von Reich­sministern ablegen und dafü­r Sorge tragen sollen, daß die Vertretung des gemeinsa­­men Ministeriums vor der Delegation des ungarischen­­ Reid­e­­tages praktisch ermöglicht werde, stimmen beide Imterpellatio­­nen überein. Die Erderungen entsprechen vollkommen dem Gefege, und wie man hört, wird auch das gemeinsame Mini­­sterium nicht zaubern, dem gerechtfertigten Wunsche der unga­­rischen Delegation nachzukommen. Wir wollen daher bloß über jene Punkte der­ Chycay’schen Interpellation einige Worte sagen, in denen diese sich von der Interpellation Bertápolyta unterscheidet. Da haben wir gleich den zweiten Punkt, wo es heißt, das „die geiegliche Rarität zwischen den Ländern der ungarischen Krone einerseits und den übrigen Ländern Gr. Majestät anderseits, hinsichtlich der Mitglieder und des amtli­­chen Personales des gemeinsamen Ministeriums nicht vorhanden ist, wie sie duch das Gefeg vom Jahre 1867, Art. XII. S. 28 in Bezug auf die Handhabung der gemeinsamen An­gelegenheiten zur Bedingung gemacht wird.” Es ist befremdend, daß eben jene Partei, welche sich rühmt vom Buchstaben des Gefeges nicht ein Haar weit abzuweichen, zu allererst nichts besseres zu fordern wußte, als eine solche Abweichung vom Gefege. CS ist in hohem Grade bedauerlich, daß Männer jener Partei, welche auf die Majorität des Lan­­des m t einem gewissen Stolze, als wäre sie im ausschließlichen Besitz des Liberalismus und der alleinige Vertreter der demo­­kratisyen Bestrebungen in Ungarn, Hinab Bbliden zu können wähnt, nicht besseres zu beginnen willen, als mit Forderungen aufzutreten, die allen gesunden Prinzipien des Parlamentarismus Hohn sprechen. Im §. 27 des XII. Gefegartsfeld 1867 wird die Er­­richtung eines gemeinsamen Ministeriums ausgesprochen, aber mit seinem Worte auch mir angedeutet, daß der gemeinsame Monarch Hinsichtlich der Wahl dieser gemeinsamen Minister irgendw­ie gebunden­ sei.­­ Im §. 28 wird jener Theil der gemeinsamen Angelegen­­heiten, wer nicht dem Gebiete der Exekutive angehört, ausge­s hieden und bestimmt, daß Ungarn Hinsichtlich Dieses Theiles der gemeinsamen Angelegenheiten sein Zentral­­parlament acceptirt, sondern eine auf dem Prinzip der Parität beruhende neue Institution is Leben zu rufen wünscht. Wie dies durchgeführt werden soll, das ist in den SS. 29—49 aufs Genaueste formulirt. Hätte man auf dem Gebiete der Erelative er falls eine derartige Modalität vor Augen gehabt, so hätte man deren Darlegung und genaue Formulirung gewiß nicht ver­säumt. Man hätte rar und bestimmt ausgesprochen, wie viele Minister und der wie vielte Theil der Beamten, und zwar nach den einzelnen Rangstufen, ungarische Staatsbürger sein müssen. Man hätte gewiß die gewichtige Bestimmung auszusprechen nicht versäumt, daß es dem Weonarchen nicht frei stehe, seine Meinister nach eigenem Ermeffen zu wählen, und auch bei der Ernennung und dem Avancement der Beamten auf die gleiche Zahl ver besserseitigen Individuen zu achten sei. Von all die­­sem finden wir im ganzen Gefege nicht das Mindeste. Und das ist auch ganz natürlich und Forrest. Denn wür­­den auch — eine gerade Zahl der Ministerien und der ein­­zelnen Aemter, nach Langstufen geordnet, vorausgefegt — alle Posten zur Hälfte aus Ungarn, zur Hälfte aus Cie­leithanern belegt werden, so wäre eine sol­che Parität, wie bei den Delegationen, auf dem Gebiete der Exekutive doch nicht erreicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sein einziger Beamter ungarischen Ursprungs einem cieleithanischen Vorge­­festen, mit einbegriffen seinen betreffenden Minister, suborbi­­nirt wäre. Man müßte alle Nemter und alle Ministerien ent­­zwei spalten, was rechtlich und physisch unmöglich ist. "Und endlich, wer fann behaupten, daß z. B. ein Mini­ster des Reutern durch einen gemeinsamen Finanzminister aber umgekehrt, gerade aufgetragen wird?