Pester Lloyd - Abendblatt, Oktober 1876 (Jahrgang 23, nr. 225-250)

1876-10-20 / nr. 241

L» (Ein | Freitag )Die Situation w­ird immer klarer,das­ heißt trüber,——je nach dem Standpunkte des Beobachters. Die Gefahr eines europäischen Krieges tritt immer mehr in den Hintergrund, aber lediglich deshalb, weil die Kapitulation Europas w­och vor dem Kriege immer wahrscheinlicher wird. Das ist in zwei Strihen das Bild der Lage, wenn auch eine oder die andere Meldung aus den jüngsten Tagen si nicht als richtig erwert­­en mag. Während z. B. das „Neue Wiener Tagblatt” mit der größten Entschiedenheit behauptete, Italien habe den sechs­­monatligen Waffenstillstand abgelehnt und andere Blätter ihm das gläubig nachredeten, erhalten wir heute aus höchstt kompetenter italienischer Duelle die unanfechtbare Versiche­­rung, daß Die Negierung des Königs von Italien jemwohl in­ Konstantinopel als in Belgrad und Cetinje die Erklä­­rung modifizirte, sie betrachte den türkischen Vorschlag als befriedigend und habe Bereits Den Dirigier vertgnteth, Derim Kommen bostens,als Delegiriert bei der Feststellung, Der Demarkations- Linie mitzu­wirften hätte Da auch Frank­­reich eine gleiche Haltung einnahm, so sind nunmehr vier von den sechs Mächten anderer Anfhauung als Nufßland, während nur Deutschland, wie bereits gestern gemeldet, sich entschieden an die Seite A­ußlands stellt, allein — das aenikat | .­».. Wie man unsatts Pera telegraphirt,wird General Ignatiefffjc­ heute in­ Konstantinoizelew wartet.Ihm vorausgeht die Nachricht,erbringe die kategorische Forderung unbe­­dingter Annahme des sech­­swöche­nt­­lichen Waffenstillstan­des,inklusive der ü­brigen­ Punkte der von England im Namen Europas gestellten­ Summa­­tion.Soviel scheint außer Zweifel und in Konstan­­­tinopel gibt man sich hierü­ber keiner Täuschung hin,daß flinßlaud keinen Schritt mehr zurück thun,sondern sich streng an die englischen Forderungen halten wird.Mittlerweile ist man in London sehr­ ernstlich auf der Suche nach einem Mittelwege begriffen,dürfte aber kaum­mehr einen solchetczi­ finden im Stande sein. Auch darüber ist nach den Telegrammen in unseisem Morgenblatte und nach den ung seither zugegangenen Berichten seine Täusch­ung mehr möglich, daß die Engländer, falls es zum äußersten kommt, Tfeineswegs gemilst sind, den Handschuh zu Gunsen der Zürterr aufzunehmen, und an deren Seite in die Aktion einzutreten. England wird ich sehr vorsichtig auf die Vertheidigung Konsantinopels zurückziehen und außer einer stillen Unterstügung der Tiürfet die fatis accomplis, insoweit diese Konstantinopel nicht berühren, schließlich mit mehr oder weniger Neserve acceptiren. Endlich wird uns au) noch von Konstantinopel die bedauerliche Nachricht telegraphirt, daß man dort in Ne­­gierungstreifen so ziemlich den Kopf verloren habe. Die ab­losigkeit ist eine enorme und auch der Zustand der ganzen türkischen Armee soll nichts weniger als hoffnung­­verheißend sein. Aus Wien wird uns über die Lage geschrieben : 2 Wien, 19. Oktober. Die Dinge drängen zur Entscheidung. Von keiner Seite wird die Thatsache bestritten, daß Rußland mit den rumänischen Eisenbahnen einen Vertrag abgeschlossen, der die Be­­förderung von 250.000 Mann binnen zehn Tagen dur Rumänien sicherstellt, und mag das alle nicht mit entscheidendem Gewicht in die Maagschale fallen, ein solcher Vertrag fan nicht ohne­ das Wissen und gegen den Willen der rumänischen Hohenzollern -Negie­­rung abgeschlossen sein, die eben fest, zu Beginn des Winters. Die gesammte streitbare Macht des Landes zu den „gewöhnlichen Meinun­­gen“ konzentrirt. Die Waffenstillstands-Verhandlungen „und was damit zusammenhängt”, mögen noch nicht formell abgebrochen sein, aber thatfählig sind sie es, und schon seit mehreren Tagen schlägt man sich wieder auf der ganzen Linie. Auch­ Oesterreich-Ungarn wird also definitiv Stellung nehmen müssen, und mit der