Pester Lloyd, März 1914 (Jahrgang 61, nr. 65-75)

1914-03-17 / nr. 65

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Eckstein,­­ Nagy, Jaulus , Co., Ant. Mezei, Rud. M. Jul. Tenzer, Jos. Schwarz. General­­vertretung des „Pester Lloyd" für Oesterreich und das gesamte Ausland : M. Dukes Nachfolger A.-G., Wien, Woll­­­ 9. ee alle anderen renommierten nseratenbureaus in Oes­t wie im Auslande übernehmen Ankneddigungen für den , Pester Lloyd", misw-somqisst fäisaatzusa­k ,­­ler, in der Provinz 14 Heller, Abendblatt in Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Helfer, Redaktion und Administration: V., Mária Valeria-uters1%2. — Manuskripte werden in Kirn Falle zurückgestellt. — Unfrani­erte Briefe werden nicht angenom­­men Nr. 65­­­­­61. Jakranug. Sudapek, 16. März. Der österreichische Reichsrat ist vertagt. „Der Vorhang fällt, das Stil­lt aus, und alle Leute geh'n nach Haus.” Alle Hilfsmittel. Die lebten, allerleten und definitiv besten Ber­ufe, die Obstruktion auszuschalten und den Weg zur Erledigung der dringendsten Staats­­notwendigkeiten freizumachen, sind gescheitert. Deutsche und Tschechen, die sich no einmal ohne Hilfe­ eines Mittler zusammengefunden hatten, "erklären, zu einer Berständigung nicht gelangen, ja nicht einmal die Basis für weitere Annäherungsversuche finden zu künnen, und so nimmt denn das Verhängnis seinen Lauf. Für et­wa acht Monate wird durch­ die heute erfolgte Vertagung die verfassungsmäßige Tätigkeit des Reichsrates eingestellt. Der $ 14 wird dem Staate geben, was des Staates ist, und Die Abgeordneten werden „fern von Madrid“ nach zu dessen Beit­raben, ob es nötig ‚oder auch nur klug war, aus den Trümmern des Parlamentarismus die Stufen bauen lassen zu wollen, die zur Ministerbank hinaufführen sollten. Wenn man auchhinaf so sehr die Be­rechtigung umer­ennt, der materialistischen Geschichtsauf­­fassung einem möglichst weiten Raum in der Deutung der Vorgänge und Ereignisse einzuräumen, wird man Doch je und nimmer sich dazu verstehen können, das rein persönliche Moment völlig auszuschalten., Gewiß, ist Dieses oft Heim und Kleinlich, wird gerade darum bei der duch Die Distanz der Zeit gegebenen Größenverminderung nur gar zu leicht übersehen, es it aber darum doch nicht an der toh­fungsvoll, und eben die gegenwärtigen Vor­­gänge in der inneren Politik Oesterreichs sind für diese Behauptung ein direk­ Haffisher Bareis. Der österreichische Parlamentarismus scheitert wieder einmal, wie so oft, es am 5. März nach einer fünf­wöchigen, durch Die tibechisch-agrarische Oestruktion erzwungenen Befragung Bon jo hervorragender Bedeutung ad) der Die beiden Nationen in Böhmen seit Jahrzehnten zerfleischende Streit in seinen Konsequenzen für­ alle Völker. Desterreichs it, so tief und einschneidend seine Nacwirfung auf Die Gesamtmonarchie sein mag. Die Details der Streitfrage finden außerhalb der Kronländen kaum irgendein Interesse. Die Probleme sind vielfach so subtiler, um nicht zu jagen kleinlicher Natur, daß sie faune auf ein­ Ber­ständnis rechnen könnten. Im vorliegenden Falle Handelt es sich Hr um folgendes: Der böhmische Landtag war durch­ die jahrelange Obstruktion der Deutschen Tat an­­gelegt. Die Landesfinanzen standen­ infolge der­ Unmög­­lichkeit, Die notwendige Erhöhung der Landesumlagen durchzuführen und die autonomen Steuern — den Bier­­kreuzer — als beschlieben, vor dem Zusammenbruch. .. Die durch faiserliches Patent an Stelle des aufgelösten Landes­­ausschusses eingelegte Verwaltungstommifsign hat man die Erhöhung der