­­ Seien wir aufrichtig. Die Männer, die die gemeinsamen Ministerien befreiden, waren für diese Ministerien — wenig­­stens der Minister des Aeußern und der gemeinsamen Finans­zen — so zu sagen prädestimirt. Auch haben wir in Ungarn noch feinen so großen Neichthum am geschulten Tahmännern, daß wir die eine oder die andere Persönlichkeit in ihrem viele Detailfenntnisse und lange­ Uebung vorausfegenden Amte durch eine besser geeignete hätten erregen künnen. Die Frage der Parität auf diesem Gebiete ist keine Frage des Rechte­s, sondern eine Frage der politis, der Zweckmäßigkeit. Dies ist so Far, daß wir uns dabei gar nicht länger aufhalten wollen. Viel ernsterer Name,als der eben besprochene,ist der dritte Punkt der Interpellation,worin die Existenz des ge­­meinsamen Kriegsministeriums beanstandet und angedeutet wird, daß ein gemeinsamer Kriegsminister im XII.Art­ 1867 nicht erwähnt ist. Diese­ letzte Behauptung ist allerdings wahr,aber ebenso wenig kommt im genannten Gesetze ein gemeinsamer Minister des Aeußern 11ndver Finanzen vor.Im§.27,der die Er­­richtung der gemeinsamen Minister ausspricht,ist von»einem gemeinsamen Ministerium«die Rede,für jene Gegenstände, welche als wirklich gemeinsam,weder unter das Ministeri1t Ungarns,noch unter jenes der übrigen Kö­­nigreiche und Länder gehören.Diese Gegenstände werden in den§§.7—18 hergezählt,und darunter finden wir auch die gemeinsame Vertheidigung und speziell das Kriegswesen.Der §.9 lautet wörtlich:»Das andere Mittel der gemeinsamen Vertheidigung ist die Armee und diecmf dieselbe Bezug ha­­benden Maßregeln,mit einem Worte,das Kriegswesen.««In den folgenden sechs Paragraphen wird dann bestimmt,in wel­­cher Ausdehnung das Kriegswesen gemeinsam ist,ebenso wie in den§§­16 und 18 der Grad der Gemeinsamkeit der Fi­­nanzen umschrieben ist.Wie die Thatsache,daß die Finanzen nicht in ihrer ganzen Ausdehnung gemeinsam sind,noch nicht die Negation eines gemeinsamen Finanzministeriums in sich schließt,so kann auch daraus,daß nicht das ganze Kriegswesen gemeinsam ist,keineswegs gefolgert werden,daß die Errichtuung eines gemeinsamen Kriegsministeriums im Gesetze nicht begrün­­det sei.Der§­11 bestimmt,daß alles,was auf die Führung, Leitung und innere Organisation des Heeres sich bezieht,der Erledigung Sr.Majestät anheimgestellt ist.Wir betrachten es als eine natürliche Folge des Konstitutionalismu­s,daß der Monarch auch diese seine höchst Majestätsrechte nur durch einen verantwortlichen Minister ausüben will. Ober wie ? soll­­ten wir feßt, da in ganz Europa die Freiheit durch den Cäfea­­rismus gefährdet, der Konstitutionalismus durch­ die Militär­­despotie illusorisch gemacht wird, gegen die Verantwortlich­keit auf dem Gebiete des Kriegswesens etwa gar noch protesti­­ren und unseren liberalen Bestrebungen dadurch die Krone auf­­regen wollen, daß wir uns aus eigenem Antriebe unter das Yo der militärischen Allmacht beugen ? Sollte die ungarische Nation im Angesichte Europa’8 sich nicht sehenen als Hort des militärischen Absolutismus aufzutreten ? Nein, nie wird Ungarn sich der Freiheit in solcher Weise unwürdig zeigen, nie wird es die Verachtung der freien Völker durch solch ein Verhalten auf sich laben, nie wird es seinen Feinden eine so mächtige Waffe in die Hände geben und alle Errungenschaften seiner beispiellosen Ausdauer mit einem Schlage vernichten wollen. Würde Ungarn das Prinzip der Verantwortlichkeit in den wichtigsten Dingen, namentlich dort, wo von der Verwendung­­ der Blutsteuer