Pester Lloyd, Juli 1868 (Jahrgang 15, nr. 156-182)

1868-07-01 / nr. 156

7 Mit dem am 1. Juli beginnenden neuen Abonnement erlauben wir ung zur Pränumeration über­­haupt, sowie zur Erneuerung derselben auf den „Pester Lloyd,“ Morgen: und Abendblatt, hiemit einzuladen. Besonderer Beachtung empfohlen. Damit die mit 1. Juli neu eintretenden Abonnenten Den mit außerordent­­lichen Beifall aufgenommenen Roman Mouit YoFat’s „Die Narren Der Liebe“ vollständig besigen, veranstalten wir eine Separatausgabe der bisz­­er erschienenen Kapitel dieses Romanes, welche wir jedem neu eintretenden Abonnenten auf dessen Verlangen arau­s zusenden werden. , Die Pränumerationspreise sind nt Postver­sendung: Ganzjährig 22 fl., neunmonatlic 16 fl. 50 fl., Halbjährig EL fl., dreimonatlich 5­­1.50 fl., zweimtonatlich AL fl., mionatlic 2 fl., mit separater Ver­­sendung des Abendblattes per Monat 30 fl. mehr. P­ränumerationspreise in Loco: Für Wett-Ofen ins Haus gesandt : ganzjährig 20 fl., halbjährig 10 fl., vierteljährig 5 fl., monatlich A fl. SO kr. . Weit, 30. Juni CI Ein tiefgreifender Unterschied zwischen dem politischen Leben anderer Staaten und jenem unseres Landes besteht darin, daß, während anderwärts gewöhnlich Die F­r­eiheitsfragen die Grundlage der Parteigruppirungen bilden, bei uns diese lediglich von den Standpunkten bestimmt werden, welche die maßgebenden Kreise gegenüber dem Berbande mit Oesterreich einnehmen. Es ist aber die Macht der freiheitlichen Seen so groß, daß sie selbst von solchen Parteien nicht ignorirt werden kann, die sich nicht brreft auf Grundlage dieser pen ge­­bildet haben. Dies hat unsere Opposition, die bekanntlich nicht auf freiheitlichen sondern auf staatsrechtlichen Prinzipien fußt, von Anfang an ernannt und sie wandte alles an, um si den Anschein zu geben, als repräsentirte sie und nur sie den Liberalismus in Ungarn. Sie nennt sich im Leben sowohl als auch in der Journalistik am häufigsten nur solecthin „Libe­rale Partei", „Fortschrittspartei" u. og[— Ansprüche, welche nichts anderes bedeuten sollen, als daß jene Partei, welche Den Ausgleich angenommen, Beine liberale und Fortschrittspartei sei. CS ist eine sehr gesunde Supee von Seite der Majorität, dieser auf Monopolisirung des Libera­­lismus gerichteten Tendenz energisch entgegenzutreten und dem Programme der Linken, welche die farben charakterisirte Soeen­­verwirrung jegt mit doppelter Kraft zu betreiben beginnt, mit Ernst in die Augen zu ehen, ob denn dasselbe wirklich den Prinzipien des Liberalismus mehr entspricht als das Programm­ und die Handlungen der Dealpartei. Diesen Zivweg verfolgt eine Heute erscheinende politische Flugschrift „Die Linie und der Liberalismus" (a baloldal és a szabadelvűség) deren Speengang wir furz wiedergeben wollen. Ganz richtig wird in dieser Schrift bemerkt, daß das ursprüngliche Programm der Linien nicht im Minoritätsvotum der 67er Kommission, sondern in jenem der 15er Kommission in seiner Gänze aufzufinden ist. Nach diesem letsteren Elaborate würde der Monarch als oberster Kriegsherr nicht durch ein gemeinsames Kriegsministerium, sondern nur ein Krieg­s­oberkommando verfügen. Heißt das nicht die Frage umgehen, statt sie Lösen zu wollen ? Das Oberkommando sollte nur mit Gegenzeichnung der beiden Kriegsminister verfügen können. Aber auch der gegenwärtige Kriegsminister ist ja ver­­antwortlich und das Oberkommando würde eben­so gemeinsam sein, wie das gemeinsame Kriegsministerium, wenn e 8 auch­ nicht diesen Namen führte. Was wäre e8 denn eigentlich ? 