Pester Lloyd, Oktober 1911 (Jahrgang 58, nr. 246-258)

1911-10-17 / nr. 246

PESTER LLOYD Dienstag, 17. Oktober 1911 dass mit der endgültigen Regelung­ der marafsaniscen Stage eine Reibungsfläche beseitigt wird, an der, wie Die Erfahrung gezeigt hat, jederzeit für leicht ein Kriegsfeuer entzünden Lan. 63 ist seltsam, aber im­ unwesentlichn Die Reaktion des Gefühle, dan England eine Feilsehung Deutschlands in­ Maroffo als eine Bedrohung, ja, wie die törichte Nebe der Herrn Lloyd George beiweist, als einen Anlaf zum Stiege auffallen würde, wenn sehr weite Sreife des Deutscher­ Volkes‘ Heute’ u möglichkeit gering achten‘ und womöglich eine­ Leiziebung in Maroffo wünschen, um, getrübt auf Deutschlands starte Wehr zu Wasser und zu Land, die Probe aufs Krempel zu machen, und es ist sein Zweifel, daß es in den Ver­gangenen Monaten Retter "gegeben hat, wo ein Krieg gegen Frankreich” und, namentlich, gegen England eine recht populäre Sache geb­eten wäre. Ihren Naghall hat diese Stimmung jet in der bereits von einigen politischen Parteien vertretenen Forderung gefunden, das. Flotte und Heer weiter verstärkt werden. _ ő Die verantwortliche deutsche Diplomatie hat­ auch nicht einen Augenblick Hindurch, sich von solchen Bostsstöm­nn­­gen beeinflussen lassen, sondern von Anfang an nur das eine Ziel verfolgt, mit Frankreich durch eine logische Aus­­gestaltung des Abkommens von 1909 zu einer dauernden friedlichen Verständigung über Marokko zu kommen und dadurch auch die internationale Weltlage günstig zu be­einflussen. Dieses Ziel hat Here v. Kiderlen in monate­langen Verhandlungen konsequent verfolgt, und wenn auch der Wortlaut des Abkommens noch nicht bekannt und die Verhandlungen, forweit sie­ sich auf die Abtretung von Gebietsteilen des französischen Kongo beziehen, Bon nicht abgeschlossen sind, so­ weiß, man doch so viel, daß die Sicherung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in Marokko in der eingehendsten Weise mit allen exdens­­iihen Garantien erzielt worden ist, Garantien, die nicht nur auf dem­ Papier stehen werden, sondern deren Durch­­führung in der Praxis gesichert it. Es ist natürlich nicht zu erwarten, daß diejenigen reife, welche jegt am [mit telten fish über Die deutsche Regierung entrüsten und der Meinung sind, daß alle diese Garantien nichts helfen würden, wenn nicht der politische Einfluß­ hinter ihnen stehe, mit einem Colage zu Lothfingern der deuts­chen Diplomatie ‚werden, wenn­ sie nächstens das Er­gebnis der Verhandlungen im Wortlaut vor sich sehen. Über das unterliegt keinen Zweifel, wenn die marot­­tanische Frage im Reichstag zur Debatte kommt, wird sich herausstellen, daß die große Mehrheit des Reichstages hinter der Regierung und ihren Zielen steht und mit ihr z­war einen s­ cteg nicht­ scheut, wenn die Ehre es gebietet, aber eine friedliche Verständigung in Ehren einer Ít­er­gerischen Verwiclung vorzieht, deren Folgen gar nicht abzusehen sind. Fortschrittliche und Konservative und Zen­tumspolitiker, von ‚der Sozialdemokratie gar nicht zu reden, ‚ haben darüber keinen Zweifel gelassen. Lärm ge­macht und sich entrüstet Haben nur Die sich aus mehreren politischen Lagern rekrutierenden alldeutichen Streife, Die aber parlamentarisch nichts Hinter sich haben. Am­ meisten scheinen noch­ die Nationalfiberalen dem Presselärm dieser alldeutichen Elemente nachgeben zu wollen, wenigstens haben hervorragende Führer der Nationalfiberalen Verke­­tungen, getan: „Die das­­ äußerte Mißtrauen gegen Die Derzeitige Leitung " Der Deutschen Auslandspolitik atmen. Her Ballermann ist von tiefer Trauer über das Ende umseres schneidigen Auf­get Dazu bereit