Pester Lloyd - Abendblatt, Mai 1895 (Jahrgang 42, nr. 100-124)

1895-05-02 / nr. 100

Be: 1895.—Yr—.100. X ABENDBLATT DES PESTER LLOYD, (Einzelne Nummern in Budapest 3 Fr. in der Provinz 4 Fr. in allen Verschleiblokalen.) , Donnerstag, 2. Ani. 7.8: Budapest, 2. Mai. Ms ım Der getragen Oıbung­ des Abgeordnetenhauses der Sprühregen zahlloser Interpellations-Beantwortungen vorlicher war und die all­­gemeine Stimmung schlaff und trostlos niederhing, wie ein nasses Segel, worin sein Wind Hauch sich verfängt, da mochten die Wenigsten ahnen, daß nun die Sensation­­ des Tages folgen werde, welche nicht nur in Ungarn und im Oester­­reich, s­ondern gewiß überall in der zivilisirten Welt außer­­gewöhnlichen Eindruck machen wird: die Interpellation des Abgeordneten Terenyi über den Besuch des Nuntius Agliardi und die Antwort des Minister-Präsidenten auf diese Interpellation. Heben wir­ sofort den Kern des Ereignisses heraus: Auf die V­orstellungen des ungarischen Minister-Präsidenten­ und­ in vollem Einvernehmen mit ihm hat der gemeinsame Minister des Auswärtigen vom Heiligen Stuhle Aufklärungen über die Reife des Nuntius Agliardi verlangt und Der wahrung gegen diessein Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns eingelegt. Das ist die Thatsache, die dem Haufe gestern bekanntgegeben wurde und sie hat einen­ weithin haltenden Klang. Die Gründe aber für dieses energische Verfahren — wenn hierzulande müßten sie jegt erst aus­­einandergejegt werden? Sie liegen ja zu Haus in den Wegspuren des frommen Diplomaten, dem wohl nicht Die Zaubenfanftmuth, aber offenbar auch die Schlangenklugheit nicht zu eigen, auf jedem Schritt der „Biaffenstraße”, die der übereifrige Bionnier Noms im marianischen eich zu traci­en versucht hat. Dem wäre nur der geringste Zweifel möglich­ gewesen, die merkwürdig vorlaute Berechtsamkeit des Nuntius würde ihn gründlich zerstreut haben: Die Fahrt, an welche sich anfänglich so viele Hoffnungen auf eine versühnende Wirkung­­ geknüpft hatten, war eine Agitationsfahrt ih­nımster Sorte, eine einzige wandernde Hebe gegen d­en Frieden Ungarns, eine Infulte gegen die Wir d­ie Selbstbestimmung des ungarischen Staates, ‚welche sein Gemeinwesen dulden kann, das sich nicht als V­ersuchsobjekt für die torifologischen Kine Noms mißbrauchen lassen mag. Doc Über die Qualitäten der sonderbaren Apostelreife brauchen wir nichts weiter zu sagen, sie sind zur­jenige ge­­kennzeichnet und gebrandmarkt in der Interpellations-Beant­­wortung des Minister-Präsidenten, und deutlicher noch durch die T­hatsache, daß das Auswärtige Amt, dem am aller­­wenigsten der Serie gegenüber eine schonungslose Politik nachgesagt werden kann, sich rasch zu dem Schritte entschlossen hat, der im diplomatischen Verkehr allerdings äuf erst selten vorkommt. Die wahrscheinliche Folge der vom M­inister des Auswärtigen erhobenen Reklamation ist wohl die, daß des Meonsignor Agliardi Bleibens in Wien nimmer sein wird, und wir erinnern uns nicht, daß in neuerer Zeit auch unter sonst friedlichen Beziehungen dem Vertreter einer auswärtigen Macht so rundmweg der Zaufpaß wäre gegeben worden, oder, wenn solches sie doch ereignet hat, man den Fall, der sich ja im Stillen zwischen Kabinet und Kabinet abspielen kan, unverbh­mt an die Oeffentlichkeit gebracht hätte. Ob der ungarische Exzeßt des Monsignor Agliardi allein zu dem Verfahren den Anstoß gegeben, oder ob die nicht minder frommen Werke, die der heilige Mann recht fleißig in DOesterreich übte. Das Maß schon früher bis an den Rand gefüllt — Dies unter­­suchen wir heute nicht; wir können nur unsere volle Genug­­thuung darüber aussprechen, daß Baron Banffy seinen Augenblic zögerte, die Ehre und die Unabhängigkeit­­ des ungarischen Staates gegen die fremde Einmischung. ‚zu ver­treten und daß Graf Kálnoky in kurzem Brozesse die noth­­unwendige Konsequenz