Pester Lloyd, Januar 1910 (Jahrgang 57, nr. 13-25)

1910-01-16 / nr. 13

News Exchange in Mainz. 57. Jahrgang h . f _ MORGENBLATT Sudapeft, Sonntag, 16. Iannar 100 (one nes wo Einzeln : Morgenblatt in Budapest ler, in der Provinz 14 Heller. Abendblatt in Budapest 6 Heller, in der Provinz $ Heller. a­mm im semmi 4 . AR Bndapeft, 15. Januar. Graf , Khuen-Héderváry vermochte sein Kabinett, bis heute am späten Abend noch nicht zu konstituieren und wird infolge dessen die geplante Reise nach Wien‘ exit morgen Nachmittag antreten. Der kurze Aufschub " hätte nichts­ zu bedeuten, wenn nicht bekannt geworden wäre, daß Dieter aus dem Grunde notwendig geworden ist, weil nur nur das BPortefeuille für Kultus­­ und Unterricht, sondern auch jenes für Aderbau bisher nicht bejeht werden­­ konnte. Personenfragen, werden die Leichtblütigen jagen, die bald überschinden­­ werden können. Was aber hinter diesen verborgen ist, stimmt dennoch ein wenig ernst. Der­ designierte Ministerpräsident ist bei seinen Werbungen um Ministerkollegen von dem Grafen Johann Figy abge­­sehen, nicht über den Kreis der siebenundsechziger Politiker außerhalb der Koalition hinausgegangen. Man’ hätte daher glauben dürfen, daß er überall 'offenen Türen begegnen werde. Diese Erwartung ging jedoch­ bis zum heutigen Abend nit in Erfüllung. Man begreift, daß­ die Gegner der Kombination, deren Repräsentant Graf Khuen-Hederburg derzeit ist, darüber frohladen. Es soll’ihnen diese Freude nicht vergällt werden, denn der Genuß dürfte nur von sehr Eurzer Dauer sein. Ein U­nternehmen wie dasjenige des Grafen Khuen-Hedervary kann seine politische Improvi­­sation sein und das nicht an Personenfragen scheitern. Davon ist denn mich Feine Rede. Das Ministerium wird, mögen nun alle Portefeuilles Anwärter gefunden haben oder nu­, Montag oder Dienstag ernannt werden und ohne Verzug die Leitung der Geschäfte übernehmen. Das it zumindest die einmürtige Auffassung aller’ der Politiker, die sich bis fest dem Grafen KHhuen-Hedervary, sei 8 als Minister, si­e als Parteigänger, an­­geschlossen haben. Seine Situation war von vornherein in parlamentarischen Hinsicht die sch­wierigste von der Welt. Er hat die Absicht,, vor einen Reichstag ‘zu­ treten, in dem er über seine einzige Stimme verfügt. Seine­ Mitglieder gehören ohne Ausnahme einer erst­ in der Resurrestion begriffenen politischen Richtung am. Deren­ herborragendsten Exponenten Die Herren des Parlaments mit allen zärt­lichen Lodungen aus seiner ländlichen Einsam­keit herbei­­fo­­nge sie der Meinung waren, dab er tönen Hilfreich beispringen werde, An­s demselben Magen­ verstärkter Kraft. Die politische Gegner - Indemnität, um­­ geregelte Verhältisse herzustellen, und diejenigen, die sie ihm geben sollen, willen ganz genau, daß diese Frist dazu bewüßt werden soll, um­ die V­orans­­regungen zu schaffen, "die einen Wahlgang mit einiger Aussicht auf Erfolg ermöglichen. Ein b­eluger Rechner, wie Graf Khuen-Hedervary einer ist, wird daher genau wissen,­­ welcher Empfang seiner von dieser Seite harrt. Es werden auch schon­ alle Zurüstungen getroffen, um dem noch nicht an Ministerium Khuen-Heder­­vári den gebührenden Empfang im’ Parlament zu be­reiten und wenn möglich "Die vollständige Phalanz, der gegenwärtigen "Inhaber der Parlamentsmacht ‘gegenüberzu­­stellen. Nichts natürlicher als das. Man muß jedoch bei genauer­ Verfolgung dieser" Bemühungen genau unter­­scheiden. Die eine­ ist darauf gerichtet, das Ministerium­­ Khuen im Parlament unmöglich zu machen Also eine wahrscheinlich sehr Fırizbefristete Zwecvereinigung. Charak­­teristisch genug, ging die Initiative dazu von der Bolfs­­partei aus, wo die einfachen Kombattanten autorisiert zu sein scheinen, dem nominellen Führer, wie parteioffiziös erklärt wurde, eine nicht­­ gerade angenehme Webterraschung zu bereiten. Diese ephem­ere Vereinigung, der sich jedoch Graf Andrassy und die Verfassungspartei nicht ange­schlossen haben, ist politisch bedeutungslos. Sie verfolgt die Absicht des Radaumachers. Je ärger diese Kooperation ist gebärdet, i­ntso rascher dürfte ihm wohl ein Ende ge­­­­macht werden. Von ganz anderer Art sind die Betre­­­­i­bungen einer Wiedervereinigung der beiden Fraktionen der Unabhängigkeitpartei.. Diese befsst hohe politische Be­­deutung und ist, wie wir gern benennen wollen, auch eine sehr­ erfreuliche. In staatsrechtlicher Beziehung ver­­bindet uns nichts mit Diesen beiden Fraktionen. Doch haben wir allezeit zu der Auffassung uns bekannt, daß in Der eigentümlichen Situation Ungarns das Vorhandensein einer­ prinzipiell einigen und stramg­eführten, in staatsrechtlicher Hinfuhr ertremen Partei eine­twendigkeit it. 63 macht Daher auch auf den politischen Gegner einen sede fatalen­ Eindruck, unten welchen Umstän­­den­­ dieser Zusammenschluß ‚vorbereitet wird. Im Prin­­zip haben die Anhänger Franz Kossuths ebenso wenig­­ irgend etwas dagegen einzunnenden,­ wie die Gefolgschaft des ‚Herrn‘ dr. Sujth. Es wird auch mit sehr auffälligen Madjdorud betont, daß die­ personlichen Momente in den Hintergrund geschoben werden müssen. Nichtsdestoweniger sind gerade diese die beherrschenden. Um es mit einem Worte­ zu sagen: Die ar fpist si dahin zu, wer soll fest geopfert und das allgemeine Wahlrecht sei niemals aus dem Programm seiner­­ Partei versc­hwunden. Man merke einmal genau auf die VWReL«.Ælek. tiva oder"auf die überhaupt angewendete quezxklalgrz··«-««­; und man wird sich sofort überzeugen,daß noch tiefgrgjh«·"· dige Differenzenvbwalten.Wollte man doch sogar strqnz«»-z Kossuth in dem umkreise des Herrn v.Justh«zxcs seinem» Parteimikado erheben,dem man­ die Ehrenpräsienstschafts­«« überträgt,­währentherrn v.Justh die eigentl­iche Fuchs­reisschaft zugedalcht wird.Auf einen solchen­"Handvl­a1b­er,» wenn er ernst gemeint sein sollte,wird Franz’Kost«­­niemals eingehen. Trot alledem sind wir der Meinung, daß die Wiedervereinigung si unter dem Drude der aller Voraussicht nach sich nun entiwickelnden schwerem Verhältnisse " früher oder später vollziehen wird. Ganz gewiß vor dem Beginne der Wahlagitation. Denn in dem Wahlkampfe­ ist Die alte tattische Regel des ‚getrenn­­ten Marsschierens und des vereinten Schlagens aus­geschlossen.. Die Wiedervereinigung der beiden Fraktionen der"Unabhängigkeitspartei kann nur klärend«·"andere« Werdegang der künftigen parla­entarischen­ Konstelladiptif zurückwirken..D­urch nichts hat diese Partei­,--derey."«,Ve,-tjtz’«« svir als Ungarn niemals missen möchten,-.sos·s«»ipergk.’ bußen an Kredit erfahren,als dItrchiht vierjä-'«gä,g:. smnmen gehen mit anderen Parteien,von denen—’isise·-z»"»", eine unüberbrückbare Kluft getrennt ist.Die sifilx wirk­ende An­erkennung der von Franz Deck«ge­ scha·estik;xi staatsrechtlichen Grundlage»während der Zeit­ ihrer Be­wirkung an der’ Negierungstätigkeit war niemals nach unserem Geschmade, und wir haben das foalitionistische Systen niemals anders als eine riesengroße Unmahrheit charakterisiert.. 63 war auch wertlos, denn es wurde bei Beginn­­ der Krise sofort verleugnet. Durch Die Wiederver­­einigung wird sich die Unabhängigkeitspartei selbst wider­finden­.. H« So weit aber darf die ReGuungsstichnischJt""vtz’ti­erå11,’­­daß dadurch eine Ralliierung der siebenundsechziger quokp­tiker,soweit­ dieselben auch in ihrer Weltanschauung-üjgw einstimmen,verhindert werden könnte.Diese iso« sa» bereits auf dem Wege, wie wir Die­­ Wiedervereinigung der Unabhängigkeitspartei mit Gesvißheit voraussehen. Es gibt an untele diesen Politikern manche Differenzen, die aber zumeist von persönlichen Motiven dub­jekt sind. Gleich m­­e Diese aber von der Unabhängigkeitspartei werden über­wunden werden müssen, dürften se wohl auch mit der Zeit in diesem Lager verschwinden. Es trennt uns nur mehr, wenn nicht völlig unvorhergesehene Ereignisse dazwischen­ »­­ Feuilleton. Der „Hranitshar“. Bon Adam Lipcsey. vor allen Dingen wollen zvir mit einem Ding ins reine kommen, von ungarischer Demokratie Jol über­­haupt nicht gesprochen werden, denn eine solche gibt es nicht. Baumeilen, wenn besondere Freiheiten errungen wurden oder die Bedrohungen das gewohnte Maß über­­stellten, mochte er vielleicht noch den Anschein gehabt haben, al wären alle Ungarn Brüder, doch nur zu taj sagte sich der grobe Bauernmantel wieder von dem aus feinem Tuch amgefertigten Attila 103. Offenbar tönnen wir den gegenseitigen Geruch nicht oder wenig­­stens nicht auf die Dauer ertragen, und jene kosmetische Mirtur, die das Universalaroma der verschiedenen unga­­rischen Gesellsgaft sschichten­ in sich vereinigen würde, dampft und brodelt noch im Gehirn irgend eines Dro­­gisten, den ung möglicher­weise erst das kommende Jahr­tausend bescheren wird. Vielleicht trägt diese rein physische Ursache die Schuld an jener scharfen Scheidung, welche duch die fast un­­begrenzt partikularistische Tendenz der ungarischen Gesell­schaft verursacht wird und sich trob aller nivellierenden und amalgamierenden Bestrebungen, Nichtungen und Strömungen, unseres Zeitalter aufrecht­erhält. Diese förmlich zur Binsenwahrheit gewordene sozio­­logische Beobachtung wird Heute wieder aktuell infolge des raschen, ‚wie es scheint beschleunigten Ganges der die politische Krise vorwärtstragenden Ereignisse und der in ihrem Verlaufe immer wieder auftauchenden größeren und­ kleineren Klöbe und wasserbespülten Steinmasten, die das Schifflein der Entwirrung durchaus zum Scei­­‚tern bringen­­ wollen und die von den menschlichen und persönlichen­­ Leidenschaften in das Fahrwasser der Bolitit geschleudert wurden. Des am weitesten Blidende, teil mit wahrer Seher- Die Institution bewährte sich, entiwickerte sich prächts und gedieh munter heran. Sie entfernte sich aber je gleichzeitig immer mehr von jenem Ideal, das seinen Ber­grümder, den größten Ungar, begeistert hatte. Als das Kasino moralisch, gesellschaftlich und materiell genügend gekräftigt