Landesumlagen und Die Einhebung der oben­ erwähnten Steuern durchgeführt. Dadurch ist die für die Autonom­ie gefährlichste Folge der deutschen Dbstruk­­tion behoben, und nun verlangen die Tschechen die Aus­­schreibung der Wahlen für den Landtag und Garantien sowohl für seine Konstituierung, wie auch für jene des Landesausschusses als Preis für ihre Einstellung der Db­­fruktion im­ Reichsrat. Das bedeutet, da die deutsche Be­­hinderung der Arbeitsfähigkeit des böhmischen Landtages die­ Erhöhung der Landesumlagen und Wiederein­­­hebung des Bierkreuzers auf dem Umwege über Die Landesverwaltungskommission invalidiert it, soll man auch die Kommission selbst verschwinden und der deutsch­­tschechische Ausgleich unter solchen V­erhältnissen­­ gemacht werden, daß Die Deutschen Feinerlet i­te immer geartetes Mittel in der Hand haben, ihre Wünsche durchzufegen. Die Forderung der Deutschen, der Landesausschuß habe sich erst zu Tonstituieren und die Kommission ert dann zu verscheinden, wem über­ die wesentlichsten Ausgleichs­­punkte eine Verständigung erzielt sei, wurde von­ den Zwiehechen verworfen, und so hat wieder einm­al der­ deutsch­­tschechische Streit das österreichische Parlament­ erschlagen. $8 Fan nicht oft genug darauf hingewiesen werden, daß es sich bei dem ganzen Streit mehr um eine­ Flie zung bereits bestehender Verhältnisse ‚auf legislatorischem Wege, handelt. Vor einigen Monaten zog ein­ förmliches Ausgleichsfieber duch Böhmen. Städte, Handelskammern und große Korporationen konnten sich nit genug tun in Kundgebungen für den nationalen Frieden. "Und nun auf einmal ein Umschwung, daß man von dem ersehnten Ziele ferner ist denn je. Von einem geistreichen Politiker rammt die feine Beobachtung, der gefährlichste Naditalis­­mus sei jener der gemäßigten Parteien. Und mit einem solchen hat man es recht zu tun. Auf deutscher Seite war es die Fortschrittspartei, die den tödlichen Streich gegen die angebahnten Verständigungsversuche führte, auf tschechischer polterten die Lungtschechen in lauten Rufen mit dem Radikalismus der Gemäßigten. Dieser­­ hat es versehuildet,­ daß nun der­ $:14 in rast teten und auf Diesens Wege die Erhöhung des Nefruten­­kontingents auf ein Jahr und die Beschaffung der für den­ Staatsjädel notwendigen Millionen durchgeführt werden wird. Da nach dem Wortlaut der Ber­astung mit dem Notparagraphen­­ eine dauernde Belastung nicht­ refrek­tiert werden kann, wird man zu dem Austrittsmittel einer innerhalb von zwanzig Jahren amortiffablen Staats­­anleihe greifen. Die Not macht eben erfinderisch, wenn die Erfindung auch gewiß nicht geldsparend it. Man kann es dem Grafen Stürgkh nicht übelnehmen, daß er nicht länger zumachen will und einen eng begrenzten Termin feste, innerhalb dessen die Entscheidung, fallen müßte. Da die halbe­ Milliarde beschafft werden muß, das Haus die Arbeit nicht leisten Lam­amo will, muß er daran­­denken, daß die politischen Verhältnisse in Europa Durchaus nicht derart konsolidiert sind, Daß es gleichgültig­­ wäre, ob man mit dem Verlangen nach Deding , des Kreditbedarfes jebt oder in vier Wochen hervortritt, . RR Was wird nun geschehen? Wenn nicht underher­­gesehene­­ Ereignisse eintreten, ‚Dürfte Der Reichsrat erst­ im­ November wieder zusammenkommen, um ein neues Budget zu beraten. Collte er auch dann sich als arbeitsunfähig einretjen. Dann rechnet man für Februar 1915 etwa mit Neuwahlen. Drei Kragen sind es, Deren Erledigung als für Die weitere Entwichlung­ der Dinge höchst bedeutungsvoll angesehen wird. Wird man sich­ent« Ich