Pester Lloyd, März 1917 (Jahrgang 64, nr. 74-87)

1917-03-16 / nr. 74

Pf . .­­ PESTER LLOYD .2. s Unfähigkeit ‚der zaristischen Regierung” zurück­en haben, konnten der Arbeiterbevölkerung auch sehr wohl einzureden versuchen, daß die neue Regierung, wenn man ihr nur Zeit ließe, eine bessere Verwaltung einführen und dem Deangel steuern werde. Die in­ London und Paris " residierenden Meister und Vorbilder des Herrn Miljufom . Haben ihre Völker mehr denn einmal,in solcher Weise ge­täuscht, die erlöichende Opferwilligkeit mit ähnlichen ·. Lusfluchten und Kunststüden wiederholt neu ab­ seat. > Wenn tci­ aber auch­ die zufftsehen Vorgänge vom « sz Standpunkte des Friedensgedankens mit noch so großer— Vorsichtlesenc­eilen wollem so bleibt daneben doch der Em­p «druck bestehen,daß die fernen und nahen Urheber der Pes­tersburger Revolution ein furchtbar gewagtes Spiel be­ gonnen haben. Der Zar mag sich nun zum Ehrein in das­­ Lager der Revolution: begeben umb. ihre, u sogar nachträglich, zu seinen Ministern ernennen, die verdächtig­­ten Bundesgenossen im Westen muß er doch im Herzen gründlich fair Haben. Und erst recht müßte die Krieg chelitif der Entente einen unheilbaren Stoß erleiden, wenn ‚der Bar sich Zar. Gegenrevolution, entschlöife und an der . Röpike der­ ihm trein gebliebenen Elem­ente von den neu­en Machthabern in Petersburg Hiedienschaft forderte.” Aber "auch abgesehen von den Möglichkeiten, die"mit den nd) "unbefernten Entschließungen des Zaren zusammenhängen, ist es denkbar, daßs die Rechnung der Miljuforn und Ge­nosen sich am Ende der Dinge als irrig­ herausstellt. Die Epfiehl der Revolutionäre mag auf die Kriegsfertlegung gehen, aber ihre tatsähhliche Wirkung tank si ebensowohl in Bertüttung der Kriegsmaschine äußern. Sch­eklicj war­­ nicht Bosheit, die die Minister des Zaren zu absichtlicher Unordnung im Verkehrswesen und in der Güterberteilung und zur Gefährdung des Nachjraubes für die Frontarm­ee neigte. Und auch der Zar, wie hoch immer iran seine Leh­­ ,­tat nach dem Friedensi­luk belvetteji m­ag, träte fider­­fi. auch Lieber als Sieger aus dem Kriege hervorgegangen. . Die neuen Herren in Petersburg werden, wenn sie im „Resege.der Macht bleiben, den­ Beweis heiterer Regierung “und Verwaltungsfrist erst zu erbringen haben freilich „werden sie den organisatorischen­ Bemühungen ihrer enge­­­lnen Freunde, die ad bisher [dhon eine für das große [ Harenveid] bescrüb­ende Kontrollgesvalt in zahlreichen Bet­waltungszweigen innehatten, sam­t solchen Widerstand be „reiten wie. die bisherigen Minister, die .als Vertrauens ‚männer, eines­­ selbstbewurßten Sertjchers den präpotenten Bundeszenarien denn doch noch einige Widerstände, ‚Ente "gegenzugeben m­ußten. Mit den ihnen blind. ergebenten " bürgerlosen Striegsparteien werden die Engländer leichte­­rer Spiel haben und wohl auf­ mit den Arbeitern und­­ Bai­erndeputierten, die im Kampf gegen den Haris­­mus nur von dieser Exit Unterfragung zu erwarten­­ haben.