Pester Lloyd, September 1870 (Jahrgang 17, nr. 207-236)

1870-09-21 / nr. 227

; 3 Bett, 20. September. (H) Das republikanische Ministerium in Frankreich scheint auch durch sein Äußeres Auftreten den Beweis liefern zu wollen, daß seine Politik derjenigen der kaiserlichen Negie­­rung bireft entgegengefetz ist. Die ruhmgebige, herausfordernde Manier ver Tetteren selbst nach ihren schweren Niederlagen, so wie die gewissenlose Eigenhaftigkeit, mit welcher sie die Franzosen über die wahre Sachlage bis zum legten Augenblicke ihres Bestandes zu täuschen suchte, konnten den wahren Inter­­nessen Frankreichs nur sehnden. Vielleicht hat die Erkenntniß dieses Fehlers ihrer Vorgänger die gegenwärtigen Negierungs­­männer mit dazu betrogen, in ihren Kundgebungen die äußerste Friedensliebe und eine selbst im großen Unglück fast übertrieben zu nennende Bescheidenheit zur Schau zu tragen. Schon in der ersten Zirkularnote Yules Favre’ trat die Bereitschaft der republikanischen Regierung zum Abschlusse eines ehrenhaften Friedens unverkennbar zu Tage. Wunderbarerweise wollte da­­mals Preußen in dieser Note wieder nichts als Ueberhebung und Selbstüberschagung erkennen. Die zweite Note des fran­­zösischen Ministers ‚dürfte nun selbst dem Geschmace der in ihrem Siegesbewußtsein jo Äußerst empfindlichen preußischen Diplomatie entsprechen. Wir können und m wenigstens schlechter­­dings nicht vorstellen, was wir eine Sprache dem Grafen Bis­­mard eigentlich genehm sein könnte, wenn ihn nicht einmal der Tenor dieses Zirkulars befriedigen sollte. Wir unsererseits glauben sogar, daß Fapre viel mehr hätte sagen können, wenn auch in diesem Momente viel­­leicht nicht gerade sagen sollen, als er in Wirklichkeit sagte. Den Ipätereffen des Frieden suchenden Frankreichs mag es entsprechen, wenn Jules Favre Preußen gegenüber auch den Schein eines Barmwurfes vermeidet, dies kann jedoch den Ferner­­stehenden, der die Dinge nicht mit den Augen der unmittelbar interesfirten Parteien, fordern vom Standpunkte des Histori­­kers betrachtet, nicht hindern, der Wahrheit volle Gerechtigkeit zu zolfen. Die Medaille hat auch in diesem Falle zwei Gesten und die Schuld, den Krieg heraufbeschworen zu haben, darf auch nicht ganz und gar auf das französische Kaiserreich über­­wälzt werden. Wenn einst eine vorurtheilslose Generation über diesen furchtbaren Krieg ein gerechtes Urtheil füllen wird, so werden sich in der Schuld, die schredlichen Menschenheratomben verursacht zu haben, die Leiter der Politik Preußens mit dem Kaiser Napoleon brüderlich theilen müssen. Die mit der Annexion Schleswig-Holsteins inaugurirte Eroberungspolitik, die unerhörte Art und Weise, wie der Krieg gegen Oesterreich im Jahre 1866 eingefädelt wurde, die im Geheimen abgeschlossenen Schuß- und Trußbündnisse mit den fün deutschen Staaten, die offenbare Nicht-Einhaltung des Prager Friedensvertrages, die gar nicht verhehlte Absicht, die Main­­linie bei der ersten besten­ Gelegenheit zu überschreiten und den Norddeutschen Bund zu einem Deutschen Bunde zu erweitern, — das waren lauter Thatsachen, welche alle benachbarten Bölter in hohem Grade beunruhigen konnten. Auch ist es eine Ein­­seitigkeit, wenn man fort und fort nur von den französischen Gelüsten auf das linke Rheinufer spricht. Wenn solche Gelüste in Frankreich vorhanden waren, so waren sie durchaus nicht, oder wenigstens nicht ausschließlich einem brutalen Eroberungs­­drange entsprungen, den man ungerechterweise im franz­öz­­ifhen Bolte vorausfegt. Diese Gelüste waren viel­­mehr das Resultat der Befürchtung, von Preußen einmal über­­fallen zu werden. Ein Blick auf die Karte, die auffallende Nähe der französischen Hauptstaat zur Nordostgrenze, macht es begreiflich, daß der Aufbau einer so ungeheuren Militärmon­­archie, wie das unter Preußens Führung vereinigte Deutsch­­land, in seiner unmittelbaren Nähe, auf das französische Bolt nicht anders als beunruhigend wirken konnte. Indem man den Franzosen fort und fort nur ihre Rheingelüste vorwirft, sollte man doch auch nicht vergefsen, daß man in Deutschland das „Anrecht“ auf Elsak und Lothringen nicht minder lebhaft beiprag. Wenn diese Besprechungen in den politischen Kreisen und in der Presse Deutschlands vorläufig selten den Charakter eines klaren, positiven Eroberungsplanes an sich trugen, so lag die Ursache durchaus nicht darin, als wären die deutschen Ge­lüste auf Elsaß und Lothringen minder lebhaft gewesen, «als die französischen Gelüste auf die Rheingrenze, sondern sie war nur in dem Umstande zu suchen, daß das deutsche