höchsten Span­­nung sieht man den Entschließungen in Budapest entgegen,, wohin der Kaiser den Grafen Andrasfy beschieden. Wie diese Entschliegun­­gen fallen werden, doch zu prophezeien wäre mehr als gemagt. Andeutungen indeß in hiesigen Organen, welche notorisch mit dem Auswärtigen Amte in Verbindung stehen, möchten die Bermuthung begünstigen, daß Oesterreich nicht die Absicht habe, sich, um die eigenen Worte des beglaubigtesten dieser Organe zu wiederholen, „in direkten Gegenfaß zu dem runfischen Vorgehen zu bringen“, eine Ausdruckmeise, welche auf die Behauptung einer Neutralität foliegen lassen könnte, die freilich hoffentlich diesmal nicht, wie einst im Krimkrieg, sich zwischen zwei Stühlen niederjet und ed mit Die eine Bemerkung können mir übrigens nicht unterdrücken, daß in jener Festlegung des Drei-Kaiser- Bündnisses, welche die weitere Aktion der Verbündeten an eine Ver­­einbarung „von gall zu Fall” knüpft. Der fest vorliegende „Sall“, daß einer der Verbündeten bereits auf eigene Sauft ein fait accompli geschaffen, schwerlich mit ins Auge gefaßt har. Und zur Vervollständigung des düstern Bildes lassen wie hier — vorläufig ohne Bemerkung — das neueste Schreiben” unseres Berliner Korrespondenten vom 18. 0. folgen. Der in Wien erfolgte Umschwung gibt dem Tage die Signatur. Graf Andrasfy hat sich bis zu einem gemissen Grade der russischen Anfhauung anbequemt und hat nach hiesiger Auffassung wenigstens damit erreicht, daß er das Wohin und das Wieviel der Kriegsströmung wo immer in seinen Händen behielt. „Getreu seinem bekannten Ausspruch, geht er darauf aus, figg dem befreundeten Gegner in den Arm zu hängen, um auf diese Art zu erreichen, daß sein­ Bartner ohne ihn nichts zu unter­­nehmen vermag. Eines steht fest: In den politischen Kreisen Berlins nahm man von dieser Wendung der Dinge mit unverhohlener Genugtäuung Akt, da das Verbleiben des Grafen Andrasfy im­ Amte nun einmal hier als das unzweifelhafteste Symptom für die ‚Fortdauer des Drei- - Kaiser-Bündnisses gilt. Lesteres bleibt nach wié vor das­ Bivot der deutschen Reichspolitis, und wenn man sich in Paris — wie aus mannigfachen Anzeichen hervorgeht — den Kopf darüber zerbricht, welchen Preis mehr Deutschland für das Gemährenlassen der­ rus­­sischen Bolitit auf dem Balkan gefordert haben möge, so ist schwer­­lich eine andere Antwort darauf denkbar, als die,» melde sich aus dem natürlichen Wunsche nach der Deckung unserer Westgrenze. er­­gibt. Daß ss Rußland, wie man hie und da aussprengt, etwa ent­­schließen sollte, seine Grenzsperre zu mildern, um uns auf handels­­­politischen Gebiete dafür zu entschädigen, daß und seine territorialen­­ Kompensationen zu­ bieten seien, glauben, nur Enthusiasten,­ die stets von. der. Erfüllung, dessen überzeugt sind, was sie unwünschen. Eigenthümlich ist es dabei, daß man in hiesigen englischen Kreisen die maritime Leistungsfähigkeit, die ARupland namentlich für den Transport von­­ Truppen zur See zu entwickeln vermöge, auffallend gering veranschlagt. So behauptet man anscheinend auf Grund spezieller Berichte, die bei den Lords der Admi­­auf indirektem Wege in London eingelaufen wären, Ekaliteit ’daß,um nur 36.000 Mann m­it Kanonen,Pferden,Provision und dem nöthigen Kriegsm­aterial einzuschiffen, eine Transport-­ Flotte von mindestens 170­—180.000 Tonnen Gehalt vorhanden sein müsse. Die gesammte russische Flotte wäre aber, nach diesen eng­­lischen Berichten, bhöchstens im Stande, diese Tonnenzahl zu reprä­­sentiren, während die im Schwarzen Meere verfügbaren russischen Flottent­eile höchstens für den Transport von 10.000 Mann mit vollster Ausrüstung Hinreichen würden. Nähme man ruffischerseits auch noch die Handels-Flottille zu Hilfe, so könnte man im besten Falle 12—15.000 Mann auf einmal zur See transportiren, als scheint es, als ob, selbst vorausgeseßt, diese Berichte der englischen Agen­­ten wären durchaus