Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1944. január (91. évfolyam, 1-24. szám)

1944-01-01 / 1. szám

" \ C--1 If I f \ 91. Jahrgang Budapest, Samstag, Í. Januar 1944__________.. - __________IVr. 1 MBBavgftK R9SSKH v&PXMS Etassaja FTlTiTlIlh sann 4KSS. awpa ungarische Bildergalerie Verdunkelung Wfi ji® ITi f|§l¥1 || 1j (T GRAF EMMERICH MIKÓ von 20 Uhr I# gfp g b |ldP M B 1 I W 11 nER KULTÜRP0Lrr,KER bis 4 Uhr früh Sj Jjj JJ g j gf|§K g J g Jl fj H ÉJÉ von elem^jancsö MÜS Bafi« Wmr BBBI mMäm Erasil W* wÉEBOSI BiÉi (Siehe Sette 13) MORGENBIÄTT Jf. ^ 90 JAHRE PESTER LLOYD Von Jenő Gliyczy kgl. ung. Minister des Äußeren Api 1. Januar 1854 ist die erste Nummer des Pester Lloyd, damals als Orgau der Kaufmannschaft, der Indu­striellen und der Finanzwelt von Pest, der Hauptstadt des unter dem österrei­chischen Absolutismus schmachtenden Ungarn erschienen. Somit vollendet dieses ehrwürdige, jenen, die politisch, wirtschaftlich und sozial auf der gan­zen zivilisierten Welt etwas zu sagen haben, bekannte und von ihnen ge­schätzte ungarische Blatt das neunte Dezennium seiner Existenz. Ein in der Geschichte der ungarischen Presse einzig dastehendes Jubiläum: es hat noch kein ungarisches Blatt gegeben, das dieses Patriarchenalter erreicht hätte, und heute ist der Pester Lloyd der Doyen der Presse Ungarns. Auch heute, in den Tagen der schweren Prü­fung der Nation, erfüllt er seine Pflicht, auf fast ein volles Jahrhundert zu nickblickend, mit dem vollen Ver­ständnis unseres Zeitalters und unter Verwendung der modernsten Mittel neuzeitlicher Journalistik. Eine mit ungarischem Herzen, un­garischer Denkweise, Gewissenhaftig­keit und Vaterlandsliebe, aber in deutscher Sprache geschriebene Zei­tung, war und ist sie wie keine andere berufen, die rein allgemein ungari­schen Interessen auf hohem geistigen Niveau und von reinem Europäertum getragen, zu vertreten. Sie hat stets für die nationalen Ideale gekämpft, ganz besonders von jenem Zeitpunkt ange­fangen, da der Ausgleich zwischen Herrscher und Nation zustandekam und ungarische Gedanken und Ideale grenzt, vielmehr zeitlos ist, weil der Ungar, weil Ungarn ihrer Dienste so wie heute, auch in ferner Zukunft be­dürfen wird. In diesen Tagen, da der Pester Lloyd, dem Gebot der ernsten Zeit ge­mäß, dieses denkwürdige Jubiläum schlicht und still begeht, spreche ich diesem Organ der nationalen Inter­essen den aufrichtigen Dank der un­garischen Regierung aus, in der Er-Wartung, es möge auch sein Jahr­hundertjubiläum auf derselben geistii gen und moralischen Höhe, von auf­rechten Ungarn in ungarischem Geiste geleitet, erleben und in das zweite Jahrhundert seiner Laufbahn mit dem Bewußtsein eintreten, niemandem an­deren je dienen zu wollen, als den Ges samtinteressen des Ungartums, dessen beglaubigter Repräsentant es auch künftighin bleiben soll. I Die beiden „Engel" Von Johann Bókay In der Umgegend war ihr Spitzname „die beiden Engel1', denn die Menschheit ist so dumm und einfältig, daß sie alles verhöhnt und ins Lächerliche zieht, was rein und schön ist. Seit undenklichen Zeiten lebten sie in der Stephanie-Straße — in der äußeren Stephanie-Straße, dort, wo schon in nächster Nähe der Wasserturm steht Ihr winziges Holzhäuschen spähte zwischen den prunk­haften Treppengeländern und Springbrun­nen der ringsum gebauten Steinvillen