seiner Söhne die Rede ist, von sich weisen, dann würden allerdings diejenis gen Recht behalten, nie das Abstitut der Delegationen wegen der angeblichen „absolutistischen Seite“ anfeindeten ! Dadurch, daß wir die Nothwendigkeit eines gemeinsamen Kriegsministeriums anerkennen, wird die Frage der auf Grund­­lage der allgemeinen Wehrpflicht durchzuführenden Heeresreform nicht im mindesten berührt und wir verwahren uns feierlich dagegen, als würden wir für die Beseitigung des Landesver­­theidigungsministeriums plaidiren. Am Gegentheil, wir for­­dern energisch, daß auch diesem M­inisterium eine entsprechende Rolle in unserem Staatsorganismus eingeräumt und ver jer herrsehenden Ungemeißheit endlich einmal ein Ente gemacht werde ; wir fordern ein rationelles Landwehrsoftem für Un­­garn und erben unaußgejeßt unsere Stimme dagegen er­­heben, daß der Wirkungskreis des gemeinsamen Kriegsmini­­steriums weiter ausgedehnt werde, als er nach den Gefegen zu reihen hat, nämlich: Ausübung der Röchten dem gemeinsamen Monarchen vorbehalt­­enen Majestätsrechte auf dem Gebiete des Kriegsunwerens, den Normen der Verfassung gerade so weit entfernt sind,als Absolutismus und Reaktion von den liberalen Anschauungen der jüngsten Epoch­e. Diese Bedrängniß lastet umso schwerer auf der Negierung, als sie eine verantwortliche ist und als es voraussichtlich noch einige Zeit erfordern dürfte,bis die Grundsätze der Verfassung durch Spezialgesetze ausgeführt und praktisch werden.Denn die legislatorische Maschine arbeitet in einem konstitutionellen Staate, wo mehrere Faktoren zusammenwirken­ müssen,viel langsame T­aks in dem absoluten,wo der Gesetzgeber seinen Gedanken nur nie­­derzuschreiben braucht,um ihne Gesetzeskraft zu verleihen. Diese Betrachtungen mögen es gewesen sein,welche den Minister des Innern bewogen,seinen Organen in seinem jüngsten Rundschreiben aufzutragen,sie mögen sich in ihren Amtshand­­lungen die Verfassung zur Richtschnur nehmen,und wo diese mit dem bestehenden Gesetz e in Widerspruch steht—was sehr häufig der Fall sein wird—,im Geiste der Verfassung die Entscheidung fällen. Diese Betrachtung ist es aber auch , welche er uns umbe­­greiflic macht, wie man heute noch ein Wort über das Konfordat verlieren kan. Das Konfordat hat, mögen Rom und die Kleri­­falen darüber denfen, wie sie wollen , faktisch zu em­ftiren aufge­hört in dem Momente, als die demselben diametral entgegenstehen­­den Artikel des Stantegrundgefeges über die allgemeinen Rechte der Staatsbü­rger Gesetzsfraft erlangten, es bedarf eben nur noch der Ausführung der einzelnen Bestimmungen durch die Spezialgefeg­­gebung, und daß biese nicht zu lange auf sich warten lasse, wird Aufgabe der Regierung sein. Man hört auch, daß biefelbe bereits die nöthigen Vorlagen ausgearbeitet habe, um gleich­ bei dem Wie­derzusammentritte bes Neicherathy ein interkonfessionelles Ges­toß vorzulegen. Demselben ist die Arbeit des Ausschusses des Ab­­geordnetenhauses zu Grunde gelegt, welche jedoch mit Nachsicht auf praktische Vorkommnisse, die wohl dem Minister, aber nicht dem Ausschusse bekannt sind, manche Verbesserung erfahren hat, die sich anzueignen weder der Ausschuß noch das Abgeordnetenhaus anstehen werden. So wird das Konservat unmöglich und unschädlich ger­macht, ohne bag man sich um die Verhandlungen wegen vessen formellen Aufhebung des Näheren zu interessiren braucht. Auch die Volksschule, mit Recht das Schaff und unserer parl­­amentarischen Regierung, wird bald von dem Alp befreit sein, der auf ihr lastet. Eine Vorlage, welche bereits alle Stadien der Dhorberathung pasfirt hat und die nit nur von der Negierung, sondern auch von Fachmännern approbirt