Pester Lloyd, November 1906 (Jahrgang 53, nr. 280-293)

1906-11-16 / nr. 280

TEE TEN EERTRETN­ET 7 7 ESTE OTT Seite 9 PESTER 5 oYyD­ ­ , bei der Produktion vorgeschrieben werden. Dasselbe gilt auch von der Stetter auf Prophese, welche übrigens unbedeutend­­ ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese in­ viel größerem Maße die Bevölkerung der Hauptstadt treffen als die der Provinz, das Verhältniß ist aber zu unserem Bedauern nicht nachweisbar. Bei den Konsumsteuern muß unter Provinz ganz Ungarn verstanden werden, mit Ausnahme der­ Fleisch­­konsumsteuer, welche als staatliche Steuer in Kroatien- Slawonien nicht eingehoben wird. Die auf Budapest bezüg­­lichen Daten enthalten die auf das Gebiet der geschlossenen Stadt und die auf das Extravillangebiet bezüglichen Daten zusammen. 5 ist Laut den in der vom Finanzministerium heraus­­gegebenen amtlichen Statistik enthaltenen und laut den von der Hauptstädtischen Buchhaltung­­ ermittelten Daten waren die Einnahmen aus den einzelnen Konjumitenergattungen im Jahre­ 1904 die folgenden : Demnach lieferten die Konjumitenern (mit Ausnahme der Zucersteuer und der Mineralölsteuer) im ganzen Lande — die Hauptstadt ausgenommen — 125.298.227 Kronen, in der Hauptstadt selbst 15.302.757 Kronen, d. i. 12­ 21 Perzent der in der Provinz eingeflossenen Summe.­­ Bei der Alkoholsteuer und dem Alkoholsteuerzuschlag bleibt die Einnahme glücklicherweise hinter dem zurich, was die Hauptstadt im Verhältnisse zur Kopfzahl leisten sollte. Am 1. Juli 1904 betrug die berechnete Bevölkerung der Hauptstadt 796.915 Seelen, die des ganzen Landes mit Kroatien-Slawonien (ohne die Hauptstadt) 19.202.674 Seelen, die Bevölkerung Ungarns diesseits der Drau ohne Budapest 16,681.671 Seelen, d. i. 4­15 Perzent der Be­­völkerung des ganzen Reiches und 477 Perzent der Bevöl­­kerung des diesseits der Drau gelegenen Ungarn wohnen in der Hauptstadt. Demnach ist die Einnahme aus der Alkoholsteuer im Verhältnisse zur Bevölkerungszahl in der Hauptstadt geringer als in der Provinz: die Einnahme aus allen übrigen Konsumsteuer­­gattungen jedoc vielfach größer als in der Provinz. Das ergibt sich vollkommen klar, wenn wir berechnen, wie viel von der betreffenden Konsumsteuer auf die Bevölk­er­­ung des betreffenden Gebietes durchschnittlich­ per Kopf ent­­fällt. Da ergeben sich folgende Ziffern : Von diesen­ fünf staatlichen Konsumsteuergattungen entfallen auf jeden Budapester Einwohner im Durchschnitte per Kopf, 19 Kronen, 17 Heller an Belastung, in der Provinz auf jeden Einwohner: 6 Kronen 57 Heller; die Belastung Budapests ist demnach ungefähr dreimal so groß als­ die der Provinz. Noch weit­ un­­günstiger gestaltet sich das Verhältniß, wenn wir die Alkoholsteuer außer Acht lassen. Bleibt die aus dieser Steuergattung stammende Belastung unberücksichtigt, dann entfallen von. Den hier behandelten Steuergattungen in der Provinz 2 Kronen 6 Heller, in der Hauptstadt 15 Kronen 3 Heller, auf jeden Einwohner. In der Provinz ist ein bedeutender Theil der Konsumsteuern durch Verpachtung gesichert und so bezahlt die Provinzbevölkerung weniger als sie nach dem Tarif zu bezahlen­ hätte,­­ während in Budapest, als einer geschlossenen Stadt, die Tarifsäße mit ihrer vollen Wucht die Bevölkerung belasten, was bei dem Verbrauche von Wein, Bier und Fleisch einfach zu unerträglichen Zuständen geführt hat. In Budapest ist der Hektoliter­ Wein mit 12 Kronen 92 Heller staatlicher und 1 Krone 8 Heller kommunaler Konsumsteuer belastet. In Wien beträgt die staatliche Kon­­­sumsteuer 8 Kronen, die städtische 2 Kronen 40 Heller, zu­­sammen 10 Kronen 40 Heller gegen 14 Kronen in Buda­­pest. Nebst der Armuth, der Bevölkerung ist dieser Umstand doch­ in­ erster Reihe die Hauptursache der­ schier unglaub­­lichen Geringfügigkeit­ des Konsums. Budapest hat im Jahre 1904 im Ganzen 301.377 Hektoliter Wein, Most 2c. konsu­­mirt. Das Bier trinkende Wien. 563.247 Hektoliter. Dagegen das Wein trinkende Paris im Jahre 1903 6.193.034 Hektoliter. Das heißt also, daß der Konsum per Kopf in Budapest 37,8 Liter, in Wien 324 Liter, in Paris 225 Liter ausmacht.