68 böte weder im Punkte des Parlamentarismus, noch im Punkte der Gemeinsamkeit einen Vortheil, e8 enthielte aber einen Nachtheil, der mit dem Parlamentarismus ganz und gar unvereinbar ist. Er erinnert an den vormärzlichen Tikasteria­­lismus und würde auf die Wiederbelebung des glück­h­eimweise besestigten „Hoffviegerathes" hinauslaufen. In den auswärtigen Angelegenheiten würde nach dem er­­­wähnten Operate der Monarch fi) des Rathes zweier ihm bei­geordneter Minister bedienen, er würde sich aber durch den Minister seines Hauses vertreten lassen künnen , gäbe also zwei Minister des Aeußern, was aber, da man doch nicht erwarten kann, daß es möglich sein werde, immer einen Kastor und einen mit ihm in Allem gleichgesinnten Pollug zu finden, zu unausweichlichen Konflikten führen müßte. Was aber noch beweiflicher wäre, das ist der „Minister der herrschenden Dy Die Dealpartei gab und Minister, welche g­ez sondern lediglich " naftie" ge­meinsam sind, das Operat der Linken wollte und Minister geben, die uns beiden gehören, und doch wie, der fein emponung! Sie würden meer dem unge zischen noch dem österreichischen Parlamente, 8 wären bis ab Sie wü­rden fehlimmer fein, als die Disasterien, denn auch diesen war das Prinzip der Verantwortlichkeit nicht gänzlich fremd. Auf dem Gebiete der Legislative hatte die Opposition die­dee der Delegationen verworfen und statt deren folgende Spee aufgestellt : „Das ungarische Ministerium und das öster­­reichische Ministerium werden ihre gemeinsam vereinbarten Bort­schläge den betreffenden Parlamenten vorlegen. Können sie zu seiner gemeinsamen Vereinbarung gelangen, so legt jeder beide Vorschläge dem betreffenden Parlamente vor. Auf dieser Grundlage werden zwei selbstständige Parlamentsbeschlüsse ent­­stehen. Sind diese identisch, so ist die Frage entschieden. Sind sie nicht identisch, so wählt jedes Parlament auf Grund der Parität ein Komite zur Ausarbeitung eines Vorschlages, und die zwei Komites werden es versuchen, einen gemeinsa­­men Vorschlag auszuarbeiten. Gelingt die nicht, so gegen beide Komites die zwei von­einander abweichenden Vorschläge den betreffenden P­arlamenten vor." Nach einem langen Ummege wäre man also dort, wo man am Anfange war. Die so entstehen­­den Beschlüsse werden dem Monarchen vorgelegt. Sind sie iden­tisch, so erfolgt die Sanktion, sind sie aber nicht identisch, so santtionirt der Monarch jenen Beschluß, den er eben fanttioniren wil, und dieser wird zum Gefege auch für jenen Staat, dessen Parlament denselben verworfen hat. Das ist eine Entscheidung den mobis sine nobis, ja geradezu gegen ung. Iyn dem einen oder dem anderen Staate würde auf diese Art die Gereiztheit gegen die höchste Person des Monarchen fort und fort genährt. Das ist eine fünftliche Demoralisation des N Repräsentatin-Systemes der monarchischen und zugleich verfassungsmäßigen Gesinnung. Das Gefäß würde auf diese Weise mindestens nach einer Seite hin zu einer „Debonnance" degradigt. Der Liberalismus ber xinten Tiefe auf ein Syitem aus. Das nichts anderes ist als der einfache Absolutismus. Die Männer unserer Opposition fehrn den übrigens selber vor diesem Absolutismus zurück und verstümmelten ihr ursprüngliches Programm im Mem­oritätsantrage der 67er Kom­­misstion. Dieser lettere Antrag steht aber dem ursprünglichen an­tiliberalismus in nichts nah, nur will er den Schein retten, wenn auch mit gänzlicher Aufopferung aller praktischen Nachsichten. Auch hier finden wir den Minister des Herrscherhauses und das unverantwortliche Oberkommando vor. Die absolutistische Spike entscheidet in den wichtigsten Fragen, während die Dealpartei diese auf ein Minimum reduzirte und blos auf die Quotenfrage beschränkte, wo sie seinem der beiden Paciscenten schaden kann. Die Frage über die Personal- und Realunion wurde in neuerer Zeit wieder lebhaft rentilirt. Mean hat bewiesen, daß die reine Personalunion eine Unmöglichkeit sei. Die anonyme Flugschrift, die uns heute vorliegt, geht um