wurde, liegt bereit, um ‚vom Abgeordnetenhause vorgelegt zu werden. Der Wurf von Schul­­verordnungen, welche man mit dem pompösen Titel „politische Schulverfassung“ bezeichnet, sol einem Volksschulgefege weichen, weldient das schweizerische Kantonalschulgefeg und die Liberale bel­gische Schulverfassung als Vorbilder dienten. Das vom Abgeord­­netenhause beschlossene Gefeg über die Trennung der Schule von der Kirche, das der Zustimmung des Herrenhauses harrt, wird hoffentlich auf bald Geseestraft erlangen und mit diesem über­­nehmen die Lankes-, Bezirks- und Gemeindeschulräthe die Ober­­aufsicht über die Schule, melche bisher den Pfarrern, Dechan­­ten, Domscholasten u.­­. w. zustand. Auch das Gefeß über die Wahl und die Anregung dieser Schulräthe liegt bereit, um den Landtagen bei ihrem näcsten Zusammentritte vorge­legt zu werden. Diese Vorlage sowie die ganze J­dee dieser Schulräthe datirt nur aus bdieser Session. Schon der Unter­richtsrath, dessen Präsident der gegenwärtige Unterrichtsminister war, hatte eine Vorlage beschlossen, durch welche die Oberaufsicht ü­ber die Rollsschulen gewählten Körperschaften übertragen werden sollte. Schmerling, der damals auch das Unterrichsministerium leitete, ließ die Vorlage neben so vielen andern guten Vorschlägen auf seinem Schreibtische Tiegen, wo sie Graf Belerebi fand. Dieser interessirte sich für die Vorlage mehr als sein Vorgänger und übermittelte sie­ben fünderdiefe zur Reulierung. Diesen Herren scheint aber die Frage wenig dringend gewesen zu sein, denn als Hasner das Portefeuille des Unterrichts übernahm, war diese Reugerung noch nicht eingelangt. Der Unterrichtsminister, um hat Schidfal seiner Idee besorgter als seine Vorgänger, forderte forleinige Berichterstattung von Seite der Länderchefs, und diese sind seitdem auch eingelangt. Sie werden wohl an dem Schid­­fale der Vorlage selbst wenig ändern, und Minister Hasner kann es dem in Oesterreich eingetretenen Umschwunge danfen, sein eigenstes Wert­felb­st ins eben­ rufen zu künnen. Seine Ber­­uifung in das Ministerium wird es ihm alle ermöglichen alle die Arbeiten fruchtbar zu machen, mit welchen sich der ehemalige Unterrichsrath unter seiner Feitung vergeblich­ abmühte, weil die damalige Regierung dieselben wohl zu würdigen, aber nicht zu beleben verstand. Der Standpunkt, von welchem dee Pfeffer den Ginspruch des Rabbiners mißbilligte, war Durchwegs der politische. Der Vorfall verdient jedoch auch in seiner rechtlichen Seite und insbesondere nach dem positiven Gesetz einige Beachtung; denn er bietet Ver­­anlassung, einen Irrthum vieler Seelsorger hinsichtlich ihrer Zuständig­­keit einmal offen darzulegen, das Publikum über Unzukömmlichkeiten aufzuklären und auf wesentliche Mängel der jet geltenden Vorschriften hinzuweisen. Die Kompetenz des Seelsorgers äußert sich in Cheichliegungen vorerst beim Aufgebot (Verkündigung) und nachher bei der Trauung. Christliche Brautleute werden dort aufgeboten, wo sie wohnen, und getraut werden sie vom Seelsorger ihres Wohn­ortes, wenn nicht etwa dieser einen andern hiezu belegt­n. Nicht ganz so verhält es si­e thatsächlich — bei den Juden. In vielen, in großen Gemeinden gilt faktisch der Grundfas, daß, wenn der eine Theil der Verlobten dort wo er wohnt, nicht zugleich heimatsberechtigt ist, das Aufgebot an, im Orte seiner Heimat, d. h. wo er zuständig ist, vorgenommen w­erden muß. Dieses vermeintliche Erforderniß ist schon an und für sich den Parteien oft beschwerlich genug. 