D dieser Abwehr 309. Hat Monsignor Agliardi seinen­ „apostolischen“ Webereifer nur auf eigene Faust oder gar im Widerspruch mit den Absichten Der ‚leitenden Gemalten des Batk­ans gefröhnt, so wird man in Nom unserer Negierung und unserem Minister des Aus­­­wärtigen nur dankbar sein künnen, denn man hat nun Gelegenheit erhalten, an einem hohen Diener der Kirche und der vatikanischen BVolität offen vor aller Welt ein Extempel wegen antihierarchischer Auflehnung und Zuchtwidrigkeit zu statuiren, was nur von heilsamer Wirkung auf den zur Unbotmäßigkeit gegen die Oberen leider allzu sehr geneigten niederen Klerus sein kann. Hat aber der Nimtius, was ja durchaus nicht als unmöglich erscheinen muß, nur nach den BWeilungen des Batilans gehandelt und geredet — mut, 19 wird man in Rom dur) Die Démarche des Ministers des Auswärtigen belehrt worden sein, daß die Nachsicht der Österreichisch-ungarischen Monarchie mit dem gehäfligen, feind­­seligen Treiben des römischen Intransigententhums zu Ende it und Die entschiedenste Zurücweisung auf der­ ganzen Linie beginnt. Darin erbliden wir die größere, allgemeinere Bedeutung des Ereignisses. Man braucht ja im die Geheimnisse der Diplomatie nicht eingeweiht zu sein, um zu missen, daß die vatikanische Umsturzpolitik sich ganz besonders Oesterreich- Ungarn als Operationsgebiet ausersehen hat. Hier fett­ete die Hebel ein, um die weltgeschichtlichen Thatsachen und unter diesen zuvörderst den Dreibimd aus den Angeln zu reißen, weil ihre in­­­ieser Monarchie die Dinge für, ihre Zwecke günstiger zu legen scheinen, als anderwärts. Vielfach ist Ion auf die milde Praris hingewiesen­­ worden, welche die Kktirie­ in Frankreich beobachtet, auf Die milde Praris, die so weit geht, daß man sich schwere Beeinträchtigungen und selbst Demüthigungen ruhig gefallen läßt. Natürlich, man muß das Land schonen, aus welchen die Marsch­­regimenter gegen den Dreibund und für die Nestaucirung der weltlichen "Herrschaft des Papstthums " fi) refrutiren sollen. Auch in Deutschland hält sich die vatikanische Politik in gewissen Schranken, denn einmal hat man troß bei Canossa nach dem Kulturkampf eingesehen, daß das prote­­stantische Kaisert­um über eine bestimmte Grenze Hinaus seinen Spaß versteht, und dann will man das Zentrum „regierungsfähig“ machen. Doch anders in Oesterreich- Ungarn. Zunächst­­ sind die vatikanischen Diplomaten in dem Srrwada befangen, in den Höchsten konstitu­­tionellen Sphären der Monarchie warte die Niedsicht auf den „Frieden mit der Kirche”, was so die vatikanische Auffassung unter solchem Frieden versteht, übermächtig der, dermaßen,­ daß man mit der F­irchenpolitischen Gefeßgebung Ungarns sich nur zur Noth abgefunden, aber noch­ lange nicht verfühnt habe. Dann baut man, in nicht geringerer V­erblendung, auf die antiitalienischen und anti­preußischen geschichtlichen Reminiszenzen Oesterreichs, von denen man meint, sie reagiren von selbst gegen den Gedan­­ken des Dreibundes und er müße ihnen nur nachgeholfen werden, damit sie lebendig in die Erscheinung treten. Und endlich glaubt man von den Verbindungen mit den „histo­­risch-politischen P­ersönlichkeiten" in Oesterreich und Ungarn ebenso wie von den christlich-sozialen Strömungen drüben und den volksparteilichen Gestaltungen haben profitiren zu können. Auf diesen Vorstellungen und V­orauslegungen baut das System der vatikanischen Politik in Oesterreich-Ungarn­­­ auf, die auf Die Zerrüttung alles Soliden, auf die Unterwühlung des inneren Friedens, auf die Schiirung der Leidenschaften hin­­arbeitet, indem sie Falkulixt, man brauche mir ein unlösbares Wirrsal zu Schaffen, damit die Monarchie in ihrer Rath- und Hilflosigkeit sich in den Schug der heiligen römischen Bez­iehung flüchte,oder,wenn das nicht zu­ erreichen­ ist,doch dieser wichtige Faktordchripel Allienz zur Ohnmacht herab­·· gedrückt