Pester Lloyd, Juli 1905 (Jahrgang 52, nr. 164-189)

1905-07-01 / 164. szám

»­­ Majorität zu erfüllen nicht im Stande ist — das ist die eigentliche Ursache der traurigen Seite. Findet nun Die Koalition einen Weg, der zur Verständigung führt, so könnte dies nur mit aufrichtiger Befriedigung begrüßt werden, man aber der Entwirrungsprozeß so Schnell nicht vor sich gehen, so muß doch für den Gang der Verwaltung gesorgt werden, damit nicht die Anarchie einreiße. Unter solchen Umständen ist das Verbleiben der Obergespane in ihren Aemtern nicht nur von symptomatischer Bedeutung für die Intentionen des Ministeriums Fejérváry — es dürfte auch praktische Folgen insofern haben, als es in manch einem Munizipium den Obergespanen auf Grund der hier er­haltenen Eindrücke gelingen dürfte, ungefeglichen Beschlüssen vorzubeugen, die nur geeignet sind, die Leidenschaften noch mehr aufzupest­hen, die Berständigung noch mehr zu er­schweren. Der Obergespane harrt legt eine sehr schwierige, für das Wohl des Landes aber Auferst wichtige Auf­­gabe. Sie sind heute die fast allein berufenen Organe, die es in der Hand haben, auf die M­unizipien, auf die ganze Bevölkerung aufklärend und beschwichtigend zu wirken. Wenn sie die Men­sion und die Biele der Regierung in das richtige Licht zu stellen vermögen und dadurch die irrige Ansicht berichtigen, daß ein absolutistisches Regime im Anzuge sei und das M­inisterium Fejérváry Die Aufgabe Habe, ihm die Wege zu ebnen, so fünnen sie viel zur DBerbesserung der Lage und zur Lösung der Krise bei­­tragen. Dieser Alles zerrüttenden Krise, die Doch darumm ihren verhängni­svollen Charakter nicht verliert, wenn man Seden, der nicht im Fahrwasser der Koalition steuert, verfegert und verdammt. Budapest,30.J11111. § Die O­bergespane, mit sehr wenigen Aus­­nahmen, haben sich der neuen Negierung zur Verfügung gestellt. Diese Thatsache , enthält eine neuerliche Garantie dafür, daß das Kabinet Fejérváry an­­ verfassungswidrige Elemente nicht denken kann. Die von den Obergespanen angekündigte Demission war diesmal nicht nur die mit jedem Regierungsmechtel verbundene Formalität. Seit der Wieder­­herstellung der DBerfassung ist es der­ erste Ball, daß ein­ außerparlamentarisches Meinisterium am’8 Nuder tritt, und zum ersten Male auch geschieht es, daß die Mennizipien eine Negierung mit ausgesprochenem Miss­trauen aufnehmen, ihr nur bedingten Gehorsam leisten, eine freiwillige Unterfrügung aber geradezu verweigern. Unter solchen Umständen muchten­ auch die Obergespane von vorn­­‚herein sich ernstlich mit dem Gedanken getragen haben, ihre jegt besonders schwierige und verantwortungsreiche Stellung zu verlassen, und wenn sie nach den, mit, dem M­inister- Präsidenten und mit dem Minister des Innern gepflogenen Bene­fi eines Anderen besonnen haben, so läßt dies den Schluß zu, daß es den Ministern gelungen i­, die Ober­­gespane zu überzeugen, daß sie auch während des Ueber­­gangsregimes den Boden des Gesehes nicht werden ver­­lassen müssen. Das gewährt immerhin eine Beruhigung, denn man kann daraus die Sicherheit­ schöpfen, daß das Ministerium nichts zu veranlassen,­ nichts zu verfügen ge­denkt, was mit den geltenden Gelegen, mit der Berfaffung nicht in vollem Einklange stünde, daß es thatsächlich nur in der vom Kabinetschef angedeuteten engbegrenzten und Doch so wichtigen Mission seine alleinige Aufgabe e­rblich, nämlich darin, den Gang der Verwaltung aufrecht zu halten und die Lösung der Krise zu fordern. Es it völlig undenkbar, daß eine so zahlreiche, aus­gesehene, in der Wahrung und Durchführung der Ber­­­affung zur Bedeutung gelangte Körperschaft, wie es das ungarische Obergespanstorps ist, ich bereit erklären könne, der allgemeinen Stimmung Groß zu bieten und die Bou­­­ftrelung gejenwidriger Verfügungen zu übernehmen. Das weiß ja heute jedes Kind, dag die Munizipien solchen Bef­­ordnungen der Regierung den energischesten Widerstand ent­­gegenlegen würden. Das mitten selbstverstänöli auch die Obergespane wissen,­­ die überdies überzeugt sind, daß sie