einen Schritt weiter, und stellt den Sag auf, daß die Personalunion eine mittelalterlich-feudale Spee sei. „Die Personalunion — so heißt es in der Flugschrift — steht mit allen Prinzipien des neunzehnten Jahrhunderts im ‚Widerspruche, denn sie stellt das Erbrecht Einzelner als für das Schiefal großer Länder und Nationen einzig maßgebend und entscheidend hin,­­ kann aber in diesen Dingen nur das gemeinsame Interesse maßgebend sein und das Erbrecht Einzelner ist nichts Anderes, als die Entwickklungs­­form jener tieferen Grundlagen. DieXandperm werden nicht im Interesse von Dynastien zu­­sammengeschweißt, sondern die Dynastie ist gemeinsam im Interesse der Länder. Das ist der Standpunkt der Dealpartei. Die Ansicht der Linken ist eine feudale und dem soeben entwickelten Standpunkte gerade entgegengetet. Herr 9. Lika entwickelte bei Gelegenheit der Frage der gemeinsamen Verthei­­digung die Anschauung, daß diese gemeinsame Vertheidigung auf die Person des gemeinsamen Monarchen zurückzuführen sei; nach seiner Meinung sind wir nur verpflichtet, die R­echte unseres Monarchen zu verthei­digen. Diese Rechte sind aber entweder identisch mit den Rechten der Erbländer oder sie sind Rechte des Monarchen jenen Ländern gegenüber. Im ersten Falle ist die gemein­­same Vertheidigung in Wirklichkeit doch eine Verpflichtung, die wir gegenüber den Erbländern eingingen. Im zweiten Falle müßte Tipa konzeichven, daß die gemeinsame Vertheidigung nur dann einen Sinn habe, wenn zwischen dem Monarchen und den Erbländern ein Konflikt entsteht. Kann dies Lettere­r ENTER BO Bee ans­ a > TE a ka sár ásáás thut. Von diesem Standpunkte betrachtet ist das Ganze seine Unabhängigkeit­, sondern eine Frei­heitsfrage. Eine Frage bis L­iberalis­mus, und auf welcher Seite mehr Liberalismus sei, ob dort, wo man einem Herrscher zumuthet, ohne, ja allen­­fals auch gegen einen großen Thril seiner Völker zu ent­scheiden oder fort, wo man diese Völker als gleichberech­­tigte Faktoren betrachtet und sich mit und neben ihnen dem gemeinsamen Herrscher unterordnet, darüber wird es wohl für Niemanden einen Zweifel geben können. ta !­­ Der Volfsunterricht in Hugarı. V. Der königliche ungarische Minister für Kultus und Unterricht hat jüngst einen Gelegentwurf über den Bolts­­unterricht auf den Tisch des Hauses niedergelegt, eine That, die gewiß geeignet sein wird, die größte Befriedigung bei Allen hervorzurufen,­ denen die Kulturentwickklung unseres Diaterlandes und hiemit das ganze materielle und geistige Wohl seiner Bewoh­­ner am Herzen liegt. Ungarn ist doch den glückichen Umsch­wung seiner politischen Verhältnisse aus seinem gesellsschaftlichen, Bionomischen und kom­merziellen Siechthum auf die segensvolle Bahn der freien Ent­­wickklung der individuellen Initiative hinausgetreten und nunmehr in die Tage verlegt, die noch brachliegenden Felder seiner eigenen geistigen Entwicklung selbst zu bebauen. Ungarn muß hieß thun, muß es vor allem Anderen thun, denn eine große Mah­­nung, eine große welthistorische Lehre Liegt für dasselbe in den einfachen, von tiefer Wahrheit durchdrungenen Worten des Unter­­richtsministers, „daß in diesem Lande nur ein gebildetes Bolt sich erhalten kann“. Wir wollen,durchdrungen von der überwältigenden Wahr­­heit dieses Satzes,nur einige erläuternde Bemerkungen über di­­außerordentliche Dringlichkeit der gesetzlichen Rege­­lung des Volksunterrichtes knüpfen und in­ wenigen Zügen die Wichtigkeit und Bedeutung dieser Angelegenheit für das gei­­stige­ besonders aber materielle Aufblühen unseres Vaterlandes beleuchten. Es wird dies selbst für Diejenigen,die sich mit dergleichen Angelegenheiten nicht unmittelbar befassen,schon deshalb nicht überflüssig sein,weil sie die Gefahr kennenlernen,derang eine