Pester Lloyd, Juli 1900 (Jahrgang 47, nr. 161-182)

1900-07-06 / nr. 161

Budapest,5.Juli, alljährlich,versammelten sich auch heuer zahl­­tenschul-Professoren,um,bevor­­­ m­ach den Mühen des Schuljahres die wohl­­verdiente Ferien genießen,durch Ideen art statisch das­ aus­­gedehnte Feld ihrer Thätigkeit zu befruchten.Im ersten Jahre der Wirksam­keit des neuen Lehrplanes und unter den Auspizien des präsidirenden Universitäts-Professors,Zsolt Beöthy,der au­ch geschäftsführender Vizepräsident des Landes-Unterrichtsrathes,des Schöpfers des erwähnten Lehrplanes ist,«kann ess nur natürlich erscheinen,daß die jetzt gepflogenen Berathiftigen Unter demselben Sterne stan­­den,welcher die nun in Durchführung begriffene Reform des Mittelschulunterrichts leitete.Beherrschen­d steht das Prin­zip im Vordergr1x11de,daß alle Schulen that kri­ftige Faktoren der einheitliche 11 nationalen Konsolidir ung ungarig sein solle 11.Beredt un­d überzeugend erörterte Profesor Beöthy die schwierige Aufgabe,welche 11nter diesechsichts­­p­unkte den Mittelschulen und ihren­ Professoren erwächst und wir unterschreiben gern Wort für Wort seine Ausführungen, soweit sie ss auf die Ausdehnung der ungarischen Sprache und des ungarischen Geistes beziehen. Fällt doch gerade der Mittelschule der schwerste Theil in der Ausbildung und Er­­ziehung der künftigen Generationen des Vaterlandes zu und ein Zehler, der hier geschieht, kann kaum wieder gut gemacht werden. Der ungetheilte Beifall, welchen die Rede Beöthy's in der Professorenverssammlung und in der Breste fand, bietet die Gewähr, daß seine Ermahnungen nir wir­­kungslos verhalten werden. Doc Hätten wir es gen gehört, wenn, neben­­ diesem­­ spezifischen­­ Gesichtspunkte auch die allgemeinen Ziele und Aufgaben der Mittelschulen mehr betont und gewürdigt worden wären ein So sehr man auch von der einschneidenden Wichte des nationalen Moments duchdrungen ist, hat man ja Doch nicht in Ab­­rede stellen, daß die Mittelschule auch den Zweck verfolgt, unbedingt verfolgen muß, die Jugend in den Stand zu fegen, daß sie wissenschaftliche Studien mit Erfolg pflegen könne, sie aber auch sonst­ auszurüsten für den Kampf ums Dasein, für die Bewältigung aller jener Hindernisse und Schwierigkeiten, welche­ sich ihr bei der Ausübung ihres Berufs in den Weg stellen. Die Mittelschule muß daher dem Süngling in erster Reihe die Möglichkeit bieten, den täglichen berufsmäßigen Ver­ehr nicht Blos­ mit­­ seiner nächsten Umgebung, sondern auch mit allen jenen Elementen aufrecht zu erhalten, mit welchen ihn seine zukünftige Lauf­­bahn in Berührung Wagt. Hiezu aber sind Die geeig­­netsten Mittel die Sprachen, und zwar die lebenden Sprachen. ‚Wir haben vor einigen Tagen der Kämpfe Erwähnung gethan, melde in Deutschland in Sachen der einheitlichen Berechtigung der Mittelschulen zwischen den Anhängern der humanistischen Studien und Denen der modernen Nealstudien entbrannt sind und welche vorläufig im Schoße der maß­­gebenden administrativen Behörde mit dem Siege der sept­­erwähnten Richtung geendet haben. Dort spigt sich die Sache in der Trage zu, ob den Nealschülern die­­ Universitäten zu­­gänglich gemacht werden sollen oder nicht und die Ent­­scheidung dreht sich hauptsächlich darum, daß an den Ober­­realsgjulen Die Lateinische Sprache nicht in genügendem Maße, die griechische aber überhaupt nicht unterrichtet und daß dadurch ein intensives, wahrhaft wissenschaftliches Studium der Jurisprudenz unmöglic gemacht wird. Aber selbst die eingefleischtesten Vertheidiger der Hafftschen Sprachen können sie den schwer­wiegenden Momenten nicht verschließen, welche es unter den heutigen Verhältnissen, in der Zeit der Eisenbahnen, des Telegraphen und des Telephons zur unabweislichen Nothwendigkeit machen, daß möglichst meiten Schichten der Bevölkerung, jedenfalls aber: den in­­telligenten Klassen im eigensten Interesse und im wirthschaft­­lichen Interesse der Gesammtheit der unmittelbare Verkehr mit anderen, namentlich mit den benachbarten Ländern und Völkern ermöglicht, daß also­ in Deutschland Französisch und Englisch auch an den Gymnasten zu Diesem Zwecke gründlic unterrichtet werde. Wenn wir nun von dem deutschen Schul­­meistern ‚lernen sollen, wie die Jugend in nationalem und