Pester Lloyd, März 1901 (Jahrgang 48, nr. 65-78)

1901-03-16 / nr. 65

18 Rvapqt,»15.Mär­z. Die­«russischen­ P­läne bezüglich der Mandschurei haben­ alle in Ostasien interessirten Mächte,insbesondere England und Japan,aus ihren beschaulicen Friedensverhandlungen mit China unsanft aufgerüttelt.Nun stehen sie aber fast vor einer vollendeten Thatsache Und es blieb ihnen zunächst nicht viel Znehrühxig als in mehr oder minder nachdrücklichen Worten Ihren­ Widekaruchkund zu thun.Frankreich bildet selbst­­verständlich eine Ausnahme,dieses schließt sich mit allen Wegen seine­s Alliirten an.Einstweilen hat sich Rußland »durch den Widerspruch nicht beirren lassen­.Der Czar hat dem Kaiser von China Entschließung eingeräum­t;er verlangt bis spätestens zw­ei Wochen die Unterzeichnung des Separtatabkom­m­ens. Bröher behandelt die russische Regierung die Mandschurei- Frage von jenem Gesichtspunkte,den ein russischer Publizist in­ dem Satze form­ulirt hat:..Ruß·lands Eige 1 xth 111n ist nicht nu­r»das,was es bereits annektirt hat,sondern auch eine kurze Frist zur Das, was es in naher oder ferner Zukunft annestiren wird.” Darnach betrachtet fi Rußland ídon jet als Herrn der Mandschirei. Die papierenen Proteste dürften ihm daher wenig imponiren ; daß aber eine Macht an Die Entscheidung duch die Waffen appelliren würde, scheint man in Peters­­burg nicht zu besorgen. Dennoch fassen sich die Dinge zwischen Rußland auf der einen, England und Syapan auf der anderen Seite exast genug zu, wie die folgende, von unserem wohlunterrichteten Berliner Korrespondenten uns zugehende Darstellung zeigt : J. = Berlin, 14. März. 65 laßt sich nicht verkennen, daß die po­litische Lage im fernen Osten seit der­­ Veröffentlichung des vussisch- chinesischen Abkommens über die Mandschurei eine etwas un- Das Abkommen ist befanntlich noch nicht perfek­; es hat sich also thatsächlich gegen früher nichts verändert. Aber die Formulirung der verschiedenen Interessen seitens der nächsitbetheiligten Mächte sowohl gegenüber China als untereinander ist eine schärfere geworden und wohl geeignet, mangerlei Unruhe hervorzurufen. Daß die Ab­wiclung der allgemeinen Friedensverhandlungen mit China duch Imwischen­­­fälle, wie es der jeit auf der Tagesordnung stehende it, nicht erleichtert wird, ist ja selbstverständlich. Vielleicht hat Li-Hung­­ichang auf seinem neuerlichen Krankenlager nichts zu thun, als fr üher­ die Erleichterung zu freuen, welde ihm die Mächte immer aufs neue für seine allerdings recht dornige Aufgabe gewähren. Natürlich werden, die chinesischern Machthaber in Ginganfu und anderwärts sich nicht beeilen, den europäischen Forderungen sich anzu­­bequemen, wenn sie sehen, wie immer neue Streitfragen unter den Mächten selbst, oft in recht unangenehmer Form, auftreten und erörtert Aber auch abgesehen von den Verhandlungen mit China, gibt Der jegige Zwischenfall zu mancherlei ernsten Erwägungen Anlaß­ merken. Durch die Breffe geht fest die Meldung, der englische Bot­schafter in Petersburgh habe von der rus­sischdchen Regierung Aufklärungen über Den Vertrag betreffend die Mandschurei verlangt CS ist dies jedenfalls sein gewöhnlicher, zu den ganz feundschaftlichen Mitteln der Diplomatie zählender Schritt, sondern eine Maßregel, welche auf Seite Englands eine tiefere Verstimmung anzeigt. Unter anderen Umständen, menn nicht die Persönlichkeit der­ britischen Staatsm­änner besonders ins Gewicht fiele und dabei die Erfahrungen mitsprächen, die über deren Charaktere in den verflossenen Zeitläuften gemacht worden sind, könnte man sogar an eine recht bedenkliche Situation glauben. Denn es it zweifellos, daß Rußland wenig geneigt sein wird, in dieser Lage nachzugeben, vielleicht in der Form, aber durchaus nicht im­­ Gegenstande selbst. Die Rufen sind in der Mandschurei seit längerer Zeit beati possidentes. 