­­Noch weit ungünstiger sind die Resultate bei dem Bier, wo die erschreßend hohe Biersteuer jede Entwicklung verhindert. In Budapest wurden im Jahre 1904 326.256­­ Hektoliter Bier versteuert, nach welchen­­ 4.597.619 Kronen an staatlicher Steuer vorgeschrieben wurden, d. i..14 Kronen 12 Heller­ per Hektoliter. In Wien wurden im Jahre 1903 2.524.508 Hektoliter Bier versteuert. Der Bierkonsum be­­trägt in Budapest per Kopf 41 Liter, in Wien 145 Liter. Am ungünstigsten ist das Verhältniß in Betreff der Fleischkonsumsteuer, welche in Budapest im Zahlenverhältniß zur­ Bevölkerung eine dreizehnmal so große Summe­ liefert, als in der Provinz. Diese ist mit Recht die verhaßteste „Steuer und­ jeder Bürger, der sozialen Sinn besißt, wird die­ Abschaffung derselben­ mit­ einer Energie fordern müssen, die schließlich jeden Widerstand besiegen muß. : „Es ist ein Plan aufgetaucht, nach welchem der Staat diese Steuer den „Gemeinden zum Zwecke Regelung“ ihres Haushaltes überlassen sollte. Glücklicherweise „ist dieser Plan-von­ der­­ Tages­ordnung­ verschwunden. Die Städte müssen­ ein solches Geschenk ablehnen. "Um von der Belastung mit staatlichen Konsumsteuern ein vollständiges Bild zu gewinnen, müssen wir in irgend einem­ Ber­­ültnisse auch den Verbrauch am Zucker und an Mineralöl­ berechnen. Wir glauben nicht in Uebertreibung zu­­verfallen­, wenn wir bei Zucker jährlich 160.000 Meterzentner, bei Mineralöl 15 Perzent des Gesammtkonsums auf den Konsum der Hauptstadt berechnen. In diesem Falle entfallen auf Budapest von den gesammten staatlichen Konsumsteuern rund 23,09 Millionen Kronen, 165­ 9 Millionen Kronen auf die Provinz, was zusammen 189 Millionen Kronen ergibt. Budapest liefert demnach 13­ 91 Perzent der­ in der Provinz eingeflossenen staatlichen Konsumsteuern. Im Durchschnitt ent­­fallen in der Provinz 8: Kronen 68 Heller per Kopf, in Budapest­ 28 Kronen 98 Heller an staatlicher Konsumsteuer. Nu wollen wir unsere Berechnungen resumiren. Von den behandelten sechs Gattungen­­ direkter Steuern und der Krankenverpflegssteuer zahlt die Provinz 155.361.135 Kronen, die Hauptstadt 32.572.096 Kronen; von den staatlichen Konsumsteuern zahlt die Provinz 165­,9 Millionen Kronen, die Hauptstadt 23,09 Millionen Kronen. Im Ganzen zahlt die Provinz 321­,3 Millionen Kronen, die­ Hauptstadt 55'6 Millionen Kronen, red. URIN C8­00 Die durchschnittliche Belastung der Provinzbevölkerung aus diesen staatlichen direkten und indirekten Steuern beträgt per Kopf 18 Kronen 16 Heller, die der hauptstädtischen Bevölkerung 72 Kronen 34 Heller.­­ Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Bevölkerung der Hauptstadt "an der Leistung der übrigen Einkünfte des Staates (Tabakgefälle, Stempel, Rechtsgebühren) in noch höherem Maße betheiligt ist, so daß kühn behauptet werden kann, daß die Hauptstadt mindestens 16 bis 18 Perzent der gesammten Einkünfte des Staates liefert. 7 Damit glaube ich die Behauptung nachgewiesen zu haben, daß die außerordentlichen Lasten, welche der Staat der Hauptstadt aufbürdet, einem entsprechenden Ausbau­­ der kommunalen Besteuerung keinen Raum gestatten. Die Einzelheiten dieser letzteren Frage will ich in einem späteren Artikel behandeln. € der Hom­mage, Die Nachkehr des Minister-Präsidenten. Die „Buch. Korr.