patriotischem Geiste erzogen werden soll, warum sollen wir dann die Lehre unbenügt lassen, welche uns diese Schul­­meister, aber auf die nicht minder patriotisch gesinnten Gelehrten und Autoritäten aller Berufszweige hinsichtlich der praktischen Erziehung bieten? Es gibt hierzulande heute keinen einzigen Grund mehr gegen, wohl aber machen Hundert teistige Gründe für diese Auffassung sich geltend. Mit vollem Nechte wird immer und überall Fonstatirt, daß das Ungar­­thum im Leben und in der Schule sich immer weiter aus­­breitet und immer mehr erstarrt und es wäre undankbar und unpatriotisch zugleich, einem Zweifel daran kaum zu geben, daß das ungarische Element bereits jene Stufe der Konsolidirung erreicht hat, wo es von der Kenntniß fremder Sprachen keine Erschütterung mehr zu befürchten braucht, welche Wenn es nun im Prinzip unwiderlegbar ist, daß der grimbliche Unterricht fremder Lebender Sprachen an den Mittelfiguren nothwendig und gefahrlos ist, so wird es unmehr eine Frage des praktischen Lebens, fremde Sprache dem angedeuteten Zweckk bei uns am meisten entspricht. Und die Antwort, Die jeder Unbefangene finden muß, deutet unstreitig auf die Deutsche Sprache hin. Wenn es hier noch eines­ Beweises­ bedurft hätte, so wäre dieser eben doch die Verhandlungen des feigen Professorentages geboten. Zwei Professoren, die in ver­­schiedenen Tern magyarischen Städten wirken, wurden d­urch die richtige Erkenntniß der Herrschenden Verhältnisse ver­­anlaßt, eine Sani­ung des von Tag zu Tag­ sich immer mehr fühlbar machenden Weberstandes anzuregen, das unsere Siugend an den Mittelschulen die deutsche Sprache nicht vollkommen erlernt. Ohne Zweifel­ haben die traurigen Folgen, welche diese Thatsache in den betreffenden Städten — Naab und Lofoneg — schon bisher zu Tage forderten, den­ erwähnten Professoren den Muth verliehen, welcher bei uns erforderlich is, um für Die D­eutsche Sprache eine Lanze einzulegen und der Profesorentag hätte wohl gethan, wenn er die Gründe, die hier erörtert wurden, desser hätte auf sich wirken lassen. Dann mürbe er sich nicht Hinter die veraltete, allen modernen Bestrebungen hahnsprechende, durch die Thatsachen bereits widerlegte These versrochen haben, daß an den Mittelschulen eine lebende Sprache nicht erlernt werden künne. Wir wollen ja eben geben in diese Schulen bringen, das nur­­ dadurch erweckt werden kaun, wenn sie den Forderungen des Lebens gebührend Rechnung tragen. Möge jedes einzelne Mitglied des Professorentages die Hand ans Herz legen und auf­richtig jagen, wie weit ein Professor es ohne Deutsche Behelfe in seinem Sache bringen man, wenn dieses außer­­halb der Sphäre der rein ungarischen Disziplinen liegt, und möge es aufrichtig jagen, wie man in Ungarn ohne Kenntniß der deutschen Sprache, internationalen Verkehr und Handel pflegen, den Fremdenbesuch geben, Die vers­­chiedensten Interessen des Landes gegenüber jenen Völkern geltend machen soll, mit welchen wir in ununterbrochenem Kontakte stehen ? In diesem Punkte dürfen die maßgebenden Sreife sie doch populär schillernde Schlagworte in ihrer Pflicht gegen das heranmachende Geschlecht nicht irre machen lassen. Freilic­ht sollte Blaghaftigkeit auch nicht zu be­­sorgen. Erfahren es Doch Diese Kreise im ihrer eigenen Birfsamkeit, daß die deutsche Sprache bei uns umso noth­­wendiger wird, je mehr es uns gelingt, in jeder Beziehung uns in die Reihe der zivilisirten Staaten zu erheben, und empfinden doch sie auch die Nachteile am lebhaftesten,, welche aus der bisherigen V­ernachlässigung und absichtlichen Hintanregung dieser Sprache erwachsen sind. Und auch die weiteren Rollschichten gelangen immer mehr zu der Einsicht, daß man zum guten Ungar erzogen werden kann, auch wenn man in die Mi­sterien der deutschen Sprache eingeweiht wird. Hier handelt es sich um rein praktische Erwägungen, denen mit Phrasen­ nicht beizukommen ist. Wer Ungarn politisch, unwirthschaftlich und kulturell von seinen mächtigsten Nachbarn nicht isoliren will, der darf den wissenschaftlich und öfonomisch arbeitenden Staffen das sprachliche Medium, der meldes der Verkehr aufrecht­­erhalten wird, nicht verschließen. Unsere Unterrichtsverwal­­tung aber wird gewiß auch doch­ Die bezüglichen Dis­­tussionen des WVrofessorentages