ist, aber man sollte auch einsehen, daß sie in dieser Frage nit das Wort nehmen kann, solange die­­ Verhandlungen mit Frankreich noch heben. Eine par­­lamentarische Erörterung hat nur Sinn, wenn sie ss auf der Grundlage eines fertigen Abkommens beilegt, welches die Regierung nur zu erläutern und zu begründen braucht. Andernfalls schweben­­ die Verhandlungen in­ der Luft, und es besteht die Gefahr, dass das Abkommen noch in fetter Stunde scheitert und dadurch eine Eritische Situation geschaffen wird, die seinen zum besten dient. Es wird also im Reichstage, solange die Verhandlun­­gen noch nicht ganz abgeschlossen sind, zu einer mazoffa­­nischen Debatte nicht kommen, umso weniger, als der Reichstag Feine Mittel hat, um Die Regierung zum Reden zu zwingen. Die Besprechung einer Interpellation ist im­ Reichstage geschäftsordnungsmäßig nur möglich, wenn Die Regierung jede Antwort ablehnt, nicht aber, wenn sie Die Antwort nur zurzeit ablehnt, aber für einen päteren­­ Zeitpunkt verspricht. Nachdem die Deffentlichkeit je ein­­ Vierteljahr hat gedulden müssen, ehe von einem Abf­lug wenigstens eines Teiles der Verhandlungen über Marotto Mitteilung gemacht werden konnte, wird es auf ein, Ziwei Wochen an nicht weiter ankommen. Dem Reichstage fehlt es einstweilen an Verhandlungs- und Beratungsstoff in seiner Weise. -- ·-. Kriege­­r/ Diesschwieriglkeiteic einer Vermittlung gabt im Berlin­,1S.Oktober· Der­ gegenwärtige Stand des türkisch-italie­­nischen Konflikts wird hier»11ichtol)Iie Bedenien betrachtet.Auf beiden Seiten sind Beschreb­ungen»alkt Werke,welche­ die Vorbereit­ung seiner Vermittlungstätigkeit zu hindern geeignet scheinen.Mußy die kategorische Erklä­­rung des offiziellen»Eivrimled’ihlia«,dwßnurdic g.·b­at"to·Annex­ion von Tripsolis in Frage kommtthx könnte,die Positu­m der gsem­äßigten Exkjo­ytiker·in Konjunin­triopselemps findilöcistöten,softxigernssx die Schwkengs­kesiten für die Gruppe,die ein klugze Entgegsenkomuten beweisen mü­chte,gewissemaßencmtomatisch dad­urch,daß die Unbedingth­eit des italienischen Schmrdpunktes den türki­­«­ch­en­ Befürw­ortern einer rücksichtslosen Kriegführu­ng recht­szugeben scheint,welche nich"gegen jede verm­eintlich schwächs­tliche Na­ch­g­iebigkeit wehren.Der Ernst dep Lager wird bnec nicht bestritten.Aber gerade wegenr der­ mög­lichen An­­feisung der­ Gegenfage darf nio m­ehr erwartet werden, daß, freundschaftliche Vorstellungen auf beiden Seiten‘ unter „Hinweis auf die bedenklichen Folgen einer drohen­­den Beschärfung den ‚gewünschen Erfolg haben werden (Telegramm des ‚Vejter 2Ioyp“) » | ·" Die türkifche Chronrede. (Telegramm bes „Belter Lloyd“, Rom,16.0ktoser« DerEindruckinRom. · . Franz Dann tut er wieder,was­ er nicht tun­ sollte.Er­­chitek­t den armen Jüngling tot.Weil seine»freche Jugend«ihn verhöhnte.Und jetzt ist der Zusammenbruch Seine Frau wendet sich von ihm ab.Die verführte Erna fdidt er fort. ,Niemandem gehöre ich..." Da ruft von draußen die Stimme seines Göhnichens: „Vater !" Und dieser Stimme folgt er. Der Kleine Junge ist gerade in diesem Augenblick aus England zurückgekehrt. Er tu vom Garten her: „Bater...!” Und bringt den lechten Aktihluß. Da sind Dinge, die den schönen, fuistvollen Rat dieses Werkes erschüttern, wenn man sie ein wenig nie überdenkt. Was für einen lechten Ausgang hätte das Stüd, wenn das Kind des Hofreiters nicht mit for fahr­­planmäßiger­­ Promptheit geradeswegs aus England zum Mitshluß Time? Was für ein totes Wort bliebe dann der K­omödie?. Oder wenn der Kleine früher eingetroffen öreg Ad, ganz gewiß. Hat den Theaterdichter das Regit, "1 Bitter. . . Schluchzenden Aufschrei, den ihm