liegen, der Ausgleich in­­ Böhmen, ohne den eine dauernde Gesundung des politischen Lebens undenkbar it, zu oftroyieren? Wird man auf dem Wege des Dfttels versuchen, das Parlament obstruktionsfest zu machen und auf diesem Wege das Funktionieren der parlamentarischen Maschine zu sichern? Wird man, falls dies geschieht, die bisher bestehenden Taggelder der Abgeordneten dur­­feste Bezüge ergeben? Was Die erste Frage anlangt, 10. scheint an den maßgebenden­ Stellen eine Geneigtheit hiezu vor­läufig nicht zu bestehen. Diese Faktoren sind nur geneigt, das Daium für eine segensvolle Tat auf sich zu nehmen, das zu vollführen, wozu den Wolfsvertretern der Mut fehlt, was sie aber tun sol­ten und gar vielfach auch gen tun­t werden, wenn — ja, wenn nicht die Anajt m, das Mandat wäre Anders steht, es mit der Zweiten Frage, Das es mit der jebigen Geschäftsordnung im Barlam­ent, Die, jeder Obstruktion Tür und Tor öffnet, unmöglich ist, weiter zu­ arbeiten, , leugnet : niemand.. Daß i­eder die Deutschen noch die Tschechen, noch auch die A­uthenen und Südslaven sich der Chance berauben wollen, eventuell selbst ‚obstuieren zu können, daß also das Haus nicht selbst eine bessere Geschäftsordnung aus sich heraus produ­­zieren kann, it. ebenso zweifellos klar. Während aber die einen erklären, eine Geschäftsordnung,­­ wie sie das unga­­rische Parlament besißt,­ wie sie ähnlich auch im Wiener Gemeinderat gehandhabt wird, würde auch die Ruhe und Ordnung im hohen Hause auf den Franzensring garan­­tieren, und idengemäß, stürmisch deren Druioi for­­dern. Feuilleton. Der Unfug des Lebens. Von Eugen Lazar. Von den Menschen, die mit der Apostelgebärde um­hergehen, find uns immer noch die Apostel die Ketten. Ber Ddiesen wirden wir auf die Gebärde verzichten, ob­­wohl sie eigentlich zum Beruf gehört und selbst eine deutliche Bestimmung hat. Es ist­ not­vendig, doch auf­­fallende Gesten und seltsame Geräusche der Menschheit Augen und Ohren zu öffnen,­­damit­ sie merke, daß irgendwwo was Gutes für sie in Bereitschaft steht. Meistens merkt sie zu spät, daß Güter für sie in Reichweite lagen; das Beste unterliegt dem Wandel der Zeiten und wird ras zum Minder­guten. Es handelt sich also darum­, dem Menschen die Heilsbotschaft in die Ohren zu brüllen, vor der Nase zu Schweinen, ihn mit Rippenstößen vor die volle Steippe zu treiben, denn er ist hochbeinig, faul und miß­­trauisch. Der geborene Feind seines Wohles. Immer hat es Erleuchtete gegeben, die ihrer Zeit um einiges voraus t­aren, Die mehr und schärfer sahen, toglicher folgerten, feiner und tiefer fühlten als ihre nähere und feinere Umgebung; nicht immer wurden die Strahlen, die sie nach allen­ Seiten aussandten, aufgefangen. E38. fehlte an seinen Werkzeugen. Die Strahlen verteilten und verflüchtigten sich im­ All, der Ruf verhallte ungehört, das Herleiwort verklang,­­ wie auch nur eine Seele er­auf­gefangen und in ihren Boden versenkt hätte. Den Erusten­­artig verhärteten Gemüt der Heutigen tut die Ueber­menschen gelte besonders not; das Bute muß sich absurd gebärden, will es in der Weberfülle der dröhnend am gepriesenen Rasierseifen, Gummisohlen, Batentkoffer und sonstigen Lebenserleichterungen wahrgenommen werden. ‚Da hat vor einigen Jahren ein amerikanischer Jour­­nalist namens Prentice Marlford gew­irkt, der, mitten im großen Leben und scheinbar ohne jeden asketischen Ktart­­­­aufwand, auf ein paar einfache Weisheiten draufgekom­­men war. Er hat­te später hingeseßt und ein Buch ge­schrieben, das mit seinen Erkenntnissen bis an den