weitere Verschleppung dieser hochwichtigen Angelegenheit in politi­­scher und materieller Beziehung entgegenführen wi­rde. Für Diejenigen,die sich mit Fragen des öffentlichen Unter­­richtes und der allgemeinen Bildung und Hebung der Intelligenz beschäftiget braucht man über diese außerordentliche Dringlichkeit der berührten Angelegenheit kein Wort weiter zu verlieren;weiß ja doch jeder denkende und logisch organisirte Kopf auch bei uns zu Lande,daß die Zukunft Ungarns,mit Hin­­blick auf unsere politisch-ethnographischen Verhältnisse,nur durch ausgiebige intellektuelle Entwickelung und durch das aus derselben naturgemäß sich ergebende Uebergewich­t in politischer,national­­ökonomischer,materieller und gesellschaftlicher Beziehung gesichert werden kann.Ungarn hat die schweren Schläge,die ersten Prü­­fungen,die demselben in politischer und nationaler Beziehung zu­­gemessen wurden,mit einer Zähigkeit und Unbeugsamkeit bestan­­den,die volle Anerkennung verdient.Doch die Arbeit ist noch kaum zur Hälfte gethan,denn nun ist die Zeit da,wo wir be­­weisen müssen,durch die That beweisen müssen,daß wir uns unseren Kultur-und allgemeinen Bildungsinteressen mit der­­selben zähen Hartnäckigkeit zuwenden werden,wie unserer glücklich zurückgewonnenen politischen Freiheit. Denn in diesem Lande,das durch sein Kernvolk wieder in die Bahnen wahrer Freiheit hineingeleitet wurde,ist es Aufgabe dieses Volkes,sich die Errungenschaften der westländischen Kultur eigenzu machen und so auch sic­­ selbst in urwüchsiger Kraft und Fülle der Geistesfreiheit zu bilden und zu entwickeln. Nur hierin liegt die Möglichkeit unserer nationalen Selbst­­ständigkeit, unseres weiteren sicheren Fortbestehens. Der mächtigste Hebel hiezu ist ein wohlorganisirter, ausgiebiger, nur auf den ewig wahren Prinzipien geistiger Freiheit bafirter, allgem­ei­ner öffentlicher Unterricht in allen Schichten der Nation, in allen Zweigen der Bildung , und einen der wich­­tigsten Theile dieses öffentlichen Unterrichtes bildet der B­olt­s­unterricht. Welcher denkende Kopf wüßte er nicht, das unser Zurück­­bleiben in materieller und geistiger Beziehung zum größten Theil darin seinen Grund hat, weil die intellektuellen Fähigkeiten un­­seres gewiß empfänglichen Wolfes in tobtem Schlummer Liegen ? Geshah body für die geistige Hebung der ungarischen Wölfer lange, bitter lange Jahre hindurch so gut wie gar nichts, sittlich und rechtlich geordneten Staates. Wir sagten, daß bitter lange Jahre Hindurch für die gei­­stige Hebung des Boltes so gut wie nichts geschah. Der oberflächliche Beobachter der Volksschulverhältnisse der letztenlsjahre wird wohl sagen,daß der Schulbesuch viel­.. besser war,weil die betreffenden Beamten der absolutistische­n Aefahieraufstrenge zu sehen angewiesen waren.Auch Schul­häuser wurden in deutschen Drtschaften mit Regierun­gs­unterftügung gebaut, auch die Lehrergehalte Durch­ oft reyirte Schul faf­tionen aufgebessert. Was geschah aber für die beiläufig 11.000 Grementar­­und Hauptnormalschulen ungarischer Zunge ? Deutsche Sprachlehre wurde den Kindern eingeteilt, auf Verbreitung von Elementarkenntnissen der Landwirthschaft, Lan­des- und Geschichtsfunde, auf wahre volksthümliche Belehrung die möglichst geringe Nachsicht genommen. Und wenn es einer Gemeinde ungarischer Zunge einsiel, eine Unterstützung für Schulzwecke zu verlangen,so nahmen die betreffenden Statthaltereiabtheilungen den Akt in die Hand und wußten ihn in 2——3 Jahren derart zu erledigen,s daß die unga­rische Gemeinde entweder nichts oder nach einigen Jahren,wenn­­das Schulhaus zusammengefallen war,ein paar hundert Gulden bekam.Dieser Vorgang,von dem sich jeder,der die alten Archive der selig entschlafenen Bach-Schmerling’schen Periode kennt,ak­­tenmäßig