Pester Lloyd - esti kiadás, 1929. november (76. évfolyam, 249-273. szám)

1929-11-02 / 249. szám

PESTER LLOYD aufzuweisen, dann ergibt sich hieraus von selbst eine Schwächung der innerenglischen Opposition. Wenn da­gegen, wie es Lord Birkenhead befürchtet, die Forde­rungen der indischen Parteien durch diese Erklärung gesteigert werden, dann wird die indische Frage zu einer entscheidenden Belastungsprobe für die Regierung. In diesem Zusammenhang verdient eine Meldung aus 'Neudelhi Beachtung, wonach dort unter der Führung von Gandhi eine Versammlung bedeutender politischer [Führer Indiens stattgefunden hat, an der auch der Prä­sident der gesetzgebenden Versammlung teilnahm. Es ^wurden folgende Forderungen gestellt: Eine' Zusicherung, |idaß eine große indisch-englische Konferenz zur Erörte­­jenng des Indien zu gewährenden Dominionranges ein- Jfoerufen werde, auf der in erster Linie die Mitglieder des Ipllindischen Nationalkongresses vertreten sein müssen. Die Beziehungen zu Rußland. London, 2. November. (U. T.-K.-B.) Die Regierung stellte einen Beschluß­­itmtrag, nach dem das Haus erklärt, daß es die Wieder­­iaafnahme der diplomatischen Beziehungen zu Rußland jür erwünscht halte ljnd das am 6. Oktober durch die [Vertreter der beiden Staaten Unterzeichnete Protokoll [billige. Demgegenüber stellten von seiten der Konserva­tiven Baldwin und Chamberlain den Modifizierungs­fantrag, in dem das Haus ersucht wird, sein Bedauern über den Umstand auszudrücken, daß die Regierung sich von den durch den Ministerpräsidenten und den iStaatssekretär des Auswärtigen vorher festgelegten Be­idingungen abbringen ließ, und die Wiederaufnahme der [Beziehungen ohne die Erfüllung der genannten Bedin­gungen zu mißbilligen. Gemeind e wähle n. London, 2. November. In England und in Wales fanden Freitag die Ge­­imeindewahlen für 1092 Sitze statt. Da in 270 Fällen [Gegenkandidaten aufgestellt waren, wurden 822 Sitze [umstritten. In London selbst findet die übliche Wahl (eines Drittels der Stadtvertrptung erst im Jahre 1931 statt. Die bisher vorliegenden Ergebnisse zeigen wie­derum große Gewinne der Arbeiterpartei, während die {Konservativen beträchtlich,- die Liberalen leicht verloren 'haben. Nach dem letzten Stande haben zu verzeichnen: die jKonservativen 11 Gewinne und 66 Verluste, die Libera­­jlen 13 Gewinne, 28 Verluste, die Arbeiterpartei 102 Ge­iwinne und 12 Verluste, die Unabhängigen 10 Gewinne und 30 Verluste. Auch von den nichtumstrittenen Sitzen fiel der Arbeiterpartei ein erheblicher Teil zu, nämlich T17 gegen 81 konservative, 37 liberale und 35 unabhän­­(gige Sitze. Obwohl die Gemeindewahlen an sich nicht auf po­litischer Grundlage ausgefochten werden, kommt ihnen ;stimmungsgemäß eine große Bedeutung zu. Die bisheri­gen Ergebnisse zeigen bereits deutlich genug, daß zwar (von einem alles mitreißenden Siege der Arbeiterpartei [nicht die Rede sein kann, die stimmungsgemäß starke [Stellung der Partei im Lande aber auch bei diesen Wäh­lten deutlich zum Ausdruck kommt. Wieder ernste Lage in Palästina. London, 2. November. Wie aus Jaffa gemeldet wird, nimmt die arabische iBogkottbewcgung in Palästina immer stärkere Formen )an. Die meisten jüdischen Kaufleute sind bereits aus Uaffa nach der jüdischen Kolonie Tel Aviv übergesiedelt. !