neuerlich angeeifert werden, bei der radikalen Umgestaltung des Meittelschulunterrichts den angeregten Anforderungen gerecht zu werden. Sonderpläne D Ortiginal-Korrespondenz des „Peiter Lloyd“,­­ee ; A Brag, 4. Juli. Die Medersiedlung des Hofstaates nach Al bedeutet den offiziellen Beginn der sommerlichen Hochsaison. Wenn­ die Könige feiern, haben die Neporter zu thun. Die politische Windstille be­­­­schw­ingt ihre Phantasie zu abenteu­erlicher Konjekturalpolitik. Auch fest gehen wieder die Fühnsten Nachrichten über angebliche Projekte der Regierung duch die Blätter. Sie müssen insgesammt mit Bor­fit geworfen werden, [den darum, weil innerhalb des Kabinett nur jene Eintracht herrscht, melde Ovid als „concordia discors“ be­­zeichnet, als eine ziwiespaltige Gintradgt. Wenn auch die meisten der Minister bureaukratischer Herkunft sind, so gibt es doch bezüglich ihrer politischen Gesinnung Differenzirungen, die sich nicht dur­ die ‚konventionelle Nebenzart von der „Neutralität“ verwischen Lassen. Insolange aber nicht über die Nichtungslinie der nächsten Politik fraglose Ginigkeit erzielt ist, müssen also Napporte über bevor­­stehende Aktionen der Regierung als bloße Muthmaßungen bezeichnet werden. Uebrigens­ ist Herr v. Koerber vor des Tages Noth durft für längere Zeit geborgen, so daß er seine Entschließungen nicht zu sor­eiren braucht. Damit soll freilich nicht gesagt werden, daß der all­gemeine Grilfstand sich auch auf die Hintertreppenpolitik bezieht, die hierzulande oft genug die Linien der offiziellen Politik verwirrt. Gift zweifellos, daß er einflußreiche Schichten gibt,­werde $errn v. Boerber einen Merlinsberuf im Vaterlande nicht zutrauen. Sie haben darum bereits ihren „kommenden Mann” in Aussicht genommen. In Oesterreich verderben nicht die Abgeordneten, sondern die Nipiranten auf ein Mandat die Politik der Barteten, sowie nicht die Minister in Altivität, sondern die Anwärter auf ein PBortefeuille die Polität des Staates auf Abmege führen. Nirgendwo aber gibt es eine reichere Auswahl von ministrablen Persönlichkeiten, oder solchen, die si dafür halten, als bei und. Diese Ministerschafts-Kandidaten stehen in geheimer Opposition wider jedes Ministerium, welches eben die Fauteuils befebt hält, in die sie gelangen wollen. Außerdem aber rivalisiren sie untereinander, und daraus entmicteln si allerhand Sonliffen­ntriquen und Hofränte, welche oft in verhängnißvoller Weise auf die Absichten der verantwortlichen Staatsmänner einmirfen und sie zu Entschließungen drängen, die ihrem innersten Empfinden widerstreben. "­­Einen Schulfall dieser Art bildet ja auch·die Sanktioniring«· des Wiener Gemeindestatuts und der Lueger’schen Wahlreform­,welche eben durch Einflü­sse der gekennzeichneten Art bewirkt worden ist.Nun ist es sicher, daß diese verstehten Kräfte auch fest wieder wirken. G ©ie gehen dabei auf ein bestimmtes Ziel los. 3 ist sicher nicht Zufall, daß vier politische Führer von so heterogener Parteizugehörigkeit,­­wie es die Herren v. Samorsk­, Prinz Liechtenstein, Dr. v. Grabmayr und Dr. Ebenhod sind, zu gleicher Zeit das Bedürfniß fühlten, mit inner­­politischen Sanirungsvorschlägen hervorzutreten. Die­ sich im Wesen von­einander nur sehr wenig unterscheiden. 3 sind da die vier Seiten gegeben, aus denen sich leicht ein Majoritätsquadrat Fonstrui­en löst. Eh­ristlichsoziale und katholische Volkspartei als Kadre, die Polen als Slavische Beigabe und die Liberalen als Dechblatt fü­r die " Christlichsozialen, die ein offenes Bündnis mit den , Klernfalen" nicht eingehen wollen, weil sie sich dadurch auf Wiener Boden bloßzustellen fürchten. Sie bedü­rfen also eines liberalen Anschlusses und diesen sol ihnen zunächst der „verfassungstreue” Großgrundbefign bieten, der ja auch schon unnter dem Grafen Badeni bereit war, sich der Majo­­rität der Rechten anzugliedern und der im Kabinet des Grafen Thun seinen Vertreter hatte. Vorerst freilich sollten die Granitblöde weg­­geräumt werden, welche die deutsche und die böhmische Obstruktion auf die parlam­entarische Bahn gemälzt haben. Zu diesem Behufe ver­­langen sowohl Samorsti als Ebenhod, Grabmayr als Liechtenstein das Detroi einer Geschäftsordnung, weil nur dadurch die neue Majo­­rität in Aktion zu treten