63 bietet aber manchen Gem­einden auch eine bequeme Gelegenheit, unter dem Titel von „Kultusbeiträgen“ Ansprüche zu erheben und durchzufeßen gegen personen, melche seit vielen Jahren, oft gar von Kindheit an, niemals im Gebiete dieser Gemeinden gelebt haben und auf die sie der Verband verselben nicht erstrebt. Der eben erwähnte Grundfach ist nun völlig unrichtig und mit dem bestehenden Gefek geradezu unvereinbar. Dies wird aus Folgendem hervorgehen : Die Verordnung der­ ungarischen Hofkanzlei vom 2. November 1863 enthält nahezu Wort für Wort jene Bestimmungen, welche das österr. allg. bürg. Gefeßbuch für die Ehen der jüdischen Glaubensgenossen festießt, und melche vom 1. Mai 1853 bis 27. Juli 1861 bier landes­verbindliche Kraft hatten. Alle Mängel, melche diesem Gefeßbude in der vielfältigen Partie anhaften, sind in die neue Verordnung mit auf­­genommen worden. Das ist um so mehr zu bedauern, als seit dem Bes­­tande des bürg. Gefegbuches ein halbes Jahrhundert vorüber ist, ihm also die Zeit seiner Entstehung zur Rechtfertigung dienen kann, woge­­gen die ungarische Verordnung erst in der jüngsten Zeit erlassen w­urde. Die biedergehörige Stelle lautet: „Die Verkündigung der jüdi­­schen Ehe muß in der Synagoge oder in dem gemeinschaftlichen Bet­­haufe, wo aber sein solches besteht, von der Ortsobrigkeit an die Haupt: und besondere Gemeinde, welcher ein und der andere verlobte Theil einverleibt ist — — geschehen.“ Die Eintheilung in­ „Haupt- und Nebngemeinden“ ist auf Un­­garn gar nicht anwendbar. Sie bezieht sich auch nur auf Galizien. Das sei indeß nur nebenher bemerkt. — Aber gleich wenig Bedeutung hat der Ausdruck „einverleibt”, in der­ Hofkanzlei-Berordnung. Sinn und Bedeutung hatte er nur, als das a. b. ob. ausgearbeitet wurde, und noch einige Zeit nachher. Damals war in den östrreichischen Erbl­­ändern jeder jüdischen Familie ein bestimmter Ort zum Wohnsik ange­wiesen — in der Form des Schußduldungs-Familienrechtes. CS war die Zahl der gestatteten Gemeinden und in jeder Gemeinde die Zahl der gestatteten Familien bestimmt. Die Gemeinden hatten nicht nur die religiösen, sondern auch zum großen Theil die politischen Angelegenhei­­ten ihrer Angehörigen zu verwalten. So hat jeder Zube schon dadurch zur Judengemeinde­­ gehört, weil er in ihrem Bezirke wohnte; er war ihr thatsächlich einverleibt. 63 war dies aber al­rechtlich, weil er sich ihr mit dem Bewußtsein der Zugehörigkeit anschloß.­­«"« Betrachten wir unter ik diesem Gesich­tspunkte die christlichen Glaubensgemeinden,so finden wir das nämliche Verhältniß.Jeder­ ge­­hört zum Pfarrbezirk,in welchem er wohnt,ebendeßha­lb weil er daselbst wohnt. Wo mehrere Pfarrsprengel sind, ändert man seine firchliche Zu­­ständigeit, so oft man aus dem einen in den andern übersiedelt. 60 fand zu Anfang dieses Jahrhunderts die Legislative bei den Suden hinsichtlich der religiösen Gemein­de-Angehörigkeit den gleichen fattificen Zustand vor, wie bei den christlichen Glaubensgenossen. Daher wurte, insofern es sich bei den Ehe­angelegenheiten um kirchliche Akte handelte, für beiderlei Belenner dasselbe, wenn­gleich mit verschiedenen Ansprücen verordnet, nämlich daß bei Aufgebot und Trauung jener Ort maßgebend sei, wo die Verlobten wohnen. Seither haben sich die Verhältnisse der Juden­­ wesentlich geändert. Diese sind in den Verband der Ortsgemeinden eingetreten. Die f. g. Judengemeinden sind nur mehr Verbindungen für rein religiöse Inter­­essen ; sie sind ausschließlich Religionsgemeinden. Daher kann man viele Jahre im Gebiet einer solchen Gemeinde wohnen, ohne ihr als Mitglied anzugehören und in größeren Städten ist dies auch sehr häufig der Fall, selbst wenn man zu Kultusbeiträgen verpflichtet ist, wie z. B. nach den Statuten der Peter Gemeinde. Man ist aber darum noch seineswegs einverleibt bei jener Kul­­tusgemeinde, in deren Bezirk man das