her­vor wie ein alter Kämpe, der allein die Vergangenheit gegen die Angriffe der Zeit verteidigt. Im fingerhutgroßen Gärtchen reckten altersschwache Stiefmütterchen ihr Antlitz der Sonne zu und bunte Glaszwerge lugten der Mode der Jahrhundertwende gemäß aus den Büschen hervor, den Wohl­stand von einst verkündend. Ein einziger gesitteter Kiesweg durchquerte den Garten und an den Baumstämmen hingen Vogel­näpfe. Und hinter den Wänden war alles eben­so spielerisch veraltet, ebenso kindisch greisenhaft. Faustgroße Möbelstücke, win­zige Pendeluhren, die einst vielleicht jede Stunde mit einem Liedchen gefeiert haben mochten. Viele Spitzendeckchen, und es war, als ob aller übrige Tand auch aus Spitzen gewesen wäre, aus alten Spitzen, die tote Finger einmal gehäkelt haben mochten. Der morsche Holzfußboden seufzte kläglich, sobald ein fremder Fuß ihn betrat, so sehr halte er sich an den ge­­wich Hosen Schritt der beiden Greise ge­wöhnt Diese uralte Welt war aber von Lärm und Leben, von Bewegung und Gesang er­füllt. In großem Gitterkäfig hüpften und zwitscherten Dutzende von Vögeln, Rot­sich frei äußern konnten. Durch keine Nebenrücksichten irre gemacht und immer pflichtbewußt, ist dieses Blatt seiner Aufgabe nach gekommen. Die große europäische Auseinander­setzung, die dann zu dem unseren ganzen Globus umfassenden Weltkrieg geworden ist, fand den Pester Lloyd bereit und gerüstet, um dem ihm zu­fallenden Teile im Rahmen der natio­nalen Pflichterfüllung voll gerecht zu werden. Das „Fenster Ungarns“ nach dem Ausland hin, hat dieses Presse­organ, das keine Partei- oder Gruppen­interessen vertritt, sondern, eingebettet in die europäische Gemeinschaft, immer das Gesamtnationale vor Augen hält, während der vergangenen fünf Jahre ehrlich sein Höchstes und Bestes geleistet. Wie der . Soldat an der Front auf seinem Posten steht, folgte es ge­wissenhaft und geradlinig den von der ungarischen Regierung im Dienste der Nation angegebenen politischen Grund­gedanken und Direktionen. Der Pester Lloyd ist in dieser Zeit in aller Form zu einer nationalen Institution gewor­den, die, indem sie die Schwell*, des zehnten Dezenniums überschreitet, ihren Dienst an der nationalen Sache, zu dem auch die Pflege der Freund­schaftsbande des Ungartums, die Be­kanntmachung ungarischer Geistigkeit im Ausland und die Vermittlung der grófién europäischen Geistesströmun­gen nach Ungarn gehören, in dem stolzen Bewußtsein leistet, daß sie nicht Regimen, sondern rein und allein der Nation dient, und daß ihre Exi­stenz nicht von heute auf morgen be­kelchen und Zeisige und kleine Tierchen mit großen Schöpfen — im Trunknapf Wasser, im Futternapf Körner, zwischen den Gitterstäben gelbe Rüben und schön­geharktes Sagemehl zu Grund des Käfigs, ln einer anderen Ecke ein Glasaquariuni, mit Mossen und künstlichen Felsen, lau­schigen Buchten und staunenden, tief­atmenden Fischen, deren Stille berufen war, den Lärm der Vögel wett zu machen. Sonderbarer Duft und sonderbare Ord­nung, versonnene Zeit und unbewegliche Luft, Gezwitscher und Uhrenticken ... Sie waren beide über achtzig — weit über achtzig, so weit, daß sie die Jahre nicht mehr zählten — wie ejn Wanderer in seinen endlosen Wanderungen schließ­lich anfhör/t, die Meilensteine zu zählen. Sie waren da, von jeher, genau so, wie jetzt. Sie sind aus Versehen dageblieben — sie sind ein Leben lang so brav, so gut gewesen, daß Gott sie hier vergessen hat. Und von jeher waren sie miteinander ver­eint, mit dem gleichen Lächeln, den glei­chen Worten und Zärtlichkeiten, sie beide, die „Engel“. Denn so hatten sie einander ein Men­schenaller lang genannt: „Wie hast du geschlafen, mein Engel? ... Gib achl, mein Engel, erkälte dich nicht... Danke, mein Engel...