68 mag aug wirklich­­ fraglich sein, ob die Ehinesen unter den jebigen Umständen überhaupt im Stande sind, dort eine ausgiebige Autorität aufzurichten. Dazu kommt aber, wie man aus der ruffiligen Presse jeden Tag aufs neue erziehen kann, daß man in Petersburg duchaus nicht geneigt it, sich etwa vor engli­­schen Vorstellungen zu fürchten­­ oder zu glauben, daß solchen eine weitere Folge gegeben werden könnte. Man weiß dort so gut wie andermworts, daß Lord Salisbury kein Weitertopf, sondern eher da Gegentheil ist. Und wie der Chef des jetigen Kabinett in London nur mit Widermwillen an den südafrikanischen Krieg gegangen it, so zählt man darauf, werde er auch im fernen Osten seine politi­­schen Engagements übernehmen, die am legten Ende England zu einer größeren Aktion zwingen könnten.­­68 mag auch fraglich sein, ob sie England zu einer solchen im Augenblicke im Stande führen würde. Solche Meinungen, die, ja geeignet sind, den kontinentalen Beobachter die ostasiatischen Dinge noch immer zuversichtlich auffassen zu lassen, weil zum Konflikt die zwei Theile gehören, könnten freilich in Petersburg unter Umständen die Wirkung haben, daß sie jede Reserve bei dem Vorgehen auf dem als Suffish betrachteten Suteresfengebiete als unnöthig erscheinen lassen. I­n dieser Beziehung bildet eigentlich die­­ prigmört­­licge Klugheit der ruffifdgen Diplomatie den einzig sgunerläffigen Regulator. Ein völlig unsicheres Element, weil ausschließlich auf der Vollestimmung beruhend, macht jedoch in diesem Augenblicke Japan aus. Ymeifellos ist durch den seitherigen Gang der Ereignisse die Reibung­s­fläche zwischen Rußland und Japan be­trächtlich vergrößert worden und es mag Manchem fraglich erscheinen, ob nicht dadurch die Bindung der japanischen Sonderansprüche, wie­ sie bisher durch das Zusammen­­wirken aller betheiligten Mächte von selbst gegeben har, für die Zukunft gelodert erscheint. Wenn auch ein pessimistisches Urtheil in dieser Beziehung in Augenblicke sie auf feststehende Thatsachen nicht berufen könnte, To­tt es Doch wohl angelernt, mit einer solchen Möglichkeit auch für die Zukunft zu rechnen. Er gehört Dies mit zu den Umständen, aus welchen allgemein in diesen Tagen die oft asiatischen Dinge mit weniger Zuversicht betrachten werden, als Dies bisher seit Langen der Fall geriefen it. Bedenklich kann man allerdings Die Lage dort so lange nicht nennen, als nicht die behaup­­teten englischen Interetsen Rußland gegenüber mit mehr Nachdruck geltend gemacht werden. Daß die englische Vrenie ihrerseits­ recht weit­­gehende Ansprüche bezüglich der Mandfeguret erhebt, die sich mit den euffiichen abjolt nicht vereffbbaren lassen, ist ja bekannt; ebenso bekannt it, daß da urlängst unternommene Schritt,der Mag te, ber China nicht die Bedeutung hat, als ob etwa England für solche singuläre Ansprüche die Unter Kichung der übrigen Rationen Tür jie hätte. Es bleibt dabei, daß Die fest an die Oberfläche tretenden Tragen unwesentlich solcbe­find, die zwischen Rußland, Japan und England ihre Erledigung zu finden haben. freundlichere geworden ist. ER .­ ­­­­ ­ 3 Budapest, 15. März. a Der sattsam bekannte Erlaß des gemein­­samen Kriegsministers gegen den Bereic der Militärpensionisten hat nun auch im österreichischen Abgeordnetenhause bei der zweiten Lesung der Vorlage über das Rekrutenkontingent doch­ einen Abgeordneten der deutschen Volkspartei scharfen Tadel gefunden. Ehe wir in das Meritum dieser geharnischten Erklärung des geehrten Herrn Abgeordneten näher ein­­dringen, müssen wir der mitunterlaufenen unqualifiziebaren Angriffe gegen den gemeinsamen Kriegsminister, dem man noble Beratung alter parlamentarischen Einrichtungen vor­­wirft, mit einigen Worten gedenken. Seit jeher sol sich der genannte Funktionär durch Diese noble Verachtung aus­­zeichnen ! Dian weiß nicht, wann das „von jeher" beginnt, vermutlich­ erst von dem Augenblicke an, als das Borte­­feuille des Krieges in seine Hände gelangte, denn