“ meldet: Minister-Präsident Dr. Alexander Wekerle ist heute Abends um 7 Uhr aus Wien zurückgekührt. Der Minister-Präsident hat Sr. Majestät Vortrag über die laufenden Angelegenheiten er­­stattet, wozu er bei seinem jüngsten Aufenthalte in Wien in Folge­ der Leichenfeier für Erzherzog Otto keine Gelegenheit hatte. Der Minister-Präsident wird nächste Woche zu der Konferenz der mitteleuropäischen wirthschaftlichen Vereinigung wieder nach Wien reisen, bei welcher Gelegenheit er auch mit dem Minister des­­ Reußern Baron Aehrenthal, der heute noch in Berlin weilte, zusammentreffen dürfte. Die Ankunft Sr. Majestät in Budapest wird ver­­mut­lich Mitte der nächsten Woche erfolgen. Banker zu Ehren Franz Kofssuth's. Der Beammtenkörper des Handelsministeriums veranstaltete heute Abends im großen Saale des „Hotel Royal“ ein glänzendes Banket zu Ehren des Ministers Franz Kossuth, der heute sein 65. Lebensjahr erreichte. Außer dem Beamtenkörper­­ des Ministeriums“ waren auch Vertreter sämmtlicher „diesem Ministerium unterstehenden Institute und Behörden erschienen. An der Spie der Tafel saß Handelsminister­­ Franz Kossuth­ zwischen dem­­ Staatssekretär Josef Szterenyi und dem Direktionspräsidenten der königlich ungarischen Staats­­bahnen Staatssekretär Julius v. Lud­vigh. Beim dritten Gange erhob sich Staatssekretär Josef Szterényi und brachte auf Franz Kossuth­ einen Trinkspruch aus, in dem er auch des Datums gedachte, daß es morgen zwölf Jahre sein werden, daß Franz Kossuth aus dem Exil nach seinem heißgeliebten Vaterlande zurückehrte. Der Redner versicherte in sprungvollen, mit stürmischem Beifall auf­­genommenen Worten Franz Kossuth der unwandelbaren Liebe und Anhänglichkeit seiner­ Untergebenen und empfahl das Personal­ seinem­ ferneren Wohlwollen.­ Das Amtsblatt „Budapesti Közlöny" veröffentlicht heute eine­ Reihe von Regierungs­verordnungen, welche sich auf das Matrifel- Wesen beziehen: s. 7 . PAGE oe A ze 7 23 8 Zunächst eine: vom Minister des “Innern.­­ und: Dem .Justiz­­minister gezeichnete Verordnung, mit welcher bekannt gemacht“­ wird, daß der G.­A. XXXVI. 1904 betreffend die Abänderung­­ des. G.­A. XXXIII:1894 über die staatlichen Matrikel 1907 eingeführt wird. Die neue Instruktion bezüglich der Führung der Matrikel erscheint in Nr. 48 des „Belügyi Közlöny", Instruktion bezüglich der Verkündung, Schließung lrrung der Ehen erscheint in Nr. 11 des , "gazságügyi Közlöny". Die näheren Verfügungen bezüglich der Einführung XXXVI:1904 enthält eine gleichzeitig an die Munizipien Sin­ularverordnung des Ministers des Innern. mit dem 1. Jänner Eine Verordnung des kön. ung. Ministeriums Zahl 2800/1906 bei dem von­­ regelt in 28 Paragraphen die Abweichungen, : AK welche Vertretern, Konsuln . Hierauf ergriff Franz Kossuth das Wort. Er dankt nicht als Minister, sondern in erster Reihe als Mensch für diese Kund­­gebung der Anhänglichkeit und Liebe. Er hat immer mehr von­­ der Macht der­ Gefühlswelt, als von­ der materiellen Macht erwartet. Im Auslande hat man ihn überall, wo man ihn persönlich kennen lernte, innig liebgewonnen und er hofft, daß dies auch in diesem Kreise der Fall sein­­ werde. (Lebhafte Elfenrufe.) Er dankt Gott, daß er mindestens­ einige jener Ideen verwirklichen­ konnte, welche­­ die Wohlfahrt und den Reichthum­­ Ungarns zu Stande bringen können. „Auch an die Spiße­ dieses Ministeriums ist er des­­halb getreten,­weil er überzeugt ist, daß­ im Rahmen dieses Ressorts das Emporölühen des Vaterlandes am leichtesten zu erreichen ist. (Begeisterte Elsenrufe und Applaus.) Er weiß jetzt, daß das Handels­­ministerium einen sehr­­ ehrenwerthen Beamtenkörper hat, und er glaubt durch seinen persönlichen Verkehr die Ueberzeugung ermödt zu haben, daß er in