vermöghe. Auch sol auf b diese Art der Sprachenfonflist gelöst werden. Merkw­ürdigerweise geht der v­e­r­­fassungstreue politiker Herr v. Grabmayr in der Mik­achtung der Verfassung am weitesten. Er will auch die „deutsche Ver­­mittlungssprache” mit dem § 14 eingeführt willen und schmärmt er Neumahlen. Für seine Person ist das begreiflich, da ja die Ita­­liener doch ein Kompromiß in der­­ Tiroler Großgrundbesiter­­fürie gebunden sind, Heren v. Grabmayr zu wählen. Dr. Ebenhog " und Herr v. Jamoiski perhorresziven jedoch Neumahlen. . Ja, der Obmann des Bolenclubs mill die Sprachenfrage durch einen kaiserlichen Machtspruch gelöst müssen; weil nur dadurch die Be­stimmung des Reichsrathes umgangen werden kann, welche bei einer Verordnung auf Grund des § 14 nothmendig wäre und ein gefähr­­liches Präjudiz auch für die Polen schaffen könnte, melde blos ,die Kompetenz des galizischen Landtages im polnisch-ruthenischen Sprachen­­streite gelten lassen wollen. Eine einheitliche Auffassung bezüglich­ der nächsten Aufgaben b­eringt also au) bei den Führern der Majorität in spe nit vor. Einig sind blos die Führer darin, daß­ sie berufen sind, Oesterreich zu retten. Damit hört aber auch schon die Einigkeit auf. Sie verflattert aber gänzlich, wenn die korrespondirenden Parteien in Betracht kommen. Mit Ausnahme der Chrislich­­sozialen, die um die Gunst jedweder Regierung buhlen, wird keine der anderen Parteien in ihrer Gänze für­ die Pläne ihrer ministerablen Sprecher zu gewinnen sein. Here Dr. Eben­ho­fh hat vielleicht nur die konservative Landsmannschaft aus Steiermark auf seiner­ Seite; die Tiroler desavouirten seine programmatische Flugschrift aufs ent­­schiedenste und das ihm nahestehende „Linzer­ Volksblatt” erklärt heute: „Im Klub der .katholischen Volkspartei. weiß jedes Mitglied ganz genau, was. .der Klub will: er. will mit seiner ganzen­ Kraft verhindern,­­ daß. jene ."esellschaft, die man liberal-deutsche Gemeinbürgschaft nennt, jemals'm wieder das Regiment in unserem Daterlande it die Hand bekomm­e.“ ‘Das: it nicht tröstlich für — Heren v. Grabmayr. Noch­­ entschiedener sind die Absagen, Die in diesem Punkte Herr v. Flamorsti einernten­ mußte. Der „Czas” brachte jüngst einen manifestanten Artikel, in welchem erkläre wurde, daß der Bolenfund nur mit solchen Parteien eine Verbindung eingehen könne, welche ihm nan Gesinnung und Programm verwandt sind. Wir gehen nicht fehl, wenn wir als den Autor dieser vielbemerkten Kundgebung den Finanzminister des Kabinets Taaffe, Heren v. Dunajemsti bezeichnen. m gleichen Sinne sind im Klub Fürst Paul Sapieha, Dr. Bulemski, Ropromski u. A. thätig. Schon daraus erhellt, daß die geplante Koalition eigentlich auf nichts Anderem aufruht, als auf den­­ Aha­­bitionen der Führer. Das aber it unter Umständen eine sehr proble­­matische Grundlage. Aber selbst wenn die genannten Parteien mit ihren Führern völlig einig wären, reichen sie noch nicht numerisch zur Bildung einer Majorität hin. Sie rechnen freilich auf Anschluß der gemäßigten Elemente der deutschen Volts- und der Fortschrittspartei und wollen blos die Sozialdemokraten und Deutschradikalen Tint3, die Böhmen und Slowenen rechts aus dem gouvernementalen Ringe aus­­­­fließen. Aber da sie ihrer eigenen Fraktionen nicht sicher sind, werden sie umso weniger Werbekraft nach außen hin bewähren. Der Plan einer neuen Koalition, die auch mit dem Kabinet des Herren v. Koerber aufräumen würde, ist also kaum mehr als ein Sommernachtstraum. Damit erschöpft ich aber auch die Möglichkeit einer Sanierung durch neue P­arteiformationen. Daß aber Detrois, gegen welche sich alle volksthümlichen Elemente somogl unter den Deutigen, als unter den Slawen sträuben, nur die Entwirrung, son­dern die Berncürfung des Kampfes zu katastrophalen Formen bedeuten würden, das zu ermessen bedarf es keines besonderen staatsmännischen Scharfsinnes. Darf es aber jemand wagen, das Haus in Brand zu steden, blos damit sich ein paar ehrgeizige Männer an den Flammen ihr Süpplein zu wärmen vermögen? Auf folge Zumuthungen wird sic, also die verantwortlich­e Negierung nicht eine laffen dürfen. Da sie aber andererseits die Sommerzeit nicht müßig verstreichen Lasfen darf, will sie für den Herbst gerüstet sein, so wird Here v. Koerber