überzeugen kann,wurde,gegenüber der Bevölkerung vons Millionen ungarischer Zunge,zum star­­ren System erhoben und drückte 18 Jahre hindurch wie ein­ schwerer Alp auf das geistige Leben des ungarischen Volkes, die seit 8—10 Monaten ihren bitter erworben, sarg bemessenen Lohn nicht erhalten können; ja eg gab auch maidhe, — Gott sei Dant — nur einzelne Fälle, daß gewise Munizdien ihre autonome Verwaltungsthätigkeit dazu mißbrauchten, den ohne­­hin kleinen Gehalt des armen Schullehrers auf ein Minimm herabzufegen. Die Streitigkeiten zwischen den Munizipien und geistlichen Behörden bei der Besetzung der Schullehrerstellen(beiden Koho­­­rten) sind zum größten Nachtheile des Unterrichtes und der in­­neren Ordnung und Ruhe der Gemeinde alltäglich, dan wir haben sein Gefeg, auf Grund werfen diese leidenschaftlichen und erbitterten Streitigkeiten geschlichtet werden könnten ; Tallialo­mittel aber, Hinterpförtchen und adm­inistrative Verfügungen, die oft nicht möglich sind, helfen diesen schreienden Uebelständen nict ab und machen dieselben permanent. Wir haben sein Gefet,­­das für den pflichtgemäßen Refe der Schule, für eine Pension des emeritirten Schullehrers, für seine Witwen und Waisen auch nur im Geringsten Sorge trug ; der Lehrer, welcher Armuth und Elend für seine Familie, Runner und Noth für seine alten Tage in Aussicht hat, verliert Luft in Liebe für seinen Beruf, Tausende von schulpflichtigen Kindern lernen nichts, wachsen verwahrlost auf, das Komitat übt jede autonomen Nechte, Mimmert sich um das Unterrichtswesen möglicht wenig und der denfende Patriot, der die Aufgabe der autonomen Selbstverwaltung in anderen Dingen fuht, fragt sich, indem er über die mathematisch sicheren Konsequenzen solcher Zustände wagt denft, mit trüber Ahnung, wo das hinführen sol, wie lange leider Zustand wo anhalten sol, und er kann dann nur den aus ef, ‚ Xanche ist, « Bei den Protestanten,anderen Autonomie diese Bestre­­­bungen der germanisirenden Epoche zum großen Theile Schiffbruch litten,stand der Volksunterricht Viel besser und ist derselbe auch heutzutage ein viel besserer als bei den Katholiken;doch im» Ganzen und Großen sehen wir einen ungeregelten,—in vielen Theilen des Landes,zum größten Nachtheil all’unserer materiellen» Verhältnisse,geradezu verwahrlosten Volksunterricht vor uns,und, wenn wir aufrichtig sprechen wollen,so müssen wir sagen,daß es heute,wo die konstitutionelle Negierung in Ermanglung eines guten Schulgesetzes im Wege administrativer Maßregeln den tau­­sendfältigen Uebeln und Mängeln nicht abhelfen kann,selbst um den Schulbesuch viel schlechter steht,als ehedem. Die Regierung hat aus der vergangenen Epoche die mög­­lichst schlechten statistisch­en Daten überkommen; sie hat im Komitate keine gesetzlichen Organe,die sich­ ausschließ­­lich mit strenger Kontrole des Schulbesuches,des regelmäßigen Unterrichtes und der Mängel der Schulen beschäftigen und dersel­­ben Verläßliche Berichte erstatten würden.Die Komitatsorgane betrachten die Unterrichtsangelegenheiten leider in vicen Fällen als Nebensache,Bet­ältnisse,in Folge deren wir einnentschie­­denen Rückschritt im Schulbesuche konstatiren müssen.Auf Tau­­sende beläuft sich die Zahl der schulpflichtigen Kinder,die das ganze Jahr hindurch so gut wie gar keinen Unterrichsgeyi­ss auf Hunderte und abermals Hunderte gehen die Klagen·’ckeinen Säullehrer­ster Seele entspringenden Wunsch aussprechen, daß der Heiden eine seiner wichtigsten Aufgaben sobald als möglich, erfüllen und doch dringliche Behandlung des ihm nunmehr wie liegenden Gefeges über den öffentlichen Rollsschulunterricht positive Normen schaffen möge, die allen viefen Möbelflänven und noch vielen anderen, die hi . nicht genannt, abhelfen und die sicheren