Zukunfts­­reich eben auch östlich vom Rheinstrome noch sehr viel zu holen hatte. E 8 wäre in der That unflug gewesen, die Eroberung des weiterliegenden fehon jet zu fordern, bevor man noch das näher Liegende erworben hatte. Wäre aber einmal das Werk der Unifikation innerhalb der Grenzen des früheren deutschen Bundes vollendet gewesen, so wäre gewiß seine lange Zeit ver­­strichen und die deutsche Großmacht würde den ersten, nur einigermaßen geeigneten Anlaß benügt haben, um die unauf­­­hörlich besprochenen Rechte Deutschlands auf die ehemaligen Reichsländer jenseit des Rheins mit den Waffen in der Hand geltend zu machen. Niemand wird leugnen können, daß die Befürchtungen der Franzosen Hinsichtlich der Zukunft vollständig gerechtfertigt waren, wenn man erwägt, daß das ganze ehemalige Lotharin­­gien, welches das spätere Neuburgund, Aretat, und den gesamm­­ten langgestreckten Länderstreifen von den Rhonemündungen 1 618 na Catató und nad ganze Mittelalter Y Hindurch den Gegenstand fortwährender Streitigkeiten zwischen Frankreich und Deutschland bildete. Die­­ses zwischen der großen französischen und deutschen nationalen Masse liegende, einer eigenen Nationalität entbehren­de Zwischen­reich zerbrödelte schließlich unter dem Andrange der zwei feind­­lichen Elemente und das, was man in Frankreich die Rhein frage, in Deutschland die elsäßische und lothringische Frage nennt, ist eben nur ein Weberrest des tausendjährigen Ningens um den Befig der Trümmer eines zu Grunde gegangenen Reiches. Der große Streit z­wischen Deutschland und Frank­­reich ist eine Erbtschaft der Geschichte, keines der beiden Bölfer hat dem andern etwas vorzumerfen. Daß das Wort „Krieg zuerst vom französischen Kaiserreich“ ausgesprochen wurde, ist in der That nicht das Wesentliche an der Sache, denn dasselbe Wort wäre morgen oder übermorgen gewiß von deutscher Seite aus­­gesprochen worden. Wenn schon die ganze neuere Politik Preu­­ßens für den Nachbar in hohem Grabe beunruhigend sein mußte und dabei ihn auch noch an der empfindlichsten Stelle, in seinem nationalen Selbstgefühl verlegte, so wurde diesem unhaltbaren Verhältnisse die Krone durch die zwischen Berlin und St. Petersburg herrschende Intimität aufgefeßt. Die heilige Allianz hat nur dem Namen nach zu existiven aufge­­hört; in der Wirklichkei erkltirte sie, wenn auch nunmehr blos aus Preußen und Aurland bestehend, ja D dieses drohende Zivilgestien des Nordens war für den Westen noch gefährlicher, als die ehemalige Trias, wo noch das Metternich’sche Oester­­reich der Dritte im Bunde war, weil die natürliche Nivalität zw­ischen Oesterreich und Preußen einen Theil der Kräfte dieser Trias’ lahmlegte, insbesondere gegen Westen ihm die offensive Kraft benahm. Diese neue heilige Allianz sah sich in ihrer Aktion durch seinerlei Rivalitäten gebunden. Die Schergendienste, welche Graf Bismarc bei Gelegenheit des polnischen Aufstandes Ausland leistete, bewiesen, daß die zwei Alliierten dur) das böse Gewis­­sen, durch das Bewußtsein die polnische Nation ermordet zu haben, um einander gebunden werden. Nichts bindet so stark, wie eine gemeinschaftlich begangene Mittel hat. Im Westen auf Frankreich, im Dosten auf Oesterreich und die Türkei, im Nor­­den auf Skandinavien zu brnden, das war die­ Politik dieser zwei Mächte, eine Politik, welche unter ihnen auf lange Zeit jeden Interessenkonflikt ausschloß. Angesichts dieser Sachlage konnte Frankreich so wenig, wie ein anderer mitteleuropäischer Staat zur Ruhe kommen , daß diese Beunruhigung den Franz­­osen zuerst unerträglich wurde, ist bei ihrem lebhaften Cha­­rakter und bei ihrer bisher innegehabten Machtstellung begreif­­lich. Jeve Beunruhigung und jede Kriegsursache wäre mit einem Schlage gesch­wunden, wenn priedodeutsche Demo trottiefib energii Wer get HELL­ un Dg8 preußisch-ruffislige Bü­ndniß unmöglich gemacht Hätte Die Unterlassungssünde der deutschen Demokratie ist mindestens so groß, wenn nicht größer, als jene der französischen. Hätte die erstere die Macht Bismarc’s, die wettere die Macht Napoleon’s zerschlagen, so wäre der Krieg nicht ausgebrochen. Keine von ihnen hat dies gethan, oder, was dasselbe ist, zu thun vermocht, — zur Strafe wird nun die eine als Werkzeug mißbraucht, um die andere zu zich­­tigen und das Resultat ist der Triumph des nordischen Impe­­rialismus. Zu diesem Imperialismus geht nun Fules Favre bitten und betteln. Es heißt, er werde im preußischen Hauptquartier gnädig aufgenommen werden. Niemand wird ihn barob zu be­neiden haben. Wehe Frankreich, wenn sein