“ Sie hatten nie Dienstboten gehabt, we­der Köchin, noch Gärtner. Der alte Herr war selbst sein eigener Gärtner, frühmor­gens schon bastelte er an seinen Rosen stocken herum, während seine Frau mit krummen Rücken in die Küche lief, um die Milch aufzukochen. Dann mittags machten sie Toilette, sorgfältig, gleich­mäßig kleideten sie sich in das selbe Staatsgewand: Gehrock für den Herrn, kleiner Kapotthut für die Dame, so gingen sie Arm in Arm spazieren. Sie trippelten mit so kurzen Schritten, als wäre der Weg vor ihnen nicht mehr lang. Nie ließen sie einander auch nur für einen Augenhlick. los, aber der Mann war um einen Schritt seiner Frau immer voraus, das konnte er sich nicht abgewöhnen. — Laufe nicht so, Mäxlein, ich kann dir nicht nachkommen. — Verzeih, mein Engel, das vergesse ich immer wieder. Sie trippelten zu einer Batik, zu ein und derselben Bank seit Jahrzehnten. Dann setzten sie sich auf diese Bank nieder, ruhten aus und freuten sich der Sonne. — Hast du dich nicht übermüdet, mein Engel? — Nein, mein Engel, ich bin frisch und froh. Dort saßen sie zu zweit, nett und sau­ber, wie zwei gutgewaschene Kinder. Und plauderten ohne Unterlaß. Seit hundert Jahren ohne Unterbrechung. Hundert Jahre genügten ihnen nicht, um einander mit stillem Lächeln immer die gleichen Worte zu wiederholen. Sie blieben nicht allein auf ihrer Bank. Kaum hatten sie sicli darauf niedergelas­sen, schon schwirrten die wachhabenden Sperlinge von ihren Asten herunter und tanzten um das Pärchen herum. Die alte Frau zog aus ihrem winzigen, schäbigen Muff eine gebauschte Papierdüte hervor und streute mit zitteriger Hand hübsch sparsam Mais- und Gerstenkörner vor die Vögel hin. Der alte Herr beobachtete unterdessen die Kinder, wie sie mit ihren Reifen und Bällen auf den Wegen herunt­­rasten. Dann winkte er eines, das paus­bäckigste an sich heran und bot ihm aus einer verbogenen kleinen Blechdose Kon­fekt an. Sahen sie ein hübsches kleines Mädchen, blickten sie ihm lange nach, dann nickten sie einander mit wehmutsvollem Lächeln zu, und ein ferner Schmerz tauchte aus der Vergangenheit auf. — Erinnerst du dich, mein Engel? — Ich erinnere mich, mein Engel. So würde sie jetzt aussehn. Beim läuten der Mittagsglocken standen sie von der Bank auf, und Arm in Arm trippelten sie nach Hause. Der Mann war bereits ungeduldig, das Heim zog ihn au. Er trieb seine Lebensgefährtin zur Eile an: — Komm, mein Engel, spute dich. — Ich komm’ ja schon. Und sie lief mit ihrem gewölbtem Kin­derkörper voller Eifer neben dem flinken Mann einher. Sie betraten die kleine Schachtel, die sie ihr Haus nannten, kleideten sich hübsch ordentlich um, die Frau band sich eine Schürze vor, und stellte sich an, das Mit­tagsmahl zu kochen. Der Mann setzte sich in den bequemsten Lehnstuhl, faltete seine Zeitung auseinander und las sie von A bis Zet, wie es sich für einen gewissenhaften Bürger geziemt. In ihrem Leben gab es keine