Grundlagen einer beste Zukunft in dieser Richtung niederlegen mögen. Hier können Hi : nicht länger „warten“, denn im biefem Lande kann nur „atollisirtes" Bolt Ichen Der Unterrichtsminister fer hat biese große Wahrheit­ in einfachen Worten ausgesprochen, er der in bieser Frage vielleit der Tompetenteste Nichter in des | | L « 8 R Richard Wagner ’s „Die Meistersinger von Murnberg." Original:Feuilleton von­­ Selle. Die Aufführung einer neuen Oper von Wagner in München ist heutigen Tages ein Ereigniß, dessen Tragweite sich nicht mit den Grenzen Deutschlands absáfliegt. Als wir vor drei Jahren hier der ersten Vorstellung von „Zrnften und Solde“ bei­­wohnten, fanden wir nicht nur alle deutschen Mufikstädte, son­dern auch die des Auslandes aus­ Befte und Reichlichste pertreten ; auch diesmal hatte sich, wenngleich in geringerem Maße eine Menge von Künstlern, Kunstfreunden und Mufitenthusiasten ein­­gefunden, um dem ersten­­ Bühnengange der „Meistersinger von Jüh­nberg“ beizuwohnen, die neueste Offenbarung der Wagner’schen Muse aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Eine so allge­­meine Theilnahme für einfache Kunsterzeugnisse in der Gattung der Oper zu einer Zeit, wo inhaltsschwere,­ ver­hängnißvolle Lebensfragen so gewaltig auf uns losstürmen, das öffentliche Interesse auf die Erscheinungen im sozialen und­­ politischen Leben allgewaltig hindrängen, steht in der Geschichte der Kunst fast ver­­einzelt za. Wohl hatten sich einst die Augen Europa’s nach Paris gerichtet, als dort Meyerbeer seinen „Propheten“ in die Oeffent­­lichk­eit einführte, doch das Interesse an dieser Begebenheit be­­­grünte sich damals nur auf gewisse Klaffen der Gesellsschaft, die müßige Beau­monde, die Gelvaristofratie, die sich ganz besonders zu Meyerbeer, als ihrem eingeborenen Sohn, hingezogen fühlte, endlich­ die bei solchen Ereignissen stets betheiligten Künstler und Theaterdireftoren waren neugierig, welche Effekte ihnen der Meister nach seinen „Hugenotten“ noch aufzifhen konnte. Es war felecte hin nur eine Neugierde und sein tieferes Interesse, und wer hätte sich darüber wundern mögen; denn der „Prophet“ zeigte sich sclauer Weise zuerst in der großen Oper zu Paris, der Stadt der Mode ( dadurc) war er von vornherein hof­­und salonfähig für ganz Europa ; nach Paris konnte man wohl ziehen und ihn begrüßen, aber ob franzosen und Engländer nach München gekommen wären, wenn er hier, wie , fristan" und die „Meistersinger” aufgetreten, das steht sehr in Zweifel. Es muß wenigstens eine bedeutende Persönlichkkeit eine großartige Kapazität sein, melche diese Umwälzung der Verhält­­nisse hervorgerufen. Die allgemeine Aufmerksamkit mächtig auf sich gerichtet hat, um so mehr, da ihre finstlerischen Produkte aller jener fhimmernden Reize entbehren, welche die Massen schon doch ihren ersten Eindruck unwiderstehlich zu fesseln pflegen. Man "eh­nem G Standpunkt des Edhonen auf die Werke Wagner’s in vieler Beziehung verwerfen können, wird im Interesse der Kunst gegen die von ihm angebahnte und eingeführte Stylrichtung an­­sümpfen müssen, aber leugnen läßt es sich body nimmer , das sie mit den Bedü­rfnissen der Zeit aufs Innigste verflochten sind, sonst werden sie sich niemals trog aller Neulame des Meisters und seiner fanatischen Anhänger, ja trog allen fürstlichen Ehren, mit denen sie der König von Bayern umskleidet, in solcher Weise zur Geltung gebracht haben ; denn ein todt geborenes Kind wird nicht zum Leben erwedt, wenn es ein König über die Taufe hält. Die Schöpfungen Wagner’s sind nicht sowohl Kompositio­­nen in dem herkömmlichen Sinne des Wortes, als unmittelbare Ergüffe seines ganzen f­ünstferischen Wesens. Sie wurzeln nach Terz und Mufii tief im dem Boden der Stimmungen und Ge­­müthszustände, welche