Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1881. April (Jahrgang 8, nr. 2215-2239)

1881-04-20 / nr. 2230

Redaktion imthdminifk­ation Heltauergasse 23. Erscheint mit Ausnahme der Horn- und Hetet­­­age täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 Er., vierteljährig 2 fl. 50 Er., Halbjährig 5 fl, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung ins Haus, mit Zustellung 1 fl., 3 fl., 6 fl. 12 fl. Abonnement mit Postversendung: Für das Inland: A: 3 fl. 50 _ ar T., ganzjährig für das Ausland, vierteljährig 9 ARM. oder 12 Sre3., halbjährig 18 AM. oder 24 Se Bl 36 AM. oder v8. Unfrantisrte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurücgestellt. Nr 2230. SRG gel­­dermannstradt, Jlittwoch 20. April um mann Nr. 23, in Kronstadt die Buchhandlungen Heinrich Dresswandt, Fr. Wilhelm Frank, Heinrich Zeidner, Mediasch J. Hedrich’s Erben, Schässburg 0. F­­erler’s Buchhandlung, Bistritz Friedrich Wachs­­­mann Nr. 187, Sächsisch-Regen Adolf Dengyel, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Battoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, Rotter , C., H. Schalek, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt a. M. Alufertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile Eostel beim einmaligen Einladen 7 Er., das z­weitemal je 6 Er., das drittemal je 5 fr. d. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 Er. 1881. Pränumerationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptburenm. Heltauergasse G. L. Daube , C. d Das deutsche Nationalbewußtsein. I. Als die Herrlichkeit der Kaiserfront erblaßte. Die Zerrissenheit Deutsch­­­lands zu einer ewigen zu werden drohte, die Zaiserlose, die schwedliche Zeit die Geister und die Gemüther verwilderte, da sah es freilich trostlos aus im deutschen Land und — so pflegte man zu jagge — das deutsche National­­­bewußtsein war todt. Aber wenn dem so gefahren wäre, wie erklärt man si, dann jene erstaunlichen E­roberungen, die der deutsche Armı und der deutsche Geist gerade zu jener Zeit wieder Einmal­ vollbracht hat? Im Hlaviischen Osten werden deutsche Burgen Klöster, feste Städte und Bigthümer gegründet. Zahlreiche Kolonisten bahnen der deutschen Kultur die Wege in ferne fremde Reiche, deutsche Sprache und Sitte halten triumphirend ihren Einzug ins Slawenland und hinein in die Wildnik jesseits und „jenseits des Waldes." Wahrlich die Männer, die damals in die weite Welt gingen, die hinter der Elbe, die am Alt und an der S­hofel, am Mieresch und am der Burzen, in Nöjen und Ripsen eine feste deutsche Heimat gegründet und erhalten und Gut und Blut für die deutsche Eigen­­­heit hingaben und Die Fremden in ihren Bannkreis zwangen, fürwahr, diese Männer müssen mit einem wunderstarfen Nationalbewußtsein, von Hause weggezogen sein. Dankbar und freudig rühmen die Urenkel­­er ihnen nach und sie bleiben — so möchte man hoffen — treu ihrem Geiste. Ober wie, sollte ihr fester stolzer Sinn nicht mehr zu finden sein unter uns? Ein degeneh­rtes, entartetes Geschlecht, wer möchte Theil haben an solcher Schmach? Wir nicht. · · ·· Die abgeleiteten Bächlein haben·ihre besonderen Wege gehen müssen, aber die Verbindung mit dem Hauptstrom durften sie nicht lösen;·wo·sie sie gelöst,da sind sie versiegt Nur in vergilbten Papieren in wehmi­thigen Sagen und widrigen Namenbastarden lebt ihr Gedächtniß fort.Das Fluß­­­chen aber,das sein Leben empfängt aus dem­ Mutterstrom­,ist­ an diesen gebunden im­ Einzelnen und im Ganzen.Wenn stolzer Siegesxubel durch das Mutterland ging,entfaltete der deutsche Volksgeist auch im··Lande der Karpathen sich mächtig;wenn die Berliner Akademiker am Gedächtnißtage Friedrich des Großen nur über den»Fötus der Affen«oder·»über eine neuentdeckte Art Springhasen«zureden wußten,dann·lag auch im Sachsen­­­land das nationale Leben in Schulheit und Dumpfheit vergraben.·Darum also ist ein Buch,das den Wegen des deutschen Nationalbewußtseins nach­­­geht,auchfi’ir un­s geschrieben­ Ein Büchlein hierüber, fenntnißreich und volfsthümlich, von männlicher Kraft getragen und innerer Wärme durch­­­drungen, in frischen, kräftigenden Worten, in sichern, künstlerisch ausge­­­führten Bildern, die plastisch sich abheben von einem tiefen Durchsichtigen Hintergrund, jo ein Büchlein wäre eine hat. Noch ist es nicht geschrieben. &8 ist ein farbenreiches Bild, das das Tiegische Buch in raschem Zuge vor uns aufrollt, es ist das geschichtliche Bild des deutschen Boltes : hier herzerhebend, großartig, staunenerregend, dort beflemmend, klein und verworren. Und gerade dieser Wechsel fesselt. Aus dem dimselsten Wirrsal Bricht immer wieder die unermwistliche deutsche Kraft leuchtend hervor. Vielleicht gerade deßhalb, weil Die