nirgends genü­gende Organe finden würden, um ungesehliche Maßnahmen durchzuführen. Wenn sie nun ihre Demissions­­absicht aufgeben, so müssen sie aus den erwähnten Kon­­ferenzen Die Meberzeugung gewonnen haben, daß von ihnen nichts verlangt wird, was das Ansehen Dieser ganzen Körperschaft auf lange Zeit hinaus fjceywer trüben müßte. Sie haben sich, wie ihre Entschließung beweist, Ber­­uhigung darü­ber verschafft, daß Baron Fejervárn und sein Kabinet die Regierung nur deshalb ü­bernommen haben, weil Sr. Majestät die Möglichkeit geschaffen werden mußte, die evelative Gewalt in geweglicher, konstitutioneller Form ausz­eichen, welche Möglichkeit durch die Umstände bedauerlicher­­weise eben nur auf ein Weitergangsministerium beschränkt war. Die foalirte Majorität vermochte bisher sein Programm festzustellen, auf Grund dessen der Monarch die Leitung der Staatsgeschäfte hätte in ihre Hände legen können. Ein Ministe­­rium der Minorität hätte den Anforderungen des Parlamen­­tarismus und der Verfassungsmäßigkeit sicherlich noch weniger entsprochen. Das Kabinet Tifa wurde kaum mehr geduldet und hatte eben als parlamentarisches Ministerium mit solchen Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten zu kämpfen, daß es ihm in der That Niemand verargen konnte, wenn es seine endgültige Enthebung täglich mehr herbeiführt­e und­­ energischer forderte. Was blieb da also Anderes übrig, als aus Männern ein Kabinet zu bilden, die auch unter Diejfen wenig ermuthigenden Umständen bereit waren,­ den schon nahezu ins Stohen gerathenen taatlichen Mechanismus wieder in regelmäßigen Gang zu jegen und Die, für den Moment gewiß undankbare Rolle des DVermittlers zwischen dem Träger der ungarischen Krone und der Mehrheit des Abgeordnetenhauses zu übernehmen. Damit sol bei weitem nicht gesagt sein, daß wir uns für das Nebergangsministerium irgendwie zu begeistern ver­­möchten. Wir­­ sind nac­h wie vor der Ansicht, daß die Bildung Dieses M­inisteriums ein verfehltes Experiment ist, welches nicht nur seine Lösung bedeutet, Sondern: die Lösung der Krise noch erschwert. Doch kann die­­ Schuld daran, daß dieses Exrpediens gewählt wurde, weder der Krone, noch dem neuen M­inisterium auf­gebürdet werden. Eine Partei, welche zur Majorität gelangt ist, hat nicht, nur das Recht, sie Hat­ auch: die unabweisliche Pflicht, die Negierung zu­ übernehmen und also ein Programm festzustellen, welches Die Genehmigung der Krone finden­ann, ein Programm, welches der Krone nicht wider ihre eigene­­ Neberzeugung aufgezwungen werden muß, sondern­ durch­ die freie Aus­stimmung der Stone die­­ konstitutionellen Garantien der Durchführbarkeit erhält. Die Koalition aber hat als Oppo­­sition dem Lande D Versprechungen gemacht, die sie als Budapest, 30. Juni.­ ­ Es gibt während des japanischen Krieges kaum einen zweiten Zwischenfall, der die Zustände im russischen Reiche und in dessen Armee mit seld­bligartiger Schärfe beleuchten würde, wie der jüngste Bor­fall in Odessa. Ein Mateose meldet sich zum Napport und beschwert sich im Namen seiner Kameraden über Die Mannschaftsmenage. Das Ergebniß dieser Klage war, daß der den Napport abnehmende Schiffslieutenant dem Matrosen den Kopf spaltete. Das läßt sich nur erklären, wenn aus der Klage des Mannes ein unzulässiger Wortwechsel oder eine bösartige Subordinationsverlegung entstanden war. Geschah das nicht, dann fan der­ Offizier nur durch Disziplinlosigkeiten der Bemannung sehr erregt gewesen sein oder er war am Ende gar betrunken. Nun kommt es aber noch Schlimmer. Die Mentrosen meutern, werfen die meisten Offiziere über Bord und führen den „Potemfin" in den Hafen von D­defja.