zuverlässig, als ob Nußland für den Kriegsfall des Seeweges nach den Balkanländern gar nicht bedürfe Der hiesige rumänische Agent Spricht geheimnißvoll von einem Bündnis des Fürsten Karl mit Rußland, infolge bdeffen einer russischen Armee der Durchzug im Nothfalle freistünde, und da Oesterreich-Ungarn sich nach Allem, was vorliegt, mindestens zumohlmwollender Neu­tralität verpflichtete, für welche der Lohn jamohl auch nicht ausbleiben wird (Mir haben uns für diesen „Zohn“ sehen,im voraus bedankt. D. Aed.), so hätte die Pforte augenscheinlich trop den­ englischen Tröstungen, alle Ursache, ich die Sache dreimal zu überlegen, ehe, sie die Dinge durch ihren­ Wider­­stand aufs Meußerste treibt. In Konstantinopel sollte man das histo­­rische­­ Beispiel der Theilung Bolens nicht so leichtfertig aus den Augen verlieren. — Heute finden, wie die , Bester Korrespondenz” meldet, in Budapest mannigfache Hochwichtige Berathungen statt. Se. Majestät von einem Jagdausfluge, an welchem auch Graf Andräaffy theilgenommen, zurückgekehrt, beraumte für 3 Uhr Nachmittags einen Ministerrat­ unter eigenem Vorfig an, zu welchen sämmtliche hier anmesenden Minister berufen wurden. Um 6 Uhr Abends findet unter Vorfig des Minister-P­räsi­­denten Tiba ein Ministerrath statt. Die Abreise Sr. Majestät ist zur Stunde nich­t festgestellt. — Die Anwesendheit des gem­einsamen Finanzministers Freiherrn v. Hofmann, der gestern Abends in Budapest ankam, gilt durchaus keinerlei politischen Aktion, sondern lediglich einem Alte ver Courtoisie, indem Se. Exrzellenz es für geboten erachtete, die ungarischen Minister persönlich zu begrüßen, ehe er mit den­­selben in amtliche Relationen tritt. Im Laufe des Vormittags hatte Se. Erzellenz mit Heren v. Széll eine eingehende Besprechung. Baron Hofmann kehrt morgen Früh wieder nach Wien zurück.­­Der Justizminister hat an sämmtliche Stadtsanwaltschaf­ten undk.Gerichte zwei Erlässe gerichtet,welche das Verfahren bei Auslieferung von gemeinen­ Verbrechern zwischen Groß- Britannien und Oesterreich-Ungarn regeln.­­Die Gehälterdchteuer-Inspektoren wurden­­wie,,Nemz,Hirl.«meldet—«vom Finanzminister in drei Klassen eingetheilt,und zwar die erste Klasse für die Hauptstadt mit dem Charakter und Rang eines Sektionsrathes,in die zweite mit Cha­­rakter und Rang eines Finanzrathes wurden jene Steuer-Inspek­­toren aufgenommen,deren Aufgabe mit Rücksicht auf die in ihren Wirkungskreis gehörenden Steuerfragen und den gewerblichen und Handelsverhältnissen eine wichtigere ist.Solcher Steuer-Inspektoren gibt es dreizehn;die übrigen Fü­nfzig werden mit Charakter und Rang eines Finanz-Sekretärs bekleidet. — Die serbische R­egierung hat mit Erlaß vom 14. September die aus Anlaß der orientalischen Amderpest errich­­tete Grenzsperre aufgehoben und die Einführung von Horn­­vieh und­ dessen Rohprodukten aus Oesterreich - Ungarn wieder gestattet. »« " =Zu den Kriegsvorbereitungn­ Nußlan­ds wird dem »P.N.«'aus Fiume telegraphisch gemeldet,daßin­ der dortigen berühmten Fabrik für russische Rechnung Torpedos angefertigt werden.Bereits­ seit dem Sommer­ weilten daselbst mehrere russische Offiziere,welche die Torpedos übernahmen und die Manipulation derselben erlernten.Bisauwaei,die noch in Fiume blieben,wur­­den die Uebrigen nach Kronstadt beordert. -——­­ « « » eg op . « «"-«­­Yak­ostemtchische Jenanz-Expose. D Wien,20.Oktober.(O«rig.