Aufregun­gen, weil es keine Veränderungen in ihrem Leben gab Und dennoch war etwas in ihrer Vergangenheit, die Erinnerung an ein längstverflossenes Gewitter, etwas, das mit ihnen lebte, wie ein Dritter, ebenso be­ständig und unwandelbar, wie sie selbst. Sie lebten in zwei Zimmern, aber im Hause gab es noch ein drittes. Jeden Tag einmal betraten sie es, gemeinsam, Arm in Arm. Sie blieben auf der Schwelle stehn, schauten hinein, sannen und nickten, dana kehrten sie um, verschlossen das Zimmer, docli bevor sie sich niedersetzten um ihre Patience auszulegcn, gaben sie einander einen Kuß. Es war ein schneeweißes Mäd­chenzimmer. Das Betl war immer offen, zwei kleine Pantoffel standen davor, auf den Stuhl hingebreilet lag ein Hemdchen und ein weißes Kleidchen. Auf dem Kinder- Schreibpult lag noch das Heft mit dem angefangenen Schulaufsatz mit ungelenken Buchslahen hingekritzell. Sechzig Jahre lang behüteten sie hier die kleine Tole, sie sperr­ten die Tiire ab daß sie ihnen nicht ent­weiche. So Iiiieh s'e hei ihnen und lebte Rückblick und Ausblick 1834-1944 Von Georg Ottlik Budapest, 31. Dezember Als am 1. Januar 1854 unsere erste Nummer erschienen ist, gab es auch Krieg: er tobte vorerst zwi­schen dem russischen Kaiserreich und dem ottomanischen Reich, um dann im Laufe desselben Jahres einen ausge­dehnten europäischen Charakter anzu­nehmen. Der Pester Lloyd, das Organ d<T gleichnamigen Gesellschaft, brachte damals zwar auch politische Berichte und Telegramme, seine in den Statuten festgesetzte Aufgabe war jedoch, „mit­telbar oder unmittelbar die Hebung, Belebung und Ausbreitung des Handels und der Industrie ... nach Möglichkeit zu h -treiben“. Ungarn war zu jener Zeit n dem österreichischen Kaiser­reich als Folge der Siege der russi­schen Heere in Ungarn — einverleibtes Kronland, das von Wien aus regiert und von dem ihm auferlegten autori­tären Regime ziemlich scharf über­wacht wurde. Die Genehmigung der Herausgabe einer „periodischen Druck­schrift in deutscher Sprache“ wurde vom berüchtigten Polizeidirektor von Pest Baron Prottmann unterzeichnet, dessen hartes Regime noch jahrzehnte­lang in der Erinnerung der Bevölke­rung der Hauptstadt haften geblieben ist. Während der absolutistischen IJerr­­schaft hat sich das Blatt unter der dama­ligen vorsichtigen .Schriftleitung denn auch kaum über das Gebiet der wirt­­schafts- und handelspolitischen Polemik hinausgewagt, mit Ausnahme der letzten Jahre, da, nach dem Beginn der Ära der Entspannung, der Pester Lloyd schon politische Stellungnahmen ver­öffentlichen konnte und durfte. Der Redaktion des Blattes standen nur Rudimente der modernen Technik zur Verfügung. Obwohl die Probenum­­nier stolz darauf hinweist, daß „Tele­graphen und Eisenbahnen Handels­berichte mit Blitzesschnelle durch die ganze Monarchie tragen“, kam es noch Ende der sechziger Jahre oft vor, daß die „fällige Post bis zum Blattschluß nicht eingelangt“ war. Charakteristisch ist es auch, daß der Pester Lloyd in den ersten Jahren seines Bestandes auf der ersten Seite neben den Börsen­berichten auch den ganzen Eisehbahn­­falirplan veröffentlichte: es gab zwei Paar Züge zwischen Wien und Pest und je einen Zug nach vier anderen Richtungen. Ende der sechziger Jahre verkehrten schon viermal wöchentlich Preis 40 Fillér

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