Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1929. augusztus (76. évfolyam, 172-196. szám)

1929-08-01 / 172. szám

PESTER LLOYD • 2 • Donnerstag, 1. August 1929 wendbare Zusammenbruch der für den 1. August geplanten Aktion sich auf russischem Boden jetzt oder m naher Zukunft in einer Auf­lehnung der enttäuschten und erbitterten Volks­massen auswirken werde. Das wird ganz gewiß nicht der Fall sein. Das Sowjetregime wird sein elendes Dasein weiter fortfristen, keine innere Empörung wird ihm den Lebensfaden ab­schneiden. Dazu ist die russische Seele viel zu unterwürfig, viel zu sehr zum stillen Leiden geboren und viel zu sehr einem hoffnungslos passiven Fatalismus ergeben, der ihr im Verlaufe einer viel­hundertjährigen Entwicklung und auch kraft ihrer ganzen physiologischen und psychologischen Ver­anlagung nachgerade zur zweiten Natur geworden ist. Der Muschik wird weiter murren, der Fabriks­arbeiter wird weiter den Nacken ins Joch beugen, aber nicht der eine, noch der andere wird sich ge­gen seine Unterdrücker und Aussauger erheben. Die Sowjetmacht hat vom . eigenen Volke so gut wie nichts zu fürchten, die russische und nichtrussische Welt wird von ihr erst befreit werden, wenn Moskau an seiner eigenen Entnervung zugrunde geht, wenn die Fäulnis, die sich der Bolschewikenherrschaft bereits zu bemächtigen beginnt, sich fortschreitend über ihren ganzen Organismus verbreitet, bis zuletzt die Zügel ihrer erschlafften Hand entfallen. Das kann noch sehr lange dauern, und bis es dahin kommt, werden die Regierungen und die Völker der gesitteten Welt beständig auf ihrer Hut sein müssen, um gegen Überfallsversuche von Moskau her jederzeit gefeit zu sein. * * * (Telegramm unseres Korrespondenten.) Wien, 31. Juli. Heute abend ist bezüglich des zweiten Rekurses, den die Kommunistische Partei in Angelegenheit ihrer für morgen abend geplanten Kundgebung beim Landeshaupt marin einlegte, die Entscheidung gefallen und es bleibt beim polizeilichen Verbot der kommunistischen Versamm­lung, sowie des geplanten Umzuges über den Ring. Der Landeshauptmann hatte den Rekurs der Kommunistischen Partei entgegengenommen und es fanden bis zum späten Abend Besprechungen im Bundeskanzleramt unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers Streeruwitz statt, der erst heute abend wieder nach Wien zufückgekehrt ist. Die Polizei wird morgen vollständig unter Bereit­schaft stehen und in den verschiedenen Bezirken stärkere Wacheaüfgebotc zusammenziehen. Zusammenrottungen in den Bezirken sind verboten, ebenso der Versuch der Ab­haltung einer Versamhmg unter freiem Himmel. Für mor­gen vormittag haben die Invaliden eine Kundgebung in Meidling angesagt, die von den Behörden gestattet wurde. Am Abend finden zwei Heimwehrversammlungen statt, die eine in Meidlingf die andere auf dem Neubaugürtel. In der österreichisch-tschechischen Grenzstation Lundenburg wurde heute der tschechoslowakische kom­munistische Abgeordnete Edmund Burian angehalten, als .er sich über die österreichische Grenze nach Wien begeben wollte. Trotzdem er einen ordnungsgemäß aus­gestellten Paß hatte, wurde ihm der Übertritt der Grenze verweigert. Er wurde im Zug während der Paßrevision angétroffen und sofort aus dem Zuge gebracht. Es wurde Vorsorge getroffen, daß er nicht auf Schleichwegen nach Österreich gelange. Augenscheinlich sollte Burian zum Zwepk der für morgen geplanten kommunistischen Kund­gebungen nach Wien kommen und hier den tschechi­schen kommunistischen Abgeordneten Smerda ersetzen, der bekanntlich Sonntag nach einer aufreizenden Rede verhaftet und dem Landesgeficht eingeliefert worden ist. Der Antrag, Smerda gegen Kaution aus der Haft zu ent­lassen, wurde vom Landesgericht mit der Motivierung abgelehnt, daß Verabredung, Wiederholung und Fluchl­­gefahr nach der Enthaftung obwalten. Vor dem 