die verschiedenen Entwicklungsphasen seiner Natur hervorgerufen ; von diesem Standpunkte aus muß man auch seine Meisterfi­ger betrachten, wenn man die Klippe einer UÜeber- oder Unterfrägung vermeiden will. Denn einem Meister, wie Wagner, er­weift man einen schlechten Dienst, wenn man das Urtheil über ihn nur von E Sympathien oder Antipathien abhängig macht. Im „Zriften“ fanden wir den Tondichter in die Tiefen einer frankhaft überreizten efstatischen Empfindungswelt versenzt ; es mochte ihm endlich in diesem Dunst unheimlich zu Muthe wer­­ben, ihn, wie seinen Tannhäuser im Venusberge eine unwidersteh­­liche Sehnsucht nach den grünen Auen des gesunden reellen Lebens ergreifen. in reizendes Bild, das er schon von der Wartburg im Sängerkriege aus erblickt, stieg vor seiner Phantasie verlobend auf. Die alte Statt Nürnberg mit ihren Zünften, ihren singen­­den und bidtenden Schustern und Schneidern , ihren behäbigen Bürgern, fittigen Frauen und endlich der Fernigen bis in unsere ER hineinengenden Gestalt des berühmten Meisterfängers Hans adó. Denn der Plan, dem Helden des Meistergesanges ein Denkmal zu fegen, war ihm schon aufgestiegen, als er sich noch mit dem Tannhäufer beschäftigte. Man merkt beim Anhören der Meisterfinger Wagner das Bedürftig recht an, nach dem im Triften überstandenen Nervenfieber sich einmal am Born einer natü­richen Melodie zu leben, denn sobald er einen melodischen Fund getban, kann er sich an demselben nicht genug satt hören, er wiederholt ihn öfter, als es für den Effekt w­ünschenswerth wäre. So wird die Melodie des Liedes, welches Walther unter Anleitung der Meistersinger im dritten Akt Dichtet, so oft vor­­geführt, daß sie sich endlich, abschwächen muß, so fehrt ein Motiv im Duett beider Personen desselben Aftes, welches dazu statt an eine bekannte Melodie aus den „Luftigen Weibern“ anklingt, so oft wieder, daß man unwillführlich den Eindruck einer Neminis­­zenz erhält. Aber immerhin sind die Meisterfinger dem Nebel bes gleißender Schuppenpanzer, dessen wirrer unharmonischer Glanz uns auf das Unangenehmste berührt, um die Formen dieses Ge­bildes bis auf einzelne rein und natürlich gehaltene Partien, in diesen aber erblüht aus dem mißgeformten Körper ein Leb­­liches Geficht ; ab, man sieht es den Augen dieses Gesichtes nur zu deutlich an, wie gerne es eine ebenbirtig schöne Gestalt [hmüden möchte. Die Tondichtung gleicht mit dem ihrem Gepräge aufgedrückten Zwiespalt zwischen Natur und Unnatur einer Nixe, nur daß die Cage diesen Zwitterwesen einen schön ausgeformten Oberkörper verleiht und bis zu solchem haben ji die Meister­­finger nicht entfalten können. Man hat auf Grund dieser Schönheiten, mit denen be­­­onders der dritte Ast ziemlich reichlich ausgestattet ist, den Schluß gezogen, daß Wagner im biesem feinem letteren Werke eine Schwen­­fung zu der traditionellen Stylweise verfucht, und daß er mit demselben nur seinen Gegnern habe bemeisen wollen, er fünne, wenn er ihm genehm schiene, eben so gut wie unsere großen Klaffiter Faßliche und Rare Melodien Bilden. Darf man in der derartige Inkonsequenz mit gutem Gewissen einem Manne zus­trauen, der sein ganzes Leben hindurch unter den schwierigsten Verhältnissen tapfer für sein Ioenl eingestanden für dasselbe feine Existenz und ganze künstlerische Laufbahn eingelgt hat? Man mag an Magnet alles mögliche ausfegen, nie aber darf man ihn des Mangels an Charakter beschuldigen, wenn es sich um sein künstlerisches Glaubensbekenntnig handelt. Vielmehr ist die Stylform, in welcher die „Meisterfinger“ gehalten sind, ein Harer Widerschein des von ihm geschaffenen und bisher konsequent verfolgten Chftems, das übrigens nicht von ihm erfunden is, sondern eigentlich, der ältern französischen Oper angehört