áus dem ganzen Land treffen beunruhigende Nachrich­­ten ein über Versammlungen, in denen die Araber in großen Reden zu neuen Gewalttätigkeiten aufgefordert werden. Die amtlichen Kreise legen diesen Gerüchten (keine Bedeutung bei, da das Militär Herr der Lage ist. Für heute ist ein Generalstreik der Araber geplant, Bis Demonstration gegen den Jahrestag der Balfour­­[Erklärung vom Jahre 1917. Die Araber haben überall (Schwarze Flaggen gehißt. TSCHECHOSLOWAKEI. {Kommunistische Kundgebung vor der ungarischen Gesandtschaft. Prag, 2. November. (U, T.-K.-B.) Die Kommunisten veranstalteten Don­nerstag abends um ungefähr 9 Uhr vor dem Gebäude [der ungarischen Gesandtschaft eine Demonstration, in ider sie die Freilassung der kommunistischen Straf­gefangenen in Ungarn forderten. Zur Kundgebung gab [der Tod des Kommunisten Löwi Anlaß. Die Gruppe der [Demonstranten löste sich nach einer Viertelstunde wieder lauf, ohne daß die Polizei eingegriffen hätte. Um das Mandat Tukas. Prag, 2. November. ,(Ung. Tel.-Korr.-Bur.) Gestern fand in Rózsahegy «ine Satzung des Aktionsausschusses der Slowakischen Wolkspartei statt, in der, wie Bohemia schreibt, Hlinka füber die politische Situation berichtete. Das Hauptthema war die Kandidatenliste für das zweite Skrutinium. In [der Angelegenheit der Kandidatur Tukas wurde folgen­der salomonischer Beschluß gefaßt: Die Partei spricht sich grundsätzlich dafür aus, daß 'Tuka das erste Mandat im Skrutinium zu erhalten hat. 'Gleichzeitig werden jedoch zwei Funktionäre der Partei beauftragt, sich mit Tuka in Verbindung zu setzen, um [mit ihm zu erwägen, ob die Annahme des Mandats durch ihn für die Partei opportun sei. Wie jetzt schon verlautet, wird Tuka die Annahme des Mandats ablehnen und sich mit dem bloßen Dank und Vertrauen seiner Partei zufrieden erklären. Lesen Sie täglich die Kleinen Anzeigen im Pester Lloyd (Morgen blatt), Sie finden da in den verschiedenen Rubriken wichtige Anzeigen, die Sie interessieren werden. • 4 © BULGARIEN. Annahme der Pirotcr Protokolle durch Jugoslawien. Sophia, 2. November. Der jugoslawische Gesandte Ncsics verständigte ge­stern nachmittag die bulgarische Regierung offiziell da­von, daß die jugoslawische Regierung die rektifizierten Piroter Protokolle annehme und sie am 5. November in Kraft setzen werde. Am 15. November tritt abermals eine bulgarisch-serbische Kommission zusammen, um über die Streitfragen betreffend die Grenzzone und über die. Liquidation der Grenzgüter zu verhandeln. Als Ver­­handlrngsort wurde diesmal Sophia gewählt. Innerpolitische Gegensätze. Sophia, 2. November. Ministerpräsident Liaptscheff hatte Donnerstag abend mit »dem Präsidenten der Sobranje Zankoff eine einstün­­dige Aussprache, in der starke grundsätzliche Gegensätze über die Innenpolitik zutage traten. Jutro meldet, daß als Folge dieser Aussprache Zankoff ein schriftliches Demissionsgesuch eingereicht habe. Er begründet sei­nen Rücktritt mit der fortgesetzten Hetze der Liaptscheff- Presse gegen ihn. Liaptscheff lehnte das Demissions­gesuch ab, da das Kabinett während der Abwesenheit der Minister Bolojf und Buroff keine Entscheidung tref­fen könne, die die Grundlagen der derzeitigen Koalition berühre. AMERIKA. Eine Kundgebung vor der ungarischen Gesandtschaft. Washington, 2. November. (Üng. Tel.-Korr.