Pester Lloyd, November 1911 (Jahrgang 58, nr. 262-271)
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NER — RE EEE ° EHE 0) «—l .-si . . —% | « - den . > Re , «·’-L’.«-.’,« 0. s.« r . . " as — PESTER LLOYD , | TEE FREE eye Samstag, 4. November 1911 — Demission des Staatssekretärs v. Lindequit | Telegramme des ‚„Peiter Lloyd“) Berlin, 3. November. 2,5, Tas fadjlide Hnterejje am der 1mmittelbar bebor sehenden Veröffentlichung der Abmachungen über Marono und den Kongo kritt heute nachmittags ganz plößlich vollständig hinter — "dem politischen Zwischenfall zurück, der sich aus der unerwarteten Demission des Staatsekretärs des Reichskolonialamtes 8. Lindequist ergeben hat. Noch am vormen Samstag hat bekanntlich die „Norddeutsche Allgemeine Heilung“ den Gerüchten über einen im Ausaamenhang mit den Kompensationsverhandlungen stehenden Rücktritt des Staatssekreters v. Lindequist ein entschiedenes Dementi entgegengefeßt, das natürlich műht dann möglich war, wenn der Staatsseketär persönlichhst Damit einberstanden erklärte. Es wird als heute ausdrüssig bekanntgegeben, Daß diese Zuklimmung zum erwähnten Dementi in aller Form erfolgt war. aeg erklärt man aber, daß einer der vor‚ tragenden Räte des Kolonialamtes, der geheime Negietungsrat Professor Freiherr v. Dandelmann, ein als wissenschaftlicher Geograph bekannter und geschäßter Fachgelehrter, schon feit den Sommer her in einer entschiedenen Opposition gegen die vom Reichökanzler für die Verhandlungen, mit Stanfreih vorgeschriebenen Right .. lintien fich befand Es ist in weiteren Seiten nicht bekannt, auf welche besonderen persönlichen Vorauslesungen diese Opposition sich stößt. Jedenfalls hat Freiherr 9. Dandelmann es für nötig gefunden, seine Weber .zeugung Dur den Rücktritt vom Amte zu bekräftigen. Saft, gleichzeitig aber Hat er auch in der Tagespfesse in den Kampf der Meinungen wie es scheint ziemlich direkt eingegriffen und das dürfte noch weitere politisce Folgen haben. Darüber Hinaus aber wußte er Staatsselretartiv. Lindequist derart durch seine peren Meinung zu binden, daß offenbar fest, wo der Rückeit des Professors v. Tandelmann allgemein befannte und auch dessen streitbares Eingreifen in die publizistische Polemik nicht unentdedt bleiben konnte, auch Herr v Lindequist die Verpflichtung fühlte seinen ‚verantwortlich den Bolten zu verlassen, obwohl ‚ex fi selber hat jagen müssen, eine wie fchmvie zige Lage dadurch ‚den Reichskanzler gerade in dem Mugenblid bereitet wird, wo der Marokko-Kontovertrag auf den Tisd des Reichstages "zur Verhandlung niedergelegt wird. »In taktischer Hinsicht bedeutet dieser Zwischenfall unter allen Umständen eine Erschhwerung der parlementarischen Arbeit. Here v. Lindequist ist eine den Parteien sehr sympathische Erscheinung., Er, hat ein ü vornehmes, konziliantes Wesen und dürfte sich nach seiner Vergangenheit, die ihm eine gründliche Bekanntschaft mit so ziemlich, allen Kolonien verschaffte, als einen wirklichen Endrerner, ansprechen lassen. Es sieht beinahe so aus, als ob er nicht stark genug gewesen wäre, den Suggestionen hanvinistischer Kolonialkreise Widerstand zu leisten. Die aus ihrer Unzufriedenheit mit der Verständigung über Maroffo kein Hehl machen und zur Unterfrügung ihres Standpunktesden Wert der Kongoerwerbung herabzufegen suchten. Wie es auch sei, der Neidskanzler von Bethemann-Hollweg and Hearon Kiderlen Böchter werden, wenn der Vertrag erst einmal betr .