werde. Nun,was Rom in Wahr­heit von den Stimm­ungen Und·Gesinnuungen der oberstenlkonstitutionellen Sphären citerreichdlngarxes Und zumal was es von der leI­cigxing gegen die kirchenpolitische­t Gesetze Ungart­s zu1 halten hat, das hat Roxa mit nicht m­ißzuverstehender Deutlichkeit durch das Vorgehejt des Auswärtigen Amtes in Sachen des Nuntius Agliardi erfahre­ 1.Dieser Schritt signalisirt— nicht den Kulturkampf,imfeinen solchen ist die Monarchie nicht angewiesen-sondern die rücksichtslose Abwehr der römischenGehässigkeit Ueber die Hauptzügedc­olitik Oesterreich-ngars,ihrer Möglichkeiten und Wahrscheinlich­­keiten hat also die Weisheit des Vatikans sich­ getäuscht, und da einmal mit der Zurückweis­ung der Anfang gemacht worden, wird für die sehr gründliche Enttäuschung Noms fortschreitend gesorgt werden. Doch in einem Punkte leider hat die Surie mit seinem trügerischen Faktor gerechnet : ihre Verbindung mit den „Historisch-politischen Persönlichkeiten­ Ungarns und deren Gefolgschaft im Parlamente ist eine traurige, eine tief beschämende Wirklichkeit. Was die gestrige Sigung in dieser Hinsicht an den Tag gebracht, das hätten wir troß aller Bartelverwilderung nicht für Dente bar gehalten, ja wir hätten nie und nimmer an die Schmach und Schande geglaubt, daß in der ungarischen Bolfsvertretung, jage in der Wolfsvertre­­tung, nicht im Magnatenhaufe, ganze Parteien, im Komparativ und im Superlativ „nationale” Parteien : sichh finden würden. Die gegen die berechtigte Abwehr Ungarns und der Monarchie, und fir den Monsignor Agliardi und sein Thun, oder nennen wir die Kate — Kae, fir den Schamlosen Eingriff in die Unabhängigkeit und Selbstständig­­keit des ungarischen Staates demonstriren mwirden. Und doc ist das gestern geschehen. Die Antwort des Minister-Präsi­­denten auf die uterpellation Terenyi’s wurde von dem ultramontanen Flügel der äußersten Linken, von der Partei Apponyi’s und der Fraktion Szapary’s zuerst mit Geheul und Geschrei empfangen und dann „nicht zur­ S Kenntniß ge­­nommen! Und diese Herren, denen die Selbstständigkeit, die Wide und Ehre Ungarns in den Beziehungen zu den Anmaßungen und Webtergriffen einer fremden Herrschaft eitel Maud und Schall zu sein scheint, wagen es, von „nationalen Aspirationen” zu deflamiren und sich im Entrüstung aufzu­­bäumen, weil man dem Lande einen von Wien abhängigen Hofwürdenträger zumuthet. Eine ärgere Lüge hat das ungarische Parteiwesen niemals gezeigt, aber hierin liegt auch die Korrektur. Parteien, die sich zur Agliardi-Garde degradiren, sind vor dem stolzen Selbstbewußtsein des unga­­rischen Bottes gerichtet. — Der vom Abgeordnetenhause entsendete Ausschuß zur Ber­rabhung des Gefeßentwurfes über die Regelung der Gerichts­­barkeit in Wahlangelegenheiten hielt gestern unter dem Bräsidium Ludwig Feßt’L­eitung. Präsident legte die in Angelegenheit der­ Abgeordneten-Nieverse eingelangten Adressen vor, welche behufs Antragstellung dem Referenten Sulins Nohonyi ausgefolgt wurden. Der V­orfigende beantragte, er möge mit Rücksicht darauf, daß der Gefegentwurf nunmehr, schon zum vierten Male dem Ausschusse vorliege, von der Generaldebatte Umgang genommen werden. — Läftigminister Erdely erklärt, die Regierung stimme entsprechend ihren früheren Gannztationen dem Sejegentwurfe­ und den in der vorhergegangenen Session seitens des Ausschusses in Borsdglag gebrachten Modifikationen zu. Nachdem Johann Luther, Géza Makttfalvay, Anton Molnár, Franz Ehorin, Miniiter ,PBerczel, Alexander Mohay, Ladislaus Kozman und Karl Szalay gesprochen hatten,­­beschloß der Aus- Schuß, ich, die in der verfloffenen­­ Setfiom­ bereit, durch­berathenen Modifikationen neuer­­dings zu eigen zu machen und die­ Spezialdebatte ' bei § 133 fort­­uießen. a Die §§ 133 bis 137, welche das Verfahren vor den Abgeord­­netenhaufe regeln, somie der folgende vierte Titel des Gelegentwurfes, der sich auf Die Suspendirung des Wahlrechtes von Bezirken bezieht (§§ 138—141) ebenso der Titel V. über die Modifikation und Er­­gänzung » des GM. XXXIII:74 (85 142—148) finden mit einigen Amendements acceptirt. Die nächste Situng findet Freitag Vormittags 10 Uhr statt. 