Heimathsrecht besißt, ohne baz selbst zu wohnen. — Deshalb entspricht, wie oben bemerkt, der Aus­­druck „einverleibt“ in der ungar. Verordnung ganz und gar nicht, und obige Gewebesstelle kann nur sinngemäße Anwendung finden. Sie ist eine fa fo zu verstehen : Das Aufgebot ist dort vorzunehmen, wo der eine und der andere verlobte Theil wohnt, die Trauung ist in der Regel vom Rabbiner des Wohnortes wie einen Verlobten zu vollziehen, nur die Zuständigkeit des Rabbiners erstrebt sich mir auf Diejenigen, welche im Bezirke seiner Religionsgemeinde wohnen — ganz so, wie bei den Angehörigen und Seelsorgern der christlichen Kon­fessionen. Dies entspricht auch der Natur und dem Zweck jener Hand­­lungen, während das Heimathsrecht da völlig indifferent ist. Die Thätigkeit Des neuen Ministeriums. Wien, 30. Jänner. !! Die neuen Minister befinden si bezü­glich ihrer Amts­­geschäfte in einer ganz eigenthü­mlichen Lage. An ihrer Eigenschaft als parlamentarische Minister gehört es zu ihren ersten Obliegenheiten, seine Entscheitung zu treffen, wie irgendwie mit den Prinzipien der Staatsgrimdgefege im Widerspruch stehen künfte, während sie anderseits doch nur nach positi­­ven Desehen ihres Amtes handeln künnen , und diefe ber­­uhen fast durchgehende auf Prinzipien und Tendenzen, die von Se Kompetenz der jüdischen Seelsorger bei Eheschließungen. J M. Der Rabbiner zu Eisenstadt hatte Einsprüche erhoben ge­­gen die Trauung eines daselbst zuständigen Arztes, Dr. B., mit einem Mädchen, welches zum Judenthume übergetreten war. Die Trauung unterblieb und nun melden die Blätter, der Bräutigam habe die Zu­­ständigkeit in Wien erworben und nur dadurch jenes Hinderniß beseitigt. Aus dem Soldatenleben. Gefangennahme der Kinder Kossuth( und Guyon’8, DOriginals$euilleton) A. Während die österreichische Hauptarmee Anfangs August 1849 an der Theiß kämpfte, geschah am 3. unter Klapsa ein energischer Ausfall aus Komorn, in Folge dessen die Zernirungs­­truppen theil ® zurückgedrängt, theil ® zersprengt wurden. Die ganze Umgegend gerieth begreiflicher Weise abermals in fonvulfivische Zudungen und die Besorgung, es könnte im Süden Hanaus ein Volksaufstand organie­rt werden und die Verbindungen für längere Zeit­ unterbrochen bleiben, veranlaßte den Oberkommandanten nach der Schlacht von Szöreg die Brigade Fürst Yablonowski am 8. in Eilmärschen nach der bedrohten Gegend zurü­ckzusenden. Die obgenannte Heeresabtheilung, verstärkt durch drei Schmwa­­dronen Kaiser Chevauflegers und eine Kavallerie-Batterie , hatte die Aufgabe, als Streifkorps die unterbrochenen Kommunikationen zwischen Raab und Pest herzustellen, behufs Dämpfung der Unru­­hen alle Bewegungen und Dispositionen nach Gutbünfen und den täglich, ft ändernden Verhältnissen angemessen zu treffen und mit Ausnahme Dr. Miajestät und des Oberkommandanten von Nies­manchem Weisungen oder Befehle anzunehmen. Wiewohl die erwähnte von Komorn ausgegangene Kraft­explosion ihre moralische Wirkung nicht verfehlte, und ungarische Streiffotos im Umfange von zehn Meilen alles­ anwendeten, theils um der Yestung Lebensmittel und neue Kampfräfte zuzuführen, theils die Bevölkerung auf die Beine zu bringen, fanden wir die Zustände durchaus nicht so Auferst­ bedrohlich, als er zufolge mündlicher und schriftlicher Ueberlieferungen den Anschein hatte; von Bolfsbewaffnung im Großen und von thatsächlichen Aufstän­­den war kaum etwas zu finden. Ein augenblick­ in Stuhlweißenburg befindliches Streif­­korps zog bei unserem Anmarsche westlich nach Palota ab, Brach vor Anfangen einer dahin abgesendeten Neiterabtheilung auch von da wieder Zirez aus. Feldzeugmeister Graf Nugent war mittlerweile mit seinem