war, wurchs er sich immer mehr zu einer ek­lusiv au­­chen Bereinigung heraus, welche schließlich dem­ Spiel, namentlich dem Startenspiel, gastfreundliche Aufnahme get­währte. Heute ist das sich jährlich wiederholende pietätvolle Szechenyi-Bankett zu einer sozusagen Ieh- und inhaltlosen Formsache ge­worden und die Erinnerung an Szechenyi wird im besten Falle nur mehr dur­ patriotische Trint­­sprüche wachgehalten. Gesellschaftlicher Humanismus. Die fi in der Förderung von Literatur und Kunst Fund­­gebende Kultur finden im Kreise der vornehmsten Gesell­­schaft des Landes zumeist nur jede fühle Aufnahme, wenn sie­ schon einmal an den mächtigen Flügeltieren schüchtern um Cinlap zu bitten wagen. Als sich­ die Exklusivität des Nationalkasinos immer mehr auf die Geburtsaristokritie zu beschränken begann, empfand­—nicht in Budapest,aber im ganzen Lande.—— die sich aus der kleineren Gentry und den rechtschaffenen Vertretern von Industrie undcsjewerbezusammensetzende »neue Generation«gleichfalls das Bedürfnis nach einer eigenen»Herberge«,wo­ sie den Alleinherrscher auf dem Düngerhaufen«abgeben konnte.Auf diese Art und von dieseantentionen beseelt,begründete,auf Stefan Szöd­chenyis Spuren watchelnd,Alexander Wekerle,der große Prophet der ungarischen Demokratie und des ungarischen Liberalismus,das zweite,das Landerer GenW Mino.Bei dieser exklusivencugründung mußte die Exs­klusivität gqtfx di Yayfeigeagdene Basis gestellt werden­ haben, werden auch heute noch Bälle und sonstige Unter­haltungen : in der gewohnten und beliebten Art veran­­staltet, daß ihrem exkläsiven Charakter in der Weise die Würze einer negativen Vornehmheit verliehen wird, mag feine Juden eingeladen werden. Seit dem,nunmehr fünf­undzwanzigjährigen, Bestand des Landesrasinos besaß und bej ist­ dieses ein, jage und schreibe ein jüdisches Mitglied in der Person eines kleinen Bankdirektors­ aus der Um­­gebung von Budapest, den Weferle eingeschuggelt hat, der aber die glänzenden Klubräume nur selten besucht und dies mit den Worten begründet:­­ ,,Hol’der Teufel diese Ge11.try;da wird­ manjava jedermann geduzt!« Was für jematrden,der nicht daran gewöhnt isx rejchk­­ungewohnt erscheinh Bom gesellchaftlichen und kulturelfen. Standpunkte aus befinden sich Diese zwei vornehmsten unserer gesel­­lschaftlichen Bereinigungen auf dem gleichen Niveau der Unfruchtbarkeit. Was schon aus dem Grunde zu befragen it, weil sich diese betrübende Indolenz von’ Diese doppelten Mittelpunkte aus in die Kasinos und Slubs der meisten größeren und kleineren Städte des Landes ein­nistet und auf Diese Weise allenthalben Die gesellschaftliche Blutzietulation hemmt, wenn nicht ganz unterbindet. 7. Unter allen Ideen und Bestrebungen, Die das öffentliche Leben beswegen­, gibt es nur eines, das die beiden Kasinos nicht freigeben und wenn möglich für fs allein­ in Anspruch nehmen möchten, und das ist die Politik­ o­­­un. Tatsächlich, insbesondere aber zur Zeit Franz Deats, stellte das damalige Nationalrasino den El siápat zti wahren nationalen Politik dar, die sowohl Widerstand, als aug ehrliche „Entwirrungsarbeit“ leistete. Der Weile des Landes, der große Andrásfy und ähnliche Säulen des nationalen Bestandes fanden fd .D,« s ·« ie —|——— I — 7 H

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