Pester Lloyd - esti kiadás, 1929. október (76. évfolyam, 222-248. szám)

1929-10-01 / 222. szám

Einzelnummer an Wochentagen IC, »n Sonntagen 38 Heller. Abonnement: für Budapest: mit täglich zweimaliger Zustellung and für das Inland Morgen* and Abendblatt: Vierteljährlich 18 P, monatlieb 6.40 P. Für das Morgenblati allein viertelj&hrliob 11 P, monatlich 4 P. Auoh auf das Abend­blatt allein kann unter den gleichen Bezugs­bedingungen abonniert werden. F&r die separate Zusendting des Abendblattes nach der Provinz sind vierteljährlich 1 Pengd zu entrichten. FUr Wien auch durch Herrn. Goldsohmldt Für das Ausland mit direkter Kreuzband­sendung vierteljährlich : FUr Oesterreich and Polen 20 Pengd, für Jugoslawien 24 Pengő, für alle übrigen Staaten 30 Pengő. Abonnements werden auch bei sämtllohen ausländischen Postämtern entgegongenommeu. Manuskripte werden nicht zurflckgesteüfc Telephon der Redaktion : 848-20«PESTER LLOYD ABENDBLATT í nseratenaufnahme 8 ln Budapest, in der Administration des Pester Lloyd und in den Annoncen« Bureaus: Balogh Sándor, J. Blocknor, J. Blau, Győri A Nagy, Haasenstein A Vogler, Ludwig Hegyi, Simon Klein, Cornel Loopold, Julius Leopold, Magyar hirdető-iroda, Rudolf Mossa A.-G., Jos. Schwarz, Sikray, Julius Tenzer. Generalvertretung des Pester Lloyd für Oesterreich : M. Dukes Nachf. A.-CL Wien, Wollzeüe 16. Einzelnummer für Budapest und für die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen 18 Heller, an Sonntagen 82 Heller, Abendblatt 16 Heller. — FUr Oastorreloh: Morgenblatt an Wochentagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 30 Gr. — Für Jugoslawien: Morgenblatfi au Wochentagen 3 Dinar, au Sonntagen 4 Dinar und Abendblatt 2 Dinar 50, Redaktion u.Adm.: V., Mária Valéria-uoca 12, Telaohon d«r Adminlitratfoi: 819-09. 76. Jahrgang. Budapest, Dienstag, 1. Oktober 1929. Nr. 222 Auslandschau, — 1. Oktober. — Deutsehlernen in englischen Schulen. Die Engländer sind kein sprachlernendes und sprachkundiges Volk. Man behauptet von ihnen, ihre einzigartige Machtstellung mache sie zu eingebildet, um die Sprache „minderwertiger“ Ausländer be­sonderer Aufmerksamkeit zu würdigen. In England selbst herrscht noch in weiten Kreisen die Auf­fassung, ein Brite brauche sich nicht mit mühe­vollen Sprachstudien abzugeben, da ihm, dessen Muttersprache das verbreitetste Weltidiom sei, Türen und Tore in der ganzen Welt offen stünden. Und solange die stolze Inseleinsamkeit der Söhne Albions Tatsache war, konnte man kaum etwas gegen diese Auffassung einwenden: denn der Kontinent bedeu­tete damals für den Engländer eine vernachlässigte Größe, und auf den weiten Straßen der Welt konnte er sich mit seiner Muttersprache überall heimisch fühlen. Der Krieg und die nachfolgende Periode haben diese Einstellung der Engländer der übrigen Welt gegenüber von Grund auf geändert. Das Meer hörte auf, die stolze Insel wie eine chinesische Mauer zu umgeben. England sah seine Geschicke plötzlich mit denen des Kontinents, über dessen Länder es früher so gern hinweggesehen hatte, aufs tiefste ver­wickelt. Der Krieg rückte es zu seinem östlichen Nachbar in eine nie geahnte Nähe, und die Nach­kriegsperiode förderte den Gedanken der Annähe­rung der Völker derart, daß England nun durch die Stellung, die es im Völkerbunde innehat, und durch die Rolle des Vermittlers, die es jahrelang zwischen Frankreich und Deutschland einerseits, zwischen Amerika und Europa andererseits gespielt hatte, sich mit allen Völkerschicksalen solidarisch fühlen mußte. Es ist kein Zufall, daß die Idee der Revision des ungeheuerlichen Trianonvertrages gerade von einem führenden englischen Publizisten ausging. Diese Wandlung in Englands Einstellung zur übrigen Welt konnte auf dem Gebiete der Sprachkultur nicht spurlos bleiben. Es gab immer viele Engländer >— sprichwörtlich