jedem­ Beamten den Menschen und den­ verdienst­­vollen öffentlichen Diener ehrt. (Elfenrufe. und. Applaus.) Mein lieber Freund und erster Mitarbeiter,­­ fuhr­ der Minister fort, Josef. Szte­­resnyi (Begeisterte Elfenrufe und. Applaus), von dem ich mir nicht genug Liebe und Anerkennung sprechen kann, erwähnte, es seien nun zwölf Jahre,­ daß ich nach langer Vaterlandslosigkeit heimkehrte. Ich war 44 Jahre im Exil, bin jedoch immer Ungar geblieben, und als für mich die Pflicht aufhörte, der Trost an der Seite meines Vaters zu sein, da erachtete ich es als meine Pflicht, in das Vaterland zurückzukehren und hier zu trachten, sein Schiesal zu fördern. Während dieser zwölf Jahre hat sich die große Idee, welche im Herzen eines jeden Ungars leben muß, der Verwirklichung genähert. Heute anerkennt man schon die Wichtigkeit der kommerziellen und wirthschaftlichen Fragen und wir befinden uns auf dem natürlichen Wege, um im gemeinsamen Empfinden der Nation und des Königs den gänzlichen Ausbau der Staatlichkeit unseres Vaterlandes zu erreichen. Diesen Weg befolgen wir Alle mit Ausnahme Derjenigen, die vom Gesichtspunkte der sogenannten Nationalitäten­­politik unseren Geseßentwürfen Opposition machen. Der größte Theil des Landes aber und fast das ganze Parlament bekennen sich zu den Ideen­, welche ich vertreie und welche ich vielleicht noch in diesem Ressort werde verwirklichen können. (Begeisterte Elfenrufe.)­ Sollte mir aber keine Zeit hiezu gegönnt sein, dann werde ich mit Ihrer­­ Hilfe die Wege dazu bahnen, und ich hoffe, daß die Wohlfahrt des Vaterlandes­­ gesichert ‚werden und die glückliche ungarische Nation’ meine Mitarbeiter segnen wird. (Langanhaltende begeisterte Eljenrufe und Applaus.­ Staatssekretär­ Julius Lu­d­vigh toastirte im Namen der Angestellten der ungarischen Staatsbahnen auf Franz Kossuth. Seine Anhänglichkeit und freundschaftliche Liebe für diesen und für Theodor Kossuth Dati­t noch aus der Zeit, wo der Vater des Redners als einer der treuesten Anhänger Ludwig Kossuth's diesem in das Exil folgte. Redner fühlt sich glücklich, daß er jezt unter der Führung Franz Kossuth's dem Vaterlande dienen kann.. (Lebhafte Gljenrufe.) Minister Franz Kossuth ergriff nun abermals das Wort und erhob sein Glas auf den Erfolg der gemeinsamen Arbeit, durch welche die Sache des Vaterlandes gefördert werden soll. Die Gesellschaft blieb bis Mitternacht in bester Stimmung beisammen. Die Wahl in Tape. Die Abgeordnetenwahl im T­ap €­e­r Bezirke endete mit dem Siege des technischen Nam­es Joan R­o > (Unabh.), der mit einer Majorität von 400 Stimmen gegen den früheren Horgoser - Fodor (Unabh.) zum Abgeordneten gewählt Hilfsnotar Nikolaus wurde, diplomatischen Staatliches Matrikelwesen­ und deren Stellvertretern als ungarischen staatlichen Matrikelführern zu befolgenden­ Verfahren noth­­wendig sind.­­ Diese Funktionäre haben besondere Matrikel für Geburten, Todesfälle und Eheschließungen in duplo zu führen und je ein Exemplar alljährlich dem­ Minister des Innern zu unterbreiten. Sie bedienen sich hiebei eines nur diesem Zwec dienenden Amtssiegels, das mit dem ungarischen Wappen und einer unga­­rischen Ums<rift versehen ist. Eintragungen in die Geburts- und Sterbematrikel können nur dann erfolgen, wenn ungarische Staatsbürger handelt, die in Ungarn (nicht aber in Kroatien-Slawonien) Gemeindezuständigkeit haben. Die Verordnung regelt dann das bei den Eheschließungen nothwendige Verfahren, wie auch die Matrikulirungen auf. Grund ausländischer Matrikel­­auszüge. Eine zweite Verordnung des kön. ung. Ministeriums regelt in 16 Paragraphen die Matrikel-Evidenzhaltung und Bescheinsauna der­­ 4 “| die neue“ und Immentriku­ des G.