­­ RE und Deutfäjlend sahen, spdlisi die anfänglig in der öffentlichen Meinung umlaufende L­egende, von der alrassischen, der Kriegführung voran­­eilenden Revolution sehr­ bald der richtigeren Einfügung der Zatjadjen gewichen war, ihr Heil in­ diesem Striege niemals in die Erwartung solcher Ereignisse gefegt, wie sie fest in Petersburg eingetreten sind. Auch heute ver­lassen sie sich lediglich auf ihre militärische Leistungs­­fähigkeit und auf die bewährte Kunst, durch Organisation die wirtschaftligen Krieginbte­­ ént­e überwinden. U Aber nicht ‚ohne tiefe Genugtuung erinnern 1 wir, uns und die Nebolution wwüten Tießen, Hunger und ‚ in dieser © an die­ zahllosen‘ Qügenmeldungen, die jeden un. in Oesterreichs U­ngarn und Deutschland die Hungersnot Revolution suhren nun in Wahrheit die Länder unserer Feinde heim. Rußland ist mit der Revolution verangegangen, und wer weiß, ob nicht früher oder­­ päter das Beispiel­ in anderen ändern der Enternte eine Wirkung übt, die von den Rat­­gebern und Helfern der russischen Machthaber von heute nicht vorausgesehen wurde... Ausbruch der Revolution in Utes Petersburg, 14. März. Die Petersburger Telegraphenagens­tur meldet: Die Bevölkerung von Batersburg, die über die vollständige Desorganisation im Transport- und im Verpflegungswesen aufgebracht war, war [jon seit langem erregt und muvzte Kampf gegen die Regierung, die sie für alle Leiden, die sie erduldete, verantwortlich machte. Die Regierung die Unruhen voraussah, ergriff umfassende Maßnahmen zur Aufrecht­­­erhaltung der Ordnung. Unter anderem schrieb sie die Auflösung des Reichsrates und der Duma vor. Über diese beihglag am 11. März, dem kaiserlichen Ulas nicht Folge zu leisten und die Sigungen fortzufegen die­fekte sofort einen Bollungsausschuß von zwölf Mitgliedern unter Bereit des P­räsidenten Rodzianko ein Dieser Aus­­schuß erklärte sich als vorläufige Regie­­rung und verlieh folgenden Aufruf: ror an Anbetracht der­­wierigen Lagewm und der inneren Unordnung, die man der Bolität der­ alten Regierung verdankt, sieht sich der Bollzugsaufsíchlug der Dima­ge» swungen die öffentliche Ordnung in seine Land zu nehmen. In vollem Baukupt­­sein der Verantwortlichkeit des gefaßten Entflusses brüht der Ausfguß die Zuversicht aus, daß die Bevölkerung und bag Öeer ihm in der schwierigen Aufgabe ‚beistehen werden, eine neue Regierung zu schaffen, die den Wünschen des Volkes ent­gegenkommt und [ein Vertragen genießt] Der Bollungsausschuß frühte sich auf die im Aufruhr befindide Bevölkerung der Hauptstadt und auf die Garnison von Hes­tersburg, die, mehr als 30 000 Mann statt, si voständig mit den Aufständi­gen bereinigte, verhaftete alle Minister und hegte sie ins Gefängnis Die Dumacer­­klärte das Kabinett als nicht bestehend. ‚Heute, am dritten Tage des Aufstandes, ist Die Hauptstadt, in der die Ordnung­ Iänell wiederkehrt, in der Gewalt des Vollzugsausläustes, der Duma und bei Truppen, die die Dum­a­ unterstoßen. Der Abgeornete Engelhardt, Oberst im kiválás Generalstab, wurde vom Ausihug zum DELL­IS LHEE ernannt. . Freitag, 16. März 1917 „Gestern er richtete ber an die de­völtetung, an betruppen bie €itenőahnen und Banten Aufrufe, in denen­ er sie auffor­derte, das gewöhnliche­ véses­sat eher aufzunehmen . Der Abgeordnete Gronzfi Sie m Nusfling mit der vorübergehenden Zeitung der Petersburger EMMEN traut. (Aus OPSRSRUSERNE der duma . dem Abendblatte A u.3 [di­e einem Zeile der Auflage enthalten.) m wiederholt,­­ weil: nur üt Sronfladt in den Händen der Revolutionäre, Petersburg, 15. DKr. Die Petersburger R­e­inc tut teilt mit: « Die Dumaabgeordneten Pepelasetv und Taskin begaben sich heute auf Befehl des Exekut­­tivkomitees n­ach Kronstadt dessen Garnis­­on sich zur Verfügung des Komitees u PARAT ‚Pepelaojew wurde zum­ Romani zki bon Kronfabt ernannt Aufschlun von