versorgen müssen, daß eine Gani­ung ermöglicht wird. Dies aber läßt sich nur um eine Art bemerk­­stelligen, man mag sagen, ma man will: blos Huch­ einen neuen Verständigungsperiod zwischen Böhmen und Deutschen. Alles Andere ist eine gefahrvolle Aventure, auf die si die Lenker des Staates nicht einlasfen dürfen. Sie dürfen sich auf nicht pessimistischen Anmandlungen­ über die Chancen einer folgen A­ktion hingeben. Im Frühjahr waren die Stimmungen fast zo verbitterter als recht, und man fand sich doch, in manchem P­unkte und mwäre,zu einem­ gedeihlichen Abschluffe gekommen,­ wenn die Kon­­ferenzen nicht gefliffentlic abgebrochen worden wären. Mit Recht hat Dr. Engel jüngst in seinem Blatte Constatirt, daß immer, wenn zwischen Deutschen und Böhmen eine Annäherung ein­­zutreten „droht“, gemisse „Mächte“ störend eingreifen, bis die Leiden­­schaften auf 3 neue emporschlagen. Das ganze Gehetma niß wird aljso darin bestehen diese ‚stö­­renden Mächte" von der Ausgleichsakttion Lerngehalten Wird das Herr v. Koerber vermögen? In der „Wiener tage“ it es ihm nicht gelungen. Grunweist ex jebt größere Widerstands­­kraft, dann hat er die Partie schon halb gewonnen. Auf bö­hm­is­ch­er Seite ist man geneigt, in neue Ausgleichsverhandlungen ein­­zugehen; das hat Dr. Kramat und neuerlich auch Dr. 3acet proklamirt. Daß man in jenen deutschen Kreisen, welche da sehen, wie da deutscche Bürgerthum immer mehr aus seinem poli­­tischen Einflusse verdrängt wird, gleichfalls nicht faktiös gestimmt­ ist, das kann wohl nicht bestritten werden. Die Hervorführung der Kampf­­forderung nach der „deutschen Vermittlungssprache” ebe freilich auf, andere Dispositionen Schließen, wenn man nicht wüßte, hab es fs auch hier um einen taktischen Behelf jener Kreise handelt, welche eben im Interesse ihrer Aspirationen eine Annäherung der Wolter zu verhindern trachten. Herr v. Koerber braucht blos den Muth des Entschluffes zu haben und aufs neue die Bahn der friedlichen Schlich­­tung zu­­ betreten, und wenn er auch genug Gefhic.­heit, Die störenden Einflüsse von oben und unten zu bannen, so wird ihm schließlic die Anbahnung eines Waffenstillstandes gelingen. Das kann ohne übertriebenen Sanguinismus behauptet werden. Alle anderen Wege führen ins Irre. Minister-P­räsident Koloman v. Sell trifft künftige Woche, dem Vernehmen nach mahrscheinisch am Mittwooch oder Donnerstag, zu kurzem Aufenthalte in Budapest ein. In Kronstadt fand heute zu Ehren des Handels­­ministers Alexander Hegedüs ein Banket statt, welches dadurch große politische Bedeutung gewann, daß sämmtliche Notabilitäten der Hungarn, Lehren und Numänen an demselben theilnahmen und dem M­inister begeisterte Ovationen darbrachten. ‚ Den ersten Toaft sprach Obergespan Maurer auf den König ; dann toaftirte Vizegespan Se­ke­l auf den Minister, der das Vertrauen des Landes ohne Unterschied der Konfession und der Nationalität genießt. Nachdem Gerichtshof-präsident Weer sein Glas auf das Wohl der Familie des Ministers geleert, erhob ei Hegedüs und hielt folgende Rede: „ Die Trintsprüche, in melchen die guten Wü­nsche für mig und meine Familie verdolmet iht" wurden, sind in einer und Derselben Sprache gehalten worden, aber das Echo, das sie möchten, läßt darauf schließen, daß auch die Anderssprachigen sie verstanden haben und die zum­ Ausdruck gebrachten Gefühle theilen. Ich danke Ihnen für Diese Gefühle, wie auch fir den Empfang, welchen Sie mir zutheil werden ließen. Die Aufgabe, die ich mir gestellt habe, it groß, ihre Lösung­­st sehlserig:e © se üt von besonderer Bedeutung für dieses Komitat, wo die Bürger verschiedener Zungen in so gleichmäßigem Verhält­­nisse untereinander leben, wie sonst nirgends im Lande und wo diese Bürger auch Hinsichtlich der Uinmittlung der Inndustrie_auf nahezu gleichem Niveau stehen. An einer ungarischen staatlichen Had fule war ich Zeuge einer ergreifend schönen Szene. Drei Zöglinge, ein Ungar, ein Sachse und ein Rumäne begrüßten mich and­elle in derselben Sprache, die sie w­ährend der Arbeit erlernt haben. Die Arbeit hat sie also einander näher gebracht und mitgewirkt, daß te sich gegenseitig verständigen können. (Leb­­hafter Beifall und Gljenrufe.) Axxs dieser Szekle bilde Ich mir das Bild deankunft-Mem Be­­rtischentst,daß wir uns einander bei der Arbeit verstehe11­(Leb·hafte Crljeprufe.)Ich will,daß die ungarische Industrie ein hohes NrgeaIt erreiche,daß ich­ sie befreie—nicht von dem Auslande,denn dieses brauchen wir wegen der befruchtenden­­onnexionen,sondern von ettzzelnen Zufällen und Gefahren,welche ihre Entwicklung»hem­mert.Ich 1rill,daß unser Gewerbe und Handel Herr sei in seinem eigenen Hause und darin stimmen wir wohl Alleijberein.