in seinen früheren Stellungen als Truppenkommandant dürfte der gemeinsame Kriegsminister, doch tanum Gelegenheit gehabt haben, die ihm vorgeworfene Berahtung der parlamentarischen Hin­richtungen so laut und s­nstig zu bethätigen, daß der geehrte Herr Abgeordnete bieden N Kenntniß erlangt Hätte. Diese Beratung kann sich also erst in dem Augenblicke gezeigt haben, wo der Minister sein Amt antrat, also just auf die parlamentarischen Einrichtungen für den Lebenswert seines Nestorts angewiesen­ war. Nam ist man aber in Ungarn, in dessen parlamentarische Einrichtungen der gemeinsame Kriegsminister genau so viel gebunden ist, wie an jene Desterreichs, durchaus anderer Ansicht, und gerade in Ungarn Hat man für parlamentarische Einrichtungen und für die sreiste Einhaltung derselben duch die Staats­­funktionäre ein wesentlich feineres Gefühl als in Desterreich, wo zufolge der befragenswerthen Verwilderung der parla­­­mentarischen Sitten nicht allein in der Bevölkerung, sondern auch bei den Abgeordneten die feine Empfindung für die Rechte und Pflichten der Rollevertretung abgeschwächt, wenn nicht ganz verloren wurde. Alle denkbaren Gravamina mußte im ungarischen Abgeordnetenhause der abliiefende gemeinsame Kriegsminister über sich ergehen lassen, mit­ seinem Vorwürfe­n­ gespart werden, um­ die­ Thätigkeit der Heeresverwaltung anzugreifen, aber „noble Berachtung der parlamentarischen Einrichtungen” hat dem Minister Niemand nachgesagt, und es ist undenkbar, daß eine solche Anklage, wenn sie auch nur den Schein der Berechtigung an sich zeuge, von der aus die Wahrung ihrer parlamentarischen Rechte so eifersüchtigen Vertretung Ungarns nicht erhoben worden wäre. “ Gegentheil, gerade die ungarische Dele­­gation war es, die am Stahlaffe der legten Gersion die volle Anerkennung für die Thätigkeit des Ministers aus­­sprach, worin wohl — in Ungarn ganz selbstverständlich — die Konsteuirung der vollen Uebereinstimmung des Kriegs­­ministers mit den parlamentarischen Einrichtungen implicite enthalten war. Und Hat vielleicht die österreichische Delegation Ursache zu einer solcher Klage gefunden ? Hat nicht auch sie dem Minister volle Anerkennung gezollt, und ist der Minister einem anderen Forum als dem der Delegationen für sein Thun verantwortlich? Wo find die Fal­a, die den Vorwurf „nobler Beratung" des Parlamentarismus recht- Metz--vsst—ich«svw.s....Mpv"·dendeymngs «««etdu«söstämissschin. essais — bie er, ie tölt Ale, schaudermb miterlebt — eine ‚gang besondere Hoch­­achtung entgegenbringen ? Nun, gottlob , eines Mannes Rede ist gerade in diesem alle seine Rede, der besonnenen und vernünftigen Elemente wird es ja auch­ im Reichsrathe genug geben, die den wahren Werth solcher geharnischter Em­igiationen, die mehr für die Gasse, als für die Bänke de Sigungssaales bestimmt sind, zu schägen wissen. Aber den Herren mit dem vollen Munde kommt es im Mansche der Begeisterung über ihr volfsrettendes Wirken auf ein Wort mehr oder weniger nit an, — es wird ja, das weiß alle Welt, nirgend mehr gesprochen und gebonnent, mehr gezetert, geschrieen und geschimpft, als im Bollshanfe am Franzensring — laissons cela! Auf die Gefahr Hin, ums ebenfalls, wieder geehrte Herr Abgeordnete so far und schön sagte: „Über Recht und Geseb einfach Krim wegzufegen und ganz willürlich und unberechtigt in Privatrechte einzugreifen”, fünnen wir im viel zitirten und viel angefeindeten Exklafse des gemeinsam­en Kriegsministeriums die Spuren dieser schweren Delikte nicht finden, wir sehen darin — der Wortlaut ist ja allgemein bekannt — nur eine ernste und dachaus unwohlgemeinte Warnung, die so prekären und in diesem Falle all ethisch nicht berechtigten Mittel der Selbsthilfe in einem Falke an­­zuwenden, wo der Erfolg — abgesehen von den finanziellen Fragen — lediglich vom der besseren Einsicht und dem Wohlwollen der Kriegsverwaltung abhängt. Es nügt nun Alles nichts, von