­A. erlassene es sich um. - - bei Militärpersonen (der bewaffneten Macht und der Gen- Harmetigd vorkommenden Geburten, Todesfälle und Eheschließungen­­e­ine Verordnung des kön. ung. Ministeriums regelt in 6 Paragraphen das Verfahren bezüglich der Evidenzhaltung und Bescheinigung der auf Seeschiffen unterweg38 vorkommenden Geburten und Todesfälle. . u. 16. November 1908 ILI ; ; sr: > " Komite­e : erh Die Vorgänge in Rußland. Die Rückkehr des Grafen Witte. ‚Petersburg wurde ‚ein Attentat der „Schwarzen Hundertschaften" Petersburg, 15. November. (Orig.- Telegr.) Die vorgestern erfolgte Rückehr des Grafen Witte nach von den Behörden geheimgehalten, da gegen ihn befürchtet wurde. Der Führer dieser Banden in Moskau, Pawlow, hat in den „Moskowskija Wjedomosti“ ein von ‚Beleidigungen gegen Witte ftragendes Gedicht veröffentlicht, in welchem es ganz offen zur Befragung des gewesenen Premierministers aus Rußland aufforderte. Witte hat daher unmittelbar nach seiner Ankunft zahlreiche Drohbriefe er­­halten, in denen er aufgefordert wird, Rußland sofort­ zu verlassen. Zu seinem Schuße wurden die umfassendsten Vorkehrungen getroffen. Witte wird sich jedenfalls in Peters­­burg nicht lange aufhalten. Er gedenkt nach Sotschi zu reisen und nach wenigen Wochen wiederum ins Ausland zu gehen. Borderhand gilt es noch nicht als sicher, ob der Czar Witte in Audienz empfangen wird. Die Reaktionären wollen diese Audienz hintertreiben. Eine Erklärung des Grafen Witte. Petersburg, 15. November. Die bei der Verhand­­lung des Prozesses gegen den Arbeiter-Deputirtenrath auf­­gestellten Behauptungen, die den Grafen Witte betreffen, haben diesen zu einer Zuschrift in der „Nowoje Wremja“ veranlaßt. Graf Witte betont in dieser Zuschrift, daß die Organisation des Arbeiter-Deputirtenrathes und des revolu­­tionären Verbandes, sowie die Aufstände vor dem 31. Oktober stattgefunden hätten, zu einer Zeit, als er sich in­ Amerika befand. Mit dem Vorsitzenden des Arbeiter-Deputirtenrathes Chruscalow habe er weder jemals verkehrt, noch kenne er­ ihn persönlich. Er habe niemals offiziell oder privat Beziehungen zum Arbeiter-Deputirtenrathe gehabt. Ob die Verhaftung des Arbeiter-Deputirtenrathes korrekt gewesen sei, könne nur die Zukunft beantworten, in der eine un­­parteiische Prüfung der Sachlage möglich sein werde. Borz­läufig­ könne­­ er (Graf Witte) nur sagen, wenn­ er wirklich in­ die Lage­ käme, bezüglich­­ Petersburgs8 unter denselben Umständen zu handeln, wie dies in­­ den letzten Monaten des Jahres 1905 der Fall war, so würde er ebenso wie damals handeln. Falsche Gerüchte über Graf Witte. Petersburg, 15. November. "Gegenüber den durch Breitungsmeldungen verbreiteten Gerüchten über die bevor­­stehende Ernennung des Grafen Witte zum russischen Botsc­hafter in Paris ist die „Telegraphen-Agentur“ in der­ Lage, mitzutheilen, daß diese Nachricht durchaus falsch ist. Graf Witte ist nur auf kurze Zeit nach Petersburg gekommen und wird bald nach Brüssel zu seiner verheirat­eten Tochter zurückreisen. Der Graf hat ein leidendes Aussehen. Er spricht heiser und mit Mühe. 3 Ansicht der Gouverneure über die kommenden Neichs­­dumawahlen u, : Petersburg, 15. November. (Orig.-Telegr.) Alle Gouverneure erklärten dem Minister-Präsidenten, Stolypin, das Vertrauen der Bevölkerung in die Regie­­rung sei so gering,­­ daß es gänzlich ausgeschlossen erscheint, daß die Wahlen für die Regierung günstig ausfallen werden. Der Sieg der oppositionellen Gruppen sei daher fast­ sicher. Betersburg, 14. November. („Betersburger Tele­­graphen-Agentur.