viele —, die die großen Touristen­straßen der Welt bevölkerten. Nun gibt es aber seit Jahren ihrer immer mehr, die es überdrüssig sind, die Rolle eines angestaunten exotischen Gastes in Kniehosen, Gummimantel und Reisemütze zu spielen. Sie begnügen sich nicht mit der oberflächlichen Schau, die sich dem banalen Museumsbesucher er­öffnet. Sie setzen ihren Ehrgeiz darein, Land und Leute so zu kennen, wie sie in Wirklichkeit sind: sie wollen ihre Gedanken belauschen, ihre Sprache reden. Zunächst äußerte sich freilich diese Tendenz in einem riesenhaften Aufschwung des Französisch­lernens. Paris mit allen seinen Wundern liegt in verlockender Nähe vor dem Engländer da: da gab es alljährlich Tausende und Abertausende, die sich gern von der Sirene des Seineufers verlocken ließen. Dementsprechend gestaltete sich der Sprachunter­richt in den Schulen. Eine moderne Sprache — Deutsch oder Französisch — kann der englische Mittelschüler frei als Fach wählen. Bisher besteht zuungunsten der deutschen Sprache ein großes Miß­verhältnis: von den 58.000 Schülern, die jüngst die Reifeprüfung bestanden haben, wählten 54.000 die französische und nur 4000 die deutsche Sprache. Dieses Mißverhältnis fällt schließlich selbst den Eng­ländern auf. Der vornehme Manchester Guardian beläßt sich mit dieser Frage in einer ganzen Reihe von Artikeln und weist darauf hin, daß die deutsche Sprache den Engländern zumindest ebenso wichtig sei, als die französische. .Gibt es doch in der Welt 75 Millionen Deutschsprechende und bloß 46 Mil­lionen Leute, deren Muttersprache Französisch ist!“ Und somit rückt die große liberale Zeitung dem alten Widerwillen der Engländer gegen das Deutsch - lernen, den sie als eine „alberne Tradition“ bezeich­net, mutig zu Leibe, und findet dabei im Publikum großen Widerhall. Selbst das englische Unterrichts­ministerium hat zur Sache jüngst Stellung genom­men: es hat angeordnet, daß künftig von den Schu­len dem Unterricht in der deutschen Sprache eine j größere Aufmerksamkeit als bisher zugewandt wer den soll — und beruft sich dabei auf die wachsende Bedeutung Deutschlands im Wirtschaftsleben und in der geistigen Gemeinschaft der Völker. Die : neuesten Wendungen der europäischen Politik scheinen auch dieser Tendenz das Wort zu reden. Die englisch-französischen Auseinandersetzungen nehmen seit dem Haag einen unwillig-kalten Ton an, während sich zwischen England und Deutsch­land eine solide Freundschaft anbahnt. Es liegt zu einem großen Teil an diesen Sympathien und Anti­pathien, wenn offizielle und nichtoffizielle Stellen der geistigen Annäherung zu Deutschland das Wort reden. Andererseits kann man in Deutschland eine analoge Bewegung beobachten: dort wird nämlich in vielen Mittelschulen sowohl Französisch als Eng­lisch unterrichtet. Früher behauptete sich Franzö­sisch als erste Fremdsprache; jetzt muß es dem nördlichen Rivalen in immer wachsendem Umfange weichen. Hier reden bei politischen auch wirtschaft­liche Gründe mit. Sprachenlernen ist für den Deutschen in Welthandelsbeziehungen unerläßlich, und es lohnt sich da besser, englisch als französisch zu studieren. Bei uns kann man seit Jahr und Tag die gleiche Tendenz beobachten. Der Rückgang in der ausländischen Verbreitung der französischen Sprache stimmt manche Franzosen bedenklich. Nun sprechen die obenerwähnten Anzeichen dafür, daß dieser Rückgang sich auch im großen Verbündetenlande fühlbar zu machen beginne — und zwar zugunsten der einst verachteten Sprache der alten Gegner. Griechische Probleme. Wie wir an anderer Stelle berichten, ist der griechische Ministerpräsident Venizelos in Berlin eingetroffen. Gleichzeitig hat der griechische Außen­minister sehr energisch die Unterstellung dementiert, daß er ein Bündnis mit Jugoslawien anstrebe. Beide Meldungen kennzeichnen zur Genüge, daß Griechen­land