Pester Lloyd, März 1910 (Jahrgang 57, nr. 50-62)

1910-03-01 / nr. 50

, .«oklen«’d"s"«ausgefisssm»« . Die Schwach fundierte ungarische S Hegemonie außer der par­­lamentarischen Regierung auch noch die zur Dirigierung der parlamentarischen Opposition nötigen Sätte aufbrin­­gen soll Mit einigem Optimismus kann man allerdings be­aupten, daß, das Ungartum kaum jemals von der Ge­samtheit seiner anderssprachigen Mitbürger vollständig Holiert sein wird, wofür die sicherste Gewähr in der Erxistenz und der kraftvollen Entwicklung des ungarischen Staates, eher in dem allgemeinen Vertrauen gegeben ist, welches­­ denselben gerecht wird, nicht minder in den Bürger — — tugenden, auf die der Staat zählen darf. Wir dürfen uns Da auf das 1848er Wahlgeset berufen, welches — der ganz verfehlten Einteilung der Wahlbezirke zum Treo — in Erfolge der werktätigen Unterstüßung der patriotischen­­ Wähler zu verdanken hat, ohne deren Bürgertugenden die­­ nationale Sache niemals eine solche Förderung erfahren hätte. Auch das neue Wahlsysten würde in der Gicil unserer Mitbürger das sicherste Fundament finden. Möge dem so sein! Leider aber muß die moderne ‚Kodifikation mehr mit den Schwächen cols mit den Tugenden der Menschen rechnen. Während der zwei lebten Menschenalter haben sich die Verhältnisse bei uns sowohl wie andereswo gewaltig geändert. Mit den Konvenienzen der früheren Beiten ist auch die einstige Beständigkeit und Solidität geschwunden. Die Charaktere sind unruhiger, die Ideen aber elastischer geworden. An Die Stelle der früheren Naivität der Bölter ist das erwachte Selbstbewußtsein ge­­treten, während die Beruhigung, welche der Glaube und Die Tradition gewähren, dem­ spekulativen Geist und dem Walten der realen Interessen weichen mußte. Auch die zu­sammenfassende Gewalt der zentripetalen Kräfte hat sich gelodert, überall begegnet sie dem Wettbewerb der zentri­­fugalen Bewegung. Unter solchen Um­ständen bildet die Frage, unter welchen Bedingungen und mit Hilfe welcher Sorrestiven das Schicsal des Staates der Gesamtheit der Bevölkerung umvertraut werden kann, ein w­eltbewegendes Problent. Die Verallgemeinerung des Wahlrechtes bedeutet in Ungarn eine Existenzfrage für den Staat. Die Schöpfer dieser Reform müssen jed­weden Optimismus meite legen und die Reform derart Tonsinieren, daß die ungarische Staatlichkeit unter allen Umständen, wie immer das Bosffsparla­ment fi anig gestalten möge also aft im ärgsten Fall, unbedingt gesichert sei. Diese Gewißheit kann aber nur die Aufrechthaltung des dem neuen Parlament zu verleihenden ungarischen » en Charakters bieten, welchen einzig und allein Die Majorität der ungarischen Mandate einer Sede Lösung, welche von dieser Be­ingung absieht, oder die parlamentaritäre Vertretung der­­ ungarischen geschichtlichen Hegemonie einer geringen und unsicheren Majorität anvertraut, lest die Zuk­unft Ungarns ‚gefährlichen Wagnissen aus. Doch den Hinweis auf diese Existenzfrage wollten , wir nicht etwa die Behauptung aufstellen, daß, sofern entgegen den auf ein Bolfsparlament gefegten Erwar­­tungen der Fall eintreten sollte, daß die Regierung sich auf eine schwache ungarische Majorität ttüben müßte, oder man einen ungarfeindlichen Majorität gegenüberstünde. Dies glei­­che „Finis Hungariae" herbeiführen müßte. Im Laufe seiner geschichtlichen Vergangenheit hat Ungarn auch größere Schoialsichläge schon überdauert und es hat sich von denselben erholt und stets wieder neu gekräftigt. Dieses Land beficht eben in seiner Neuindifationskraft ein mächtiges Kapital und die Hegemonie des Ungartums it nicht bloki Selbitziwed, sondern in diesem­ Lande eine Dhistorüde und in unserem MWeltteile eine europäische Notwendigkeit. Außer der institutiven Sicherung des Historischen Charakters des ungarischen Staates waren des neuen Wahlgefeges auch noch andere wichtige Aufgaben. Es muß ein gutes Parlament schaffen, das die mo­­dernen Ansprüche des Staates und der Nation befriedi­­gen soll, und zwar so, daßs wir damit für längere Zeit das Auslangen finden sollen. am Parlament des allgemeinen Wahlrechtes ist nicht notwendig gleichbedeutend