-Bur.) Eine kleinere Gruppe von Demonstranten zog gestern unter Fahnen vor das Gebäude der ungarischen Gesandtschaft und brach in Schmähungen auf die reaktionäre Politik der ungari­schen Regierung aus. Ein weiterer Zwischenfall ist nicht vorgekommen. Gesandter Graf Széchenyi hatte sich wenige Minuten vor der Demonstration aus dem Gebäude entfernt. Der FaU Fall. New York, 1. November. Der frühere amerikanische Staatssekretär Albert Fall ist. wegen Bestechung zu einem Jahre Gefängnis und zu einer Geldstrafe von 100.000 Dollar verurteilt worden. Fall hatte seinerzeit Bestechungsgelder von einer P|e­­troleumfirma angenommen, um ihr die Pacht der Ölfelder der amerikanischen Marine zukommen zu lassen. Tagesneuigkeiten. Clemenceaus Befinden zufriedenstellend. Aus Paris telegraphiert man uns: Der Zustand Clemenceaus wird von den behandelnden Ärzten als zufriedenstellend bezeichnet, doch darf der Patient auf ärztliches Anraten zwei Wochen lang seine gewohnten Zimmerturnübungen nicht vornehmen. Neue Nobelpreisträger. Das Lehrerkollegium des Karolinischen Instituts in Stockholm hat beschlossen, den Nobelpreis für Physiologie und Medizin an zwei Gelehrte zu verteilen, und zwar: an Christian Eijkmann Professor emerit. für Hygiene in Utrecht für die Er­findung des antineuritisChen Vitamins und an den Pro­fessor für Chemie Sir Frideric Gowland Hopkins in Cambridge für die Erfindung des Zuwachsvitamins. Zwei weibliche Universitfitsprofessoren in Polen. Der polnische Ministerrat beschloß, dem Staatspräsiden­ten die Ernennung Dr. Helene Willtnenn-Grabowska, die bisher Vertreterin eines Professors war, zum außerordent­lichen Professor für Sanskrit und indische Philosophie an der Jagellonischen Universität in Krakau, und der Dozentin Baudouin de Courtenay-Ehrenkreutz zum ordentlichen Professor für Ethnographie und Ethnologie an der Bäthory-Universität in Wilna vorzuschiagen. Die Affäre des Berliner Oberbürgermeisters Bö»s. Aus Berlin wird uns telegraphiert: In einer Mitteilung des Oberbürgermeisters Böss an die Öffentlichkeit heißt es, er habe nach seiner Rückkehr aus Amerika fesstellen müssen, daß während seiner Abwesenheit gegen ihn schwere, seine Ehre berührende Angriffe erhoben worden sind, ohne daß er in der Lage gewesen wäre, sich zu ver­teidigen. Mit Rücksicht auf die Art der Angriffe, erachte er es als seine Pflicht, eine restlose Aufklärung aller Vor­würfe durch ein Disziplinarverfahren herbeizuführen. Er habe deshalb die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen sich veranlaßt. Er habe sich daher seit seiner Rück­kehr jeder Amtsausübung enthalten und den Oberpräsi­denten gebeten, ihn bis zur Beendigung des Disziplinar­verfahrens zu beurlauben. Emcrich Nädosy — Kircheninspektor. Das Korre­spondenzbureau veröffentlicht die folgende Nachricht aus Dombóvár: Die evangelische Kirchengemeinde von Dom­bóvár hat den ehemaligen Landespolizeichef Dr. Emerich v. Nádosy zum Kircheninspektor gewählt und wird ihn am 10. d. feierlich in dieses Amt einsetzen. Erdbeben auf dem Balkan. Über ein Erdbeben auf dem Balkan liegen uns folgende Depeschen vor: Sophia: Heute früh wurde hier ein Erdbeben verspürt, dessen Herd etwa 300 Kilometer von Sophia entfernt sein dürfte. Über Verluste an Menschenleben sind bisher keine Meldungen eingetroffen. Bukarest: Freitag um 9 Uhr früh wurde in Bukarest ein heftiges Erdbeben verspürt, das 45 Sekunden dauerte. Die seismogruphischen Appa­rate wurden zerstört. Infolgedessen konnten die Stärke und das Erdbebenzentrum von Bukarest aus nicht fest­gestellt werden. Der Leiter der Beobachtungsstation