Privatrechten und den unveräußerlichen Grundlagen des Staatsgrundgefeges zu ihm wärmen,­­ wollen die Pensionisten eine, wie wir gern zugestehen, völlig berechtigte Besserung ihrer materiellen Lage erreichen, der Weg der Assoziation, der­­ Petitionen, der Deputationen, vielleicht der Massenaufzüge und Straßen­­demonstrationen it wicht Der richtige, um die Erfüllung ihrer Wünsche zu fordern. Die langjährige Dienstzeit hat gewiß in allen Gemüthern das Gefühl der Subordination und des Vertrauens auf die Einsicht der Heeresleitung so tief gefertigt, daß die Zeit der privatrechtlichen Freiheit seit dem Bezuge der Pension und die Abtrennung vom lebendigen Verbande des Heeres nicht genügte, diese Empfindungen vollständig auszulösen und an ihre Stelle die modernen Schlagworte der Selbsthilfe zu regen. Niemand, der Sinn und Verständni für die unerläßlichen Grundlagen des Heeresverbandes besigt, der es begreift, daß in diesem organischen Gebilde der freien Bethätigung der Individualität nicht unbeschränzter Raum gelassen werden kann, daß nur in der Unterordnung unter den Höheren Willen 048 Wohl des Einzelnen gesichert ist, kann ‚den auf Selbtteile gerichteten Bestrebungen einstiger Soldaten, tüchtiger und pflichtbewußter Offiziere Sym­­pathien entgegenbringen. Gemwiß läßt sich bei ‚der­ vollen Unabhängigkeit der Pensionisten vom M­ilitärgefege und deren Privatfreiheit vom rechtlichen Standpunkte gegen alle mit den bestehenden Gehegen nicht kollidirenden Handlungen nichts einwenden, und bezweckt der Erlass der Heeresverwaltung auc d­urchaus seinen Eingriff in das Selbstbestimmungs­­recht der B Pensionisten, dagegen enthält der­selbe allerdings den ernstlichen­ Appell an die ehemaligen Soldaten, sich das Wohlwollen der Heeresleitung und der obersten entscheidenden Stellen nicht duch Schritte zu ver­­scherzen, die nun einmal für einstige Militärs nicht passen und die seit jeher auf die Besseiung der materiellen Lage der Pensionisten gerichteten Bestrebungen aller betheiligten Faktoren ernsthaft gefährden. Wenn es auch durchaus un ie­rt, daß die große Maffe der­­ Pensionisten duch die Tiraden einiger Hiblöpfe, die dies troß ihrer grauen Haare geblieben sind, zu unpaffenden Schritten, vielleicht gar zu Demonstrationen sich verleiten lasse und so gewissermaßen die für ihre Wahl­thätigen­ Faktoren Lähmen könnte, — das Hinausfragen des zweifellosen Clends, das in dieser Masse Herrscht, in die große Oeffentlichkeit wider­­spricht .10 sehr den landläufigen und gewohnten Begriffen von der noblen Selbstzucht und Selbstbeherrschung der Offi­­ziere, daß man im Interesse des großen, heute noch dienenden Offizierskorps nicht weniger als in dem der P­ensionisten die ausgesprochen ablehnende Stellung gutheißen muß, welche die Heeresleitung in dieser Frage eingenommen hat. Wer die Sachlage Zar bedenkt und Kenntnis von den vielen Mühen Hat, welche schon zur Befseiung der Lage der Pen­sionisten aufgemeldet wurden, wird sich der Weberzeugung nicht verschließen, daß die angebliche Verlegung der Privat­­rechte in seinem Verhältnisse zu dem Verluste steht, den die Betheiligten erleiden würden, wenn die maßgebenden Faktoren ihre wohlwollende Haltung, der ja auch endlich­ einmal die Finanzlage der Monarchie entsprechen wird, auf­geben und die pensionisten sich selbst, ihrem Privatrechte und ihrer Selbthilfe überlassen würden. An Sympathie, an­­­in­­h haft, nur gerechter Würdigung der bitteren Noth dieser vielen Aernftien der Armee, die bei sürglichem Einkommen noch den Schein wahren müssen, fehlt es in einem Kreise unserer Gesells gestatten die Mittel der beiden Staaten augen­­blichlich seine einschneidende und unwirksame Besseiung. Wenn aber die duch fünf Jahre verzögerte Gageregulirung endlich, dog­ Thatsache geworden, dürfen auch die Pensionisten nicht verzweifeln, zumal namentlich bei uns in Ungarn noch viele berechtigte Interessen auf die erbetene Staatshilfe warten und wohl noch eine Weile werden warten müssen.