­ Im Laufe dieser Woche wird das hiesige der Kadetenpartei eine Süßung halten, in welcher die Kandidaten für die Reichsduma-Wahlen für Petersburg aufgestellt werden sollen. Die Partei der friedlichen Erneuerung. Peter­sburg, 15. November. Das Zentralkomite der Partei der friedlichen Erneuerung faßte in seiner gestrigen Sigung den Beschluß, daß die Mitglieder der Partei nicht anderen politischen Parteien angehören dürfen. Nach Mittheilungen aus dem Reiche besitzt die Partei in 25 Orten, darunter in Riga und Odessa, Zweig­­organisationen. Entdeckung einer Bombenfabrik,­ ­ Wroslau, 15. November. („Petersburger Tele­­graphen-Agentur.") Die Polizei hat­ aus Anlaß der Ent­­deckung, einer Bombenfabrik und einer Waffenniederlage zwanzig Personen verhaftet. "Verhaftung eines russischen Arztes. " Lemberg, 15. November. Orig.-Telegr.) Der aus Rußland hier behufs Nostrifizirung seines Doktordiploms eingetroffene med. dr. Krapews­ski wurde gestern hier auf Weisung des Ministeriums verhaftet. Die russische Regierung beschuldigt Dr. Krapewski, an der Ermordung eines Wachmannes in Bloch betheiligt gewesen zu sein und hat in Wien seine Verhaftung und Auslieferung erwirkt. Der Prorektor der Universität intervenirte heute zu Gunsten des Verhafteten bei der Statthalterei und Polizei, welche sich jedoch auf die Weisungen der Regierung beriefen. Raub­ und Mordattentate, Wenifa, 15. November. („Petersburger Telegraphen-Agentur.”) In­ der Nähe von Sarowsk wurde ein Wortwagen von act Räubern überfallen, die ungefähr 8000 Rubel erbeuteten und die den Wagen begleitenden Polizisten tödteten. Ueber das Schidsal des Postbeamten ist nichts bekannt. Lodz,: 15. November. .­, Retersburger Telegraphen-Agentur.“) Vormittags überfielen zwei bewaffnete Uebelthäter den Kassier Schan­­zer, der­­ Maschinenfabrik von Arkuschewski und raubten ihm Wechsel im Gesammtbetrage von 11.000 Rubel und 250 Rubel Baargeld. Warschau, 15. November. In der vergangenen Nacht wurde die Eisenbahnstation Suhhednem von einer 30 Mann starken be­­waffneten Bande überfallen, die das vorhandene Geld raubte und Bei dem Ueberfall wurde ein Gendarm getödtet, die elektrischen Apparate zerstörte. Verbot des „Ruß“. Petersburg, 15.­ November. Die Zeitung „Ruß“, welche Ende des Jahres 1905 unterdrückt worden war und gestern zum ersten Male wieder erschienen ist, wurde in der vorigen Nacht von dem Stadthauptmann abermals mit einem Verbote belegt. Minsk, 15. November. Der Kongreß der Bierbrauer des Nordwestens­ wurde heute geschlossen. Das geplante Syndikat ist nicht zu Stande gekommen. Ende November soll in Wilna ein zweiter Kongreß stattfinden­­­ Detailfragen erleichtern müsse. Es ergab die­ Aussprache eine sowohl vom Reichskanzler, wie vom Baron Aehren­ ZE mit Genugthuung aufgenommene Harmonie­b­­ezug auf die Anschauungen und Fragen der auswärtigen Politik, insoweit sie in den Aktions­­bereich der verbündeten Mächte fallen und wenn nicht eine Mitwirkung, so doch eine sympathische Stellungnahme des Kompanistenten erheischen. Berlin, 15. November. Orig.-Telegr.­ Minister Baron Aehrenthal und Botschafter v. Szögyeny sind heute Abends mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge nach Wien abgereist. Heute Vormittags und Nachmittags hatte der Minister die angekündigten Konferenzen mit dem Reichskanzler, in­ welchen ein allgemeiner Gedanken­­austausch über die internationale Politik gepflogen wurde. Eine eingehende Erörterung irgend eines speziellen Themas hat nicht stattgefunden. Mittags begaben sich der Minister und der Botschafter zum“ Dejenner beim Staatssekretär v. Tschirschky, der jedoch bald nach Beginn der Tafel die Rolle des Gastgebers dem Unterstaatssekretär v. Mü­­hl­­berg überlassen mußte, da er im Reichstage bei der De­­batte über­ die auswärtige Politik den­ Fürsten Bülow zu vertreten hatte. : 1 . Zusammenschluß der deutschen Parteien. Prag, 