­ Die Leiche des gemordeten Matrosen wird­­ demonstrativ ans Land gebracht und die Mann­­schaft läßt dem Kommandanten der Stadt sagen, sie würde Ddefja bombardiren, wenn man Miene machen sollte, die Meuterer nach dem­ Sakungen des Kriegsrechtes zu behandeln. Was hierauf in der tat geschah, gehört auf ein anderes Blatt; vorläufig Hat man über den Fall mit de­n „Potemkin“ genug zu denfen. Und da wirft sich Die rage­ auf, wie Muß es mit der Disziplin und Zucht auf einem ruflichen Kriegsschiffe beschaffen sein, wenn ein Vorfall möglich­ war, der sich nur in längstvergangenen Zeiten auf einem Piratenschiffe noch ereignet haben konnte? Es hat nicht viel auf sich, wer den Ausbruch solcher Meuterei zumeist verschuldet hat, der Offizier oder der Mateose; das Bezeich­­nende liegt darin, daß Derlei überhaupt geschehen­ konnte. Sept begreift man nicht nur das traurige Schidsal der waffischen Flotte in Ostasien; man findet auch alle jene beicchämenden Details glaubwürdig, welche über die Haltung der ruffischen Marineoffiziere und ihrer Mannschaften während des ganzen Krieges, von den verschiedensten Seiten gemeldet worden sind. Die Mindermerthigkeit der ruffischen­ Marine , im Verhältnisse zu ihrem Gegner, läßt ich unschwer erklären. Der Rufe ist von Haus­ eine Landratte. Geborene Die­en si­­nu an den Küsten der Ostsee und des Schwarzen Meeres. Dagegen it das japanische Zielreich von allen Seiten von der See umspült und da ist jeder zweite Mensch mit dem Meere und seinen Unbilden von Kindesbeinen auf vertraut. Wahrscheinlich rührt die Tüchtigkeit, Selbstständigkeit und der Muth, der Japaner, wie bei den Engländern, gerade daher, daß sie ein Inselvolt sind und seit jeher auf den Kampf mit­ den Elementen, mit Wind und Wasser, angewiesen­ waren. Was jedoch über diese Naturanlage hinausgeht, konnten Schulung und Bewaffnung vollbringen. Die Vorfälle auf der russischen Marine während des japanischen Krieges beweisen, daß der Zustand der russischen Kriegsschiffe, die Ausbildung ihrer Offiziere und Mannschaft, ja sogar Die Disziplin weit Hinter den Schilderungen zurü­cbleiben, welche Kapitän Klado und Die übrigen Bellimisten von der russischen Flotte schrieben. Wenn Matrosen meutern und ihre Offiziere über Bord werfen, so beweist­ das nur, daß in der rufsischen Mannschaft jeder ‚Glaube an die Autorität der Kommandanten, jede Furcht vor diesen unb vor den Artikeln­ des S Kriegsrechtes ge­­schwunden sind. Die Bemannung von sechshundert Matrosen konnte nur so auf den Gedanken kommen, daß sie sich nur zusammenzurotten brauchen, um dem­ Vorgefegten den Garaus zu machen. Und solche Erwägung führt zu dem Gedanken, daß Diejenigen nicht zu viel behauptet haben, welche die Berreuchung der russischen Armee mit sozialistischen Seen, mit den Tendenzen des Nihilismus, Terrorismus und der Revolution konstatirten. Ist es doch schon seit Jahrzehnten in Rußland Brauch und System geworden, daß man Die unruhigen Studenten und Arbeiter, die man nicht ins Ge­fängniß werfen oder nach Sibirien verbannen wollte, straf­­weise zur Armee abgestellt hat. Und die böse Saat, von der man die russische Gesellschaft befreien wollte, sok dann üppig in der russischen Armee auf. Was Wunder, wenn schließlich alle Soldaten über den Wahnmerk des Krieges gegen Japan zu philosophiren begannen, wenn Todesmuth und M­anuszucht aus den Neihen der geschlagenen Armee vollständig verschwanden. Nun kamen zu der Meuterei auf dem „Botemfin“ noch die Vorgänge in Odessa. In einer reichen Geestacht, die fast eine halbe Million Einwohner zählt, bricht plöglich eine ungeheure Empörung aus, die mit den pflichtvergessenen Matrosen offen sympathisiet. Die Leiche des niedergejäbelten Matrosen Dmeltschul wird befränzt, die Menge wirft ihre Kopeten in eine Sammelbüche. Damit die Kosten des Leichenbegängnisses bestritten werden. Im wenigen Stunden durchfluthet eine aufrührerische Menge die Straßen der Stadt. Die Garnison ruht aus, doch leisten die Massen Widerstand und wollen nicht auseinandergehen. Die Sol­­daten geben euer, wie es heißt, sogar aus den Schnell­­feuergeschoßen, und in kürzester Zeit bededen Tausende von Zochten und Verwundeten, das Pflaster der sehtönen, reichen Hafenstadt. Brandstifter ziehen durch die Stadt, Bomben werden gegen die Soldaten und Beamten geworfen ; zum Schlusse bombardiren die Meuterer auf dem „Potemkin“ die empörte Stadt, die bald an allen Eden und Enden in lichterlohen Flammen brennt. Der