551bilekZ mit den daran Vorgenommenen . Der ständige Verifitations-Nusschug des Abge­­­­ordnetenhauses hat in seiner heute unter dem Borsige Adanı Bornemißas stattgehabten Sibung das Mandat des im Neutraer Wahlbezirke gewählten Reichstags-Abgeordneten Dr. Emerich Kanits im Verhandlung gezogen. Das Wahlprotokoll­­ wurde sowohl hinsichtlich des Inhaltes als auch der Austattung den Be­stimmungen des Gesäßes und der Hausordnung entsprechend be­­funden. Der Ausschuß erklärte demzufolge Dr. Cmerih $anu­s, vorbehaltlich der festgestellten dreißigtägigen Frist, als verifizirten Abgeordneten und betraute mit der Berichterstattung an das Haus den Reichstags-Abgeordneten Ernst Dökus. — Im Monate Feber d. h. wurde aus Rom gemeldet, Kardinal Berga habe im Auftrage der Kurie eine Verordnung an die Chefs der ungarischen Lehrorden erlassen, worin Die­selben u. A. ange­wiesen werden, „in den vorm ihnen geleiteten In­­stituten fünfzig bin allen aus gemischten Chen stammenden Kindern ausschließlich Katholischen Glaubensunterricht und katholische Erziehung zutheil werden zu lassen“. Im der gestrigen Nummer des „Nemzeti Újság“ findet sich eine römische Korrespondenz, welche in dieser An­­gelegenheit neue Einzelheiten mitteilt. Dieser Meldung zufolge hätten die in ungarischen Lehrorden behufs Befolgung eines einheitlichen Vor­­gehens die Sache dem ungarischen katholischen Episfopat unterbreitet und von diesem letteren Weisungen erbeten. An einer Bischofs­­konferenz wurde festgestellt — was schon früher die A­nsicht der Drdeng-Oberen gewesen —, daß der Vollzug der Bergarden Bev­­ordnung mit den bestehenden Staatsgefegen nicht vereinbar erachtet werden sünne, Inzwischen befaßte sich aber auch der ungarische Ministerrath . mit­ dieser Angelegenheit und Unterrichtsminister Wlaffics richtete namens der Gesammtregierung einen sehr ent­schiedenen Grlaß an die Orden, worin dieselben aufmerksam gemacht werden, daß im Falle des Vollzugs der Verga’schen Verordnung ihren Lehrinstituten das bisherige­ Oeffentlich-­keit­recht, und auf die denselben­­ bislang gewährten sonstigen Subventionen,oder Begünstigungen entzogen werden würden. An dem Erlaffe­ wird an darauf verwiesen, daß der Vollzug des Derga’schen Erlaffes für die Lehrorden och weitere ernste Kon­­sequenzen haben künnte. Nach einer weiteren Meldung Des zitirten Blattes hätte am 29. April der Bergarde Grlaß den Gegenstand einer Konferenz gebildet, in welcher Grzabt Hippolyt Feher, der Propst von Csorna Anton Küncz der Jakaer Abt Franz Benedef, der Zirezer Abt Comund VBajda und der Piaristen- Provinzial Emerich Levay theilgenommen haben. Ueber das Er­­gebniß dieser Konferenz ist vorläufig nichts Näheres bekannt. Chefs der Interessirten: NEN NER REN -«:-s. »«M,sh«f-wskwxjwm»’ Unw­­.,».,»-.. Mit der Verifizirung des in Neutra gewählten Dr. Januts „unter Vorbehalt der üblichen 30tägigen Anfechtungstrift“ Schloß Die heutige Situng um 1142 Uhr. Für morgen (um 10 Uhr) sind auf die: Tagesordnung: gefeßt: Mehrere Berichte des Rechnungsrevisions-, des Schlafrechnungs-, des Kommunikations- und des Finanz-Aus­­schusses. Der Teitere Bericht bezieht sich auf die Budapester Unter­grundbahn. Im Magnatenh­anfe hatten sich nur wenige Mitglieder zur Erledigung einer ellenlangen Tagesordnung eingefunden. Baron Béla Bay, der in Abwesenheit des Fränfelnden Bräfte denten, Szlány zum ersten Male die Berathung leitete, führte sie als Vorsigender mit einigen passenden Worten ein. Auch widmete er dem Bischof Shopper und dem Baron Balafia­ kurze Nachrufe. Im Um­laufe