­­ « Gesterreichisch exotisch und ungarisch­er Ausgleich. Originale K­orrespondenz des ‚PBeiter Lloyd“­ Mik­­,13.März.»s d. Die derzeitige Situation im Parlamente — man kann Diet nicht oft genug wiederholen — enthält seine Sandrung der politischen­­ Verhältnisse in Oesterreich. Kein Mens ist so kurzsichtig, behaupten zu wollen, die Schäden und Gebrechen, an denen dieses Gtaatemeien frantz, seien auf einmal weggeblasen worden, weil die Parteien sie geeinigt haben, einige Gefete, die entweder der Stadt oder die Länder oder die Bevölkerung so nothwendig brauchen, wie einen Biffen Brod, duchzuberathen oder Ausschüffen zuzumeisen. Aber man wird teutdem zugeben mi­ssen, Daß es alle Freunde geordneter Verhältnisse iit einer gereiften Befriedigung erfüllen muß, wenn sie sehen, daß in einem Parlamente, in dem seit Mai 1897 nicht gearbeitet, sondern ne obitenirt, spestatulict und randalict murde, nunmehr eine fachliche Debatte in Ruhe sich abmwideln kann, ein Geset erledigt, andere v­orberathen werden, mit einem Worte, daß eine Situation eingetreten ist,­die menschen- und parlamentsmüldige Zustände wieder auf­weist, Zustände, deren man sich nicht mehr zu Schämen braucht.. Mehr Tann, mehr soll man aber auf für den Augendlich nicht verlangen, und wer dies dennoch hat, ber­ät entweder sein guter Bolttifer und traut der momentanen Lage eine Tragfähigkeit zu, die sie nicht befsst, ja unmöglich befssen kann, oder, was viel schlimmer st, erüt nicht guten Willens und möchte die Situation mit Dingen belasten, unter denen sie dermalen zusammenbrechen müßte. Wer er von diesen beiden Kategorien der Abgeordnete Dr. Kramarz angehört, wollen wir nicht entscheiden. Obgleich er unstreitig 3u den intelligentesten und unterrichtetsten Mitgliedern des Hauses zählt, hat er dennoch nicht immer den richtigen politischen Blick, aber auch­ nicht immer den unwünschenswerthen guten Willen bes fundet. Allein, es handelt es auch gar nicht um­ die allgemeine Cha­­rakterisieung Dieses hervorragenden junge zehn­chen Parlamentariers,­­ es handelt sich nur darumm, zu untersuchen, ob dem­ Vorstoße, den er in seiner gestrigen Nede in Bezug auf das Verhältniß­ der L­inien zum ungarischen Ausgleiche miter­­nommen hat, schlechte Berechnung oder schlechter Wille zu Grunde­ lag. Das Erste wäre belanglos, das Zweite gefährlich. Wenn die Situation haltbar und entwicklungsfähig bleiben soll, so muß bei­­ allen großen Parteien rechte und iinig die lauterste Absicht vorherre­­hen. Man kann für oder gegen die Regierung, für oder gegen ihre Vorlagen sein, nur dürfen die großen Parteien einander nit reizen und nicht befehden, sie müssen einander den Waffenstillstand einhalten, den betreffs des parlamentarischen Verhaltens jede Gruppe mit der Regierung getäroffen hat. Herr Dr. Kramarz hat die Debatte über das NRetrutengejeb dazu benutt, um, gleichsam angeregt durch den genius rei, eine­ Resognazzirung und Lager der Linken vorzunehmen und die Die­positionen zu erkunden, die dort über den Ausgleich mit Ungarn und über den Ausgleich in Oesterreich vorwalten. Die Nebeneinanderstellung, noch mehr: die Ineinander­­schiebung dieser zwei Fragen ist nun gar nicht nach unseren Geschmack. Man hat mit dieser Verg­uidung sehr trübe Erfahrungen gemacht. Der Ausgleich mit Ungarn hat mit der inneren Politik Desterreichs nichts zu thun. Bei dem ersteren Handelt es sich um eine Regelung der wirthschaftlichen und finanziellen Beziehungen der beiden Staaten der Monarchie, die den ökonomischen Synteressen­ Desterreichs un­d Ungarns, aber­ auch den großen politischen und internationalen Sintert­eilen Desterreich-Ungarns entspricht; bei der inneren Politik Dester­­reichs Dagegen handelt es sich um die Frage, ob ein mehr zentralistisches oder autonomistisches, ein mehr deutsch- oder mehr flauenfarbiges­ Regiment „geführt