5. August wird kein weiterer Zeuge in der Angelegenheit Smerda verhört werden. Belgrad, 31. Juli. (Avala.) Aus Sarajevo wird ergänzend gemeldet: Die Polizei hat Kenntnis davon erhalten, daß in Sara­jevo eine terroristische Kommunistenzentrale errichtet wurde, und unternahm deshalb in der vergangenen Nacht eine Hausdurchsuchung in der Wohnung eines gewissen Marian Barun, die sich in der Umgebung der Stadt befindet. Die Polizei drang in der Abwesenheit Baruns in die Wohnung ein und fand dort mehrere tausende kommunistische Flugschriften, in denen die Arbeiterschaft zur Revolution aufgewiegelt wird. Die Polizei umzingelte das Haus und verhaftete Barun, als dieser nach Hause kam. Barun gab nach längerem Verhör zü, daß die Flugschriften in einer Geheim­druckerei hergcstellt wurden und machte sich mit be­waffneten Polizisten auf den Weg, um diese zur Druk­kerei zu führen. Unterwegs gaben drei unbekannte Personen Schüsse auf die Polizisten ab, die das Feuer erwiderten. In der hiedurch entstandenen Verwirrung unternahm Barun einen Fluchtversuch, doch wurde er von einer Kugel tödlich getroffen. Den Angreifern ge­lang es, in der Dunkelheit zu entweichen. In der Ange­legenheit wurde eine strenge Untersuchung eingeleitet. Belgrad, 31. Juli. (Wiener Amtliche Nachrichtenstelle.) Nach weiteren Berichten aus Sarajevo sind durch den von den kom­munistischen Arbeitern in den Eisenbahnwerkstätlen gelegten Brand zwei .Gebäude und drei Baracken voll­kommen zerstört worden. Das Hauptgebäude konnte ge­rettet werden. Der Brandschaden wird auf 4.5 Millionen Dinar geschätzt. Die Löscharbeiten der Feuerwehr wur­den dadurch erschwert, daß die Kommunisten auch alle in den Werkstätten befindlichen Löschgeräte unbrauch­bar gemacht hatten. Die ganze Aktion hat nach den bis­herigen Erhebungen ein Werkführer geleitet. Belgrad, 31. Juli. (U. T.-K.-B.) Aus Agram wird gemeldet: Die polizei­liche Untersuchung in der Kommunisteriangelegenheit ergibt immer rieue Daten. Eine Frau, die des Mordes an­geklagt wurde, führte die Polizei auf die Spur eines Ar­beiters, in dessen Wohnung man mehrere Dynamitpatro­nen fand. Der Arbeiter wurde sofort verhaftet. Er gab den Namen eines Kaffeehausbesitzers än, von dam er die Patronen erhalten haben soll; diesen nahm die Polizei ebenfalls fest. Die Polizei stellte fest, daß ein Teil der in den letzten Tagen verhafteten Personen in Rußland die Terroristenschule absolviert und im vorigen Jahre im Auslande mehrere geheimnisvolle Verbrechen begangen hatte. (Telegramm des Pester Lloyd.) Prag, 31. Juli. Ohne daß die kommunistische Partei verboten wor­den wäre, ist sie durch die tatsächlichen Verhältnisse in die Illegalität gedrängt worden. Die Regierung hat in Prag aus ganz Böhmen Gendarmerie zusammengezo­gen, um Demonstrationen am morgigen ersten August zu verhindern. Polizei und Militär befinden sich in Alarmbereitschaft. Die Polizei ist mit Gewehren und Maschinengewehren ausgerüstet worden. Die Polizei wird einen Kordon um Prag ziehen, um den Zuzug von Arbeitern vom Lande zu verhindern. Alle Kommu­nistenführer, die verurteilt wurden, aber ihre Strafe noch nicht angetreten haben, wurden behufs Strafan­­trilts vorgeführt, so der kürzlich verhaftete Abgeordnete Harus, der vom Brünner Strafgericht vor einiger Zeit sieben Monate erhielt und jetzt dem Strafgericht einge­liefert wurde, wo er nunmehr Tüten kleben muß. Alle Organe der kommunistischen Partei sind eingestellt worden. Die Hauptorgane erscheinen in einer gehei­men Druckerei illegal. Die kommunistische Internatio­nale hat dem Prager Politbureau mitgeteilt, daß sie grundsätzlich mit dem Anträge des mitteleuropäischen Bureaus übereinstimmt, daß die kommunistische Par­tei in der Tschecho-SIowakei in eine illegale unterirdi­sche Organisation umgewandelt werde, die mit Hilfe geheimer Zellen arbeiten soll. Die kommunistische Partei hat heute ein Manifest erlassen, das bis auf den Anfang und Schlußsatz konfis­ziert wurde. In dem nicht konfiszierten Teil protestiert das Manifest gegen die Verhaftung von 183 Kommu­nisten in Prag und verlangt, daß die Prozesse gegen sie durchgeführt werden. Schließlich fordert das Manifest die Arbeiter auf, am I. August gegen Teuerung, Faszis­mus und drohende Kriegsgefahr zu manifestieren. Prag, 31. Juli. (U. T.