Minister des Aeu­­gern eine so bescheidene Sprache führen muß, Dne Vertheidi­­gungsrede des Advokaten ules Fanne, um das französische Bolt von der Schuld, den Krieg verursacht zu haben, rein zu wachen, kann Frankreich nicht retten. Die Neve mag sehen sein,­­ aber das Forum, vor welchem sie gehalten wird, ist verfehlt. Bei diesem Forum gelten feine Geser der Humani­­tät, der höheren Gerechtigkeit, sondern nur die Gefege des rohen, vorsichtslosen Kriegsrechtes. Nach diesem Rechte wird nun, wenn die Kraft Frankreichs gebrochen ist, das Urtheil ge­­sprochen werden, und es wird für Frankreich auch dann noch ein sehr hartes sein, wenn man im preußischen Lager meinen wird, einen wahren Ercek der Großmuth begangen zu haben. "= In einem Schreiben an die , Reform" unterzieht ein Abge­­ordneter den von einer Fraktion der 48er Partei bei dem Unterhaus: Präsidenten gethanen Schritt wegen Wiedereinberufung des Neid­dtages einer scharfen Kritik und stellt in Abrede, daß diesem Ansinnen, das weder berechtigt sei, noch sich auf ein Präcedenz stoßen könne, willfahrt werden müsse. MVergeblich berufe man sich auf von §­ 162 der Hausordnung dem Vertagten Haufe gegenüber: „Allerdings besagt dieser Paragraph, daß der Präsident auf den Wunsch von zwanzig Abgeordneten eine a ao vers­pflichtet sei; nicht, aber kann Blarer sein, daß D­ieser Paragraph sich auf die Zeit bezieht, wo der Reichstag beisammen ist. Etwas so Unger teimtes sagt sein Paragraph, daß, wenn das Haus durch den König vertagt worden, oder sich selbst doch Beschluß vertagt hat, sobald Jena Mitglieder an den Präsidenten schreiben, dieser gehalten sein all, das Abgeordnetenhaus zusammenzutrommeln. Also seine schlechten Späße, meine Herren. Einige ihrer Kollegen, die in der Erme­et auf der Meinlese sind, könnten den Spaß für Ernst nehmen und apprehen: fid fe­de m­iten. — Doch sprechen mir ernst da das Haus tagt, so bestimmt es entweder den Termin, an dem­ es tieber zusam­­mentritt, oder es bestimmt darüber nichts. Wenn, nicht, mie im ge­­genwärtigen Fall, so ordnet entweder der König die­­ Wiedereinberufung an, oder ist die Regierung verpflichtet, dieselbe zum gejeglichen Termin­ zu veranlassen, oder ruft, wenn es nöthig, die Regierung und der P­räsident des Hauses den Reichstag zu einem näheren, al dem gefec:­lichen Termin zusammen. Letteres wird fest geschehen, nicht aber, weil vier Patrioten es verlangen, welche eine Regel, die sie vorher verdreht haben, dem Haus, dem Hauspräsidenten und der Regierung aufnöthi­­gen möchten. Denn der Hauspräsident kann nit zugeben, daß zwanzig Menschen immer das, was das ganze Haus beschlossen hat, über den Haufen werfen. Der Hauspräsident ist in erster Linie dazu berufen, seine Verbrechung der Hausordnung zu dulden. Wir sind überzeugt, der Hauspräsident wird seine eigene und des Hauses Selbst­­ständigkeit gegen solche Attentätchen zu wahren willen ! = In Frankreich,ist, wie und von kompetenter Geste mitgetheilt wird, die Einstellung der telegraphischen Privat- Korrespondenz neuestens auf folgende Departements erweitert: Loire Inferieure, Morbiban, Finifterre, Cötes du Nord, Fe et Bil: laine, Mayenne, Marche, Calvados, Seine Inferieure, Dife, Drne, Eure et Loire, Loiret, Maine et Loire, Cure. = Der Gt. Petersburger Korrefpondent der „Narodni Lifty“ theilt (in der Nr. 254 vom 18. April) mit, daß ein russischer Offizier ein neues Schießpulver erfunden habe, dessen Wirkung eine drei­­fa größere ist, als die des gewöhnlichen Schießpulvers. Bei den an­­gestellten Versuchen stellte sich jedoch heraus, daß die gegenwärtig be nüsten Handwaffen seine Wirkung nicht auf die Dauer vertragen ; für Kanonen, besonders schwereren Kalibers, ist es dagegen gebrauchbar ; übrigens hofft man, seine Anwendung auch für Handmwaffen möglich machen zu können. Derselbe Korrespondent berichtet ferner von einer neu erfunde­­nen Mitraisenfe, welche viel größere Vortheile biete, als die fran­­zösische ; bei einem angestellten Bersuche haben nämlich 4 Mitrailleu­­ren in einer Minute 960 Schüffe gegeben, von denen 450 in einer Entfernung von 700 Fuß in die Zielscheibe einschlugen ; bei einem zweiten Versuch wurden aus einer Entfernung von 500 Klaftern in einer halben Minute 780 Schüffe gemacht, unter denen 483 trafen ; bei einem dritten P Versuche aus einer Entfernung von 250 Klaftern wurde die Zielscheibe ganz zertrü­mmert. Holland Hin in sich begriff, bad | b HESS a it ner ne ERS RE­ER t­ JOGA ág 25 — — — “ es Dom L Kriegsichauplag. Heute Nachmittag sind seine Nachrichten vom Kriegsschauplage