befanden sich auch die Nemuntien des Abgeordnetenhauses in Sachen der Kichengesehe. Bei dem ersten Gegenstand „über die Bestimmung des geseß­­iden Zinsfußes“ brach Graf Ferdinand 31979 die Gelegenheit vom Zaune, um mit Anspielung auf die Neutraer Wahlen über die böse Negierung und die leichtsinnige Verwaltung, welche die Rechte der Bürger nicht b­ehngen, Loszuziehen. Der Bereisende Baron Bela Ban verwies dem Nedner solche mit dem Gegenstande übrigens gar nur zusammenhängende allgemeine Anschuldigungen und, auch, ‚der Minister des Innern verlangte konkrete Daten, welche der edle Graf aber für diesmal schuldig blieb. Ohne Bemerkung wurde hierauf angenommen die Konvention wegen der Mekkaer Wallfahrten, die Ergänzung des Inkompatibilitäts­­gefäßes, die Aoschreibung von Weinzehent-Ablösungs-Schuldigkeiten, die 1892er und 1894er gemeinsamen Nachtragszahlungen, die Beschaf­­fung landwirtsschaftlicher Statistischer Daten und die Unterstüßung des Danes von Seeschiffen. Erst bei­ der­ Vorlage über die Raab­­­regulirung gab es wieder einen, und zwar abermals durch den Grafen Ferdinand 3id­a verursachten Aufenthalt. Koloman R­adó mies sofort noch, daß Graf Zichy fid­ falieh informiren Sie, indem er das in Nede stehende Merk verfehlt, schädlich und zäuderisch nannte. Gerade das Gegentheil sei der Fall und der Negalirung sei es zu danken, wenn größere Theile des Naaber und Oedenburger Komitats nicht versumpft würden. Nedner wies unter allgemeiner Aufmerksamk­eit im Detail nach, wie segensreich die ausgeführten Arbeiten gewirkt und daß man dieselben wegen einzelner Neb­enfehler nicht verdammen dürfe. Eine Kreditüberschreitung von 5—600.000 fl. bei acht Jahre dauernden­ Arbeiten im Betrage von 7—8 Millionen können nicht als erorbitant bezeichnet werden. — Nachden no­ Graf Stefan Szapáry an der Raubregulirung Manches auszufegen gefunden und Baron Josef Vécsey über Stromregulirungen im Allgemeinen seine Bemerkungen gemacht, antwortete Ackerbauminister Graf Festetics auf das gegnerischer­­seits V­orgebrachte recht ausführlich, worauf die Vorlage angenom­­men wurde. Ohne Bemerkung wurde dann noch der Bau des Senikoer Botschaftspalais bewilligt. Um 1 Uhr erfolgte dann der Chu der Sigung. Die Detailberichte tragen wir im Morgenblatte nach. Aus dem Reichstagd. Beide Häuser des R Reichstags hielten heute Sißung. Im Abgeordnetenhause gelangte die Novelle zum Militär­ de­quartierungsgefe zur Verhand­­lug, welche vom Ausschußreferenten Dr. Münnich in fachlicher Nede zur Annahme empfohlen, von Johann Tóth aber im Namen der Acht imndpietziger- und Unabhängigkeits-Partei vom Gesichtspunkte der durch die Vorlage angeblich tangirten nationalen Rechte bekämpft wurde. — Der Wortführer der Nationalpartei, Franz Bolgár, hingegen fand, daß die nationalen Rechte auch fon durch das 1879er Geset verkürzt worden sind. Doch enthalte die gegenwärtige Vorlage mehrere Verbesserungen, wegen deren dieselbe angenommen zu werden verdiene. Nachden­ Minister Baron Fejérváry und der Ausschuß­­referent auf die oppositionellen Einwendungen geantartet, wurde die Vorlage von der Majorität im Allgemeinen und in den Details ohne Bemerkung angenommen, Generalversammlung der Gkt. Stefan-Gesellschaft. Im Bradytsaale des Zentral-Priesterseminars versammelten sich heute Vormittags die Mitglieder der Sft. Stefan-Gesellschaft zur Generalversammlung. Nebst dem Kardinal-Fürstprimas Klaudius VBapary waren erschienen Erzbischof Georg Esäaßka, die Bischöfe Zalkla Steiner und Baron Hornig, der Erzabt von Martinsberg Hippolyt F­ej­ér, der erzbischöfliche Eifar Bischof Eselka, Graf Ferdinand 3­id­y, Graf Stefan G­r­a­ppary, Abgeordneter Franz Frey, Magnatenhausmitglied Michaell Gervay, die Uniersitäts-P­rofessoren Timon, Rita­ud Aihenbrier fin, Rath, Theodor Gombár, Kurial­­richter Kornel Lipthay, Propst Pfarrer Bogifich, Abt Pfarrer