-K.-B.) Nach den Meldungen der Blätter wurden für den morgigen roten Tag alle notwendigen Sicherheits­maßnahmen getroffen. In Prag und in anderen Industrie­zentren der Republik wurden zahlreiche Gendarmerie­­truppen konzentriert. Nach den Blättern ist ein völlig’ ruhiger Verlauf des morgigen Tages zu er­warten; auch glaubt man, daß auch Samstag und Sonntag keine Ruhestörungen stattfinden werden. Der kommunistische Parteiausschuß erließ gestern einen Aufruf, in dem er die Arbeiterschaft auf­fordert, am 1. August gegen den Faszismus, den Krieg und die Teuerung durch Einstellung der Arbeit zu de-, monstrieren. Dagegen beschlossen die Betriebsleitungen, von einem eventuellen Streik die Konsequenzen zu zie­hen und die kommunistischen Arbeiter zu entlassen. Die Kommunisten des Mährisch-Ostrauer Kohlen­reviers planen einen vierstündigen oder vielleicht ein-: stündigen Streik. Gestern sind einige verbotene kommu-i nistische Blätter, so das offizielle Rude Pravo, der: deutsche Vorwärts und die Internationale erschienen, sie sind aber alle beschlagnahmt worden. (Telegramm des Pester Lloyd.) Paris, 31. Juli. In der vergangenen Nacht hob die Polizei eine kom­munistische Geheimversammlung aus und verhaftete sechs Personen. Weitere Verhaftungen sind für heute erwartet, so daß man sich fragt, ob am 1. August überhaupt noch: Kommunisten sich auf freiem Fuß befinden werden. Paris gleicht einem großen Heerlager. Obwohl der Be­lagerungszustand nicht verhängt wurde, kommen die Maßnahmen der Polizei auf das Gleiche heraus. Die Banken in den Vororten von Paris haben Weisung er­halten, ihre Tresors nur bei unbedingter Notwendigkeit zu öffnen und bei dem ersten Alarmzeichen wieder zu schließen. Paris, 31. Juli. (Havas.) Die Polizei nahm heute 40 Verhaftungen vor. Es handelt sich um Personen, die an der Vorbereitung der für den 1. August geplanten Kundgebungen teilgenom­men haben. Außer den Verhaftungen Unterzeichnete der Innenminister Tardieu auf Grund des Referats des Polizei­präfekten 58 Ausweisungsbeschlüsse gegen ausländische: Kommunisten, die an den Vorbereitungen ebenfalls be­teiligt waren. Zehn von diesen verließen ihre Wobnung,; um den Maßnahmen der Behörden zu entweichen.; Achtundzwanzig Personen wurden über die Grenze geschoben. Als Graf Zeréndy allein war, trat er nochmals ans Fenster und wartete mit fieberhafter Ungeduld darauf, daß der Zug eine Kurve nehme; denn dann konnte er dasjenige sehen, wovon er sich nicht los­reißen konnte; jene in ewiger Unrast wirbelnden Draperien, die gleichsam von der Nacht zum Sarg, vom Sarg zu der Nacht das trostlose Dunkel hin­­und herzuweben, zu spinnen, zu verdichten schienen. * * * Lászlóháza. Deputationen. Fahnen, eine schwarz wimmelnde Menge. Zeréndy saß fröstelnd zusammengekauert im bequemen Fauteuil, den man ihm angeboten hatte, nahe der Haustür, der Bahre gegenüber. — Weshalb bin ich eigentlich hier? — fragte er sich, , und fand nur eine Antwort, das Wort; „Impuls“. — Ja, das war es. Ein Impuls zu einer Unbedachtsamkeit — schalt er sich insgeheim. — In meinem Alter. Kann es ein lächerlicheres Begin­nen geben? Das hat mich immer ins Verderben ge­führt. -Das hat mich vor zweiundfünfzig Jahren aus der Heimat vertrieben, das brachte mich heute hie­­her. Ein sinnloser Wettlauf (oder war es ein Duell?) mit Phantomen. >,Ich werde es zeigen,“ „Und doch,“ „Ich werde es zu mehr bringen als