-Korr.)Dem Abgedrdgei­tenhause wurde in seiner heu­tigen 1.Sitzung die Ueberraschung·zu Theil,daß der Finanzminister Baron Pretis ihr sogleich das Budget für das Jahr 1877 unterbreitete,·mit demselben·aber zugleich eine Steuer-Reform-Vorlage auf den Tisch des Hauses legte, welche,unbe­­ kümmert um die von der Legislative in Behandlung genommene Steuer- Reform,die derzeitigen von­ allen Seiten«so vielseitig beklagten Härten und Ungleichheiten des heutigen Steuer-Systems"durch die Einführung der auf der subjektiven Leistungs­­fähigkeit fußenden Personal-Erwerbsteuer mit einem Schlage provisorisch beheben und zugleich dem Staatsweis­­halte eine Mehreinnahme zuführen soll. Die Steuer-Reform-Vorlage umfaßte sechs Gesetzentwürfe und zwar: a)«En­­twurf zur Regelung des künftigen Ausmaßes der Grund­­steuer mit einem langen Nachlaß an der derzeit geltenden Persis­tenzziffer. ««D)Abä­nderungen in dem Hau­szins-oder Gebäudesteuer-Gesetz mit einem gleich hohen 10 €gen Nachlaß der Ha­uszinssteuer und en­tsprechen­ der Regelung der Hausklassen Steuer ««c)Abänder­ungen des bestehenden Erwerbsteuer-Gesetzes s mit Fixiisung des Gef«anim«t-Erträgn­isse«s dieser Steuergattung auf eine fixe,unt­er dem bisherigen Erträgn­isse stehende Suilim­e,welche nach einem«eig«enen,die bisherige Steuerleistung berücksichtigenden Tariife auf die einzelnen Steuerpflichtigen zu repartiren sein mird. d)Einhebung einer Rentensteu­er von den Zinsen der öffent­­lichen­«Forroe-«und ständischen Obligationen,der Landes-Ansehen m­itt der Aktien­ der der Einzerbsteu­er nicht unterliegenden Aktien- Gesellschickten(Oesterr.Nationalbank),d.hnnn eine gerin­gere Theilung jener Steuer-Objekte,melche bisher unter die KlassellI des bestehenden Eini­ommensteuers Gesetzes gefallen sind. «e)Neue Bestimmungen in Betreff der Besteuerung von Aktien-Gesellschaften unter ganz spezieller Berücksichtigu­n­g der­ Pro­­duktion Gen­ossenschaften,besonders der Erwerbs-und Wirthschafts- Genossenschaften in­ Einführung einer Personal-Erwerbsteuer auf der Basis des der Legislative bereits vorliegenden,jedoch bisher nicht zur Behamdlimg gekommenen gleichnamigen Gesetz-Entwurfes. Der Finanzminister spricht dielieberzeugung aus,daß der Komplex dieser Steuers Reformenls Provisorium­ in wenigen Monaten in Wirksamkeit stehen,und in allen seinen Theilen schon für das Jahr 1878 fungiren könnte. "Was nun das Budget für das Jahr 1877 selbst einbelangt, so macht dasselbe in seinem Totale einen viel günstigern und be­­friedigendern Eindruck als nach den pessimistischen Ausstreu­ungen zu erwarten gewesen.Die Staats-Einnahmen haben sich trotz des in Folge der allgemeinen Weltlage unvermeidlichen Rückganges doch noch über der Höhe erhalten­,wie sich dieselben in den Jahren 1870 und 1871 gestellt,einer Periode,welche bei uns als die Zeit des m­ateriellen­ Aufschwunges anerkannt wurde. Das Budget schließt mit einem um­ 4 Millionen geringer­ Defizit als im Voranschlage für das laufende Jahr­,trotzdem daß schon der Finanzmini­ster die direkten Steuern um 5 Million­en nie­­driger eingesetzt hat,als das faktische Erträgniß derselben­ im lau­­fenden Jahre war. Die Gesammt-Summe an Benefizien,­­welche in der neuen Steuer-Vorlage geboten werden, lassen sich in Folgendem re­­sumiren : a) 10 Berzent Nachlaß an allen direkten Ertragssteuern (Grundsteuer, Erwerbssteuer, Hauszinssteuer), welcher gerade für den kleinen Grundbesiß, den­ Heinen Gemwerbermann eine dauernde und bleibende Erleicherung bietet, da die zur Deckung des Aus­­falles einzuführende Personal-Einkommensteuer das Einkommen bis 600 ff. vollkommen freiläßt. b)In der progressiven neuen Personal-Erwerbsteuer Heran­­ziehung aller jener Faktoren zu der Tragung der Staatsla­sten,die« sich derselben­ nach dem bisherigen Besteuerungs-Modus.in der zmwink­nigfachsten Form zu entziehen wußten. »c)Aufhebung der heutigen,in ihrer vexatorischen Durch­­führung so lästigen,den freien Werthverkehr vielfach hemmenden Einkommensteuer. .­.--» d)In dem Gesetzentwurfen angebahnte befriedigende Lösung­­ der Besteuerungsfrage von Erwerbs-Gesellschaften,Kapitals-Asso­­ziationen,unter gan­z besonderer Berücksichtigung der bei uns zur­­brennenden Frage gewordenen Besteuerung der Erwerbs-und Wirth­­schafts-Genossenschaften,welche ihre Thätigkeit auf den KreisJ ihrer Mitglieder beschränken.