öffentlicht it — und die Veröffentlichung ist für morgen zu erwarten —, vor der Deffentlichkeit und vor dem Reichstage voraussictlichh wohl bestehen können. " | läsfig. Namentlich, ist der „Vetit Parisien“ schlecht unter Was, it. Diesem Augenblick aus Paris über den Suhalt des Vertrages gemeldet wird, it nicht ganz zuverrichtet, wenn er behauptet, Die Konsulargerichtsbarkeit werde sofort aufgehoben. Reisen sind die Informationen,die auf dem Umwege über London und Paris verbreitet werden. Biel Neues vermögen sie aber machten, was seither an einzelnen Stellen durchicherte, ebenfalls nicht mehr zu bringen. An dieser Stelle sei nur auf zwei Dinge hingewiesen. Das Maroifvabkommen bedingt für Deutschland in der Reihe der übrigen AG" tette. bevorzugte Stellung. Es ist die gradlinige Fortsegung der Alger eitnspolitit, die auf die Sicherung der Gleichberechtigung aller Mächte und auf die uneingeschränkte Aufrechterhaltung Den offenen Tür gerichtet war. Der Kongovertrag sieht die Ueberlassung von drei Millionen Quadratkilometern französishen Kongogebietes vor, wogegen eine rewise Grenzberichtigung in Kamerun, südlich des Tihadsees, erfolgen soll. Bon einer Abtretung Des ganzen, sogenannten Entenjfenabels von Kamerun it dabei Seine Rede. . . ; Berlin, 3. November. (Bon einem anderen Korrespondenten.) Die Mitteilung, daß der Staatssekretär des Reichskolonialamtes Herr v. Lirdegwist heute früh seine Entlassung eingereicht hat, weil er mit der Kongokompensation im Maroffovertrag nicht einverstanden, war eine Ueberraschung, die umso größer it, als bekannt war, dass Herr v. Linde onist sich vorbereitete, in vierzehn Tagen eine längere Dienstreise nachh Südwestafrika zu unnternehmen. Es istsein Geheimnis geblieben, ‚daß der Staatssekretär des Reichskolonialamtes mit dem Kongo als Kompensationsgebiet nicht einverstanden war, daß er die Abtretung, anderer Gebietsteile des französischen Kolonialreiches in Afrikafieber gesehen hätte. Er hat daher auch schon vor einigen Monaten sein Abschiedsgesuch eingereicht ,, aber auf Zureden des Reichskanzlers im Amte geblieben. Das hat sich als ein Lehrer envielen, Demi offenkundig war Herr v. Lindequist, persönlich ein unantastbarer Charakter, nicht der Mann, um ein schwieriges Nestort, wie das Reichskolonialamt, das von jeher der Mittelpunkt und Zielpunkt von Intrigen gewesen is — man dente nur an die Angriffe, denen die früheren ‚Leiter des Kolonialamtes Dr. Kadjer und Dernburg ausgejeßt gebeten sind — noch dazu in Fritsischer Zeit mit fester Hand zu leiten. Er erwies sich zu schwach gegenüber den aus seiner näheren und entfernteren Umgebung an ihn herandrängenden Einflüssen und er hat: nicht zu verhindern vermocht, daß im Laufe des Bonmers in der Breste und in Kolonialvereinen en planmäßiger Feldzug gegen die Kongokompensation einlöste, der dem Reichskanzler und dem Staatssekretär des Neußern das schwierige Amt, über Marokko zu ein befriedigenden Abkommen mit Kranfreich zu gelangen, nur noch erschweren mußte. Dieser Feldzug wäre in Diesens Umfang nicht möglich gewesen, wenn er sich nur auf Mitteilungen hätte füßen können, die ihren Ursprung auf den Reichskolonialamt nicht verleugnen und nur aus Supdisstretion, also durch einen Amtsmißbrauch, zu erklären waren. Herr v. Lindequist persönlich) wird schwerlich an diesen Dingen beteiligt sein. Aber ihn trifft die Verantwortung, daßs er als Chef seines Ressorts sie nicht verhindert hat. Ringen der alldeutschen Gegner jeglichen Maroffoabkommenswillfahrt. Die feiner Abschied als entschiedensten Protest gegen Die Vortrefflichkeit des nach monatelangen Verhandlungen glücklich, zustande gelernten Marottoabkommens vor aller Welt verfünden und agitatorisch ausbeuten werden. Dieses Abschiedsgesuch mußte also auf den Reichskanzler wie ein At Der Kolonie wirken und die Promptheit, mit der das Gesuch genehmigt worden it it ein Beweis, daß es auch an allerhöchster Stelle nit anders bewertet worden ist. Offenbar it Here v. Zindequist bei seiner Beurteilung beg . Matoffoabkommens über die Bedeutung, Die ihm vom engsten Ressortstandpunkt zukommt, niemals hinausgenommen und er hat nicht begriffen, daß der Reichskanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen, wenn sie den Staatssekretär des Solonielantes auch aß technischen Gutachter zu den Verhandlungen selbstverständlich zu Rate zogen, doch etwas mehr beabsichtigten, als einen Gebietsaustausch in