15. November. (Orig. -Telegr) An den Obmann der deutschen Fortschrittspartei im böhmischen Landtage Dr. Eppinger ist ein Schreiben des Vorstandes der­­ Vertrauensmänner der deutschen­­ Volks­partei­­ ein­­gelaufen, in welchem ihm von dem Bestreben der deutschen Volks­partei bezüglich eines B Zusammenf­lusses s­ämmtlicher deutschen Parteien zu einer einzigen deutschen Partei Mittheilung gemacht und zugleich bekanntgegeben wird, daß demnächst eine gemein­­same Berathung von Vertretern sämmtlicher deutschen Parteien stattfinden wird, zu deren Befceidung auch die deutsche Fortschrittspartei eingeladen werden wird. Wie alle übrigen deutschen Parteien wird auch die deutsche Fortschritts­­partei sich an den Beratungen betheiligen.­­­­„49­­ Militärische Maßnahmen in Dalmatien. Berlin, 15. November. (Orig.-Telegr.) Der „Voss. Ztg.“ wird aus­ Wien gemeldet :­ Wie in hiesigen Generalstabskreisen verlautet, wird der nächste Garnisons­­wechsel im Frühjahr 1907 eine namhafte Vermehrung der in Dalmatien stehenden k. u. k. Truppen und auch noch andere bedeutsame militärische Maßnahmen bringen.­­Vor Allem­ sollen die dalmatinischen Küstenstädte Sebenico­ und Ragusa in moderne Festungen umgewandelt werden. In Ragusa wird eine Gebirgsartillerie-Brigade von acht Bataillonen aufgestellt. Nach Sebenico, wohin erst im­­ Teiten Frühjahr drei Bataillone Infanterie verlegt wurden, kommt auch Festungsartillerie, die dem 2. und 3. Festungsartillerie- Regiment in Krakau und Przemysl entnommen werden soll. Nach den Boche di Cattaro werden weitere drei Bataillone dirigirt, obwohl die dortige Garnison, neun Bataillone, ab­­normal stark ist. Die gesammte Vermehrung der dalmatini­­schen Garnison wird mindestens zehn Bataillone betragen. Das 10. Armeekorps soll von Przemysl nach Laibach ver­­legt werden. Für den Politiker besonders interessant ist die Thatsache, daß der größte Theil der nach Dalmatien kom­­mandirten Truppen bisher an der russischen Grenze gestan­­den hat. D Je Strikeverbot während der Landtagswahlen. Ostrau, 15. November. ( Orig.-Telegr.) Die Ar­­beiterdelegirten-Konferenz, die gestern» in Oderberg tagte, beschloß einstimmig, gegen jeden partiellen Strike während der Landtagswahlen aufzutreten­­ und falls entgegen dieser Weisung trogdem ein partieller Strife ausbrechen sollte, keinerlei Unterftügungen aus dem Strifefond zu­ verabfolgen. u­a­tus 68 7. Den, Berlin, 15. November. Die „Volkszeitung“ schreibt: Wir fürchten, daß Fürst Bülow mit seinen Versicherungen keinen Eindruck hervorrufen werde, wenigstens nicht bei den Millionen von Schwarzsehern, die einen großen, wenn nicht den größten Bestandtheil des deutschen Volkes ausmachen. Die „Tägliche Rundsrau“ schreibt: Was Fürst Bülow in seiner wirklich bedeutungsvollen Rede der deutschen Welt zu sagen hatte, wird auf die öffentliche Meinung klärend und beruhigend wirken. Sicher hat Fürst Bülow mit seinen Ausführungen mehr Schwarzseher gekannt, als der Kaiser mit seiner Breslauer Tischrede, wenn es freilich auch ihm nicht gelungen ist, die Schwarzen Wolken, die über unserem Himmel stehen, zu zerstreuen. Der Lob­gesang auf den Dreibund findet nur noch wenige gläubige Ohren, da­ wir­­ Italiens Bündnißtreue einzuflagen gelernt haben, und Oesterreich-Ungarns innere Wirren wenig zum Vertrauen einladen. So Die „Germania“ sagt: Die Rede zeigte, daß bei Diplo­­maten immer noch die Sprache dazu erfunden ist, um die Gedanken zu verbergen. Die Bedenken wegen der Isolirung des Deutschen Reiches in der auswärtigen Politik konnte Fürst Bülow nicht aus dem Wege räumen, und was den Dreibund betrifft, so scheint er bezüglich Italiens auch nicht auf eine pupillarische Sicherheit zu rechnen. Be­­sonderen Eindruck