­­. e) Behebung und Ausgleichung der Härten und Ungerechtig­­keiten, welche in dem bisherigen Besteuerungs-Systeme gelegen waren mit Einem Schlage, mit der gleichzeitigen Aussicht, daß, wie sich der Herr Finanzminister schmeichelt, der Vortheil der von ihm einge­­brachten neuen Besteuerungs-Normen für den Staatshaushalt ,den im Jahre 1878 mit einem Mehrerträgnisse von 6,8 Millionen geltend machen dürfte, .....,"«­­­­­ ­ Bur Tagesgefdhcte. Angesichts der Wichtigkeit, welche mit Not der Haltung Deutschlands in der fritischen Tagesfrage beigelegt wird, ge­­winnen die Kundgebungen der den deutschen Regierungskreisen­ nahe­­­­stehenden Blätter eine erhöhte Bedeutung und so sei zunächst fon­­statirt, daß die Organe, die sich bisher durch unbedingte Rafsen­­freundlichkeit­­ hervorthaten, die Kriegspolitik Rußlands mit augen­­regeinlicher Reserve behandeln. Die „National-Zeitung“, Die­ fi durchaus in­ rufsischem Fahrmaster bewegte, zeigt sein Wohlwollen für­ die rufsische Aggression und sie­fert ihre Hoffnung bezüglich der Erhaltung des Friedens auf die Energie der Mächte. So s­reibt sie unter Underm: „Ein Punkt nur in den legten Depeschen hält die V­erbin­­dung mit den bisherigen Friedenshoffnungen aufrecht :" die­ verdop­­pelten Bemühungen Englands, die Pforte mit den russischen An­­sprüchen in Einklang zu fegen, und umgekehrt die gemeldete Ent­­schließung Rußlands, den Waffenstillistand fallen zu waffen­ und damit sich wieder an die Seite Englands und der übrigen Mächte zu Stellen. Dieser Punkt aber scheint und vieles Andere SUB Es heißt für uns so viel, als daß Rußlands Wille noch immer ein friedlicher is, daß Rußland wünscht von Europa sich nicht zu trennen, daß noch immer der alte Boden feststeht, auf welchem die gesammten Mächte die Gesammtinteressen zu wahren vermögen. Sie blieben d­as Vermögen wirmwollen hoffen,daß sie auch die Kraft dazu finden­­ werden.“­­ Ueber die Ablehnung des sechsmonatlichen Waf­­fenstillstandes wird der „Bol. Korr.” aus Berlin geschrieben: „Die Ablehnung des von der Pforte formulirten Waffenstill­­standes bis zum kommenden Frühling seitens der russischen Regie­­rung konnte hier nicht überraschen. Die türkischen Reformverheißun­­gen an sich, welche die von den europäischen Mächten geltend­ ge­machten Forderungen einfach ignoriren, bieten nicht die geringste Gefahr, daß nach Ablauf der sechs Monate der Status quo von heute — und zwar nicht der verbesserte unverändert­­ bestehen wird. Daß dann die Situation für die Türkei eine ungleich vor­­theilhaftere als für die Serben und Montenegriner sein­ würde, liegt auf der Hand, umso mehr als die Pforte die Beschränkung in der kriegerischen Nüszung, welche sie von den Fürstentü­mern verlangt, nin selbst seineswegs auferlegt. Auch ließe eine solche Beschränkung, selbst wenn sie formell zugestanden würde, sich in seiner Weise kontrol­­liren. Die Pforte will, wie sie selbst in der betreffenden Erklärung aus­ spricht einem für sie unter allen Umständen ungünstigen Winter-Feldzug aus dem Wege gehen und zugleich den Mächten eine ausreichend lange­ Stift geben, um an die Stelle der nunmehr wiederholt mit Noth und Mühe bemahrten Eintracht die Zwietracht treten zu lassen, welche unter den Hilfsmitteln der türkischen Diplomatie in erster Reihe steht. Wenn Rußland diesem türkischen Kunstgriff gegenüber, wenngleich derselbe in London und Paris günstig aufgenommen worden, auf den ursprünglichen Borschlag eines fürzern Warffenstill- Standes zurückkommt, wie England ihn namens der Mächte verlangt hat, so bleibt es damit durchaus in seiner Rolle, denn Graf Schumaloff war es, welcher dem Carl Derby diesen kürzern Waffen­­stillstand von 4—6 Wochen empfahl, und die englische Diplomatie ergriff das Auskunftsmittel, weil demselben eben die Zustimmung aller Mächte gesichert war. . . . Will — und vor allen Dingen fan­r man in Konstantinopel ernstlich die Hand an das Reformwerk legen, so genügt, um diese Fähigkeit zu ermeien und diesen Willen zu be­­thätigen, ein Waffenstillstand von sechs Wochen vollkommen. Haben die Mächte in dieser Frist die Welterzeugung gewonnen, daß es der forte mit den zund gegebenen Reformabsichten wirklich Grnit ist, so wird sie eine Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum definitiven Friedensschluß unschwer erzielen ; sind jene sechs Wochen abermals nußlos verstrichen, dann dürfte der Zeitpunkt für diplomatische Verhandlungen en vorüber sein. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die rufliiche Antwort der Situation durchaus entsprechend, ihr E­rnst freilich immerhin unverkennbar: Welche Bedeutung der­­selben auch hier zugemessen wird, erhellt aus ihrer Veröffentlichung im „Reichsanzeiger“. Sollte Fürst Bismarc, der übrigens in der legten Zeit wiederum recht leidend und seineswegs so munter und vergnügt war, wie die „Römnische Zeitung” ihn fein läßt, die Nation an das einstmals von ihm gegebene Versprechen erinnern wollen : Attentftüde über schmebende Fragen, resp. Mittheilungen über den Gang der eventuellen Verhandlungen nur dann veröffentlichen zu Ki . JET­TEL . Bon George Eliot. — Deutsch von Adolf Hfrodtmann. . Erster Band. — Viertes Buch. Gmwendelen bekommt ihren Gemählten. 32. Kapitel. (81. Fortlfegung.) Er hatte an Fran Meyrich geschrieben, um ihr seinen Befund um vier Uhr Nachmittags anzumelden, und fand Mivah allein mit Frau Meyrid und Mab, dem geöffneten Klavier und der herrlichen Gesellschaft von Kupferstichen, bei der Arbeit figen. Die saubere Anmuth ihres Haares und Anzugs, der Schimmer ruhigen Clüdes auf einem Antlig, in welchem ein Maler nichts zu ändern gebraucht hätte, um sie an die Spike der himmlischen­ Heershaar zu Stellen, welche „Friede auf Erden und den Mensc­hen ein Wohlgefallen“ sang, bildeten zu dem Moment, wo er sie zuerst erblich hatte, einen Kon­­trast, der für Deronda 3 Augen entzüdend war. Mirab selbst dachte daran und sagte gleich nach der ersten Begrüßung : — Sehen Sie, wie verschieden ich von jenem unglü­cklichen Ge­schöpf am Flusse bin! — und das Alles, weil Sie mich fanden und mich zu den besten Menschen brachten. — 63 war ein glücklicher Zufall, daß ich Sie fand, verfegte Deronda. Jeder Andere hätte gern gethan, was ich gethan habe. Das ist nicht die rechte Art, die Sache anzuziehen, entgegnete Mirah, ihr Haupt ernsthaft schüttelnd. Ich denke an das, was wirk­­lich geschah. Sie waren es, und sein Anderer, der mich fand und gut gegen mich war, — % Stimme Mirah bei, sagte Frau Meyrid. Sankt Jeder­­n­it ein fehlec­hter Heiliger, wenn man ihn anrufen,soll. — Außerdem hätte Jedermann mich nicht zu Ihnen bringen können, fügte Mirah, Frau Meyrid anlächelnd, hinzu. Und ich möchte lieber bei ihnen, als bei irgend jemandem font in der Welt sein, ausgenommen meine Mutter. 3) möchte missen, ob jemals ein armes Bögehcen, das sich verirrt hatte und nicht fliegen konnte, auf­­gehoben und in ein warmes Nest gefegt wurde, wo si eine Mutter und Schmettern befanden, die sich feiner annahmen, so daß ihm Alles ganz natürlich erschien, als wäre es von jeher dort gewesen. 39 glaubte früher kaum, daß das Leben jemals so glücklich und ohne Angst sein könnte, wie es jeßt für mich ist. Sie sah einen Augen­­blick nachdenklich aus, dann sagte sie: Zum eilen fürchte in mich 009 ein Klein wenig. . Wovor fürchten Sie sichP fragte Deronda mit einiger Unruhe ««F­ Daß ich,wenn ich ui­ein­e Straßenecke biege,meinem da- Das ist meine einzige Sorge, sagte Mirah mit ihm zu ‚begegnen, Kagendem Tone. — 63 ist gewiß nicht sehr wahrscheinlich, verfegte Deronda, mit dem Wunsche, daß es noch­ minder unwahrscheinlic­her. Dann fragte er, um die Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen: Würde es fest ein großer Kummer für Sie sein, wenn Sie niemals Ihre Mutter fänden ? Sie antwortete nicht sofort, sondern fann wieder nach, indem sie ihre Augen auf die Wand gegenüber