um, Paris eingetroffen, nur als Kombination aus den bisherigen Mel­­dungen wird angekündigt, daß auf den Höhen von Creudon (füordwestlich von Paris) die nächste Schlacht zu gewärtigen sein wird; diese Höhen wurden nämlich von Seiten der französischen Vertheidigung mit 80.000 Mann belegt, da aber den Preußen daran gelegen ist, diese Höhen zu nehmen, um von denselben die nächsten Forts zu erreichen, so wird die Vermuthung ausgesprochen, daß hier der erste gewaltigere Zusammen­­stoß stattfinden wird. Hinsichtlich der Begegnung der auswärtigen Mi­­nister der kriegführenden Staaten haben wir nachzutragen, daß die Meldung von dem Wolffischen Korrespondenz-Bureau, bekanntlich einem preußisch-offiziösen Institute, vermittelt wurde, welcher Umstand wohl für die Glaubenwürdigkeit ein starres Argument bildet. Vielleicht ist durch diese Wendung der bisher hartnädig gemeldete Restaurationsgedanke Preußens überflügelt ; unterdessen ist derselbe nun auch in die englischen Blätter übergegangen, welche diesbezüglich Folgendes melden : „Die sogenannte Regierung zur Vertheidigung der Nation in Paris hat zwar de facto Bestand, wird aber nicht als eine de jure bestehende betrachtet. Man kann und wird daher auch nicht mit ihr verhandeln. Wenn Paris genommen ist, werden der Senat und der legislative Körper mit der Regentschaft zusammen als die zu Recht bestehende Regierung angesehen. Dieselben können und, wie man er­wartet, werden sie auch ihre Thätigkeit wieder aufnehmen und­ eine Kommission ernennen, welche die Friedensbedingungen entgegennimmt. Die Kaiserin kann zurückehren. Wenn der Friede geschlossen ist, wird Napoleon in Freiheit gefest, und Frankreich mag dann nach Belieben bestimmen, ob es das S Kaiserreich oder eine andere Regierungsform wünscht." Der Gedanke einer Restauration des zweiten Kaiserreiches unter preußischem Schuge findet selbst bei der „Berliner Kriegszeitung” keinen Beifall ; dafür befürwortet sie zur Sicherung der trügerischen Erfolge eine dreijährige Ossupation der französischen Hauptstadt durch preußische Truppen. Sie schreibt darüber : €o bleibt Deutschland deshalb kein anderes Mittel, als sich die Garantien für Aufrechthaltung der Friedensbedingungen, die ihm sein Machthaber in Frankreich, er sei wer er m­olle, unter den jenigen Um­­ständen gehen kann, selbst zu nehmen und der einzige Weg dazu ist dauernde Ossupation der französischen ee und mehrerer der unwichtigsten andern Pläge Frankreichs. Nur ein fortgelegter, vielleicht mindestens dreijähriger (2) Drud auf Frankreich, wie ihn deutsche Berat­ungen materiell wie moralisch ausüben, kann und mie den Franzosen Ruhe bringen. Hat man sich deutscher Seite einmal dazu entschlosfen, Paris und ein Dusend anderer fester Pläne im Innern Frankreichs die drei nächsten Jahre nicht zu­ verlassen, so kommt es gar nicht sehr darauf an, mit welcher Regierung in iR man Frieden schließt, denn der Exekutor des Friedens ist dann unsere Armee, und wir garantiren und dann den rieden selbst. Auch sieht sich die Sache vom Standpunkte der offupirenden Armeen lange nicht so schlimm an, wie es im ersten Augenblicke scheinen möchte. ir bedürfen zur Ossu­­pation Sranfreihg weder unserer Landwehr, noch der Erhaltung der Linienarmee auf ihrem resigen höchsten Stande. Die gesammte deutsche Linien-Infanterie repräsentirt 462 Bataillone. Rechnen wir nur 300 verselben mit dem kompleten Friedensstande einer dreijährigen Einstel­­lung, so geben diese schon 180.000 Mann, oder einschließlich Kavallerie und Artillerie u. f. m. eine Armee von 250.000 Mann, die wohl ge­­nügen dürften, Frankreich unter den Daumen zu halten. Für Deutsch­land erwächst der weitere Vortheil daraus, daß die Verpflegung dieser Armee Frankreich zufiele. „Rat. Bta.", möchte freilich nur militärischen Münschen entsprechen Indessen­t wird ohne Streifel die Einnahme von Paris und einer An­zahl der reichsten französischen Departements einen hinreichenden Drud auf die Bevölkerung ausüben, um eine Srievenspartei hervorzurufen, welche starr genug sein . Wwith, um eine ihren Műn­den entsprechende Regierung ans Nuder zu bringen, die dann au ung die nöthigen Bürgschaften geben wird. Nur nach diesen Bürgschaften haben wir zu fragen ; die Form der Regierung selbst kann uns voll­ommen gleich­­gültig sein. "·· Betreff seiner offensiven Verwendung des französischen Heckes vor Paris bemerkt die,,N.Allg.Ztg.