nimmt jedoch an, daß eine Stärke von 7 bis 8 Grad vorhanden war. Bei einer Stärke von 9 Grad wäre das Erdbeben katastrophal geworden. Das Erdbeben war von einer derartigen Heftigkeit, daß man sich eines ähn­lichen in Bukarest nicht entsinne. Eine riesige Er­regung, an vielen Stellen sogar eine panikartige Stim­mung bemächtigte sich der Bevölkerung. Die Leute stürzten aus den Wohnhäusern. An einigen öffentlichen Gebäuden, darunter im Finanzministerium und im Landwirtschaftsministerinm, sowie in vielen Privat­häusern sind die Wände an einzelnen Stellen arg be­schädigt worden und weisen große Risse auf. Haus­einstürze erfolgten aber nicht. Vom Dach der katholi­schen Kirche stürzten zwei steinerne Engel herab, während in der Kirche eben ein feierlicher Gottesdienst abgehalten wurde. Die Gläubigen flüchteten auf die Straße. Eine fünfzigjährige Frau aus der Umgebung von Bukarest wurde von den herabfallenden Steinen er­schlagen. Weitere Todesopfer sind nicht zu verzeichnen. Das Erdbeben war auch in den Provinzstädten zu ver­spüren, doch wurden bisher keinerlei schwerere Unfälle gemeldet. Oberrabbiner Emanuel Grünwald gestorben: Aus Sopron meldet man uns das plötzliche Ableben des Ober­rabbiners der dortigen isr. orthodoxen Kultusgemeinde Emanuel Grünwald. Seinen Hingang betrauert nicht nur seine Familie, auch die unter seiner Führung er­starkte Kultusgemeinde. Volle 57 Jahre entfaltete der greise Rabbiner in Sopron eine segensreiche Tätigkeit und noch gestern traf er Vorbereitungen zu einer Feier im Tempel, als er plötzlich, von einer Ohnmacht be­fallen, in seinem Arbeitszimmer zusammenbrach und im Alter von 87 Jahren verschied. Aus Advokatenkreisen. Rechtsanwalt Dr. Emil Opplcr hat seine Kanzlei in das Haus V., Szent István­­tér 11 verlegt. Überschwemmung in Venedig. Gestern nachmittag bis spät in die Nacht gingen in Venedig heftige Gewitter mit wolkenbruchartigen Regengüssen nieder. Üm Mitter­nacht überschwemmte das Meer die niederen Stellen. Auch der Markusplatz wurde von den Wellen überflutet. In der Nähe von Venedig stürzte ein Baum, der vom Wind um­geworfen wurde, auf die Starkstromleitung und zerstörte sie, so daß ein Teil der Stadt im Dunkeln blieb. Die elektrische Eisenbahn der Linie Venedig-—Treviso, sowie die Telephon- und Telegraphenleitungen wurden zerstört. Schweizerfahrt des „Graf Zeppelin“. Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ ist heute 9 Uhr 58 Minuten von Fried­richshafen aus zu einer Schweizerfahrt mit Landung in Dübenhof bei Zürich aufgestiegen. An Bord befinden sich 33 Passagiere, Damen und Herren. Die Führung des Luftschiffes liegt in den Händen des Kapitäns Lehmann. Eine Stadt ohne Kirchen und Synagogen. Wie aus Moskau gemeldet wird, wurden in Cherson, an der Mün­dung des Dnjepr, sämtliche Kirchen und Synagogen von den Kommunistenvereinigungen geschlossen und ihr Eigentum beschlagnahmt. Cherson ist die erste Stadt in der Sowjetunion, die nun ohne Kirchen und Synagogen ist. Die Kirchen würden teilweise in Kinos, Theater und Klubs umgewandelt werden. Kommt der Dampf wagen wieder? Aus Berlin kommt die Nachricht, daß die Allgemeine Berliner Omnibus­gesellschaft neuerdings Versuche mit Dampfwagen auf­nehmen werde. An der Stelle des Motors besitzt das Dampfauto einen „Schnelldampferzeuger“. Das ist ein Dampfkessel von sehr geringen Ausmaßen, der aber eine sehr große Heizfläche hat. Da die