dank der klugen Auslandpolitik Venizelos— Michalokopulos aus der seinerzeitigen Isolierung herausgekonunen ist und die Freiheit des Handelns wiedererlangt hat. Die Hoffnung der Kleinen En­tente, auch Griechenland einzufangen, muß ebenso wie die diesbezügliche Hoffnung auf Polen endgültig begraben werden. Venizelos ist klug genug, sich nur auf lebensfähige Bindungen einzulassen, die er sich aber erst auszusuchen gedenkt. Vorläufig bietet ihm die Freundschaft zu Italien einen ausgezeichneten Rückhalt, die Entwicklung der Dinge abwarten zu können. Für die italienische Konzeption auf dem Balkan ist die Versandung der griechisch-türkischen Aus­gleichsverhandlungen eine unerwünschte Erschei­nung. Die Situation hat sich aber eher verschärft, als entspannt. Die letzte türkische Antwortnote auf die griechischen Vorschläge in der Austausclifrage war ziemlich unfreundlich gehalten und verlangte neue griechische Zugeständnisse, die der griechische Außenminister als ausgeschlosst, n bezeichnete. Michalokopulos erklärte darüber hinausgehend, daß ! Griechenland dit Vermittlung des Völkerbundes an­­rufen werde, wozu die Vorbereitungen bereits ge­troffen seien. Es bleibe kein anderer Weg übrig, da die Regierung von Angora sich auf den Standpunkt stelle, daß für Fragen, die während der Anwendung von Verträgen entstanden seien, das Schiedsgericht unzulässig sei. Michalokopulos fügte hinzu, daß er sich über den Gesamtkomplex während seines Auf­enthaltes auf Lesbos in einer großen Rede äußern werde. Griechenland sei friedlich gesinnt und wünsche, nur Aufbauarbeit zu verrichten, glaube auch nicht die Ausstreuungen, daß die Türkei einen Putsch gegen die Inseln Lesbos, Chios und Samos plane, wolle aber den Auslauschslreit endlich be­endigt sehen. Die Tatsache, daß Venizelos die Besuchsreise in eine Reihe von europäischen Hauptstädten be­reits begonnen hat, kann als ein Beweis dafür be­trachtet werden, daß der Premier die innerpolitische Lage als sicher betrachtet. Die Niederlage bei den Gemeindewahlen war, wie wir schon seinerzeit fest­stellten, weniger ein Mißtrauensvotum gegen Veni­zelos selbst, als ein Wink ansehnlicher Wählermas­sen, daß eine geänderte Plattform unter Versöhnung der Tsaldaristen gewünscht wird, und zwar unter Beiseiteschiebung der Gonatas-Plastiras-Konjunk­­turritter. Mit den unzufriedenen Offizieren, die das Gesetz über freiwilliges Ausscheiden gegen Abfin­dung zu einer Massendemission von achtzig Pro­zent des höheren Offiziersstandes mißbrauchten, um solcherart einen Druck auf die Regierung auszu­üben und sich größeren Einfluß und höhere Gagen zu sichern, wird der energische Kreter schon fertig werden. Was aber die mehrmaligen Versuche zur Störung der innerpolitischen Ruhe durch dit mil Geld reich dotierte kommunistische Agitation be i trifft, so hat Venizelos mit einem Schlage tabula ; rasa gemacht, indem er die Exterritcriaiitälsrechle : der russischen Handelsniederlassungen einschränkte ! und auf Grund des schleunigst geschaffenen Anti- J kommupistengesetzes mit schweren Strafen und Verbannungen vorging. Venizelos ist fest entschlossen, die Konsolidier rungsarbeit energisch fortzusetzen, und er ist der Überzeugung, daß der Ausbau der Wirtsschafts­beziehungen die Hauptsache ist. In diese Kategorie gehört denn auch zum wesentlichsten Teil sein Ber­liner Besuch. Der durch Erfahrungen geläuterte Venizelos von heute ist ein abgeklärter ^Staatsmann geworden, der Griechenlands Geschick nicht mehr an ferne Zukunftshoffnungen binden will, sondern sich auf den festen Boden der Tatsachen stellt. Kinderehen in Indien. Das Parlament von Delhi arbeitet sich mühsam durch eine stürmisch bewegte Session hindurch. Die nationalistischen Parteien verleihen mit immer zu­­nehmender Intransigenz den Unabhängigkeits­­forderungen der öffentlichen Meinung