werden soll Der Ausgleich soll also von den­ innerpolitischen Fragen, Desterreichs losgelöst bleiben und ein Um­glück war's, daß Graf Badeni die zwei Dinge durch die Sprachen­­­verordnungen mit­einander in Verbindung­­ brachte. Alle Fährlichkeiten, die diese hervorriefen, trafen­ auch den Ausgleich, und da in Detterk­reich nicht Ordnung gemacht wurde und ein parlamentarisches Zoll- und Handelsbündniß nicht zu haben war,­ mußte Ungarn den Des der selbstständigen Regelung betreten. In Hinkunft sollen solche Der­quidungen nicht wieder­ vorkommen, und von den beiden Dingen soll man in einem Athem nicht wieder reden. Ungarn­ wird alle­ Be­strebungen, den inneren Frieden in Oesterreich herzustellen, mit seinen Sympathien begleiten, allein der Ausgleich mit Ungarn hat damit nichts zu schaffen, und man leistet dem Ausgleichsgedanken eines­ ­ Feuilleton. „Flirts Gude“ Aus dem amerikanischen Leben von Giga None, Ihre Augen lägerten, als Winton sie einholte und an ihrer Seite weiterschritt. „Habe ich mich verspätet ?” trug sie. „Ich hatte Besorgungen zu machen.“ „Ein wenig,“ erwidderte Frederik, ihr freudestrahlend in die Augen blidend. „Sie wissen, Sie thun dies stets.“ Sie late. „Heute wollen mir recht vornehm dink­en,“ fuhr er fort. „Unverhofftes Glüd heute — ein Cled für eine kleine Erzählung, an die ich völlig vergessen hatte, so brauchen wir diesmal die Kosten nicht in Betracht zu ziehen.“ „ch, wirklich?” Ihr Ton verrieth, dab. das Steigen oder Gallen seines Glücssternes ihr durchaus nicht gleichgiltig war. In dem eleganten Cafe angelangt, ließ sich Angela mit Wohl­­behagen in dem Lessel nieder, den ihr ein Kellner mit tiefer Ber­mengung bereit hielt, einen flüchtigen Bad in den Spiegel ihr gegenüber werfend, lebte sie ein ganz Hein wenig ihren Hut zurecht und begann, die Handschuhe sorgsam abstreifend, ihre Aufmerksamkeit der Speisefarte zuzumenden. Nach Erledigung der wichtigen Angelegenheit des Bestellens, lehnte sie ih in ihrem Sessel zurück und blickte über die Blumenvase Hinweg, die in der Mitte des Tisches stand, lächelnd nach ihrem Gegenüber. ,,Fred,«sprach sie in dem sanften Tone,den Frauen für Worte annehmen­,die,wie sie wissen,verwunden werden.»Es ist geschehen.« «­—,,Was?««Irquinton lebhaft . ,,Was ich erwartete und—fürchtete.«Das letzte Wort fügte sie wie widerstrebend hittext.»Gestern Abe­rds hielt John Marchmont um meine Hand an.” Winton wartete, bis sich der Kellner entfernte und erwiderte, fein lag erhebend. „Dann darf ich auf 30r zukünftiges Glüh trinken ?" „Nein, wo­ nit. Er gab mir Bedenkzeit, Morgen Abends muß ich ihn Antwort sagen.“ Sein Antrag ist Ihnen voraussichtlich viefig überraschend ?" sprach der Mann mit Faum­merfi­henm Anflug von Sarkasmus. „Er wirkte wie ein Schlag — troß der Thatsache, daß ich ihn seit Monaten erhoffte. Seien Sie nicht unartig, Fred —. Sie sagten doch selbst, daß es von mir Wahnsinn wäre, ihn nicht zu heirathen. Mir wahnen und vor, vernünftig zu sein, fallen Sie also nur nicht gleich aus der Rolle. 34 werde Alles haben, was ich nur will — Häuser überall, und Geld in Menge, mehr als selbst ich ausgeben kaun." Winton lachte. „Dies bezweifle ich,“ sagte er. „Nun, Sie sind auch nicht Derjenige, der Steine werfen darf.” Sie sprach heiter. „Ich weiß,” erwiderte er, „wir leiden Beide unter demselben Zluge. Wenn wir den Lurus nicht so sehr liebten, könnten wir einander heirathen und glücklich sein.” „Aber wir lieben ihn,“ sagte Angela rasch, „Keiner von uns könnte in ärmlichen Verhältnissen leben, das wissen Sie." „Nun,“ s­rag der Mann, „verkaufen wie also unser Seelen­­heil dafür.” „Sie brauchten deshalb in Feine melodramatische Stimmung umzuschlagen.” Das Lächeln, das aus ihren Augen ge­wichen,­­spielte noch um ihre Lippen. „Nein, Heldenmuth ändert ja doch nichts an der Sache,“ ere­widerte Winton. Der Tag neigte seinem Ende zu und der Speisesaal erglänzte plöglich in einem