««: Wahrscheinlich ist,daß im Falle einerl­­icht im Nordosten, wo die größere Entfernung von Te ÁL ét­zentrirung größerer Truppenmassen ermöglicht, zeitweise eine Deboudhi­­tung versucht würde. Im Süden der Stadt is­t ein Terrain, wo ein Korps außerhalb der Befeitigungen gegen den Belagerer zu operiren im Lande wäre; im Gegentheil ist man in Paris selbst der Ansicht, daß AR­ns Angel jok ur­ing st faffen werde, da­t er die beste Gelegenheit zur Annäherung an die Fortificationatin; 105 barbb­e g­elationslinien Nachrichten aus Tours vom gestrigen Tage sagen, das die Rüstungsvorbereitungen überall fortgefegt werden. In Tours und Um­gebung stehen 25.000 Mann.­­ Eine interessante Schilderung der Stadt Paris im furchtbaren Kriegsgetümmel bietet ein Brief der „W. Ata." vom 14. b. , der mir Folgendes entnehmen : ‚E35 it höchst interessant,, sich­ar zu machen , daß zum ersten Male in der neueren Gef­ichte eine große Ein­fi akt Se Stelle einer zertrümmerten Armee zu vertreten,­­ ohne besondere Hoff­­nung auf Umschwung, ohne einige berechtigte Erwartung auf Erfah den Kampf gegen ein­­ Siegreiches Heer von vielleicht 300.000 Mann aufzunehmen. Das Paris von 1814 zählte kaum die Hälfte der Bew­­ohner des heutigen Paris. Mien (1683) war ein Städtchen gegen diese riesige Hauptstadt. Was heute schon zerstört , verloren, vermastet t worden ist, zählt nach Milliarden ehe noch die Feinde ihren Angriff begonnen haben. Mit Strenge und Umsicht, mit einer wahren Versehwendung an Geld und Material wird von dem neuen Gouvernement Alles um­­gekehrt, um den Widerstand möglich und erfolgreich zu machen. Die Bevölkerung ist zum größten Theile entschlossen, dem Beispiele von Straßburg, C­erdun, Laon, Montmedy, Toul, Schlettstadt, Thionville u]. wozu folgen ; die französische Ehrliebe äußert sich bei den kleinen, faum ‚organisirten Streitkräften bietet genen auf so glänzende Weise, daß der hiebende moralische Cinorud auf die streitbaren Massen von Paris nicht ausbleiben konnte. Auf die Nationalgarde ist sicherer Beriak. Die Art und Weise, wie sie derzeit den inneren Sicherheits­­dienst verrichtet, zeigt er Genüge, daß die in ihr befindliche Intelligenz und Energie bei der Aufrechthaltung der inneren Ruhe und der Berz­theidigung der inneren Umfassung im äußersten Falle treffliche Dienste leisten wird. « ·Die Mobilgarden von Peers stehen nur in letzter Linie.Ein trefflicher Faktor jedoch sind­ die 120.000 Mobilgarden der Provinz, welche ruhig und disziplinirt hinter den Wällen der Forts ihren Man­­el an militärischer Schulung nichtnn beunruhigendem Grade merken assen werden.Die freiwillien Artilleristenkompagnien sind eine höchst werthvolle Truppe.Die«rancuireurs­«,eine wahre Elite,meist aus ehemaligen Soldaten gebildet,sind bestimmt,den·Feind zuharzellir·en und bezüglich des Kundschaftsdienstes besser zu wirten,als es im Feld­­kriege der Kavallerie gelungen ist.Die mein Kavallerieregiment for­­­mirte Gendarmerie der okkupirten Departements ist eine Garderelterer der ersten Klasse.Die Forts sind nuk Kanonen des schwersten Kalibers umwitt-ihre Inferiorität dem praktischen Belagerungsgeschütze gegen­­über wird durch die abundante Anzahl nahezu ausgeglichen.Lebens­­mittel sind für­ Millionenmwohneraus Monate garantirt. Mittheilungen eines französischen Genieoffiziers zufolge sind die süd-und südwestlich von Paris gelegenen Ländereien unterminirt und die Minen mit den Fortifikationen Chatillon,Vanvres,Issy,Mont­­rouge,Gretilly,Ar­cuil und Villejuif in Verbindung gebracht. »Standard«will,einer Pariser Korrespondenz zufolge,wissen­, daß ein preußisches Armeekorps die Picardie und die Normandie be­­seßen wird, zu dem Behufe, Lebensmittel zu requiriren, den Städten Havre und Rouen Kriegskontributionen aufzuerlegen und Paris zu ifoliren. Während man auf unserer Seite, schreibt man „vor Metz vom 14..d., eifrig mit der Zerntrung der Werke beswäftigt ist, liegen die Franzosen ziemlich regungslos da; sie warten offenbar die Initiative der Deutschen ab. Die Positionen, welche die Lesteren einnehmen, sind augenblicklich noch so entfernt von der Festung, daß das mittlere Belage­­rungsgeschoß, das bißher in Thätigkeit gewesen, nicht ausreicht, die Festung wirksam zu beschießen. Die Kugeln erreichten das Objekt nicht und da bleibt seine andere Wahl, als entweder schweres Belagerungsgeschüß zu beziehen oder der Festung näher auf den Leib zu rüden. Wahrscheinlich wird man von beiden Mitteln Gebrauch machen. Für die schweren Belage­­rungsgeschüße stehen in Pont 4 Mouffon Straßenlokomotiven ; die Annäherung an die Festung it mit großen Schwierigkeiten und Gefahren verknüpft, da der Boden viele Minen enthält, deren Auf­ fuhung jeder anderen Arbeit