Afrika und eine Garantierung wirtschaftlicher Interessen auf eng umgrenztem Gebiet. Es ist ihn entgangen, daß dieses Marokkoabkommen der erste große Schritt zu einerweit ausfauenden politischen Bestständigung mit Frankreich sein sollte, das seine Rücwirfungen weit über die französischen Grenzen hinaus haben soll und wird. Und er hat sein Verständnis dafür, daß angesichts eines solchen politischen Zieles der Ressortparticularismus zu verstummen und der einzelne sich dem Gefüge der großen Politik einzuordnen hat. Herr v. Lindequist scheidet also mit Recht aus dem Reichsdienst aus. Er hat vergessen, dass nicht er, sondern der Reichskanzler und der Staatssekretär für Auswärtiges die Verantwortung für das Matoffeabfommen vor der Oeffentlichkeit zu tragen haben und das sein Rücktritt in Diesen Augenblick deren Ansehen vor dem An und Augslande zu beeinträchtigen geeignet ist. Der probisorische Berreter des N Reichskolonialamtes. Berlin, 3. November. zum provisorischen Berweifer des Reichszolonialamtes wurde der frühere Gouverneur von Samoa Dr. Solff, der augenblidiich in Berlin weilt, ernannt BE Das Budget für 1912 im Finanzausschuse. -- - Budapest,3.November. Der s Finanzausschußs des-ch—ge·"o»rd1·tctenhauses verhandelte heute unter dennorfitzsemez Präsidenten Baron Ludwig Lang das Budgets des Handelsmiuisveriuuts für ders Jahr.1912.«Von der Regierung waren anwesend Finanzminister Ladislaus Lukács und Handelsminister Ladislaus d Bevirth, die Staatssekretäire Johann Telepkky und Alertus Brapp, Gustav Kálmán und Joe Gretima . Fachreferenten nahmen an der Sikuny teil vom Handelsministerium Ministerialrat Dr. Alexander Hollman, der Centraldirektor der Maschinenfabriken der Staatsbahnen Karl Bajkay und der Buchhaltungsdirektor Ministerialrat Stefan Keresgyarth, vom Finanzministeriun Ministerialsekretär Tibor Kállay und Medinungárat Beóthy mit sympathischem Vertrauen , daß Der neue · « dem fon ss anlaft, Dosef Nuederer als den Münchener poeta laureaWem es nach den Bietsommerstudeleien und furen Pathos des „Weltenkufusheim‘ noch nicht vollkommen rätselhaft war, was einzelne Leute dazu vertus hinzustellen, der mußte er wohl nach diesem Schmied, saumnfug merten, daß hier rätselhafte Gewalten — weiß, Gott, warum — ein Wievertal mauerten, für das ihnen die trönende Kolossalfigur während der Arbeit abhanden gestommen. «, «Nie haben’Bauernsolch,papiernes Pisima NerdeIrtsch — betlamiert, nicht mit so viel Bathos so wenig gesagt worden, niemals waren die Unterbrücer eines Volkes nur die Unterbrücken aus Ein Freiheitsschwärmer, wo wenig die abgelegten Maitressen entthronter Herrscher verzüdt in die feindlichen Bajonette marschieren und zu Tode gehötte Soldaten fie Drei volle Stunden lang mit dem Herdeklanieren einer Hünfgehn-Bogen-Rolle abgeben, ehe sie als.ntelodramatie Schlußpointe entfeelt in Mütterchens Arme sinken. — Derlei Dichtungen fehreien nach dem Rotstift des Gymnasiallehrers und der Zensur „ungenügend“. Kritik ist an beiten dieses Schlages nicht zu üben. Das empfand — nachträglich — wohl auch die Direttion des Schauspiellaufes und beeilte sich, die Echarte so jenell als mögli auszuwegen. Kaum vierzehn Tage später gab es schon wieder eine Uraufführung: Karl ·Ettlinger,den Lesern der deutschen Witzblätter unter dem «I—««Pseudonym ",,Karlchen·«jwohlbekannt,versuchte sich zum vierten Males auf ders Bühttä.Ich konnte den starken Er·-"jfvingendias Stück—»ein Lustspiel in drei Akten ohne "Ehebruch und Situationskomik«"nennt es«Herr Ett- Uslänger’——bei der Premiere fand,erst anläßlich einer späteren Wiederholung konstatieren.Denn an jenem Abend z ‚gab es nicht weniger denn Drei Premieren auf einmal: außer Eitlingers „Hydra“ Schnitlers „Das weite Land“ im Residenztheater und Beer-Walbrunn- Oper „Don Dutijote“ an der großen Hofbühne. (Nebenbei: eine ganz " respertable Belastungsprobe für das „Münden ohne Fremde"3xxjxd..alle dreinäufer waren ausverkauft.Z« Jjch