Meere blendenden Lichtes. Weberall glühten elektrische flammen unter opalfarbigen Gläsern und tauchten Alles in feen­­haften Glanz. Auf den Tischen funkelte das zierliche Silber, die ges­­chliffenen Gläser, das feine Vorzellar. „Es ist nicht meine Absicht, unangenehm zu sein,” sagte Winton nach einer kleinen Raufe, während welcher der Kellner die Auftersteller entfernte und die Suppe vervinte. , 30 anerkenne, daß wir die einzig vernünftige Maßregel ergreifen; und wenn Alles über­standen und Jeder von uns an jemand Andern verheirathet sein wird, glaube ich, Daß ich mich darüber freuen werde. — Doch ich bestehe, daß es mir momentan fast einem Gemaltakte ähnlich erscheint.” „Nun benehmen Sie sich verständig,” war Angela’s Er­­muthigung. „Haben Sie mit Ihrer Erbin bestimmte Aussichten ?" „Nein, und ich werde der Sache auch nicht weiter nachgehen, 10 lange Sie nicht verheirathet sind.“ „Dir denke, das wird nicht lange währen,” sagte Angela. , Er will fast sofort heirathen.“ „John Marchmont ,­ ein glücklicher Mann," begann Winton. „Ich glaube, daß er in der ganzen Welt imnnerlich eine paffendere­rau hätte finden können, um wirdige Herrin seiner Baräfte zu sein. Ach meine nicht blos Fhrer Schönheit willen; er it etwas Anderes ; eine seltene Mischung weltlichen Wissens und unweltlicher Reize, die das aus ihnen macht, was Sie sind. Ich denke, Kleopatra muß Ihnen geglichen haben, nur daß bei Ihnen ein gutes Herz mit einem Eugen Köpfchen vereint ist. Sie könnten eine Welt von Unheil anstiften, Angela , wenn Sie wollten, Frauen gleich Ihnen find­en, die Die Geschichte der Nationen lenken.“ Angela hatte aufmerksam zugehört: „Die gut Sie sprechen Fönnen!” sagte sie: „Sie flößen mir fast Achtung vor mir selber ein. Weshalb können Sie nicht in so überzeugender Weise schreiben ?" „Mangel an Begeisterung; glaube ich,” ermwiderte Winton verdrosfen, nie gut Sie ein Diner bestellen Tünnen,“ bemerkte Angela­­ nach kurzer Baufe. „Da Komplimente zwischen uns an der Tages­­­­ordnung zu sein scheinen, muß ich Ihnen sagen, daß ich nie jemand Geeigneteren nannte, um über ein großes Vermögen zu verfügen, als Sie, mein lieber, netter Bred. Weshalb besigen Sie nicht John Mordimont’s Geld ? Dann könnten wir heirathen und — ag, num, er ist besser, wir sprechen nicht darüber, aber hätten wir aug so nit ein gut Theil Lebensglüd fir uns haben können ?" „er, dann hätte ich geschrieben —“ Winton sagte. Angela sah nachdenklich in ihr Weinglas, welches sie mechaniic ergriffen. „Willen Sie,” sprach sie, „daß mir Beide ganz ungewöhnliche Leute sind ? Wir sind gerade so verliebt in einander mie die Hälfte der Paare, die heirathen, und da, statt den Grundstein F­ünftigen Haffes durch unsere Heirath zu legen, fißen mir, unser leßtes Diner miteinander verzehrend, in ganz vernünftiger, ruhiger Weise bei , ohne ichie durch unseren Appetit ungünstig beeinflussen zu lassen.” „Unfer­legtes Diner ?" frug Winton, „werde ich Sie denn nicht sehen dürfen, wenn “" „Wenn ich Hohn Marchmont’s Braut sein werde ?“ unterbrach ihn Angela. „Nein, ich mill zu ihm stets wahr sein. Nichts ist erbärm­­licher als eine verrätherische Frau; ich wäre es nie —.” Winton ermiderte nichts, doch sein Gesicht verfinsterte sich. „Stellen Sie sich vor, wir entsclöffen ung, einander dennoch zu heirathen,“ sagte Angela überlegt. „Statt unseren Ansprüchen gemäß zu leben, wären wir genöthigt, irgendwo in der Vorstadt unser Dasein zu fristen. Unsere Mittel gestatteten uns b höcjstens fünfunddreißig Dollars Miethe zu zahlen ; nicht wöchentlich, bedenten Sie, sondern monatlich. Sie müßten fertig getaufte Anzüge tragen, ich müßte mir meine Kleider selbst nähen. YA verstehe mich darauf ganz gut; ich that es als ganz junges Mädchen,” fügte sie leise Hinzu, „und ich sah in denselben gar nicht so übel aus; ich hatte, was die Schneide­­rinen „Ehre“ nennen.” „Sie verkehren soviel in vornehmen Häusern, Fred,” fuhr