Ausdruck, Auf getrennten Gebieten, mit immer neuen Waffen wird der Kampf gegen die englische Oberherrschaft geführt. Bald werden englische Textilprodukte mit Zöllen belegt, bald bahnt sich eine Boykottbewegung gegen britische Waren an, bald werden Forderungen nach dem Dominionstatut laut, bald wiederum er­scheinen sogar diese viel zu gemäßigt, und die ra­­dikale Jugend wählt die völlige Unabhängigkeit bolschewistischer Prägung als Parole. Im Parlament selbst finden viele dieser Bewegungen und Bestre­bungen lebhaften Widerhall. Politische Gefangene, die der Gerichtsverhandlung durch einen Hunger­streik entgehen wollen, werden als nationale Mär­tyrer gefeiert, die Justizbehörden aber als Henker hingestellt. Die Gandhische Methode des gewaltlosen Widerstandes wird durch einen terroristischen Guerillakrieg immer mehr in den Hintergrund ge­drängt: in manchen Bezirken des Riesenlandes sind die englischen Beamten ständiger Lebensgefahr aus­gesetzt, —— ihre Angreifer aber, wenn gefangen, er­werben sich durch einen Hungerstreik leicht die Gloriole der Märtyrer und Helden. Es ist wahrlich kein leichtes Geschäft, unter diesen Umständen Indien zu regieren. Mitten im stürmischen Treiben des Parlaments bildete die Debatte des Gesetzes über die Kinderehen sozusagen em Moment der Erholung. Was die nationale Gefahr betrifft, die die weitverbreitete Unsitte der Eheschließungen unter unreifen Kindern darstellt, sind alle modern eingestellten Parteien, ob regie­rungsfreundlich oder nationalistisch, ungefähr der­selben Meinung. Ja, gerade die intellektuelle Klasse, m deren Bewußtsein sich der Gedanke des unab­hängigen staatlichen Daseins ausgeprägt hatte, leistet in diesem Punkte der Regierung die willigste Gefolgschaft, indem sie die rückständigen, aber­gläubischen Lebensformen, die das Lebensmark des indischen Volkes aussaugen, durch alle Mittel zu vertilgen sucht. Da am politischen Leben gerade diese Schichten am aktivsten teilnehmen und deshalb im Parlamente am zahlreichsten ver­treten sind, konnte sich die Gesetzvorlage ohne größere Schwierigkeiten durchsetzen; dadurch wurde das heiratsfähige Alter bei Mädchen mit 14, bei Knaben mit 16 Jahren festgesetzt. Eine andere Frage ist freilich, wie sich das Gesetz in die Praxis umsetzen läßt. Indien ist trotz des modernen Fort­schritts in vieler Hinsicht immer noch das Land der dunklen Geheimnisse. Das traumbeladene, traumbestrickte, dunkle Blut des Inders ist ein ganz besonderer Saft. Es hat Wallungen und Stürme, die geheimnisvolle, giftige Blüten der Lust und der Sünde mit magischer Geschwindigkeit aufkeimen lassen. Man muß den schweren, mit würzigen, be­täubenden Gerüchen beladenen Duft der indischen Nacht kennen, um die Tiefe der Lust zu ermessen, deren geheimnisvolle Gewalten Geist und Körper dieses unglücklichen Volkes in ihrem Banne halten. Die Aufklärungsarbeit einer fortschrittlich ge­sinnten Intelligenz und die Strenge der das Gesetz verwaltenden Behörden werden den Jahr­tausende alten Urwald des Volksglaubens nicht über Nacht ausroden können. Der Inder hält mit ver­zweifelter Energie an seinem religiösen Erbgute fest. Religion gebraucht er als Waffe und als Kampf­wort in seinem nationalen Ringen gegen den frem­den Herrscher. Und gerade diesen Brauch, der an seinen Lebensenergien so tödlich zehrt, empfindet er als sein Heiligstes, als göttliches Gebot. Die Moham­medaner Indiens betrachten die frühe Heirat als des Gläubigen Pflicht, und bei den Indern ist es gerade in den höheren Kasten Gesetz, die Mädchen vor dem Pubertätsalter zu verheiraten. Die Paria mentsmehrheit, die sich gegen diese Mißbräuche aussprach, besagt nichts über die herrschende Auf­fassung im Lande, da es gerade die der Politik ab­gekehrten, religiös aber desto fanatischeren Massen

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