Kommandant von Odessa telegraphirt nach Sebastopol um Truppen und Kriegsschiffe, doch erhebt auch auf diesen die Meuterei ihr Haupt und fordert den Anschluß an die Matrosen des " Botemfin". Und Diejenigen, welche pflichttreu bleiben möchten, werden doch die Drohungen der Aufrührer, man werde die ganze Stadt in Brand stehden, von der Herstellung der Ruhe und Ordnung zurückgehalten. Und das Alles geschah, weil ein Schiffslieutenant einem hungrigen Matrosen den Kopf ge­­spalten Hat! Nicht doch­h es trugen sich alle­­diese grau­­sigen Szenen nur zu, weil er nm eines Zwischenfalles be­­durfte, um die Revolution in Odessa zu entfeffeln, weil Ion ein Tropfen genügte, den Becher zum Ueberfließen zu bringen. Und sieht es denn an anderen Orten im Czarenreiche besser aus? Hoch oben in Liba menterten am selben Tage gleichfalls die Matrosen. Sie erbracten das Zeughaus, eigneten sich die Gewehre an und beschaffen die Wohnungen mißliebiger Marine-Offiziere und Beamten. In Warschau, Lodz und anderen Städten im Westen des Neic­es mill schon seit Wochen die Niederwerfung der Revolution nicht gelingen. Meberall ereignen sich dieselben Szenen! Die empörte Menge, mißachtend jede Autorität, bedroht alle Elemente, welche Die gesellschaftliche Ruhe und staatliche Ordnung aufrechterhalten wollen. Sie schreitet überall zur Plünderung, zum Mord und zur Brandstiftung. Vergebens greifen Polizisten und Soldaten ein, denn wenn auch heute Hunderte niedergeschosfen oder verwundet werden, so finden sie am nächsten Tage wieder Tausende, die bereit sind, das Wirt der Empörrung und Zerstörung fortzufegen. Die fanatisirten Massen im Neid­e zählen nach Millionen, die Wächter der Ordnung nur nach Hunderttausenden, und es geht doch schließlich nicht an, jedem Empörten einen Soldaten gegenüber zu stellen. Und das Schlimmste dabei­ ist, daß die Bersuche der Beichwichtigung, die man in Petersburg von heute auf morgen ersinnt, gar nichts mehr wüten und daß der GSeift der Nevolition die Brandtadel dur­ das große, weite Reich­ trägt und in­­ den erregten Masfen alle thierischen Instinkte und Begierden mieht, damit von der seit Jahr­­hunderten mühselig aufgerichteten Ordnung kein Stein mehr auf dem anderen bleibe. Da reichen die Sinuten, Bajonnete und Kugeln nicht mehr aus, wenn die Maffe weder den Tod, noch das Gefängniß fürchtet, und an nichts Anderes denkt, als das Oberste zu unterst zu fehren, weil ja all das, was bisher oben war, das Elend und den Nammer des Bolfes verschuldet haben sol. So ist denn das Czarenreich heute nur mehr eine Lichterloh brennende Stätte der Nevo­­lution und es gibt kaum mehr eine physissche Macht, welche diesem Zustande so bald ein Ende bereiten könnte. Dahin hat das Regime der absolutistischen Alleinherrschaft und der korrupten Bireanfragie Rußland gebracht, daß Heute die Turien der Empörung und der Zerstörung winaufhaltsam dur­ das Neic­ rafen. In Petersburg aber scheint der Vatalismus zu walten oder die Kopflosigkeit. me ú — | | \ + Die Inge, Der Minister-P­räsident in Wien. Wien, 30. Juni. (Orig.-Telegr.) Minister- Präsident Baron Géza FZejerv­ary, der um 12 Uhr hier eingetroffen ist, wurde um 1%­ Uhr von Sr. Majestät in Audienz empfangen. Die Audienz mwährte fünf Viertel­­stunden. Im Laufe des Nachmittags stattete Baron Vejerváry dem Grafen Goluhbomsti und dem Minister-Präsidenten Baron Gautsch Besuche ab, traf jedoch Lehteren nicht an. Um 5 Uhr Nachmittags reiste Baron Fejérváry nach Budapest zurü­ck. Die „Bud. Korr." berichtet: M­inister-Präsident Baron Géza Fejérváry ist­­ heute Abends nach 9 Uhr aus Wien in Budapest eingetroffen, er­st im Laufe des Mach­mittags von Sr. Majestät in Privataudienz empfangen worden. Der Eimer alagi hi war in Audienz erschienen, um Gr. Majestät vor dessen Abreise nach ihl Bericht über die Lage zu erstatten. Wie verlautet,­­ dürfte Minister-Präsident Baron Fejérváry in den­ aller­nächssten Zügen an jenen Theil seiner Aufgabe ge­ben,welcher in der Herbei­­führung einer Verständigung mit der verbündeten Opposition besteht. Bon der