machten die Ausführungen­ des Reichskanzlers über die eminent friedliche Politik des Deutschen Reiches, die­ mit Unter­­stüßung des Dreibundes seit 35 Jahren den europäischen Frieden erhalten hat. Französische Stimmen. Paris, 15. November. „Figaro“ schreibt: Fürst Bülow hat im Reichstage gezeigt, daß er sein altes Rednertalent wieder­­gefunden hat. Er hat lange über die Beziehungen Frankreichs zu Deutschland gesprochen und diesen Gegenstand mit­­ vielem Takt und Courtoisie behandelt. Jeder französische Patriot muß mit den vom Fürsten Bülow aufgestellten Grundlagen übereinstimmen. Der Reichskanzler hat in seiner Rede den Franzosen einige frische Blumen und selbst einen Immortellenkranz dargeboten, ein Lob des französi­­schen Nationalgeistes und dessen tiefe Hilfsquellen und eine Huldigung für die Vaterlandsliebe Gambetta­­s. Noch mehr als für diese Liebenswürdigkeiten muß man dem Fürsten Bülow für seine aufrichtigen Erklärungen Dank wissen. Er hat ohne verlegende Absicht, aber offen, vom Jahre 1870 gesprochen und dadur<, daß er sich erinnerte, verkündete er das Recht der Franzosen, nicht zu vergessen. Volle Zustimmung müssen wir zur Erklärung des Reichs­­kanzlers geben, daß die beiden Völker, die sich auf industriellem und finanziellem Gebiete begegnen, sich vielleicht eines Tages über diese oder jene Kolonialfrage verständigen könnten. Es handelt sich da nicht mehr um Intimitäten, oder allgemeines Ein­­­vernehmen "über europäische Fragen. Es ist sicher, daß Frankreich in Betreff dieser oder jener Kolonialfrage, die auftauchen könnte, einem Meinungsaustausche nicht aus dem Wege gehen wird. Der „Matin“ schreibt: Vielleicht zum ersten Male seit 33 Jahren hat ein deutscher Staatsmann versucht, deutschen Köpfen die Gründe beizubringen, die die Kühle und Unerschütterlichkeit Frankreichs rechtfertigen und er hat diesen Gründen­ beinahe seine Huldigung dargebracht. Das Gesetz hat bestimmt, daß­ Deutschland und Frankreich in diesem alten wurmstichigen Europa nebenein­ander leben müssen. Jeder Franzose wünscht aufrichtig, daß dieses Ne­ben­­einanderleben forrert und häflich sei. "7 777 „Betit Parisien“ meint: Wenn man die Rede des Reichsk­­fanzlers mit den jüngsten Ausführungen der englischen Minister und der Erklärung Clemenceau's zusammenstellt, so muß man daraus schließen, daß der europäische Friede ordentlich ge­­festigt sei. ő ee In ähnlicher Weise hebt „Sauloi 3“ die Friedensbetheuerung in der Rede des Reichskanzlers hervor. „Sournal“ sagt: Noch niemals hat ein deutscher Staats­­­mann so deutlich den Wunsch nach Besserung der Beziehun­­gen zwisc­hen Deutschland und Frankreich kundgegeben noch niemals­­ sei mit­ solcher Genauigkeit das Gebiet der Annäherun­g Kandidaturen für die Dumawahlen. Kongreß. der Bierbrauer. = - . -+: -- - ÖN Blätterstimmen über die Rede Bülow's. ' 5 Beate, Stimmen. 58 3 ;­ee Telegramme des „Pester Lloyd“, Die Besprechung Bülow's mit Aehrenthal. Berlin, 15. November. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ meldet: Reichskanzler Fürst Bülow hatte heute eine längere Besprechung mit dem ö­sterreichisch­­ungarischen Minister des Reußern Freiherrn v. Aehrenthal. Berlin, 15. November. (Orig.-Telegr.) „Zu politischen Kreisen herrscht Befriedigung über die Ergeb­­nisse der Unterhaltung, die Baron Aehrenthal mit dem Fürsten Bülow gehabt hat. Der eingehende Gedanken­­austausch der beiden Staatsmänner hat freilich nur bestäti­­gen können, was jedem von ihnen schon vorher als mertha­volle Gewißheit gegenwärtig war, nämlich, daß eine prinzi­­pielle Uebereinstimmung im Hinblick auf die gemeinsamen Ziele, Aufgaben­ und Interessen, die Verständigung über

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