Neservekorps gegen Skomorn gezogen und hatte mit General Klapta einen Waffenstilstern abgefäloffen. Die ungarischen Streif­­auf und wich gegen Weßprim, Tees und Jorp8 kehrten laut Uebereinfommens unbeanstandet in die Festung zurück. Das legte, 4000­—5600 Mann mit angeblich 20 Ger­hüten, paffirte am 22. Kis­ Ber und nun war es rings in der Gegend wieder stille. Nebenbei gesagt, waren es die Charakter- und Geisteseigens­chaften des Grafen Nugent , welche auf Einsicht und Gemüth des Komorner Befehlshabers in jeder Beziehung so wohlthuend wirkten, daß D Verhandlungen überhaupt in Gang gebracht werden konnten, und ich glaube Niemandens Verdienst zu schmälern, wenn ich behaupte , dag Nugent es gewesen , welcher die Weitergabe der Wertung anbahnte. Zu Beginn des erwähnten Waffenstillstandes befanden wir uns in Moor. Ein , Vertrauter", oder „Outgesinnter“, oder wie sich diese Leute eigenthümlichen Schlages nannten, flüsterte mir gleich bei Ankunft mit höchst wichtiger Miene in’g Ohr, dag im Baronger Wale die Kinder Kossuth’S fidy versteht befänden. Dieser Mann merkte mir es erdentlich Durch den Rad an, wie mir bei vieser Nachricht eine Gänsehaut überlief, wie fast eg mir dabei durch den Rüden gefahren und wie mich die Aus­­sicht entzücte, daß ich nach der Prophezeihung m­eines Gewährs­­mannes nun ganz leicht eine Auszeichnung erhafchen künne, sobald ich nur ernstlic­h zugriffe. Vielleicht war er damals von mir wirklich sträflicher Leichtsinn, wenn ich dachte, unm­ündige Kin­­der wüßten und schadeten ja am Ende niemanden. Mein wohlmeinender „Sutgesinnter“ hielt mich vermuthlich wenigstens für einen ver­­mummten Staatsverräther, weil ich nicht gleich an der Sturm­­glocke gerissen und nicht gleich in Vorschlag gebracht Habe. Die ganze Brigade sammt Neiterei und zwölf Geflüten in den Ba­ronger Wald auf Kinverjagd zu disponiren. Wenn ich nit irre, warf am 22., da eine geheime De­pejche bei uns einlangte mit der Weisung, mehrere Streiffoms­manden unter findigen Offizieren zur Einbringung der in Loft verborgenen drei Kinder Kossuth’s auszusenden und biese Abb­eis Lungen der Führung der namhaft gemachten Vertrauten zu ü­ber­­lasfen. Ich war nicht überrascht, meinen wohlmeinenden Freund als Leiter der geheimen Expedition wieder zu sehen. Mit Vermeidung allen Geräusches zogen die Kommando’g des Nadıts ab. Feierliche Stille geleitete sie hinaus auf den Weg, fünf Meilen weit in den mährchenhaften Wald hinein, welcher , dem Hörensagen nach den Inbegriff alles Schredlichen, Haarsträus­chenden bildet, in der That aber voll anmuthiger Naturschönheiten ist und leicht vergessen macht, daß hin und wiedor ein Deserteur oder zeitweise einige Bagabunden sich dahin ins Privatleben zu­­rückziehen. rs Am 24. in den Vormittagsstunden sah ich aus dem fenster, wie bie und da irgend eine den großen Marktplag durch­­schreitende Person stehen blieb und nach der Stuhlweißenburger Straße blickte. Das Stehenbleiben und Gaffen ist ein so unwi­­derstehliches Anstedungsmittel, das hievon erfahrungsmäßig auch ganze Städte ergriffen zu werden pflegen. Im Verlaufe von wenigen Minuten wurden aus einzelnen Gruppen ganze Dienschen­­haufen, ganz Moor gerieth in Bewegung, zu schauen, was es da auf der genannten Straße Sehenswerthes gäbe. Auch ich war in Freie getreten. Zwei große schwere Kutschen , umgeben von Militäresforte, bewegten sich langsam die Höhe heran und es war, als vermochten die Neugierigen nicht mehr den Moment zu erwarten, der ihnen Aufschlag gäbe, was der Inhalt der beiden so streng bemachten mittelalterlichen Tuhrwerte sein möge. Da diese Archen sei­­nerlei Aehnlichkeit mit jenen eisenverwahrten Behältern aufwiesen, worin