richtete. Dann wandte sie dieselben auf Deronda und sagte fest, als sei ihr die genaue Wahr­­heit aufgegangen : ch möchte, daß sie erführe, wie sehr ich sie immer geliebt habe, und wenn sie am eben ist, möchte ich sie trösten. Sie mag todt fen. Wenn es so műre, möchte ich wissen, wo sie begraben ward, und ob mein Bruder noch Lebt, den Kadditch zu ihrem An­­denken zu jagen. Aber ich will mich bemühen, nicht allzu traurig zu sein. Ich habe ihrer so viele Jahre wie einer Todten gedacht. Und ich werde sie im Herzen tragen, wie ich es stets gethan habe. Wir können niemals wirklich von einander getrennt werden. Ih glaube nicht, daß ich jemals gegen sie gesündigt habe. 34 Habe mich immer bestrebt, nichts zu thun, was sie verlegen würde. Nu könnte sie viel­­leicht darü­ber betrübt sein, daß ich Feine gute Jüdin bin. — Sin welcher Beziehung find Sie feine gute Jüdin ? fragte Deronda, — 39 bin ungiftend, und wir haben n­iemals die Neligions- Borroristen befolgt, sondern unter Christen­­ gelebt, gerade die sie lebten. Aber ich habe meinen Vater ü­ber die Strenggläubigkeit der Juden in Betreff ihrer Speisen und all ihrer Gebräuche lachen hören, und darüber, daß sie die Christen nicht Leiden könnten. Meine Mut­ter war strenggläubig, 10 viel ich weiß; aber sie könnte niemals ver­­langen, daß ich Diejenigen nicht lieb haben sollte, welche besser gegen michh sind, als irgend welche von meinem eigenen Volke, die ich je­ ge­­lannt habe. Ich würde gewiß in allen andern Stüden ihrem Wunsche gehorsam sein können, nur nicht in diesem. 68 ist mir so viel T­eich­­ter, mitzulieben als mitzuhalten. ch entsinne mich. eines Dramas, das ic auf Deutsch gelesen habe — seit ich hier bin, es ist mir wie­­der eingefallen, — wo die Heldin etwas Nehnliches sagt. — Antigone, bemerkte Deronda. — Ah, Sie fennen es ! Aber ich glaube nicht, Daß meine Mut­­ter wünschen würde, ich sollte meine besten Freunde nicht Lieben. Sie würde ihnen dankbar sein. Bei diesen Worten hatte Miral fh der Frau Meyrid zugewandt, und während ihr ganzes Ant­it sich plöglich erhellte, sagte sie: O, wenn wir einander jemals begegnen und einander kennen lernen, wie wir jett sind, so daß ich ihr urzäh­­len könnte, was sie trösten würde — dann würde ich 10 vor Glück sein, meine Seele würde sein Bedürfniß haben, als sie zu lieben! — Gott segne Dich), Kind­ rief Frau Meyrid, deren mütter­­lichen Herzen und willkürlich diese Worte entschlüpften. Um jedoch die starre Spannung des Gefühls zu mildern, blickte sie auf Deronda und sagte: Es ist seltsam, daß Mirah, welche ich ihrer Mutter so gut erinnert, als fabe sie sie vor Augen, an ihren Bruder nicht die geringste Erinnerung besißt, — außer dem Gefühl, daß er sie trug, wenn sie wide war, und daß er sich in ihrer Nähe befand, wenn sie auf dem Schooß ihrer Mutter saß. Er muß selten zu Hause gebesen sein. Er war jedenfalls schon ermachten. Es ist recht traurig, daß ihr Bruder so­ gänzlich fremd für sie geworden ist. — Er ist gut; ich bin überzeugt, daß Esra gut ist, sagte Mirah eifrig. Er liebte meine Mutter — er war voll zärtlicher Sorge für sie. Ich habe noch eine andere Erinnerung an ihn. So erinnere mich, daß die Stimme meiner Mutter einmal „Efra !” rief, und daß Die feine aus der Ferne „Mutter“ antwortete. — Mirah hatte bei jeden dieser Worte ihre Stimme ein wenig verändert und innen eine zärtliche Betonung gegeben, — und daß er dann zu ung sam. Mein Gefühl sagt mir, daß er gut ist. Daraus habe ich inmer Trost geschöpft. 