(Lebhafter Beifall Seujiktivik Die Londoner Sanfanstellung. II. Bilder vor den Bildern‘) LILIII und­eonszekt ist vorüber.Die Equipagen rollen durch Das­ weite,hohe Portal von Burlingtonhaus in den weiten,mächtigen vrereckigen,als die Palastbauten der italienischen Renaissance wohnen­­den Vorhof vor die breite, nur wenige Stufen hohe Treppe, welche zum Borsaal der Kunstausstellungsräume führt. inte in diesem länglich rechteckigen Borsaale steht eine in Erz getriebene Statu­e ; sie it gerade lebt mit einer jungen Lady in vornehmer und außer­ordentlich geschmahvoller Kleidung geschmüht Die Mik oder das Fräulein, wie wir auf gut Deutsch jagen würden, hat fi legere auf eine Kante des Sodels gefeßt; die Beine ü­bereinander geschlagen, so hab alle Welt den hübschen, elegant und fein bestiefelten, nicht zur großen Fuß und den rethfeidenen Unterrad recht bequem zu bes wundern vermag. In ihrer tadellos behandsehuhten echten hält sie einen Sonnenschirm, nach der neuesten Mode, am Handgriffe mit einem Diamantk­opf geziert. Das hübsche Kind ist vielleicht Alles in Allem exit siebzehn Jahre alt, aber die fteige und selbstbemwußte nonchalante Art, in welcher sie Das mit pramptvoll gepflegtem gold­­rothen Haar und einem außerordentlich geschmadvollen Hut gezierte Köpfchen hin und her dreht, spricht zur Genüge dafür, daß sie, troß ihrer Jugend, mit allen traulischen Künsten­­ dieser Welt gar wohl vertraut ist. Man könnte glauben, sie wartet auf eine Freundin oder mehr auch auf einen Freund. Ist doch die große Kunstausstellung ein ausgezeichneter Vorwand zum Stelldichein und zum „Flirt“. Denn der „Slitt“, damit meine schönen Leserinen es nur gleich willen, gilt unter den englischen jungen Damen als die absolut bereitigte und nothunwendigste Eigenthümlichkeit jeder weiblichen Volk­ommenheit. Sie „flixten“ Alle, Alle, die breitischen Frauen, ohne Unterschied des Alters, Des Berheirathetseins oder Nichtverheirathetseins. Die Alten, um zu zeigen, daß sie seineswegs schon veraltet; die „Verheiratheten“, um den guten, lieben Ehemann am Bandelhen zu Halten, die „Unver­­heiratheten“, um sich unter die Haube zu bringen. „U­­hr Männer seid ja so dumm,” erklärte mie umlängst eine ältere Dame aus den besseren Ständen, die Mutter verheiratheter Töchter. Sie muß es also wissen. Und: „Nichts geht über einen netten Flirt,“ antwortete ein junges und reiches Fräulein aus vornehmster Londoner Familie, der gegenüber ich die Ueberzeugung aussprach, daß nirgends in der Welt das Schönere Geschlecht das „lirten oder Kofettiren” in so ber wunderungswürdiger Vollkommenheit verstehe, wie eine vornehme Engländerin. Kein Wunder! Sie sangen den ,elirt" mit der Mutter­ mild ein und beginnen si darin zu üben, bevor sie auch nur die kurzen Kinderkleidchen ausgezogen. Da tritt eben eine junge, reizende Kleine — sie mag etwa Alles in Allem zwölf Jahre alt sein — an der Seite einer schönen, vornehmen Frau — zweifellos ist er die Mutter — in die Borhalle. Hinter ihnen der Bediente. Ein kleiner Mann kommt auf die beiden Frauen zu; er trägt nach englischer Art es Kurzes, Schoßloses Flüdchen und einen hohen Cylinder, ein unwü­rdevolles, selbstverständlich bartloses, Baby­­geficht. Ein Fofettes Lächeln des holden Blondkopfes im kurzen Kinder: Heide bereitk­ommt den augenscheinlich erwarteten, seiner Mannesreife entgegengehenden Heinen Mann. Die Art, die er leife den Hut zur Begrüßung der Damen lüftet, ford­e die Miene vornehmer Herab­­laffung, mit welcher die kindliche Schöne ihm, ganz nach neuester „Salicion“ von oben herab, die niedlichen Fingerfoigen entgegenstrebt, geben mir die Ueberzeugung, daß das junge Blondköpfchen troß seiner kurzen Rinderfleider bereit die ersten Elemente der „hohen Schule für Männerpärsche“ Hinter sich hat und in dem Elementarbuche für den „smarten Sl­ot“ gar wohl bemandert sein muß. Das jugendliche Pärchen schreitet die breite Freitreppe zu den eigentlichen Ausstellungs­­räumen hinauf; neben ihnen die glückiche Mutter des hoffnungs­­vollen Töchterchens ; sie­­ ist „ladylike“ von Kopf zu Fuß und in ihrer Erscheinung ausgestattet mit allem nur irgendwie möglichen Komfort der Neuzeit. Das in seiner Einfachheit geradezu entzüdend gearbeitete Kleid fitt nicht nur tadellos; nein, es läßt die hohe, vor­­nehme Figur ‚seiner Trägerin selbst wie ein wandelndes Kunstwerk erscheinen. Bor Allen ist, wie tat bei jeder Engländerin, die Farben­­zusammenstellung des Kostü­ms bewundernswürdig. Der glatte, nur ein paar lange, schmale Falten zeigende Rod­it aus meißer, die Teife an das Dretehenkostü­m gemahnende, mit echten italienischen Saiten diskret verzierte Taille aus hellblauer Seide bearbeitet; dazu trägt sie auf ihrem dunkelbraunen, fast schwarzen Haar einen weißen, innen mit sanftem Rosa abgefütterten Rubenshut, dessen mächtige dunkle Strauß­­feder von einer Brillantagraffe festgehalten wird. Die kleine Gruppe tritt durch den Kaffenschalter in den Saal. Der hoffnungsvolle eine Mann haft einen Katalog, welchen er ehrfurchtsvoll seiner hübschen Begleiterin in den kurzen Kinderkleidern überreicht. „IH danke,“ jagt sie mit einer Hoheit, aus welcher der ganze Stolz ihres A­lbions zu sprechen scheint. „Beten Sie es für uns, [eber Jacques,“ bittet die mit allem Komfort der Neuzeit ausgestattete Lady, eben Die schöne Mutter des jugendlichen, fußfrei bekleideten Blondköpfchens. Zugleich führt sie ihre Lorgnette vor die Augen und fängt an, sich flüchtig in dem nügsten großen Saale umzuschauen. „Oh, wie [den ! Dh, wie reizend ! Ist er nicht wunderhübsch ?" flötet die Lady zu den beiden Kindern. Dabei gleiten ihre Blide über drei oder vier Gemälde i derselben Minute hin. „Bitte, eber Jacques— dies Bild dort, Nummer 336, mer­kt er 2" Mit diesen Worten zeigt die Lady auf ein Damen­­porträt mit etwas start defolletirter, aber munderschöner Bitte. Eiligit sucht ihr jugendlicher Kavalier in dem Kturzen, Schoßlosen , schmarzen Sädchen der M­ißbegier der Holden Fragerin genug zu thun. Aber während er mit dem Seitenumschlagen im Katalog beschäftigt it, erscheint Mi Grundy mit einer gemichtigen, starrgebauten Jeundinen und stellt sich rü­cksichtslos gerade vor Jacques, den blonden Kindstopf und die schöne Lady. Mr. Grundy ist, wie ich hier für in Erinnerung bringen muß, Frau Buchholz aus Berlin ins Zondonfche überlegt. Sie trägt gegen ein Dugend schwerer, mit Edel­­steinen gezierter Goldringe auf ihrer Hand und eine schwere goldene Uhrkette um den Hals, selbstverständlich fehlen auch die fashionablen Armbänder nicht. Ihr Anzug ist einfach spießbürgerlich ; das Kleid aus sch­werer, schmarzer Seide, mit hellseiden gestichtem Brusteinlag. „Hm!“ meint sie, indem sie die defolietirte Büste des schönen Sranenbildnisses betrachtet: „shoeking, außerordentlich shoeking!“ — „Sa, shocking, unwahrhaftig! fallen die beiden Freundinen der MiE Grundy mit einer halb männlich singenden Stimme ein. — „Das Bildoing von Mip W.“, erklärt fest Jacques der schönen Lady und seiner jugendlichen­­­egleiterin. Die Lady trumpft ein wenig die Nase, führt nochmal Die Vorgnette vor die Augen und versucht, unterstüßt von ihrem jugendlich Kindlichen Kavalier, hinter der durch die breiten Rüden der Miffel gebildeten Wand hervorzutreten. Da schießt, gleich dem wüthenden War ein Hutloser Herr heran ; in der einen Hand hält er den Ausstellungskatalog, in der­ anderen einen mächtigen Bleistift. Ohne Noüdsicht auf die Grundy-Gruppe und alle übrigen Beschauer der Bilder pflanzt er sich in der vordersten Front auf, rückt seine Brillengläser zurecht und mustert das Frauenbildniß mit der desolletirten Büste, wie ein Untersuc­hungsrichter einen Delinquenten. Bald tritt er einen Schritt mehr vor, bald wieder einen Schritt zurück. Mrs. Grundy und ihre Begleiterinen sehen sich für einen Augenblich in ihrer Position gefährdet. „Aber Stv!“ ruft Mid Crundn mit flammendem Zornesbild. „V­erzeihung, Madame,“ ermidert­ höflich der „Bilderstürmer” mit dem Katalog und dem mächtigen­­ D Bleistift. Trogdem macht er jedoch keineswege Anstalten, den Damen einen freien Ausbiid auf die Kunstmerke zu gewähren. Er räht vielmehr noch­mals an seinen Brillengläsern herum, wirft den bachäuptigen, kahlen Kopf in den Naden zurück und führt seine zu einem Gudloch geformte rote Hand vor seine Augengläser. „Hm!