vereinigten Linken. In­folge der Blättermelduungen, daß Friedensverhandlungen vorbereitet werden, kehrten zahlreiche Abgeordnete, die sich in der Provinz aufgehalten hatten, wieder nach Budapest zurück und suchten in erster Reihe den Klub der Unabhängigkeits-P­artei auf, der heute Abends ein überaus reges Leben aufwies. Hier hatten ich die Mit­­glieder nahezu aller Eoalirten Parteien eingefunden, um über die fursivenden Gerüchte Aufklärungen zu erhalten. Im Vordergrunde der Grörterungen standen die Beischlüsse der Munizipien, in welchen die passive Desistenz gegen die Negierungsverordnungen ausgesprochen wurde. Mit Bezug auf den von uns weiter unten mitgetheilten Erlaß des D Vizegespans des PVester Komitats an die Oberstuhlrichter betreffend die Verweigerung jeder Mithilfe bei der Stellung von Nekraten wollten mehrere Abgeordnete wissen, die Regierung wolle diesen Schlag derart park­en, daß sie den PBizegespan Ludwig Benicziy sofort suspendiren wird. Die Mitglieder der Linken erklärten hierauf, daß sie die Antwort auf ein derartiges Vorgehen der Regie­­rung nicht schuldig bleiben würden. In den Abendstunden erschien auch Franz Roffuth im Parteiflub. Er wurde von allen Seiten bestürmt, Aufklärungen­­ über die vom Minister-Präsidenten Bejérvárn bereits initiierten Friedens­­verhandlungen zu ertheilen. Sowohl Herr v. Roffuth, als auch mehrere andere Mitglieder des reitenden Ausschusses erklärten, Minister-­präsident Baron Fejérváry habe acht Mitglieder des leitenden­­ Aus­­schusses, namentlich . die Herren: Tran Kofffjutrth, Koloman Thaly, Graf Uber Apponyi Igna Daranyi, Graf Julius Andräassy, Graf Aladár 3.J Hh . Stefan Ratov­in und Baron Desider Bäanffy auf brieflichem Wege davon ver­­ständigt, daß er Verhandlungen zum Zmede der Sanirung der Lage einleiten wolle. Minister-Präsident Baron Géza Fejérváry wird, nie verlautet, morgen die genannten Politiker besuchen, die sich Johann at­­om­tao:2 Sült, A Uhr N­ahmitiagh, im Palais des Ministerpräsidiums zu einer Berathung verstammeln ,werden meldet and Minister-P­räsident Baron Géza Fejérváry an­wohnen wird. Ueber das Meritum der einzuleitenden Verhandlungen ist bisher natürlich, nichts bekannt, doch sieht man in den Streifen der Koalition dieser Erneuerung der wiederholt versuchten Ausgleichhaftion mit einem gewissen Mißtrauen entgegen. Natürlich gab es im Parteiklub auch Optimisten, die meinten, man brauche die geladenen acht Herren nur mit Vartefeuilles zu versehen, um ein fertiges Kabinet zu haben, welches das Haus einberufen und die Staatsnothmendigkeiten notizen lassen könnte. Dies ist natürlich mehr ein frommer Wunsch, als reale Möglichkeit. Ein großer Kreis von Zuhörern bildete sich um die Grafen Theodor Batthyány und Eugen 3­id v, die heute Abends aus Wien hier eingetroffen sind und über ihre Wiener Einbrüche referirten. Die genannten Herren­­ erzählten, die Wolfsstimmung in Wien sei nicht im Geringsten ungarnfeindlich. Nur die Hoffreife und ee Stellen seien über die Vorgänge in Ungarn geradezu entjernt. Die Hauptstadt und die Negierung. Die in unserem jüngsten Abendblatte erwähnte Differenz zwischen jener Fraktion des hauptstädtischen Magistrats, welche die Polonyi’sche Resolution des Munizipal-Ausschusses der Regierung nicht unterbreiten will und jenen Mitgliedern des Magistrats, die der Ansicht sind, daß die Unterbreitung des vorgestrigen Besc­hiffes vom Gefege vorgeschrieben sei und daß das Gefeg befolgt werden müsse, ist durch ein Kompromiß geschlichtet worden, freilich ein recht sendenlahmes Kompromiß, welches die trübe Situation nicht Éürt, sondern noch mehr verdunkelt. Der erwähnte Beschluß wird nämlich der Negierung unterbreitet werden,­­aber nicht als ein „der regierungs­­behördlichen Genehmigung bedürfender Beschluß“, vor dessen Genehmigung die Durchführung nicht erfolgen kann; zur Unter­breitung gelangt vielmehr nur das Pr­ot­okolL der vorgestrigen Generalversammlung, in welchem diese Resolution enthalten ist ,n modernen Zeitalter Feuilleton. + Amerikanifces Breßmelen, Amerika hat längst