vorangehen muß. Rastlos sind denn auch die Bronniere in Thätigkeit und man gibt sie der Hoffnung hin, daß die schweren Geschüge bei ihrer Ankunft bereit3 Alles zum kräftigen Bombardement vorbereitet finden werden. Die Nachricht von GSedan wurde dem Kommandanten von Schlettstadt durch die Unferigen übermittelt und zugleich die Bürger­­schaft aufgefordert, zur Schonung der Stadt allen Einfluß auf den Kommandanten zur Weiergabe aufzubieten. Die Antwort des Kom­­mandanten war wörtlich : ,,Sechste Militärdivision,Platz Schlettstadt(geschrieben Schle­­ttadt).Schlettstadt,den 4.Sept.1870.Herr Kom­m­andant!Welche Ereignisse auch­ stattgefunden haben mögen,ich habe auf die Mitthei­­lung, womit Sie mich beehrten, nur Eine Antwort zu geben. Meine Pflicht is, Frankreich den Pla Schlettstadt zu erhalten, ich werde sie zu Die „dreijährige" Dauer der Okkupation, bemerkt hiezu die­­ erfüllen willen. Genehmigen Sie, Herr Kommandant, die Versicherun­g . Een nn Een Een Ten Erna KOKTÉLT ÉNEKET TTATTSZNETETSE Vase En Sn eng Tat Dur Geschichte der Bäder und Badeorte in Europa. (Bruchíuüce aus dem Duarterly Review.) Von den frühesten Jahrhunderten an zogen alle Eigenihümlich­­keiten an Geruch, Geschmach oder Temperatur in den Brunnen die Aufmerksamkeit des Menschengeschlechtes auf fi, und wurden, wie alle Dinge, die ungewöhnlich waren und einer leichten Erklärung ent­­behrten, dem unmittelbaren Einfluß der Götter zugeschrieben. Der Ge­­danke, daß eine Ortögottheit in der Quelle wohne, findet eine gute Ber­­euchtung durch die Thatfahe, daß das Wort Iympha, „Wafser”, nur eine andere Form für nympha, „Wafsergöttin”, ist. Die meisten wichtigen Dralel lagen nahe an geheiligten Duel­­len oder an Orten, wo dad Gas fich einen natürlichen Ausweg ge­­bahnt hatte. Der Tempel des Jupiter Ammon, in seiner gbiichen Dase, hat eine ausfegende Duelle. (Heropot, IV, 181.) Delphi hatte nicht nur feine Duelle von Karyotis, sondern die Pythia scheint auch, wenn sie ihre Antworten abgab, über einem Spalt in dem Felsen auf einen Drei­­fuß gefegt worden zu sein (Pausanias X, 24, $. 7), erhielt so durch das daraus hervorströmende Gas ihre Inspirationen, und stets waren eines etwaigen Unfalles wegen drei Priesterinen anmwetend. (Blutarch, Quaest. Graec. c. 9 ; De Orac. Def. c. 51.) Etwas Aehnliches gab es beim Orakel des Teophonius in Böotien, von welchem Pausanias (IX, 39, §. 5, segg.) aus persönlicher Erfahrung sagt , daß ein Gas sich frei machte, durch das die Leute anfangs besinnungslos wurden, und dann, sowie sie allmählich ihr Bewußtsein wieder erlangten, in Lachen ausbrachen. Hart daneben waren die mythischen Gewässer Mnemosyne und Lethe. In verschiedenen Theilen Indiens wurden Entweichungen entzündlichen Gase (wie man es z. B. jegt in La Porretta, bei Pi­­stoja, sehen kann) dazu bewußt, um ewige Feuer in den Tempeln der Götter zu unterhalten. Außer seiner eigenthümlich schönen Szenerie stand das Land um Baja fhon mit den frühesten Genossenschaften der römischen Geschichte in Verbindung. Nahe dabei war die älteste Stadt, Cuma, mit ihrer Sibylle — der See von Avernus, mit seinem Eingang in die Unter­­welt — die phlegräischen Felder und das Forum Bulcani — die ely­­seeischen Ebenen — das Vorgebirge von Misenum, mit seinem Hafen — zu geschweigen von den merkwürdigen Naturerscheinungen erlosche­­ner Bultane, von Kratern und Seen, mit heißen Quellen und heißen Dünsten und Mineralwassern, die an sich selbst so auffallend waren. Die großen römischen Colen bauten überdies ihre Villen hier schon lange vor der Zeit, in welcher sie, aus Mangel an Raum, die Grund­­mauern ihrer neuen Gebäude ins Meer verlegen mußten. Wenn Seneca (Epist. 86) sich. nach Baja begab, wohnte er über großen Bade, und ärgerte sich gewaltig über das Getöte in dem er hörte schon früh Morgens das Wlätfedern der Badenden im Senn das Bolt bavete zu allen Stunden. Er wurde gestört -regten Rufe derer, die da Ball spielten, und durch die tie: anderer, welche Bleigewichte Schwangen. Hier erprobte jemand seine Stimme mit Gesang, dort war ein anderer in lautem Streit begriffen, oder er erhob sich pröglich ein Schrei bei der Ent­­deckung eines Diebes, den einer der Badenden beim Kleiverstehlen er­­tappt hatte — was nicht selten vorkam. Dann wieder vernahm man die schrillen Rufe der Verkäufer verschiedener Ehwaaren, besonders der Liba, oder füher Kuchen, welche lange Zeit unter den Badenden beliebt waren, und von denen man noch jeht in einigen der deutschen Bäder einen Weberrest findet. Seneca erzählt und auch, daß es etwas Gewöhn­­liches