Angela fort, als fühlte sie, daß Pausen gefährlich werden könnten, „daß Sie Feine Ahnung davon haben, mas das Leben jahraus, jahr­­ein fottet. Ich verbrachte meine Kindheit in Armuth; deshalb hafte ich sie so. Wenn mir also troß unserer Armuth heiratheten, wü­rde der Stolz uns veranlassen, den Verkehr mit all unseren­ Freunden aufzugeben, so hätten wir nirgends Hinzugehen, außer gelegentlich einen Spaziergang oder ins Theater. Stellen Sie sich nun mit Ihrer Frau, in deren besten, fertiggetauften Seidenbloufe, auf nicht allzu t­euren Siben vor. Ich sah heute in der „Sixth Avenue" eine Menge Kleinigkeiten, ebenso habig, als billig. Heutzutage können sich arme Leute ähnliche Annehmlichkeiten gestatten, wie die reichen. Wenn man blos seinen Haß vor diesen Nachahmungen überwinden könnte" — sie unterbrach sich plöglich und begann einen neuen Sat. „Willen Sie, ich könnte sogar einer Fünfundzwanzig-Dollar-Wohnung ein hübsches Aussehen verleihen. 39 befige entschieden Talent zur Entdeckung billiger Duellen. Ich denke oft an eine gemüthliche, Heine Behausung, und die Abende die wir darin verbringen könnten, Sie schreibend und ih­r" Angela brach plöglich ab, als sie in das Gesicht des jungen Mannes­ blickte. „Weshalb wollen Sie mich foltern ?" trug Winten fast raub. „&3 that mir leid“, murmelte Angela beflommen, „Ich wollte Ahnen seinen Schmerz bereiten. Ich mußte nicht —" Sie hielt inne, dann begann sie wieder.‘ „Es ist so bezaubernd von einem Heim zu träumen mit mag uns Beiden, abgeschieden von der Welt; doch bald wären wir hessen tödtlich überdrüssig und einander in ein, zwei Monaten ebenfalls. Das Leben miteinander wäre ja recht schön, so lange man nicht darauf angemiesen it." . . „Ob es wohl mit einander fchmerer wäre, als ohne ein­ander,” sprach Winton düster. „Wie unangenehm Sie heute Abends sind!" Sie mal fast böse. Winton erwiderte nichts und leerte ruhig sein Glas. „Haben Sie heute Abends et­was vor?" fing er dann. „Könnten wir nicht in irgend ein Theater gehen ?" „So denke, nein,” sagte Angela: „Se mehr Zeit mir mit einander verbringen, besto fhmerer wird es sein, Leber wohl zu jagen. 99 fühle dieses Scheiden mehr als Sie es je willen werden, Fred. Wenn ich es nicht für das Klügste hielte, dann — aber dies ist der Wal. Und wir werden Beide daran zurückenten,’ fügte sie, sich vor­beugend, in leisem, fast sentimentalem Tone hinzu. „Eine Erinnerung, die unverlöschlich, ist heiser, als ein todter Roman.“ Ihre Stimme bebte leise, als je die legten Worte sprach. Langsam 309 sie die Handschuhe "an, als’ der Kellner, die Rechnung brachte. ",,Kommen Sie,«sprach sie,als Winton gezahlt hatte,»wir­ müssen gehen.Sie können mich nachhause begleiten,doch bitten Sie« mich nicht,mithinaufkommen zu dürfen.« Winton sprang rasch von seinem Sitze auf,um ihrs den Mantels um die Schulter zu legen. ,,Versprechen Sie,daß Sie es mir nicht allzu­ schwer m­achen" werden,Sie ziehen zu lassen,«so flüsterte sie,als er sich über sie beugte;,,und daß Sie es nicht versuchen werden,mich wieder­­zusehen." Winton richtete sich empor.»Ich will nichts Derartigessver­»­ sprechen,­«sagte er.»Morgen um zehn Uhr Vorm­ittags hole ich Sie ab,und bitte Sie bereit zu sein,um mit mir auszugehen.« Angela wandte sich um und blichte ihn fragend an. „Wohin?“ frug sie verwundert. „um diese Varstadtwohnung zu suchen,” sagte Winton. Ein neuer­ Glanz Teuchtete aus Angela’s Augen, als sie sie erhob und der Thüre zuschritt. „Sie wollen mich also nach all dem doch heirathen ?" , trug sie mit freudigem Beben in der Stim­me. „Nun, vielleicht its befser so, Fred. Aber welche Thorheit das ist, Fred , welche Thorheit einander zu heirathen !" , „Sie meinen, welche Thorheit es wäre, zu versuchen, ohne einander zu leben,” verbesserte sie Winton, als sie auf die Straße traten, war Alles, was fr. —·.. sz.. »F ; — —

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