Rand vollgepfropft­ war. Es führte einen Titel, so grell in­ die Augen stehend, so posaunenstoßgartig in die Ohren schmet­­ternd, daß den Flaneuren dieses altehrwürdigen Erdteiles nichts übrig blieb, al­­s zu laufen und zu lesen. „Der Unfug des Sterbens“ hatte die Ueberschrift auf dem­ Titelblatt gelautet, und aus dem Inhalt erfuhr man, daß Dent unbekannten Berfaifer alle swerzhafte­ Absicht durchaus fernstand, als er­ seine systemlose Philosophie mit­­ diesem Scherzwort überschrieb. Das Buch wu­rde massenhaft gelesen und massenhaft mißverstanden. Wohl war es richtig, daß D­ieser Mulford den Glauben an Die Notiwendigkeit des Todes einfach als ein Bar­urteil. Diesen selbst als ein unnötiges Uebel­­ be­­zeichnete, aber der Nachdruch lag auf­ der ersten Sinn­­hälfte des Sabhes. Die zweite dankte samt dem Buchtitel ihr Dasein wohl der Einsicht, daß die Wahrheit in auf­­fallendem Gewand einhergehen muß, wenn sie erkannt werden soll. Gemeint war, daß der andächtig gehegte und eifrig geübte Glaube an den Tod eine Todesursache sein lanıe, daß das Denken an Krankheit, Altern und Verfall die Menschheit ruiniert, daß­ die Bescchließung der Geistespforten vor­ störenden, ihre Deffnung vor freundlichen Cindrüden einen Weg zur Gesundung, zur Sugend und zum­ Leben­sbahnt, und, daß der einzelne er in­­ der Hand bat, sich dur­ Schulung seines Willens und­ Konzentrierung seiner Sträfte auf bestimmte Ziele in den Belt alles dessen zu geben,­ 1048 zum Glück­erforderlie­­it. Die Gedanken­ waren im Grunde nicht geeignet, Die Welt zu erschüttern, aber­ sie traten mit so viel Sru­he und Schwung auf, führten so­ viel von ihrem Ursprung, einen helfen, mutigen, Dent freudigen Kopf, mit sich, daß sie ohne weiteres den Weg in Herz und Sinn einer kleinen Gesellschaft von Bücher­­lesern fanden. Ein Welterzeugter sprach, das war sicher, dem durfte man aufs Wort glauben, daß er glaubte, es Berufenheit, an sein Apostelium rannte, die Herrschaft des Geistes über den Körper ermög­­liche eine unbegrenzte Verlängerung­­ des körperlichen Lebens; wesentlich i­ Diese persönliche Stellungnahme des Schöpfers zu seinem Werte nicht. Es­ behält seine Gültig­­keit innerhalb bestimmter Grenzen, auch wenn der Autor die Grenzen nicht sah. Mulford Hat den Tod nicht — auch, prinzipiell nicht — aus der Welt geschafft, aber er hat jungen Leuten gute Natschläge auf den Weg mit­gegeben, Wie sie das Leben bis zum­­ Tode verbringen sollen. Prentice Mulford selbst ist vor einigen Jahren ge­storben, gewiß zum­ festenmal — jagt sein Kommentator und Mederfeger Sir. Galahad —, und auch das war pure Schlamperei; sein­ Leben aber, ein Leben voll Kraft und Bervegung, voll Freude am Sein, wirkt auch nach diesem­ zufälligen Abschluß­ weiter und dient der Verbesserung, Beredlung des Gesamtlebens, also einer höheren 30ee. Im gewillten Sinne hat Brentice Milford also auch für seine P­erson recht­ behalten. Ein Schmächtiger Laden führt von dem „Einzigen“ Stiners, mit leichter Berührung des „Zarathustre“ übers Meer, nach, dem­ „Unfug­e des Sterbens“. Mar Gtirner hat die Unabhängigkeit des Ichs von Gütern und Ideen, von Haus und Hof,­­von Liebe und Glauben — nicht gepredigt — bloß verkündet. Niebssches Hebermensch sucht die Freiheit in der Fröhlichkeit. Aber Stirner, der „sein’ Sach’, auf Nichts gestellt“ hat, hief; im­ bürgerlichen Leben Kaspar Schmidt ,und benahm ich als solcher, duchaus unstirnerisch; er hatte sein’ Sad’ auf eine ganze Menge _­­ ER hu ee Dem zért fszt szá

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