Befeuerung des Kessels mit Kohlen beim Personenwagen nicht angeht, so wird die Ölfeuerung verwendet, ein System, bei dem öl oder Petroleum unter hohem Preßluftdruck durch Düsen zer­stäubt und verbrannt wird. Kirchenraub In Prag. Die älteste romanische Kirche Prags, die aus dem zwölften Jahrhundert stammt und sich in einer Prager Vorstadt befindet, wurde in van­­dalischer Weise ausgeraubt. Die Einbrecher gelangten mittels eines alten Grabsteines durch ein Fenster in das Innere der Kirche, banden dort aus alten, wertvollen Altargewändern ein Seil, mit dem sie ihre Beute aus dem Fenster hinunterließen. Sie entwendeten künstlerisch überaus wertvolle Gefäße und einen alten Hostien­schrein. Außerdem erbrachen sie die Sammelbüchse. Man nimmt an, daß es sich um eine Gruppe von Kirchenraubspezialisten handelt, die seit mehreren Wochen in der Provinz ihr Unwesen trieb. Ein Meistergauncr. Wir erhalten aus Lissabon fol­gende Nachricht: Die Lissaboner Polizei deckte große Fälschungen von staatlichen Schatzanweisungen in Höhe von drei Millionen Escudos auf. Die Fälscher hatten auf chemischem Wege Titres zu 10.000 auf 100.000 Escudos umgefälscht. Der Führer der Fälscher ist ein seit acht Jahren im Gefängnis sitzender Gauner, der vom Gefäng­nis aus verschiedene Diebstähle geleitet hat und auch die Fälschungen im Gefängnis vornahm. Die Polizei konnte alle Beteiligten festnehmen und aller gefälschten Schatz­anweisungen habhaft werden. Börsenwitze auch in bösen Zeiten. Börsenkatastro­phen sind eine ständige internationale Erscheinung ge­worden: dem schwarzen Tag in Wallstreet sind ähnlich« Ereignisse, wenn auch geringeren Umfangs, in Europa vorausgegangen. Die Spekulation erlebt furchtbare Schläge, und es gehört schon ein großes Maß von Ge­lassenheit, um nicht zu sagen Zynismus, dazu, um den Verlusten an Vermögenswerten mit jenem Humor zu be­gegnen, der die Börsianer von jeher in einem Grad aus­gezeichnet hat, daß man von der Kategorie des Börsen­humors sprechen kann, der allerdings den Vorzug ge­nießt, die besten Witze zu liefern, die es überhaupt gibt „Wie geht es Euer Insolvenz2“ — „Haben Sie sich schon an Ihre neue Vermögenslage gewöhnt?“ Diese Fragen haben die Börsenbesucher seit manchem Katastrophen­tag der Deflationszeit stellen gelernt. Die Psychologie dieser leidenschaftlichen Spekulanten, die oft in kurzer Zeit ein Vermögen verdienen, ist den gewöhnlichen Sterblichen nicht ohne weiteres verständlich; immerhin, sie verstehen zu verlieren und über ihr eigenes Unglück noch Witze zu machen. Ein Börsianer beschreibt mit hocherhobener Hand sonderbare Bewegungen mit seinem Finger in der Luft: ein Bekannter fragt ihn anteil­nehmend, was er denn da mache, und erhält die Ant­wort: „Ich kratze mir den Kopf.“ — „Ja, haben Sie denn da oben Ihren Kopf?“ — „Weiß ich, wo mir der Kopf steht?“ antwortete der Schwergeprüfte, dem soeben ein Vermögen zerronnen ist. Vor dem Krieg waren es häufig amerikanische Zusammenbrüche, die zu Kurskatastro­phen an europäischen Börsen führten. Bei einer solchen Erschütterung der New-Yorker Börse, die damals — es War, zufällig in der Karnevalszeit — von den Effekten­märkten Europas ausnahmsweise schnell überwunden wurde, machte man in Berlin den Witz: „Diesmal war es keine Dcroute, es war nur eine Redoute.“ Aus der durch ihre Börsenkatastrophen berüchtigten Gründezeit erzählt Samstag, 2. November 1929

Next