mit einer guten Geseb­­gebung. Jene Staaten, welche diese Institution bereits eingebürgert haben, mußten damit Erfahrungen machen, die traurig genug sind. Es ist den früheren Klassenpar­­lamenten nur insofern überlegen, daß es die Wünsche der Allgem­einheit getreu­ zum Ausdruch bringt, Die Bes­tsamtheit des Bosfes fester zusammenschließt und Die neuen Elemente derselben ypolitisch erzieht. Leider aber werden diese Vorteile durch jene Fehler übertragen, welche auf diese Institution von ihrer Vorgängerin übernomme sind und die dann weiter entwickelt w­r­den. Wir sehen, daß in­­­ieser Institution Die Partikular­­interessen, die Lokalen Auffassungen und alle Ausmwüchse des Lokalpatriotismus fortwuchern, daß die alten histo­­rischen Parteien der Auflösung anheimfallen und Daß ein Shitent der Fraktionen an ihre Stelle getreten it. Diese Tendenz der Zersehung it Schon so unweit gediehen, daß es kaum mehr ein einheitliches Martergebilde gibt, auf welches eine Regierung sich ttüben könnte. Die Par­­lamente sind im­ Interesse ihrer Regierungsfähigkeit ge­­zwungen, mit Blockformationen zu operieren. Indes sind solche künftliche, ad hoc entstandene Gebilde nur von kurzer Dauer, sie lösen sich rasch auf, was jedesmal eine Regierungs- und Parteikrise bedeutet. Solcherart hat das System der Krisen hineingetragen. Sein einziges Mittel, die Uebel des öffentlichen Lebens zu sanieren, besteht darin, daß es andere Uebel schafft. Durch diese Heroische Kur wird der Organismus des Staates und der Nation freilich arg mitgenommen. Das fortwährende Fieber muß die besten Sträfte verbrauchen und erschöpfen. Es droht auch die nahe Gefahr, daß der Parlamentarismus selbst in eine schwere Krise gerät und seine­­ zusammengefügten Teile in ihre Elemente zer Ein anderes Uebel, das die Parlamente des all­gemeinen Wahlrechtes heimgesucht hat, ist das Rollevertretung­­ eingetretene , eher Privatinteressen zugunsten einzelner Wähler. Aug dieser Fehler hat schon früher bestanden, doch hat er niemals­­ so große und schamlose Dimensionen angenommen. Die Abgeordneten sind kaum imstande, ihren politischen Beruf zu erfüllen; ihre Zeit wird duch Privatangelegenheiten der Wähler in Anspruch­ genommen; ihnen fällt die müh­­twürdige Aufgabe zu, in Privat­angelegenheiten der Wähler zur vermitteln, Protektoren zu suchen, günstige Erledigungen zu eri­­rfen und andere Gegendienste zu leisten. So findet die private Spe­­kulation ihren Weg in den öffentlichen Dienst und bringt sie si oft auf Kosten des Gemeinmwohls zur Gel­­tung, und der Geist, welcher sich auf diese Art der Bolfsvertretung bemächtigt, droht dem staatsrecht­lichen Mandat derselben den Stempel einer Privatagentur auf. Das dritte Uebel — und , dieses­ ist vielleicht das größte — besteht darin, da das im Wahlrechte der Volfe­­it ein wahres Wunder an Stimme und unvergleichlicher Gesangskunst, Here Miller ein geradezu idealer Sänger, erregte mit seinem Lohengrin berechtigtes Aufsehen. Die -- sit-a-?·t«1t"n.p.·e"rk"einhwt­­l­Geistzip«das eine Utigkerdichtigkeit gern die Minoritäten kins volvieht.Die Frage der Minoritätsis­svertretungsbeschäftigte die Geister schon seit langem,doch war diesecbeu jemals so aktuell,wie in der Welt des Volksparlamente,wo man vson dieser Frage den voll­­ständigen Ausbau der demokratischen Rechtsordn­ung und damit d­ie endgültige Wiederherstellun­g Gleichgewichtes der Volksv­ertretung,sowie ein wirksa­mes Mittel gegen die fortwährenden Krisen erwartet.In Verbindung damit wird man aber auf dem weiten­ GebietqUSE-Parlamen­­tairismus die ganze Rechtsordnung wiede­m neugestalten müssen. Eben in unseren Tagen ringen im dieser Frage meh­­rere Systeme vor der französischen Kammer um die Palme und die Großmeister der Initiative haben auch schon die M Perinzipien bezeichnet, nach welchen das neue dem­okratische Parlament zu schaffen, in seinen Geiste zur verjüngen, moralisch zu läutern wűre. Dieser neue Parlamentarismus wird offenbar frei sein von all jenen subjektiven Elemen­­ten, welche die bisherige Rechtsordnung überrauchert und mit ihren persönlichen Motiven, Eitelkeiten, Aspirationen, mit