Vezingerus. Die Bersammelten begrüßte Präsident Graf Ferdinand 3199, welcher zunächst das Fernbleiben des im Auslande weilenden Grafen Moriz Nikolaus Esterházy entschuldigte und dann eine aus den Herren Graf Stefan Szapáry, Abtpfarrer Bézinger, Kornel Lipthay, Ojos Timon und Dr. Balogh bestehende Deputation ersuchte, den Kardinal-Fürstprimas einzuholen. Alsbald erschien Kardinal-Fürstprimas Bafary von brausenden Elfenrufen empfangen, in Begleitung des Dombherrn Hetyey und des Gefreiärs Grafen Széchenyii im Saale und hielt folgende Eröffnungsrede : Hochgeehrte Generalversammlung ! Nacht blos als anspruchsloser Diener meiner Kirche, sondern au) als ein bescheidener Sänger des Meisters des Lebens betrachte ich es als ein erschrecendes Symptom, daß die fieberhaften und auf­rührerischen Ideen unseres Zeitalters Denjenigen verleugnen wollen, der überall, immer und im Herzen eines jeden Volkes gelebt hat: Gott. Mie weit wir auch auf jenen Wegen schreiten, welche zum Ursprung des Mens­­hen führen, überzeugen mir uns davon, daß­ es sein Bott gegeben hat, das nicht eine Kirche, einen Altar, ein Opfer, ein Briefterbhaum gehabt hat, das nicht den Begriff eines, Alles Ächaffenden,­­erhaltenden und leitenden Wesens genannt, das sich dem Bewußtsein verschlossen hätte, daß er von irgendeinem mächtigen Wesen unbedingt abhängt, dessen Willen sich beugen­ muß, furz, es fan sein Belt gefunden werden, das nicht an Gott geglaubt Hätte. Schon Plutacc sagt: , wenn Du die Welt durchzehrt, Tan­it Du Städte ohne Mauern, ohne Könige und ohne Kenntniß der Wissenschaften, Du wirst aber feine Stadt finden, die Feine Götter, feine Kirchen hätte, deren Einwwohner nicht beten und Opfer bar bringen mü­rden, um von ihren Göttern Wohlthaten zu erflehen und die Ablenkung von Unfällen zu erbitten.“­) So schreibt weiter ein protestantischer Missionär aus dem vorigen Jahrhundert über die afrikanischen Neger: „Unter sämstlichen Schwarzen Volksstämmen, welche ich fenne, auch die unmissendsten und roberten nicht ausgenommen, gibt es seinen einzigen, der nicht an Gott glauben würde, de­r ihm nicht einen Namen gegeben hätte und ihn nicht als den Schöpfer der Welt betrachten würde.“2­­68 ist wahr. Hinsichtlich ihrer Dogmen, ihrer moralischen Lehren und ihrer Zeremonien weichen wohl die verschiedenen Glaubenssystene meit von­einander ab, aber all­ch ihrer Mannigfaltigkeit gab es und gibt es die Einheit, die dee der Gottheit. Der Unglaube war daher nicht der Ausbruch des Charakters der Völker. Es sind wohl Fälle vorgekommen, daß unter den Mitgliedern der Nationen sich einzelne Ungläubige­r gefunden haben, die überwie­­gende Mehrheit aber hat es mit diesen nie identifizirt. Wie streng in dieser Hinsicht­ die Auffassung der Völker war, beweist zur Genüge das Todesurtheil, welches ü­ber Sokrates, der nicht einmal den wahren Gott, sondern nur die falschen Götter des Staates verleugnete, ausgesprochen wurde. Das beweist jene eiserne Konsequenz, mit welcher man an der Idee der Gottheit unter den verschiedensten Verhältnissen des Lebens festhielt, indem man mehr wußte, daß, wie Plato es betonte, „der Mangel der Kenntniß des wahren Gottes der größte Fluch für das öffentliche Wohl ist“.­­ In der Vergangenheit­ gab es daher auf dem Erdenrund Fein Bolt, welches die Gottesleugnung konzessionirt hätte, im Gegentheil, sie pflegten das Ansehen und die Unverlegbarkeit ihrer staatlichen und moralischen Gefege auf die Sanktionierung des bhödjsten Wesens zu baff­en. Der Gesetzgeber der Juden,Moseg,verkündete auf dem Berge Sinai,derber Spartaner,Lykurgos,beim delphischen Orakel,der der Römer,Numa,im Haine der Campensen,derber Perser,Zoroaster, 2 ge­ omn. u Frankfurt. Tom. I. 1125. nee endorp: Geschichte der Mission der evangelischen Brüder 1177, S. 318. ( 2­8) De legib. lib. 10. in der Ebene und Mohamed in der Wüste im Namen Gottes