war, berauschte Leute der Seefüfte entlang wandeln zu sehen, und die Gestade des Lufriner Sees von den Gesängen vergnügter Män­ner und Frauen wiederhallen zu hören, welche in glänzend bemalten, mit Kronen und Kränzen von Noten bewedten, Booten der mannig­­faltigsten Gestalt und Farbe herumschwammen. Alle alten Schriftsteller schildern diese Wasser-Ausflüge als Scenen wollüstiger Freude; auch gab es eine Menge Spiele ; im Ganzen aber beschrieb Seneca Baja als eine Art Strudel von Weppigkell und einen Pfuhl des Lasters. Allein die öffentlichen Bäder Roms übertrafen die von Baja weit an Ausdehnung und Wichtigkeit. Die staunenswerthen Waferlei­­tungen füllten die Bäder, welche in allen Theilen der Stadt mit fasz­ierliher Pracht erbaut wurden. Neben den öffentlichen Bädern Agrippa’s, Titus’ und Nero’s gab es eine Menge Privatbäder. Die Bäder Cara­­calla’3, zu gewissen Stunden ohne Unterschied für den Gebrauch der Senatoren und des Bolts geöffnet, zählten etwa 1600 Marmorsite, und in den Bädern Diocletians­ gab es mehr als 3000 Site. Die Wände der hohen Gemächer waren mit merkwürdigen Motallen beliebt, welche in der Eleganz ihrer Zeichnung und der Mannigfaltigkeit ihrer Farben die Kunst des Malers nachahmten. Der ägyptische Syenit war schön infrastirt mit den Köstlichen grünen Marmoren Numidiend — die Räume füllten Standbilder und Pfeiler, die nichts fragten, sondern blos zur F­ierde aufgestellt waren. (Seneca, Epist. 86; Martial, VI, 42; IX, 76.) Ein beständiger Mafferstrom ergoß fi­ch geräumige Beden durch viele weite Löwen­­mäuler von hellem und polirtem Silber. Walser floß aus Silber und wurde in Silber aufgenommen. (Statius, Silv. I. 5.) Und endlich, sagt Seneca (Epist. 86), haben wir eine solche Höhe von Weppigfeit erreicht, daß es uns ärgert, wenn wir nicht in unseren Bädern den Fuß auf Edelsteine fegen, und an diesen Weppigfeiten — mindestens denen der öffentlichen Bäder — konnten die Aermiten gegen Erlegung einer reinen Kupfermünze im Werthe von weniger als einem Pfennig teilnehmen. Dem Gebrauch aber folgte der Mißbrauch auf dem Fuße. Müßiggänger und Lasterhafte aller Art verbrachten viele Stunden in den warmen Bädern, und fanden es nothunwendig, der Wein der Er­­schöpfung der Kräfte, die sie hervorbrachten, aufzuhelfen. Die Römer trugen ihre Vorliebe für Bäder mit sich in ferne Länder, und wo immer sie warme Quellen fanden, bauten sie Bäder oder Thermen. Folgendes sind einige der zahllosen Pläne, wo außer­halb Italiens Ueberreste verselben gefunden wurden : zu Air in Savoyen und Air in der Provence; zu Dar, Bagneres de Bigorre und Bas­­­gnères de Luchon in den Pyrenäen; Alhama und Caldas in Spanien, wo die Mauren sich freuten, die römischen Bäder wieder erneuern zu können ; zu Baden in der Schweiz; zu Wiesbaden und in dem engli­­schen Bath oder Aquae Solis, zu geschweigen von Baden bei Wien , dann in den Herkules-Bädern zu Mehadia im Banat. Das römische Aquae ist immer noch­ lebendig in den verschiedenen Formen Acqui, Aigues, Aix, Ax, Dax. In den früheren Jahrhunderten Roms badeten die Männer und Frauen abgesondert, und selbst in den Zeiten der Kaiser pflegten ach­­tungswerthe Matronen in sein gemeinschaftliches Bad zu gehen, obwohl sie bisweilen öffentliche Bäder besucht zu haben scheinen, die wahrschein­­lich getrennte Räume hatten ; daß jedoch thatsächlich gemischtes Baden häufig war, und daß man die daraus entstandenen Uebel fannte, be­­weisen mehr als genügend die vielen von den Kaisern Hadrian, Trajan, Marc Aurelius und Alexander Severus dagegen erlassenen bitte. He­­liogabalus gestattete die Uebung wieder, und der Kaiser Gallienus bar­dete wirklich stets mit Frauen. Die Verlegung des Neihssiges nach dem Oíten bringt uns den unwohlbetannten Bädern von Bruffa, sechszig engl. Meilen von Konstan­­tinopel, näher. Sie waren schon in sehr früher Zeit benügt worden, und im Jahrhundert Trajans richtet Plinius der Jüngere (Epist. IX., 34) an seinen Herrn die Bitte um Wiederherstellung ihrer Gebäude. In den Tagen Constantins wurden diese Bäder mit Pracht wieder auf­­gebaut, und erhielten den Namen „Königliche Bäder“. Sie verfielen wahrscheinlich im zwölften oder dreizehnten Jahrhundert, wurden aber w wieder ins Leben gerufen, und sind heutzutage vielleicht die berühmtesten im Morgenlande. Um das Jahr 390 verfaßte Claudian ein schönes Gedicht über die warmen Schwefelquellen von Abano, in den Euganeisschen Bergen. Dieses Gedicht hatte Caffiodorus, der Geheimschreiber Theodorich’s, der seinen Regierungssis, etwa ein Jahrhundert später, in