ihrem Egoismus und privaten Interessenkreise bere uigziert haben. ‚ehnliche menschliche Schwächen wird es immer geben, d wenn die Menschen Gelegenheit haben werden, denselben zu fröhnen; indes ist Die Rechtsordnung des heutigen Parlamentarismus eine wahre Brutstätte solcher Schwächen, weil er sozusagen von diesen lebt. In das Acht wurde natürlich alldas unter anderen Titeln eins geführt: man spricht von dem Vertrauen, w­elches die Wähler und ihren Abgeordneten miteinander verknüpft, von der Diskretion, mit welcher die staatsrechtliche Betrauung behandelt wurde, und von der persönlichen Verantwortung für Die Wahrung der politischen Ethik. Leider wurde im­ praktischen Leben all dies schon zur Zeit des Mlassenparlaments zur Fiktion. Wie sol es b unter der Regide des allgemeinen Wahlrechtes werden ! Jung, deren Wanderungen und ethiiche Grenzen­ ganz nach seinem Belieben bestimmen. Diese persönlichen Mo- und Tätigkeit das Staatsrecht Kjeftivität, Die ene Angriff, Sofppernbitertor, verdienen, soll ihr Prestige wahren und dabei Ge­schäfte machen. Da außerordentliche Mittel vorhanden sind, wird — sicherlich mit Recht — an Außerordent­­liches verlangt. Inzwischen haben si­che Verhältnisse der Opernideaten überhaupt stark verändert. Amerika drüht Die reife auf dem Sängermarkt. Die Kleinen deutschen Hof­­theater haben im­ Verlaufe von zehn Jahren ihren Etat verdoppelt. Man kriegt erstklassige Kräfte fehiwerer denn je. Unter Mahler lag das Hauptgewicht auf den Drama­tischen Qualitäten der Stünstler. Schöne Stimmen, schön Singen i­aren ihm gleichgültig. Im Grunde bevorzugte er „Utilitäten“, Künstler, die alles gut machen, nicht gerade ‚genieren, die auf lange und verhältnismäßig bilfig zu haben sind. Here v. Weingartner liebt schöne Stimmen und schönen Gesang. Man glaubt gar nicht, welche Mühe es gibt, einen solchen „S­ystemwechsel“ zu etablieren. Drei Kräfte von hohen Rang sind der Hofoper gewonnen, die mit Demuth und Mayr zusammen gleichsam eine Insel des bel canto bilden: Die Marcel, der Tenorist Miller und der junge Baffist fantom aus Frankfurt. Die Marcel Leute horchen wieder auf; nach dem Gebet der Tosca, das die Marcel singt, geht allemal ein Sturm duch das Haus. Dan hat wieder Ohren, fühlt füh wieder wohl. Es sind Errungenschaften, die alle die modernen Theater-, Regie- und Ausstattungsfragen in den Hintergrund drängen. Herr v. Weingartner ist h­ier unermüdlich als Dirigent. Ob­wohl er durch seinen Unfall wochenlang der Hofoper entzogen war, kann der Statistiker eine stattliche Reihe neu einstudierter Opern feststellen. Der „Barbier von Repertoire einverleibt, „Tan „Meistersinger” haben M Auferstehung gefeiert. Dan hat aufgenommen, trans” hervorgeholt; Muccinis „Trosca“, die längst an den deutschen Hofbühnen heimisch geworden ist, · Marcel Gelegenheit,ihre königliche Stimm­e,ihr einfaches, kluges Spiel und ihre souverän­e Gesangskunst zu faszi­nierender Wirkung zu steigern.Bittners,,Musikant­«wird erleben,Goldmarks»Götz«an­lässlich der Goldmark-Feierlichkeite1r in Szene gehen.Das­ Berliner Opernhaus — uns nur ein vergleichendes Beispiel wählen — hat sich in derselben Zeit mit einer Neustudie­­rung von Berdis „Mastenball” begnügt. Alles das Hin­­vereinigten Mahler und Straußklüngel nicht, Herrn v. Weingartner mit wenig gewählten Waffen zu be­­stmpfen. Feingeschlängelte Notizlein in Wiener Zeitungen, stärker schattierte Invektiven in den Provinzblättern ver­­folgen nur ein Bier, die Meinung zu ertweden, als hätte Herr v. Weingartner nicht das Zeug, die Wiener Hofoper zu leiten. Sicherlich ist Herr 4. Weingartner nicht un­fehlbar, ficherih Hat er nach den rebten fünf dürren Mahlerjahren eine außerordentlich sc­­wierige Aufgabe und ficherlich verschließt sie niemand mehr als er fachlichen die Gegner, die ihm am Rea Einwendungen, aber üppig grüne Weingartnerliebe sind mertvolle Symptome als Klaviervirtunte von Rang, als Komponist von erstat­e figem Können und echt musikerischer Natur. Das Bar­häufer“ ‚und Neustudierung ihre „Bigue-Dame“ feine Uraufführung | x £

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