er“... er, Géza Szántay, dieser stille Tote. — Ich habe ihn immer gehaßt, weil ich ihn immer beneidet habe — und doch, welche Wandlung hat dieses Gefühl in meiner Seele durchgemacht. Zuerst . war es eine brennende Lohe — später eine eisige Zwangsvorstellung... Sonderbar, daß ich dies erst jetzt erkenne; aber so war’s. Genau so. Um ihn herum kamen immer neue Leidtragende an. Der Bischof durchquerte soeben den Raum, um die Zeremonie mit glänzender Assistenz zu voll­ziehen. Da merkte man am Autolärm und an den Verbeugungen der Anwesenden, daß eine allgemein verehrte Persönlichkeit angekommen war. Zeréndy blickte gleichgültig hin — eine sehr elegante alte Dame, noch immer in kerzengerader Haltung, war die Angekommene. Man öffnete ihr den Weg durch die Menge; ein Bedienter trug Fußsack, Pelz, Gebetbuch nach, zwei weitere Diener aber einen zweiten Fauteuil, der ebenos aussah, wie derjenige, in dem Graf Ákos Zeréndy sich nun erregt zu rühren begann. — Könnte ich wenigstens ihr Gesicht sehen, dachte er, obwohl er ganz genau wußte, daß Leonie Rápoldy neben ihm Platz genommen hatte. Schon hörte er ihre Stimme, wie sie, zu ihm gebeugt, mit dem Tone zweifelnder Überraschung fragte: — Zevéndy? — Noch immer Zeréndy und nicht Zevéndy, Ew. Gnaden zu dienen, flüsterte er mit scherzhafter Unterwürfigkeit zurück. Seine Hand wurde freund­lich von einer Damenhand in schwarzem Handschuh öerührt. — Armer Szántay. Nicht wahr? hörte er nicht ohne Bitterkeit. Nach vielen Trauerreden, die unendlich sich hinzuziehen schienen, setzte sich endlich der Zug in Bewegung. — Ich glaube, gnädigste Gräfin, meinte der junge Szántay, es wäre besser, wenn Sie nicht in den Friedhof kämen. Wir waren schon sehr geehrt, daß Sie sich herbemüht haben. Wie wohl würde es meinem armen Bruder tun, wenn er es wüßte. — Wenn er es wüßte! wiederholte Zeréndy und stand auf, um mit den anderen zu gehen. Aber Leonie ergriff plötzlich seinen Arm. — Bleiben Sie. Ich bitte, bleiben Sie und reden i wir von ihm. Zeréndy blickte sie verdutzt an; nahm jedoch erst das Wort, als der Sarg ihren Blicken ent­schwand. — Von ihm sollen wir sprechen? fragte er vor­wurfsvoll. Ich mit ihnen? Von Szántay? Denken Sie nicht, liebste Gräfin, daß wir die Zeit abwarten könn­ten, da wir uns alle drei als Gespenster begegnen *-i in Rápold? | — Denken Sie nicht, lieber Graf, daß uns beiden nur wenig dazu fehlt, um es zu sein? Wir sind doch die Gespenster unserer Vergangenheit. — Nein. Ich würde es nur dann zugeben, wenn alle Wunden meiner Seele geheilt wären. — Sind sie es nicht? — Nein. Wenn Sie es wissen wollen: sie sind es nicht. — Was kann Ihnen noch wehtun? — Alles. Sie wissen, wie wahnsinnig ich Sie ge­liebt habe. — Ja... Haben Sie es doch einmal selbst ein* gestanden, habe ich’s doch einmal selbst geglaubt..« ich habe Ihnen einmal auch gesagt... daß ich wan ten werde .. . — Nun, das ist es eben! Sie haben’s gesagt und — — Und ... es kam anders ... — Es kam anders. Sehr liebenswürdig... Be­sonders, daß Sie es so ruhig sagen! — Ein halbes Jahrhundert war Zeit genug, mich zu beruhigen. Oder nicht? — Spotten Sie nur. Oder wollen Sie etwa leug­nen, daß ... — Daß Sie in einer schwülen, warmen und dunklen Mainacht, als wir beide auf der Veranda standen, mir ins Ohr geflüstert haben, während Kasimir seine Zigarre holen ging... mir ins Ohr geflüstert... ja, daß ... — „Seien Sie heute Nacht unter den Hybiskus­­büschen. Punkt um zwölf.“ Ist es wahr? — Ja, aber Sie sagten, „Punkt elf“. — Zwölf. Aber das ist belanglos ... Immerhin, Sie geben es auch heute zu, daß Sie in jener schwü­len, warmen und dunklen Mainacht einem wahn­sinnig verliebten Menschen ein Stelldichein gaben . — Nämlich Ihnen. Ja, ich gebe es zu. — Aber statt zu kommen, haben Sie jemand anderen in Ihrem Zimmer empfangen.

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