und von Wagner nur für seinen Zweck germanisirt und eigenartig umge­­bildet wurde. Auf dem reflamatorischen Element liegt, wie ge­­wöhnlich auch in dieser Mufii der eigentliche Schwerpunkt ; der Gesang bewegt sich in falbungsvollen oder Fünftlir zugeschnittenen Phrasen, die nie gegen die Regeln der Rhetorik verstoßen aber sehr selten melodif sind und die Begleitung ihrerseits nimmt die Mufii unter den Arm und geht ihre eigenen Wege, stets jedoch bedadet, jedes Wort, was der ehrenwerthe Herr beflamm­t, gehörig dem Hörer zu kommentiren, denn die Wahrheit des Ausdruche um jeden Preis : bag ist der erste Grundlag in der Wagner’schen Theorie, und weil er wahr auf Kosten der Schönheit sein will, so überzeugt uns seine Wahrheit nur selten. Die Melodie ge­staltet sich überhaupt in der Glhlweise des berühmten M­­isters ganz anders als bei unsern Klassi­ern und seinen Vorgängern in der Romantik, sie zerflieht formlos im eine fortlaufende Masfe, aus der eine Fülle von seinen melodischen Gedanken und Moiven wire durcheinander wie Spargeltöpfe aus der Eche hervortauchen ohne sich zu Höhen und­­ fesselnden Melodiegebilden erschlicher­n­ können. Hier aber in den „Meisterfingern“ finden wir, daß sich wirklich einige solcher Spargeltöpfe zu vollen und üppigen Pflanze entfaltet haben und das überrascht uns, denn wir hätten leese Phänomen auf einem solchen Boden nie erwartet. Das System Wagner’s verleiht der Mufti nur eine rel­tative Bedeutung, sie darf im feinen Werten seine eigene Gebie­ständigkeit beanspruchen, sondern gilt nur als einer der verschie­denen Faktoren, von denen der beabsichtigte Effekt des durch der­ Text gezeichneten Bildes bewerfstelligt wird. Um den treuen I­­talion zu gewinnen, zu w­elchem der Vorwurf und Schawlak dieser legten Oper aufforderten, hat Wagner theilweise den musi­­kalischen Formalismus des 18. Jahrhunderts in Anwendung ge­­bracht ; die handwertsmäßige Behandlung der PBorfie und des Ge­sangs von Seiten der Schuster und Schneider im Meisterg­ang sollte sich treu und charakteristisch in den entsprechenden Patien der Mufii abmalen ; so rollte er hier nach alter sobesamer Kell meisterweise einige Motive in fünfllicher Verschränkung und mit po­lyphoner Durchführung, wie z. B. in dem Beispiel des­erte Arts mit breitspuriger Wiederholung bis zur Monotonie gewislane ab, darauf bedacjt sie mit regelrechten aber, nie harmonische Kontrapunkten reichlichst auszustatten. Indem er aber Al­al­mobische Gebäude mit seiner eigenshimmlichen Hermonischen Str­­eife sorgfältig überstreicht, verfehlt er gerade den Einbruch wie er erzielen wollte. CS zwingt aus dem Chaos der Tonnafl etwas Ülterb­limelndes heraus, allein es macht nur den Cingrud als hörten wir eine ältere Weise aus durchaus verstimmten St­­trumenten vortragen. Dann aber bei gemeisfen Situationen hiil dur­ das wüte Durcheinantggeigen alterthü­mlicher Accente, u geformter Melodietheile und figuren ein wohlthuendes Lid die Tonmasfen ordnen sich­hl und es entsteigen mel­che Gebilde mit flaren schönen Formen, Dieselben, welche wir vorhin gebeutet Hal 7 und sie erscheinen nichht , um gegen ihren Schöpfer Ze 4 abzulegen ; sie jammt­ das Lied, welches der Ritter "Fer nach den Worten „Wo an“ im ersten Akte beginnt, das Duett des Hans Saga Eva, der Tochter des Meistersänger Pogner im Beginn des 3 ten Aktes, das Lied ferner, welches Walther unter der Anlei seines Freundes Hans Gade im dritten Akt lichtet, und vergessen der Gesang des Lehrbuben David: „Am Jordam“ Johannes stand“, ferner das prächtige, effetivolle Quintett­ eb demselben Akt und endlich der stimmungsvolle Choral, mit meint bad Boll beim Johannisfeste die Meistersänger begrüßt, „ Diese­­ Momente, in welchen sich die wahren Schönheiten besser zus ,

Next