Ravenna hatte, wohl vor Augen, als er einen Baumeister in einem umfangreichen Schreiben anmies, die Bäder, die damals in Verfall waren, vollständig wiederherzustellen ; es ist daher nicht ohne nteresse, zu erfahren, daß sie noch bis auf den heutigen Tag in blühendem Zustande sind. Caffior­dorus läßt und auch noch einige andere Blide in das Badeleben thun: einem der Krieger Theodorich’s, Winiswad, wird die Erlaubniß ertheilt, die Bäder von Bormio zu gebrauchen, und zwar sowohl um zu baden als um das Wasser gegen seine Gicht zu trinken. Dies muß um das Jahr 535 ge­wesen sein. Winiswad kann also als der erste Badegast betrachtet werden, wessen Name in die Badeliste Bormio’3 eingeschrieben ist. In einem andern Brief erlaubt der Gothenkönig Athalarich, der Enkel Theodorich’3, seinem Feldobersten Primiscrinius, Baja zu besu­­chen, das er einen schönen Badeplag nennt, der Wunder mirfe und für die Gesundheit höchst werthvoll sei. Eines der Gelege Justinian’3 (Novell. 117) aus ungefähr der nämlichen Zeit, welche erklärt, daß, wenn eine Frau nacht mit einem andern Mann bade, dies ein hinlänglicher Grund für die Scheidung von Seiten des Gatten sei, zeigt, daß immer noch öffentliche Bäder im Gebrauch und die alten Mikbräuche versehlen nicht vergessen waren. Achthundert Jahre hören wir nun wenig vom Badeleben, genug aber um zu zeigen, daß Bäder immerhin in einigem Maße besucht wurden. Den frühesten Weberlieferungen von Aachen zufolge wurde dessen Wasser von einem Lutin, oder Dämon, unsicher gemacht, tiefer aber von Bipin ausgetrieben, welcher Monarch sich öfter mit seinem Hof an diesen Ort begab. Allein ech zur Zeit Karl­s des Großen gewann das Bad seine Berühmtheit wieder. Eginhard (Kap. XXII), der Hauptgeschichtsschreiber dieses Fürsten, berichtet, daßs Karl der Große der erste Schwimmer seines Jahrhunderts war, und daß er ein solcher Freund der Bäder und besonders der warmen von Machen , getreten, daß er endlich, um dieselben zu genießen, seinen Wohnsig in dieser Stadt aufschlug. Der Kaiser pflegte mit seiner, Familie, und seinen Offizieren Badepartien zu machen ; er verschmähte selbst die Gesellschaft der gemeinen Soldaten nicht, und hatte zu Zeiten eine ganze Kom­­pagnie seiner Zeibwachen im Bade bei sich; in all diesem aber be­ folgte er nur das Beispiel einiger der römischen Imperatoren. Im Jahre 1138 wurde in Bath von einem Bischof ein kleines Spital für Ausfägige gegründet, und um diese Zeit empfahl Gilbertus das M­ater dieses Ortes in gewissen Krankheiten. Aus den Pisener Urkunden vom Jahre 1161 erfährt man, daß alljährlich, vom 1. März bis 1. November, ein Hauptmann angestellt wurde, um die benach­­barten Bänder von San Giuliano zu beaufsichtigen. Ein wichtiger Theil seiner Aufgabe bestand darin, alle Kuppler und Buhlerinen, oder Spieler, oder Diejenigen, welche Spielhäuser­ hielten, fortzumessen. Im Jahre 1176 zeigen die Vorschriften für das Bad Teruel in Spa­­nien, daß besondere Badetage für Männer und Frauen, und an einem Tage in der Woche für Juden und Sarazenen festgelegt wurden. Einige der Vorschriften waren gegen Männer gerichtet, welche die Kleider von Frauen stahlen, oder dieselben sonst beleidigten. Die Unsittlichkeit in einigen der spanischen Bäder war so groß geworden, daß im Anfange des 14. Jahrhunderts einer der Alphonse sich ge­­nöt­igt sah, sie Schließen zu waffen. Tuffilagno’s Anwessungen für den Gebrauch der Waffer von Bormio sind interessant, da wir zeigen, das vieses Bad im Jahre 1336 besucht wurde. Die lateinischen Reime Ranulph Higodens, von 1360 datirend, beweisen, wie befuht damals der St. Winfried-Brunnen, oder Holywell, in Flintshire, vielleicht der berühmteste Brunnen reinen fairen Waslord in Europa war. Eine Rebtiffin in Zürich verkaufte im Jahre 1415 gewisse Ländereien, um die Kosten ihres Besuches in Baden zu bezahlen. Die Ladungen der Synode von Avignon verboten im Jahre 1441 dem gesanmten Klerus von Besuch der Bäder, welche zu jener Zeit Kloaten der Unsittlichkeit waren. Ein wenig später, im Jahre 1494, finden wir, daß die Bäder von Pisa auf fünfzehn Jahre dem Matteo Franco, Domherrn von Florenz, überlassen wurden, der, da er Verfasser eines Buches Sonetten da ridere war, vermuthlich in irhlichen Dingen sich nicht besonders streng erwies. Almählich aber erlangen wir über das Badeleben vollständigere Ansichten in den Schriften, hauptsäclich italienischer Aerzte, aus dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts. Eine ausführliche Schilderung

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