aufgehört, für die zivilisiete Welt lediglich die geographische Bezeichnung eines Welttheiles zu sein; in unserem it das Wort „Am­erifa” ein Kulturbegriff geworden, der Inbegriff von etwas ganz Außergewöhnlichen, etwas Unbegrenztem, etwas Sroßartigem. Schlägt das Wort „Amerifa” an unser Ohr, erwacht sogleich unser Interesse, unsere Erwartungen werden auf das höchste gespannt und wir halten es für ganz selbst­­verständlich, daß nun etwas Großzügiges, fast Phantastisches folgen muß. Und that jählich it denn auch Amerika auf jedem Gebiete menschlichen Schaffens original, seitdem die neue Welt das alte Europa zur intensivsten Anspannung jener Schaffenskraft in fast allen Kulturzweigen angespornt hat, sind unendliche Schaaren Wiß­­begieriger über das­ große Wasser gezogen. Amerikanische Studieng­reifen sind urpröglich Mode geworden und da jeder dieser Amerika­­manderer seine Neffe­ Gindrüce zu Nug und Trommen seiner Mit­menschen verewigen wollte, entstand eine Amerika-Literatur von ganz riesigem Umfange, " « Untd merkwü­rdigerweise ist diesen Vielen während ihrer Studien ein Gebiet menschlichen Schaffens entgangen­:das ameri­­kanische Profzwesen.Offenbar haben die Herren die große Be­­deutung der amerikanischen Presse nicht erkannt, die mir dem­ über­­haupt leicht in den Fehler verfallen, die Journalistin der neuen Welt zu unterschägen. Hören wir etwas von amerikanischen Zeitungen, formen so Manchem die tollen Schrullen Mark ITmain’s, die­ journalistischen Streiche des „Mrizona Rider” in den Sinn. Matt Mut mit einer solchen Auffassung der amerikanischen Preise schnödes Unrecht, denn auf wenigen kulturellen Gebieten sind die Leistungen Amerikas so achtunggebietend, als gerade auf dem des Preßwesens. Die Bahl der Presorgane der Welt schwankt nach den neuesten Daten zwischen 50.000 und 60.000. Äeußerst interessant sind die Angaben, wie ich die Weltpresse auf die Kultur­­wölker vertheilt. In Europa besigt England die meisten, und zwar "9000 Zeitungen, 08 folgen Deutschland mit 8000, Frankreich mit 6000, Italien und Oesterreich mit je 1500 und Ungarn mit 1200 Sorenalen. Während Nurland nur 800 Zeitungen­­ zählt, verfügt Japan über­ deren 1200; die Vereinigten Staaten von Amerika hingegen befigen 22.300 Preßorgane,, darunter 2500 Tagesjournale. Amerika darf sich also rühmen, bei einen nur fünfperzentigen Antheil an der Weltbevölkerung rund 40 Perzent der Weltpreise sein eigen­ zu nennen! Diese massigen Ziffern imponiren umso mehr, als die Eolossale Machtentwickung der amerikanischen Presse ein Werk der legten zwei Jahrzehnte st. In ihren Anfangsstadien war die Breffe Amerikas ganz unbedeutend, in ihrer Entwicklung höchst schwerfällig, wie dies aus folgendem Furzen Rücbild auf die Geschichte der amerikanischen Journalistin h­ervorgeht. Während in Europa, namentlich in Deutschland und in Italien, bereits um das Jahr 1600 die ersten Spuren von Zeitungen zu ent» deden sind, ist in Amerika, und zwar in Bolton, erst am 25. Septem­­ber 1690 die erste Zeitung erschienen, ein einseitig bedrucktes, einziges Blättchen, „Bublic Occurances“ betitelt. Es enthielt jedoch so scharfe Ausfälle,gegen die damaligen öffentlichen Zustände, daß die Obrigkeit des Staates Massachusetts die gemeingefährliche Zeitung Schon am ersten Tage unterdrückte. Erst mehrere Dezennien später, als selbst schon Ungarn seine erste Zeitung besaß („Mercurius Hungaricus" 1705), erschien, vom Proftmeister Bostons herausgegeben, die zweite Zeitung, „News Letters”. Andere Blätter folgten und im Jahre 1750 gab es in Amerika schon 20, 1800 bereits 150 Journale. Ungefähr im selben Jahre, als die Londoner „Times“ gegründet wurden (1788), erschien auch in Amerika, und auch diesmal abermals in Boston, die erste Tageszeitung Mit dem heutigen Maßstab ge­­messen, waren diese ersten Tagesblätter natürlich recht primitiv. Nach­­richten aus Europa gelangten selbstredend bei den damaligen Berfehre­­verhältnissen im günstigsten Falle erst nach Monatsfrist in die Journale der neuen Welt, Vreßzustände, die wir ebenso bei