ihre Gefäße. China läßt seine Gebete als einen Ausflug des himmlischen Willens erscheinen. Indien betreibt deren Erfüllung bei Androhung der Rache Barm­as, die Be­wohner der Ufer des Guphrat gehorchen Bel und Astarte, Die Söhne Egyptens Osiris und Ifis. Bei dem Weißen Hau­se,welches die nordamerikanische Republik zum­ Andenken an das Erringen der Freiheit erbaut hat,stellt einer der vier Pfeiler ebenfalls die Religiosität als eine erhaltende Säule des Staatsgebäudes dän - « — — · —«So unvollkommen also auch die religiösen Systeme des Heiden­s thumsmared­,ist es dennoch eine unbestreitbare Thatsache,daß das Balkan ihnen festhielt,und«obwohl es keine Sünde gibt,welche das Privatleben ihrer Götter nicht befymust hätte, wendete sie doch der Staat an sie. Damit sie zur Erhaltung der sozialen Ordnung ihre Hilfe gewähren. .«. So tief wurzelt daher die Idee der Gottheit in der menschlichen Brust; so allgemein und stark ist der Glaube an das Dasein Gottes, an die göttliche Fürsorge und an das zukünftige eben, daß man ihn aus den Herzen nur um den Preis solcher Folgen reißen könnte, auf welche die Worte Macchiavellis hinweisen : „Nichts bemeist entschiedener den Untergang eines Neid­es als die Veraltung der Religion.“ Er kann auch­ nicht anders sein. Ein Wolf, welches fein anderes Evangelium hat als das Gefesbuch, ein Bolt, das Fein anderes Ges­tilfen hat als die Disziplin der Polizei, ein Bolt, welches keinen andern Gott hat als den Staat, ein solches Bolt wird es nie willen, was die soziale Ordnung, was die patriotische Pflicht, ist. (Lebhafte Elfenrufe). Die Encyklopädisten des achtzehnten Jahrhunderts­ wollten wohl­ das durch die zwölf Fischer verbreitete Christenthum ausrotten, soweit sind sie aber dennoch nicht gegangen, daß sie Gott geleugnet hätten. Voltaire schrieb: „Es ist für die Herrscher und für die Völker gleichermaßen unbedingt nothunwendig, daß die Idee eines schaffenden, leitenden, belohnenden und strafenden höchsten Miesens tief in die Herzen eingegraben sei." (Dictionnaire phil. Atheisme.) Voltaire schreibt ferner: „Der Atheist wird Dich, wenn er darauf wechten kann, daß er seitens der Menschen der Strafe entgehen kan, philosophisc­h tödten, um Dich Deines Geldes zu berauben..., denn er rennt weder ein Vaterland, noch Verwandte oder Freunde.“ In ähnlichem Sinne äußert sich auch Diderot, indem er­ schreibt : „Sür die Jugend ist die erste und nothwendigste Kenntniß die Melis­sion, mit dieser müsfen wir beginnen, mit ihr miüffen wir fortfegen, mit ihr müssen wir aufhören, denn wir müffen wissen, Daß mir von Gott, mit Gott und für Gott sind." In ähnlichem Sinne äußern sich auf Rouffeau, Hume, Freret, Montesquieu­ und Andere, Und do! Die die Ausrottung des Christenthums beziehende Richtung, deren unverkennbare Bestrebungen die Presse, die Bühne, die soziale Auffassung Sämmtlicher Verhältnisse des Lebens verseucht hat, führte zu der, bisher in der ganzen Weltgeschichte unbekannten Thatsache, zur Gottesleugnung.­­3.erfüllte sich das Wort P­oltaires: »Nos­ enfants verront beau jeu.«: „Unsere Kinder werden schöne Dinge sehen!“ Sie haben sie auch gesehen. Nie hat eine Nation mit der, dem Evangelium entnommenen Idee einen solchen Spott getrieben, wie die Gott nicht anerkennende Regierung der katholischen, mächtigen, zivilisirten französischen Nation zur Zeit­ der Schwedensherrschaft. Sie verkündete von ihren Lippen, sie schrieb auf­ ihre Fahnen und sie ließ auf ihren öffentlichen Gebäuden glänzen die Worte: »Liberte ! Fraternite ! Egalite!