65 war unmögli, hierauf beipflichtend oder zweifelnd zu antworten. Fran Meyrich und Detonda tauschten einen schnellen Blick mit­einander aus: in Betreff dieses Bruders hege sie eine eben­so peinliche Ungewißheit, wie er. Aber Mirah fuhr, in ihre Erinne­­rungen verm­nten, fort: — Ist es nicht wunderbar, daß mir­ die Stimmen besser als irgend etwas Anderes im Gedächtniß geblieben sind ? Ich denke mir, 99 habe sie müffen, und tiefer ins Herz dringen, als alles Wehrige, mir oftmals vorgestellt, daß der Himmel aus Stimmen bestünde. — Mie Dein Gesang, — jamohl, sagte Mab, die bisher ein bescheidenes Schweigen beobachtet hatte und jeßt schüchtern sprach, wie sie es stets in Gegenwart des Prinzen Camaralzaman bhat. Mama, bitte do Mirah, zu singen. Herr Deronda hat sie noch nicht gehört. — Würde es Ihnen unangenehm sein, jegt ein wenig zu sin­gen ? fragte Deronda mit einer ehrerbietigern Sanftmuth, als er si­­emals zuvor deren bemußt:gemesen war. — D­ ig täue es herzlich gern, antwortete Mirah. Stimme ist doch die Ruhe einigermaßen twieder gefommten. Vielleicht verdankte sie die Sicherheit ihres Wesens nicht allein ber filigten Einfalt ihrer Natur. Die Umstände ihres Lebens hatten sie Alles, was sie that, als etwas ihr Abverlangtes betrachten ge­­lehrt, woni­ die Neigung nichts zu Schaffen hatte; und sie hatte mit solcher Thätigkeit begonnen, die­ das Gelbstbewußtsein in ihr er­­macht war. BON · Sie erhob sich sofort und ging an das Klavier,«­ein etwas abgenustets Justrmnei­t,welches feine Schwächen unter dem­­ festen— Anschlag ihrer Heinen Finger zu verlieren schien, als sie dieselben präludirend über die Tasten gleiten ließ. Deronda feste sich so, daß er sie sehen konnte, während sie sang; und sie verhielt sich bei Allem so ruhig wie ein Kind, das frühfinden sol. Stellt Euch­ sie vor — es ist immer gut, sich ein menschlices Geschöpf vorzustellen, bei dem körperliche Anmuth so völlig Eins mit dem ganzen Wesen ist, wie die körperliche Anmuth jener min­­derbaren durchsichtigen Gallertkugeln, die wir im Meer erbliden — stellt Euch­ sie vor mit ihrem dunklen Haare, das aus den Schläfen gestrichen ist, aber dennoch einige Lödchen dort zeigt, die si­chder­ Inenftig zurückgeringelt haben, während die dichte Fluth desselben hinten bis zur Nadenbiegung in Lodenschlangen hinunterfällt, die sie auf eigene Hand wieder träufeln, nachdem sie unter der Ein­­wirkung des Wassers glatt wie Binsen gestrebt­ worden sind. Dann schaut die vollkommene Kamee, welche ihr Profil bildet, das in eine bräunliche Muschel gefenitten ist, wo ein glüclicher Zufall eine edelsteingleiche Schwärze für das Auge und die Braue hindurchlegen ließ ; die zarten Nasenflügel scharf genug gezeichnet, um für Gefühle­­regungen empfänglich zu sein, das vollendete Ohr, die festen runden Linien des Kinns und des Halses, in denen sich eine Steinheit aus­­sprag, die m­it Schwäche war. 4 Sie sang Beethoven­s „Per pietà non dirmi addio" mit einem gedämpften, aber seelenvollen Pathos, das jene­ Eigenthüm­­lichkeit vollkommenen Gesangs hatte, uns Kunst und Vortragsmesse vergessen zu machen, so daß mir einzig von dem Liede erfüllt sind. &3 war eine Stimme von jener Art, welche den Eindruck erzeugt, wie das girrende Kofen eines Vogels für eine nahe und geliebte Zu­­hörerschaft bestimmt zu sein. Deronda hatte sie anfangs angeblict, aber bald beschattete er seine Augen mit der Hand, um die Me­­lodie in Dunkel einzuschließen ; dann unterließ er dies wieder, weil es ihm als auffällig erschien, und war bereit, dem Blick stummer Anfrage zu begegnen, den sie ihm bei Beendigung ihres Gesangs zusandte. — Mich bekanft, als habe niemals ein Lied mir größere Freunde gemacht, sagte er dankbar. — Mein Gesang gefällt Ihnen? D, íg bin so froh, antwor­­tete sie mit einem entzüdten Lächeln. Er mar mir ein großes Herze­­leid, weil er das, was von ihm verlangt wurde nicht leistete. Allein fest hoffen mir, daß er dazu dienen kann, mir mein Brod zu er­werben. Ic habe in der That guten Unterricht gewoffen. Und jest habe ich schon zwei Schülerinen, die Fräulein Meyridh mir verschafft hat. Sie zahlen mir fast zwei Kronen für­ ihre drei Stunden. « . ee nn m me mmem ezekre $ VÉ eszére «.«- .­»«««. Wie­«­­Meine ‘­ (Fortsetzung folgt.) ed age 3

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