den damaligen europäischen Zeitungen vorfinden. So enthielt die erste Nummer der 1788, Nachrichten aus­ Paris vom 25. Dezember, aus Frankfurt vom 14. Dezember, aus Warschau gar vom 5. Dezember 1787. Exst als die Einwanderung von Europäern im Anfang der dreißiger Jahre größere Dimensionen annahm, begann der Auf­­schwung der amerikanischen P­resse und führte zur Gründung der zum Theile noch heute bestehenden großen Tagesjournale. So wurden 1833 die „Sun“, 1835 die „Staatszeitung“ begründet und am 6. Mai des­selben Jahres wurde in einem­ Reinen Reiterlofale der Wall­ Street Die­­ erste Nummer des von 3. Gordon Bennett begründeten , tem Hort Herald” gedruckt.. Die technischen Fortschritte zu Beginn des XIX. Jahrhunderts hatten naturgemäß auch auf das Zeitungs­­mwesen Fördernd eingewirkt, Dampfer und Eisenbahnen hatten entfernte Gegenden aneinander nahe gerückt und­­ den Nachrichten­­dienst wesentlich erleichtert... Im Jahre 1849 etablirte sich das noch heute bestehende größte Korrespondenzbureau Amerikas, die „Allociated Prep“, die den Zeitungen Nachrichten auf telegraphischen Wege vermittelt. Der Mangel eines transatlantischen Kabels machte sich jedoch im Preß­wesen Amerikas außerordentlich fühlbar. So kam es, daß die „Staatszeitung“ von großartigen Erfolgen Oesterreichs bei Königgräg zu berichten wußte, als die preußischen Truppen schon nahe der Donau standen. Erst als im August 1866 das erste transatlantische Kabel eröffnet wurde, erreichte die amerikanische Greife innerhalb eines Dezenniums eine so ungeahnte Höhe, daß es 1875 bereits Journale mit einer Tagesauflage von 50.000 Gremplaren gab. Nach den legten Zensus sind 192 Millionen Dollars Kapital in das amerikanische Zeitungsinneren investirt, 94.600 Personen im S­eitungsbetrieb mit 50 Millionen Dollars Löhnen beschäftigt,­­jährlich werden 8168 Millionen Zeitungsexemplare abgelegt und die Einnahmen der Zeitungen betragen 223 Millionen Dollars jährlich. Angesichts dieser Ziffern drängt sich die Frage auf, welchen Umständen diese Entwicklung des amerikanischen Zeitungswesens zu danken i­ und deshalb die Presse in Amerika eine weit größere Bedeutung erlangte als sonst wo immer auf der Welt. Zweifellos hat hiezu die große g­eographische Ausdehnung des Landes und die homogene, zum großen Theile eine gemeinsame Sprache bem­ütgende Bevölkerung, das Übrige beigetragen. Aber auch die universelle Bildung unweitester Schichten der Bevölkerung, das ständige Interesse an politischen und gesellschaftlichen Fragen, vollständige Preßfreiheit und der billigste Bestzeitungstarif der Welt (1 Cent per Pfund) haben hier z­weifellos ihre Wirkung gethan. Weder die uns Europäern ganz fremdartig er­scheinenden Eigenheiten und Geschäftsmethoden der amerikanischen Presse, in welches Kapitel auch die Sensationssucht und Nellamejagd gewisser Prekorgane gehören, mögen die Meinungen getheilt sein, aber Eines­ steht fest, daß nämlich die amerikanische Treffe das Maximum journalistischer Leistungsfähigkeit darstellt und Anspruch erheben darf, als wichtiger Faktor der hochentwicklten Kultur Amerikas anerkannt zu werden. Um die­ amerikanische Presse nach­ Verdienst unwü­rdigen zu können, muß man es verstehen, sich in die Psychologie des Amerikaners einzuleben. Die amerikanische Journalistin verfolgt bis­ in die vers­borgensten Winkel die N­egungen der Boltsseele und greift „Alles eilig auf, was auf die großen Massen zu wirken geeignet erscheint. Das ganze Preßmeien hat einen­ echten, unverfälscht bodenständigen Beigesdmach, aus jeder Zeile guckt der Alles in den Hintergrund drängende Materialismus, die milde Dollarjagd, hervor. Skandal­­geschichten, Mordaffairen, Sensationsprozesse sind so­­ das eigentliche Element amerikanischer. Journalistis­. die Zeitungen sind voll von Berichten über das Näuspern und Spuden bekannter Millionäre, mit dem bezeichnenden Vermerk: „Der Mann. üt x Millionen Dollars merth”. Neuerdings treten­­ imperialistisch - angehauchte­­ Kolonial­­bestrebungen und Personenkultus, insbesondere in Bezug auf den derzeitigen