man reißende Thiere zu transportiren pflegt, so mußte die Menge fliegen, daßs wenigstens Ungeheuer der furchtbarsten Art in Menschengestalt darin eingeschlossen wären, und schon wich, das Gedränge ängstlich aus, als die Wagen in solche Nähe gekommen waren , daß möglicher­weise eine Kralle zum Hafchen oder ein Gebig zum Schnappen hätte zum Vorsehein kommen können. Allein, wie waren die guten Möorer enttäuscht, im ersten Waggon anstatt eines „rettenetes rable" eine beleibte und eine schmächtige Dame mit drei Kindern zu erbliden! “ Schon drängte sich der Haufe zuversichtlich, heran, al er plöglich wieder schleunigst zurücwich, denn das Gesicht der beleibten Dame ver­­vieth gewaltige Aufregung und die raschen Bewegungen ihrer Arme schienen den Neugierigen seine angenehme Begrüßung zu verfünden ; wenigstens hielten die Gaffer für gerathen, außer Greifbereich Stellung zu nehmen. Die ältliche beleibte Dame war allerdings sehr ungehalten, daß man sie des Nachts in ihrer Behausung überfallen und ihr kaum Zeit gegönnt hatte, sich anzufleh­en. So viel sic auch Fü­rst Sablonowski zu entschuldigen bemühte, es gelang ihm­ nicht, eine Verhwichtigung zu erzielen. Der Dame gefammter Zorn entlud sich in französischen Worten und funtelnden Augenbligen über den General, und das Gewitter verstummte erst, nachdem das Thor des zur Aufnahme der „Säfte“ bestimmten Hauses sichh hinter der ersten Gruppe geschlossen hatte. Der geöffnete Kutschenjárlag des zweiten Wagens spie wie­­der — nicht Leoparden, sondern gleich dem ersten , zwei Damen und drei Kinder aus , welche ebenfalls in dasselbe Haus geleitet wurden. Die Gesellschaft bestand im Ganzen aus folgenden Per­­sonen: Baronin Splenyi­tammt Tochter, Gouvernante und drei Kindern Kossuths, welche in Loft verhaftet wurden und­­ die Gattin des Generals Guhon mit drei Kindern aus Penzes tut. Ein Bauernwagen, auf dem sich ein ziemlich primitives neu gegosfenes Kanonenrohr — ich glaube in Zirez „zu Stande ge­­bracht”, befand, bildete die Nachhut des merkwü­r­igen­­ Zuges. Ein Offizier, welcher die Expedition mitgemacht­ hatte, er­zählte mir, daß der älteste Sohn Kofsuth’s auf alle an ihn gerichteten Fragen fest und unerschütterlich stets antwortete, er heiße nicht Lajos, sei nit Kosfuth’s Sohn und auch seine Ges­chwister wären nicht des Genannten Kinder. Diese Bem­einung stimmte mit­­ den Weußerungen der erwachsenen Begleiterinen immer überein. Der Kleine Lajos, Dazumal nac m einer Schägung etwa sieben Jahre alt, zeigte auch in Mórr eine eigentü­mliche Ent­­schlossenheit und Bestimmtheit, die bei Kindern dieses Alters nicht gewöhnlich sind. Man versuchte mehrmals den Knaben, da er sich ganz unbewacht glauben mußte, bei seinem Zaufnamen anzurufen­­ — der kleine Lajos fiel aber nie aus seiner Rolle. „Das ist eine schöne Befdeerung," “ sagte Fürst Jablo­­nowski zu mir, nachdem „die Gefangenen unter Dach gebracht worden waren — „Was fangen wir mit den vier Frauen und dem Haufen Kinder an?" — Allerdings war auch eine derartige Zugabe bei einem fliegenden Korps, wie das unfrige, eine große Sast, namentlich, da es allen Anschein Hatte, daß auf diesen jegt und anhaftenden , Lang" eine große Wichtigkeit gelegt werden wolle. Gllüclicherweise wurden wir aber von dieser Berlegenheit bald befreit. Es kam der Befehl, unsere Gefangenen nach Raab abzuliefern, und noch nie ist wohl ein Befehl so rasch und so freudig erfüllt worden, wie dieser, der und nicht nur von einer s­chweren Verantwortung, sondern auch von der beichämenden Rolle eines Kerkermeisters für Frauen und Kinder erlöste, . Ing EBET ·­ ...­­ —— EOK ETO EDE KENT S EKET e

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