unweigerlich folgt: „Mein Kind! !" Wie oft... wie sehr oft! Es ist eine Banalität. Eine rührende, an die einfachen und ewig wahren Instinkte greifende, eine wirksame Banalität. Aber doch eine Banalität. Und das wesentliche an ihrer Anwendung in eben dieser Komödie it es, daß sie gar nicht überzeugend hieher gehört. Dass es zweifelhaft bleibt, ob Hofreiten das Einfache und ewig Wahre in der nächsten Sekunde noch als einfach und als ewig wahr gelten läßt. Er hat uns fünf Alte Yang gezeigt, wie sehr feine Efepsis immer darauf aus ist, die Dinge zu wenden und um ihre Stchrseite zu befragen. Wir haben ihn die Treue, die Wahrheit, die Güte, die Hingabe, alles, alles entlarven und bezweifeln Hören. Eollen wir glauben, daß er, der soeben einer Mut imr einzigen Cohn getötet, der eine ge­­halfige Feindseligkeit gegen aufblühende Jugend begangen hat, der bis zu Dieser Stunde Weiber betört, Mädchen verführt und verdorben, Freunde verraten und belogen, und die eigene Frau zerstört hat, von man ab ein braver draußen ruft? Die ganze Persönlichkeit des Herrn Hofreiter, so mei­­sterhaft sie der Dichter auch gezeichnet hat, wird fragwürdig. Nicht in ihrem Wert als Gestalt eines Künstlers, nicht in ihrer Existenz auf der Bühne. Aber in­ ihrer Existenz al Träger einer vom Tod besiegelten Tragifomöidie. Ein Mann, der das Ende seiner Jugend­­ erlebt, widerstrebend, verz­weifelnd, schmerzdurchzucht, der es ganz genau so er­­­lebt, wie es von Sofreiter erlebt wird, wäre einer Tragk­­omödie Mittelpunkt und Held, auch wenn es niemanden wird, weil ein reiner Bub im Garten Und wir fünnten freier atmen. .: Wie würden nicht ersch­lägen, prüfen, und deshalb auch gar nicht recht dahinter geraten, Daß der Here Hofreiter eigentlich ein­ nichtiger, wertloser und beinahe völlig gewichts­loser Mensc­h­. Seines Daseinz Inhalt: Weiber! Seine Und was für­­ Angst, ob og din Mädchen für ihn zu haben, sein wird. eiber. Was für Mädchen. Wir sehen seine verfloffene Geliebte, eine­ lächerlihe Puppe von einer Salondame,. Wir sehen feine jetige­ Geliebte, und auch sie wird einst für ein Püppchen werben, wenn nur erst der Blütenstaub von ihr abgestreift ist. Bei einem betrogenen Ehemann, der aber ein brutaler Athlet ist, trammt sich der Mut des Heren Hofreiter, weil ihn vor Schlägen bangt. Den Jüngling jedoch, der sich ihm vor die Bilcefe stellt, schießt er nieder. Tätet er’s doch nicht, Der Tod auf der Bühne hat sein eigenes Gejeb. Er muß, notwendig sein. Wir müssen glauben, da er notwendig it; Dürfen nicht versucht­ig an ihn mit rühren. Dieser Tod aber is nicht notwendig. Und mut deshalb’ rühren wir an Hofe, reiter, kommen nur deshalb zur Erkenntnis, der Mann sei zu gering für so große Gebärden. Hätte das Stück einen anderen Ausgang, wir würden nicht weiter fragen. Wir würden es hinnehmen, mit all der Bewunderung, die Cihnitlers reife Meisterfunft uns abverlangt. Ein Mann, der das Ende seiner Jugend erlebt: eine Tragtromödie. Es Hätte­ genügt. ·Di·esefünf"Akte,­d­ie von dem geistvollsten Dialog belebt sind,­den Scht­itzler geschri­eben hat«werden im Burgtheater vortrefflich gespielt.Von Herm Ksox fßder den Hofreiter, von Fräulein Marberg, melde die Genia, und von Fräulein Hofteufel, welche die Kleine Erna gibt. Für den Hofreiter is es freilich einer großen árrékáptészá­tó gebraucht. Nur sind die großen P­erönlich­­eiten am Burgtheater abgestorben. Aber Episodisten hat es noch immer, wie kaum eine andere Bühne, Heine, Thimig, Devrient... die müssen uns nun ergößen, bis t wieder eine grpße Persönlichkeit kommt. Wer tod­, wann? It | Kindesvater | 2

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