« Giet hat aber das nicht, was sie ant­reisten hätte anstreben müssen, indem sie diese Worte in die Tiefe der Herzen ein­­­gegraben hätte. Es bestand die Liberte unter der Masse unerhörter Tyrannei, es bestand die Fraternite mit der brüderlichen Neigung Rain’s, es bestand die Egalite mit der Guillotine, auf welcher das­ Blut des Königs und der Königin, der Aristokraten und der Bürger, der Reichen und der Armen, der Geistlichen und der Weltlichen gleichermaßen vers­toffen wurde. (Lebhafter Beifall). Soll ich erwähnen, daß die ihrer Zügel beraubte Macht aug Venen seine Gnade schenkte, die ihre Faktoren, ihre wohlmeinenden Förderer waren; einer der Führer der zum Tode verurtheilten Girondisten rief aus: „Unsere Ber­­affung gleicht Saturn: sie verzehrt auch ihre eigenen Kinder!" 99 will die Geduld der Hochgeehrten Generalversammlung nicht mit dem D­emweife deifen in Anspruch nehmen, daß ein von Gott abtrünniges, in seinen Sitten verdorbenes Bolt weder durch seine Vergangenheit noch durch seine Bildung, feinen Neichthum oder seine Macht vor dem Ruine gerettet werden kann. Mein einziger Kmed­it, auf jene gefährliche Bewegung Hinzu­e meifen, welche Gott, die Religion durch die Vernunft, durch die Wissens­­chaft substituiren will. Die Foee tt nicht wert. Beiläufig vor vierzig Jahren, als in unserem Vaterlande dig au in religiös-moralischer Beziehung inhaltsreichen Eröffnungsreden der hochgebildeten Präsidenten unserer Akademie, eines Emil Defferffy und eines Baron d­ef Eötvös erklangen, schrieb ein Vorkämpfer der im Westen eingeleiteten Richtung Folgendes: „Die Religionen sind die gereinigten Weberbleibsel des Aber­­glaubens. Der Werth der Kultur steht im umgekehrten Verhältnisse zum religiösen Eifer... oder Fortschritt der Vernunft zieht eine Verminderung der Rolle 063 Uebernatürlichen nach ich... Die Zukunft gehört der Wissenschaft.“5) Im Jahre 1891, als der berühmte Redner D’Hulst in der Notredame-Siche zu Paris in einer Rede sagte: „Womit können ene, welche das Kreuz von allen jenen Orten wegreißen, über denen sein blütender Schatten ruht, das erlösende Sym­bol erregen ?“ (Conferences, 1891. 341), ertönte schon am andern Tage die Antwort: „Wir mollen an Stelle de Glaubens die Vernunft, an Stelle des Mysteriums die Wissenschaft !" Im Jahre 1895, also im laufenden Jahre, wurde in den regiss­­ativen Ausschüssen eines der am meisten zivilisirten und der mächtigsten Völker Europas beantragt, daß das Dasein Gottes und die Uns­­terblichkeit der Seele öffentlich nicht geleugnet werden dürfe. Schon dieser Antrag selbst ist erschredend, denn er fonstatirt das Vorhandensein des Nebel, noch erschredender aber ist es, daß die Gelehrten einer bedeutenden Stadt dieses Volkes gegen diesen Antrag protestirren, weil er nach ihrer Ansicht der Entwicklung der Wissenschaft als ‚Hinderniß‘ dienen könnte. Diese Strömung schlug an zu uns herüber.­ Ein großes uns garisches Blatt schrieb bei Besprechung des erwähnten Antrages wörtlich Folgendes : H »Man nimmt solches­ Paragraphen in den Entwurf auf,welche an Wahnsimm grenzen. Man will das Dasein Gottes und die Uns­­terblichkeit der Seele in das Gebet aufnehmen,” Ecce signa temporis! Das sind die Zeichen der Zeit! Á Hodae ehrte Generalversammlung ! Wir müssen die staunenswerthen Fortschritte und die Macht der duch Die Vernunft fultivirten Wissenschaft anerkennen, wir können aber billigerweise fragen : welches in jene Wissenschaft, oder welches ist jener Zweig der Wissenschaft, die man an Stelle Gottes und dee­ Religion feßen will? Denn die Wissenschaft, welche auch wir Katholiken kennen, welche auch wir und anzueignen traten, fan­ı ung nur die natürlichen Dinge und auch diese nur zum Theil zur Kenntniß bringen , was außer oder über diesen ist, darüber kann sie und gar nichts Bestimmtes sagen. (So ist8 1). MWelches ist denn jene Wissenschaft, die ung­verläßlich und bes­ruhigend darüber orientiren könnte, woher der Mens) stamme und welcher Art seine Abstammung sei? Ob er sein eigener Herr, oder der Untergeordnete irgend einer höheren Macht sei ? 4) Traité d’education. 5) Andre Leftore; La religion 572, 573. : 4

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