Schul- und Kirchen-Bote, 1869 (Jahrgang 4, nr. 1-12)

1869-07-01 / nr. 7

154 L. Was­ zunächst hie,R entf fület betrifft, so scheint mir eine de von besonderer Michtigkeit zu sein, von derem Entscheidung die Blüthe des" Real (oder Bürger) Schulwesend, und damit die Blüthe unseren Gewerbe» und Handels­­standes abhängt. CS ist die Frage, ob die lateinische Sprache in den Stundenplan der Realsäule aufgenommen werden solle oder nicht? Da glaube ich mich dem für ein entschiedenes Nein entscheiden zu müssen. . Den Hauptgrund gegen die Einführung der lateinischen Sprache in die Real­­fule finde ich im dem Bildungsziele der Neufchule im Gegenjage zu dem des Gymnasiums. Während nämlich das Gymnasium seine Schüler zur Wirksamkeit auf die geistige Welt vorbereiten soll und zu diesem Zweckk sie mit vollem Rechte­ der alten Sprachen als des Hauptbildungsmittels bedient, so hat die Realschule dagegen die Bestimmung, ihre Schüler zu einer möglichst­ erfolgreichen Wirksamkeit auf die Körperwelt zu befähigen. Der­ Nealschüler sol möglichst praktisch werden, da er bestimmt ist, die äußere Welt nach vernünftigen Zwecken zu gestal­­ten, umzubilden und zu beherrschen. Die Hauptwissenschaften der Nealschüler sind also die sogenannten realistischen, nämlich Naturwissenschaften und Mathe­matik, und dann die neuern Sprachen. Wird dieser Sat als richtig anerkannt, was soll dann das Latein im der Nealschule? Sollen vielleicht unsere Gewerbsleute dadurch in den Stand gefeht werden — was nicht einmal ihre Bestimmung ist — zu den tieferen Gründen und Anfängen der Wissenschaften hinabzusteigen ? Sollte die Neuzeit mit ihren w­er­­gleichlich großen Fortschritten in den eigentlichen Realschulfächern, in Mathematik und Naturwissenschaften nämlich, mit dem Alterthum auch nur zu vergleichen sein? Das wird wohl niemand behaupten. Die lateinischen Klafsiter — denn nur diese kamen hier in Betracht — sind ebenso wenig Duelle der mathematische naturwissen­­schaftlichen Erkenntniß, als die heilige Schrift. „Sie legen aber den Grund zur leichten Erlernung der modernen Sprachen!“ wendet man und ein. „Wer lateinisch kann, lernt leichter Französisch, italienisch, spanisch und zum Theil englisch." Wohl wahr! Denn wer die Gordilleren über­­stiegen, dem macht eine Ersteigung des Butschetih seine erheblichen Schwierigeiten. Doch werde ich lieber mit der septeren Uebung beginnen, weil in dem angeführ­­ten Beispiele das Mittel Schwerer­ zu erreichen ist, als der Zweck. Die dem Lateinischen verwandten modernen Sprachen sind ungleich leichter zu erlernen, weil sie und innerlich, in Anschauungsweise und Charakter, viel näher liegen, als die Sprache der alten Nömer, mit welcher sie nur äußerlich, durch den Klang der Worte, näher verwandt sind. Darum lernen ja selbst Mädchen, die sie auch bei uns, zu Gouvernanten u. dgl. ausbilden, in der Zeit, in welcher ihre Ahnfrauen im Mittelalter das Latein kaum bewältigten, leicht zwei moderne Sprachen, z. B. französisch und romanisch, beziehungsweise sogar die fo­negibische und: französisch und ungarisch­! Der die formell­ -bildende Kraft des Lateinischen als Grund für dessen Einführung im die Nennschule erwähnt, wolle nicht vergessen, da uns der Kern nur näher, wenn wir die Schale gebrochen. Man muß im eine Sprache, besonders eine alte Sprache, tiefer einzudringen Gelegenheit haben, man muß

Next