Moskau, Odeja, P. Charkow an die Revolution. Frankfurt a. M, 15. Mai Die Stanslucker Zeitung meldet aus Stocholm: Die Stadtverwaltungen von Mosfan, Rafan, Khartow und Odesja erklärten teles­graphisch ihren Anscchluß an den P­eters­­burger­­ Wohlfahrtsausschuß und sonftis liiierten sich als Ausschüsse der inneren Be­­freiung Rußlands. Be Bar auf der Flucht vor der Revolution, (Telegramm des Pester aresfr: Genf, 15. Mai, Rad) dem Tettps weilt der Zar im Haupts­tudgitét wohin er sie in Begleitun­g des Throne­folgers auf Drängen seiner Umgebung begeben Hatte, al die Unruhenfi bedrohlich gestalteten Wie Brotopopoim die Rer Revolution probogierte, EN des. aa 2loyb). . Hamburg, 15. Mai Korrespondent­a Semsatgilae m­eldet aus Stodholm:. Auf Anordnung des Mi­nisters des Bere Bros­topopom kamen vom 2. bis zum 6. März: täglich) durchsäh­tlich bip. 90 Eisenbahnwagen mit Lebensmitteln nach Petersburg, obgleich mindestens 370 erforderlich waren, um­ der furchtbaren Lebensmittelnot Halbwege zu­­ steuern. Diese Lebensmittel wurden von Beamten an solche Ar­­beiter und Minderbemittelte verteilt, die die Polizei als zuperläsfig bezeichnet hatte. " Mit­­glieder von Arbeitervereinigungen, die sich am Gemeralstreit beteiligt hatten, erhielten nur­ sehr geringe Mengen Lebensmittel oder gar feine. Das erregte­ die Mit der Ar­­be­iter,und > ihrer Grauen ganz außerordentlich. ‚Später Feuilleton. ‚Skifahrten vor dem Feinde. — don unserem Kriegsberigter­atten — Südtirol, 12. März. Nas Sturmtagen schien die Conne wieder, und in dei ersten Nachmittagsstunden, da die ärgste Lawinen­­gefahr vorüber war, machten wir und vom Regiments­­kommando, das schon an Die zweitausend Meter hoch liegt, zu den Höhenstellungen eines Kaiserjägerregiments auf. Ueber die weißen Lcjneeflächen wanden sich­­ lange Schlangen von fastentragenden Soldaten bergan, ebenso wie wir, immer in Gerpentinen hinauf. An fonnenz­beschienenien Hängen übten einige dienstfreie Artileristen das Skifahren und badeten gleichzeitig die nacten Ober­­körper im warmen Lichte. Oben ist ein Hauptmann Kom­­mandant, der vor dem Striege bei der Gardeinfanterie diente. Er hat aus jenen Hofzeiten noch die Gewohn­heit beibehalten, unter der Dluse Bir weiße Reitk­aivaite um den Hals zu schlingen. Sonst, so jagt er Telbit, haben ihn die Kriegsjahre völlig gewandelt. Als er vor fast einem Jahre nach Wien kam, erfannten ihn nach jenen harten golizischen und rufinigen Zeiten seine , besten, Freunde nicht mehr. Damals stand dem Regiment noch der Borz­marsch und oberitalienische Gebiet bevor, auf dem auch diesert Gebirgsfamm erobert­­­urde, den Die Italiener wiederholt in. mittendem . Trommel:­feuer. wieder zu erobern. versuchten. Das­ war im. .Serbst. . . Der. Hauptmann erzählt wie. er da­mals.in der­ Kompannie lauter achtzehnjährige Tiroler Burschen um sich hatte, die man, während Die­ italienische schwere Artillerie gegen sie loswütete, laut beten "hörte. Tags vorher hatte mir ein anderer Offizier­ von alten Tiroler Landstürmern erzählt, mit Denen :­er "‚hakselbe­in wer damals im neueroberten Gebiet. Heute sind längst überall in den Fels tiefe, mächtige Kavernen eingesprengt, in denen nach kurzem Marsch durch­flingende Schneetunnels ganze Kompagnien verschwinden können. Heute sind es gewissermaßen­­ den Stellungen „mit allem Komfort der Neuzeit“, zu dem auch „Luz“, der Kriegehund gehört. 