Präsidenten der Union, in den Vordergrund. Auch wird den bekannten aristokratischen Neigungen der amerikanischen Plutokratie stark Rechnung getragen, und eine Neu-Morker Zeitung veröffentlichte erit jüngst einen Artikel über „Das Blaubuch amerikanischen Adels“ (2). Aber geradezu jeder Beschreibung spottet, was die Zeitungen anläßlich der alle vier Jahre stattfindenden Präsidentenwahl leijten. Wer in der­­ weltberühmten „Newspaper Nom", in Nem-Morfs großem Zeitungsviertel, jemals diesen Wahltrubel mitgemacht und die von Minute zu Minute wechselnden Riesentransparente mit den neuesten Wahlbulletins gesehen hat, wird dieses interessante Bild nie vergessen. Eine Eigenheit Amerikas sind an großartig illustrirte, kolorirte Sonntagsausgaben der Tagespresse, diese oft 50 bis 60 Seiten um­­­­­ fallenden Spezialausgaben felten 5 Cents,­ während sonst der Standardpreis der Zeitungen 1 Cent beträgt. Da die Journale fast ausschließlich von Rettungsjungen auf der Straße feilgeboten werden, sei erwähnt, daß diese Jungen drei Gremplare für einen Gent erhalten, mithin der Zeitungsverlauf lukrativen Verdienst bietet. Ein Umstand, der zur Entwicklung des amerikanischen Pres­­ierens viel beitrug, ist das ausgebreitete Annoncenmesen in der Union. Es wurde konstatirt, daß jährlich 500 Millionen Dollars in den Vereinigten Staaten auf Nellamerwede verausgabt werden, wovon 120 Millionen Dollars auf Zeitungsannoncen entfallen. Das ge­schickte Konzipi­en und Stusteigen der Annoncen bietet Tausenden von Leuten lohnenden Erwerb und längst hat sich in Amerika die Erkennt­niß der Wichtigkeit des Annoncenriesens für den­ kommerziellen Verkehr Bahn gebrochen. Die für Annoncen aufgeweldeten Riesensummen sind die größten Einnahmsquellen der amerikanischen Breffe und er­­möglichen eine Leistungsfähigkeit und Opferwilligkeit der Journale, die bei ung in Europa undenkbar is. C8 sind Fälle bekannt, daß amerikanische Journale für eine einzige Kabeldepeiche 40.000 Kronen und darüber verausgabt haben. Auch die großartigen technischen Behelfe der Neuzeit kommen der amerikanischen Treffe zugute. Bei der Massenauflage der Journale — eine halbe Million Exemplare ist nichts Außergewöhnliches — spielen die Notationsmaschinen eine große Rolle. Und bezeichnend für die ungeahnte, rapide Entwicklung der Drucktechnik mag die Thatsache sein, daß während die­ im Jahre 1814 von den­ „Times“ verwendete erste Zeitungspresse per­­ Stunde 1000 Cremplare drucke, die heute in Amerika verwendeten Maschinen — Ungeheuer in ihrer Art — 100.000 Gremplare per Stunde herstellen. Jede solche Maschine besteht­ aus 20.000 Bestandtheilen, erfordert 1250 M­ferdekräfte Betriebskraft, druckt in sechs Farbentönen , und­ wird mit sechzehn Rollen Papier gespeist. Allgemein werden heute Seßmaschinen (Linotypes) verwendet, die die Arbeit des Seßers vollständig automatisch versehen und 4000 bis 6000 Typen per Stunde lesen. Ebenso leistungsfähig­­ ist die­ser produktionstechnik,die es ermöglicht, Ereignisse zwei Stunden nachdem sie sich abgespielt haben, dem Publik­um im Bilde vorzuführen. Diese großen Dimensionen der amerikanischen Presse bedingen an Journalisten von seltener Fähigkeit und Energie, Männer von größtem Kaliber. Aus Ungarn mag es mit Befriedigung erfüllen, daß einer­ der­ hervorragendsten Vertreter der Journalistik in Amerika, Sofef Buliter, der Eigenthümer der „World“, ein geborener Buda­pester ist. Puliger’s Name wurde erst im Vorjahre viel­ genannt, als er an der Columbia-Uniersität eine Riesenstiftung für eine Journa­­listenfakultät errichtete. Zu den­ größten Journalisten Amerikas zählte der Begründer des „Herald“ %. ©. Bennett, der in seinen jungen­­ Jahren vom Stundengeben lebte und später Korrektor wurde. 1835 begründete Bennett den „Herald“ und regte mit­ seinen journalistischen Leistungen Alles in Schatten. Er beschäftigte im­ amerikanischen Bürgerkriege 63 Spezialkorrespondenten und organisirte in den siebziger Jahren auf­­ „Zimes”, am Neujahrstege

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