“ brummt er vor sich Hinz „Brillante Schultern das! Der Kerl versteht zu malen !" Mit größter Haft, als fürchte er, Wichtiges zu versäumen, macht er vor der Nummer des Porträts in jenem Katalog mit jenem mächtigen Bleistift ein mächtiges Kreuz; dann stürzt seine lange, hagere Gestalt, immer den Katalog in der einen, den Bleistift in der anderen Hand Ähringend, bilderverschlingend auf ein anderes Gemälde zu. In seiner Haft stößt er exst gegen die Gruppe dreier liebreizender junger Mädchen, dann gegen eine ältere dumm­elgekleidete­rau, melche sich auf ihren Sonnenfchtern stößt, wie etwa Ferdinand ». Walter in der großen Szene mit Lady Milford in Schiller’s „Kabale und Liebe” auf seinen Degen. „Ich bin neugierig, was nun kommt,“ scheint das schon etwas verrunzelte Gesicht der älteren dunkelgekreideten Gran zu fragen, während die Gruppe der drei liebreizenden jungen Mädchen ihre Nugen von der strammen Nactheit eines auf einem Felsen figenden Hermes erreichend abwenden, als wären sie von dem barhäuptigen Bilderstücker bei etwas Un­­paffendem e­rtappt worden. Und doch hatten vorher alle Drei Minuten lang die prächtig modellirte nacte Figur mit heißen Bliden ver­schlungen ! Das verrungelte Frauengesicht hat dieses „Augen Tehrt !” ihrer Holden jungen Mittelmestern wohl bemerkt ; sie richtet nun selbst ihre Blide dem shocking unbekleideten Götterboten zu ; ein sarkastis­­ches Lächeln spielt um ihren bereit mit dunklem Schnurrbart ges­pierten, nicht gerade kleinen Mund. Sie zudt ein wenig die Achsel, als wollte sie jagen : „Und solchen Kunstquarks wegen muß ich hier herkommen,­ nur, weil man mit gutem Gemissen jagen können muß, hab man in der großen Kunstausstellung gemesen!! Noch ein Blid lächelnd ironischen Einverständnisses zu den drei bei ihrer Verehrung des Nachten ertappten irdischen jungen Grazien, dann schiebt sich die mit dem­ dunklen Schnurrbart Geschmüdte, auf ihren Sonnenschirm gestüßt, Durch die jegt von Minute zu Minute wachsende dichte Menge der Ausstellungsbesucher. Sie ist eben bis zum nächsten Saale durch­­gedrungen. Dort erspäht sie einen leeren Blatt auf dem langen, in der Mitte des Saales aufgestellten Ledersig. An beschleunigter Gangart stürzt sie drauf los und ergattert die Stelle. Sobald sie Plab genom­men, athmet sie tief auf und legt den Sonnenschirm in ihren Schoß; aus ihren blaunen, keinen grauen Augen spricht der Entschluß, sich ihre mehlverdiente Kunstausstellungsruhe nicht stören zu lassen ; dabei kann sie mit ruhigstem Gemwiffen all ihren Theefchmeitern erzählen : „So hab 8 erreit! 34 war in Burlington haus!” Sie tringt — amb das, ohne auch mut einen einzigen Bence für einen Katalog, gezahlt zu haben. Der Schulmeister in einem befannaer Diefens’i­en Roman pflegte seine von ihm maßlos gezichtigten Zöglinge mit den Worten zu trösten: „Nach einem snmpigen Jahrhundert, Sir" — so pflegte dieser Didenside Mursterpädagog 34 ‚jagen, während er den Jungen die Hosen stran­m zog — „ist ja doch Alles gleich, ob ich Euch duch­geprügelt habe oder nicht.“ Der in dem Genisse seines Lebderfies glückliche meibliche Schnurrbart denkt vielleicht ähnlich: „Nach­ einem Jahrhundert its ja doch mit dem ganzen Kunstgquart hier: ab­­gethan !" Sie wollte sich eben auf dem Ledersopha, welches die mohl­­meinende Verwaltung des Burlingtonhauses solchen Kunstphilosophen zur freien Disposition gestellt, etwas breiter machen, da eben ein Plas neben ihr frei geworden war, als mit fürmlichen Krad, halb athemlos, eine lange Männergestalt fi) in den freien Sit wirft. 68 mar der uns bereits unwohlbekannte bilderverschlingende un­üthende Mar mit den langen Armen. och­ immer hielt er seine beiden Waffen — den Kunst­­katalog und den ungeheuneren Bleistift — in Händen. Der Schmeiß perlte ihm von der hohen, schmalen Gu­rne. Er begann sic, zu schnäuben. Die Dunkelgekleidete mit dem dunkeln Schnurrbärtchen traute ihren Ohren nicht! Ein Mann, in sold’ fascionabler Gesell­­heit und an einem so geheiligten Orte, wie die große Zondone. 965. Migbl. des „PB. SI." Nr. 148,

Next