habe mich ohne Zaudern für Schnitzler entschieden und habe es nicht bereut,wenn auch die seelischen Feinheiten,die ja beis Sch1itzler 11ie gianz ausbleiben können,diesmals nur"wie"ve"rkro’chene Glühwürmchen durchs das Dickicht von müselig konstruierten Wendungen und stark fadenscheiniger Teatralik hindurchglitzerte 11.Eittlingers «Hydsra«entfesselte auch bei der dritten Aufführung noch dieselben Lasstnsstürme,"die man»,zumeist ohne sichi was zu vergeben,111it stilken Schmintzeln mitteiern durfte.Die »H!dsra«,das ist das Publikum,das zu besiegem mit Schiller und Ibsen··zu besiegen,der unverbesserliche Idealist Hans Li1dt,Mitdirektor dess Goethetheaters,sichin deeropfgesetzt hat.Vergebens bettelt sein Sozius und Geldgeber nun nur ein"einziges zotiges Schwänkchen zugunsten seiner Verse..,1 nr über meine Leiche",erklärt der Idealist.Das schlägt sich seine Freundin,die es satt ist,immer nur intellektuelle Heldinnen zu spielen und katn ihre körperlichen Vorzüge gewürdigt wissen möchte,zur gegnerischen Partei;und siehe da:«Im dritten Akt werden im Goethetheater nur mehr Possen gespielt;die ehemalige Feendarstellerin erscheint im Trikot bis über die Ohren, der Idealist besitzt ein herrliches Auto,eine noch herrlichere Villa,hält die Kunst nicht mehr für eine Göttin, der man dienen muss bis zum letzten Atemzuge(sohachtet er im ersten Akt),sondern für eine,,Melkkuh««,und als man ihm von Sich sillerspricht,da sagt er wieder:«Nur über meine Leiche!«« Man sieht:die Recht 11171 g-geht glatt auf.So glatt, daß der nüchterne Kapitalist der ersten Akte zum Schlußx der Einzige sein«muß,der sich seines Glückes schämt und nun nach Schillern schreit.Das Publikum hatte viel Freude an dem gut Keen Bude Rechenerempel, noch mehr an den eingestreuten Kulissen- und Literatenscherzen, Die der Verfasser wohl als Chjat für Ehebruch und Situationsfomit zum besten gab. Im ganzen: auch ein Clüd, das die gefürchtete Hydra in eine Melttuh verwandeln wird und das der Held Ettlingers, Direktor Lindt, in den ersten zwei Akten seiner Direktionstätigkeit gewiß nicht angenommen hätte. Und doch darf man sich des Erfolges freuen, wenn man bedenkt, daß das Stück wenigstens zwei Arte hat mit Menschen aus Fleisch und Blut operiert, die erst im dritten Alte zu Hampelmännern werden. Denkt man dabei an Blumenthals Sentimentalitäten oder Gustav Kadelburgs hahnebüchene Philisterluftigkeiten, so erscheint der vorausführliche Siegeszug der „Shdra’ duch, Großdeutschland beinahe wie eine Sıilurtat. » . Allein, warum soll man an die Herren Blumenthal und Kadelburg denken?... * Noch etwas ereignete si während Dieses formigen Herbstmonats in der von allen ausländischen Währungen verlassenen Stadt München. ‚Ein Kind ward hier geboren!” singt feierlicherweise Hans Gaga in den „Meistersingern“, . Ein Lind, das neun Monate lang verzweifelt um sein Dasein gerungen und von allen weng längst aufgegeben worden war. Nun steht es plößlich da, auf sicheren Füßen und beginnt zu wandeln auf erztem Wege, der reich an reizvollen Ausbllden und ‚gar nicht mehr problematisch erkennt. ·sp Jch meine das Münchener Lustspielhaus,«da·su11fer La11d1sman11Dr.Eugen Robert«ulkiger Weise’vor genau neun Monaten übernommen und bis vor Furzen unter bitteren, schier aussichtslosen Kämpfen über Waller gehalten hat. Man bedieute, er kam aus Berlin, wo ihm Finanzielle Schwierigkeiten das Steuer des von ihm gegründeten Hebbel-Theaters aus der Hand gerungen hatten. Kam mit dem Kainszeichen, als „Pleite“ genannt, in eine fremde Stadt und eröffnete — nicht etwa ein neues Theater, denn ein neues Haus steht von vornherein im Mittelpunkte des allgemeinen Interesses und muß sich erst doch allzu gediegene oder allzu minderwertige Leistungen die Gunst des Publikums verscherzen, wenn es zugrunde gehen soll, sondern ein jahrelang von Hand zu Hand gewandertes, übelbelenmundetes Rauch Läufer und weiter nichts, und . j «"."— i 143