3 und, wie nur, als eine P­atrouille in Eicht des­­ Feindes tief gebücht in Die Stellungen vorging, neben seinem Herrn, einem Ober­­leutnant, blieb, sich auf dem Boden flach ausstrebte, wenn der Offizier sich bühte, und erst mit seinem Herrn wieder vorging. Er saß neben seinem Herrn im­ Unterstand, ging zur Tür und­­ öffnete­ sie, als der Offizier ihm sagte, „Zur, hol’ den Diener“, und kam nach ein paar Minuten m­it dem Diener zurück. Kurz, zur ist ein stilles, kluges Wesen, wie es denn überhaupt zu den Problemen dieses Krieges gehört, ob nicht die Hunde als die besonneneren, überlegteren, mit einem Worte als die menschlicheren Besen anzuerkennen sein werden. In Kärnten erzählte mir ein Offizier, daß fürzlich einige seiner Leute von einer Lawine verschüttet wurden, als plöglich, ein italie­­nischer Sanitätshund, dem es offenbar bei unseren Fein­­den nicht mehr gefallen hatte, auftauchte und durch seine ohne­ jeden­ Befehl sofort aufgenommene emsige Arbeit auch richtig zehn Mann rettete. Er lebt seitdem, ger­bührend geliebt und geachtet, bei unseren Soldatern. . Hinter­ dem. . Kommandanten der Bergführer­­abteilung, einem Oberleutnant, der wohl einer der besten Skifahrer der Armee ist, fuhr ich beim Sonnenuntergang von" der Bernstellung zum Somimandd . zurück. Hinter mir fmirschte der € Conee unter den­ Eldern eines Kaiser­­jägers, der sichh über die wunderbare, fausende Sahrt | dur die abendlich glühende Alpenwelt nit genug erte züden konnte, und ein über das anderemal: hörte­ ich; ihn vor fi) Hinmurmeln: „Des iát wol prachtvoll! Des icht wol a. herrlicha Esporrt!“ " „Unter allen Soldaten haben’( nämlich­ die. an betten, denen es gegeben ist, den ganzen Krieg als­ einen großs angelegten, scharfen Chortbetrieb anzusehen. . Mit einigen dieser Glückkichen wanderte. ich am­ nächsten Morgen auf einen der beigumstrittensten Berg­gipfel der­ ganzen Tiroler­­ Alpenfront. Da war mein wührer vom Bortage, der Kommandant­ der­ Bergführer, der immer zur Stelle ist, wenn e ein gewagtes Unter­nehmen gilt, aber sonst,wie ein junger Lerrgott lebt. Das heißt: nach seinen Kriegsbegriffen Sfi fährt und. .in­ der dünnen Luft Sonnenbäder nimmt. Ein Sappeuroberleute­nant und ein Leutnant von der Telephonabteilung, die beide ,in­ den Höhenstellungen "Inspektionen : ‚ihrer­ ‚Abtess­­uungen vorhatten, fehloffen sie an, und es war eine Luft, an diesen dreien zu beobachten, wie. berg: und. sport« gewohnte Jugend, mag sie auch vor dem Striege noch auf der­ Schulbank gefessen, oder den friedlichsten Beschäf­­tigungen nachgegangen sein, mag sie ale Schrednisse gali­­zischer und ruffin­er Chlaptfelder erlebt haben, doch über all dies hinweg sich zu reiner Freude am EDEN dazäringt. An Truppen vorbei, ‘Die aus den Be­stellungen fanten und in deren übernächtige Gesichter a­m Mühsab­ des Lebens dort oben geschrieben waren, fuhren wir bergrüdenab, bergrüdenauf, durch Dieses­­ zerrissene Bergland fast drei Stunden lang. Dann nahen das freie Steigen und Wandern ein Ende, denn die­ Italiener haben hier­ oben auf alles Zebendige zu [harf-acht."Sechs­ Hundert Meter lang zieht sich ein Schneetunnel­ bis zu­ den vorderssten­ Stellungen, dessen Inneres’ zu mühsamstein Kriechen und Strettern zwinnt. Und doch wird den Kämp­­fern vom­ Bajubio durch diese ftodfinstere Enge alles its üles ss was, sie zum Leben und Kämpfen "brauchen , ; |. 6

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