befriedigende Geistesthat, die Deutsche Reformation aus dem Jammer des 15. Jahrhunderts aufsteigt, gerade deß­­­halb steht sie so wundergroß vor uns. Und was nach ihr kommt — das läßt sie vollends vergleichen den hohen Yeersäulen, Die der Vulkan in Die acht hineinschleudert. · ·· Nch­­a­­ee Hutten stirbt in schwerem Gram: „Die Königin der Bölter“ hat „den müßigen Pfaffen“ den Dienst nur zur Hälfte gekündigt und die Großen, „die Eid und Pflicht verachten“, nicht allesjammt zur Ordnung weisen können. Was ein lebendiger Bereinigungspunkt für alle eit hätte werben sollen, theilt das Wort in zwei Lager und zu umserer­­de sogar in zwei verschiedene, benachbarte Neic­e. Wenn wieder einmal die Frage um Sein und Nichtsein an das deutsche Wolf gestellt wird, so will mich die Vergangenheit lehren, dann finden sie sie wieder. Die Ge­­­trennten. Unerquidlich it der Einblick ins 17. Jahrhundert, doch ehe er zu Ende geht, hört man ihn wieder kräftig vauschen den deutschen Protestan­­­tismus. E38 vüden in ununterbrochener Neihe die Großen des Geistes heran, Leibuig an der Soige, Herz und Auge und Finger immer auf den einen Punkt gerichtet, auf die nationale Ehre. Und als es der Nachbar wieder einmal übel zu machen gedachte, da bäumte sich das Nationalbewußtsein auf, und der fühne Geierflug aus Welschland nahm ein fehm­liches Ende. Aber der Sieg über den fremden Feind war nicht auch ein Sieg über den ältesten Erbfeind, ü­ber den deutschen: den P­atrikularismus. Der Adel begnügte sich unter den Ausspizien des hohen Bundestages, die fetten Bilten im Staats- und Heeresdienst wegzuschnappen, der Bürger raisonirte und fannegießerte, der Bauer säete umd erntete und ließ sich den Frieden wohl gefallen; von einem Heine und Aehnlichen ließ man sich anregen und s­al­ den Patriotismus und das Nationalbewußtsein als Lächerliche Deutschthi­melei. Die verdammte Phrase hat mehr Schaden gestiftet, als alle bös­­­willigen Nachbaren zusammengenommen, dort und hier. Glücklicherweise kam wieder der Tag, wo es nicht genug war, allein mit dem Munde ein Deutscher zu sein, mit Kanonen und Gewehrfolben mußte gejagt werden, daß das deutsche Bewußtsein nicht todt sei. Aus den Wettern der Feld- Schlacht brachten sie ein erneutes und erhöhtes Dasein heim. Die Schläge, die in Frankreich ausgetheilt wurden, zitterten durch ganz Europa nach — und darum das häßliche Dohlengeschrei. Der oberste Gott unsrer Heidnischen Ahnen, Wuotan, war der Gott der Kriegs-Wuth, das Braufen der Schlacht ist sein Element. Aber derselbe Gott gab sein Auge Hin für einen einzigen Trunf aus dem Born des Wissens. Und so wie sie die alten Germanen angeschaut in ihrem Gotte, so sind die Engel geblieben. Der große Karl schlägt die Mauren und Slaven, die Awaren und Sachen und gründet Schulen und sammelt die Lieder seines Wolfes; der stauiftische Kaiser trägt sein Schwert nach­ Italien und über Meer und wetteifert mit den Sängern der Minne. Hutten zieht mit dem Freunde ins Feld und schreibt Staatsschriften und scheidet als ge­­­frönter Poet vom Reichstage. Luther gräbt mit leidenschaftlichem Eifer nach den Quellen der Erkenntniß, dichtet Kirchenlieder und fordert die Welt zum Kampf heraus und wenn sie gleich voll Teufel wäre. Genug damit, man fan das Meer nicht ausschöpfen. Der Charakter eine Volteg erschließt sich aus seiner Geschichte. Von diesem Gedanken wird Tiek ausgegangen sein, als er sich anschiefte, in einem eigenen Buch nachzuweisen, „welche Bhasen das Nationalbewußtsein der Deutschen im Laufe der Jahrhunderte erlebt hat“. Es ist ein trefflicher Auszug aus der Gesammtgeschichte Deutschlands, ein Auszug, der nicht so sehr die Thatsachen als die sie bedingenden Ursachen und die aus ihnen getroffenen Ergebnisse vermitteln will. Wir hätten es gern gesehen, wenn er etwas tiefer gegraben, eindringlicher,­­­übersichtlicher und anschaulicher er­­­zählt und geschildert hätte. Doc darum bleibt immer noch so vieles gut daran, Daß wir ihm gern zahlreiche Leser wünschen. Auch­ das, was man Wandlungen des nationalen Bewußtseins nennt, hat seinen tiefsten und legten Grund im Wolfscharakter. Nur dem, der diesen erfaßt und erkannt hat, nur dem ergibt sich, was er von der Zukunft seines Volkes zu hoffen, was er für sie zu thun hat. Und wenn jemand Grund hat, stolz zu sein auf seines Wortes Art, so hat er der Deutsche, und wenn Jemand Noth Hat, immer wieder das helle, klare Bild des deutschen Volfscharakters in seiner Mitte aufzurichten, so sind wir ed. Selbstsucht und Eigenliebe, Zweifel und Miktrauen haben Die Woge des öffentlichen Lebens so hoch aufgewühlt, daß fi­­­ung nur noch­ „auf der Rinne der Partei” ein sicherer Zufluchtsort anbietet. Das ist Vielen ein unheimlicher Ort; sie bleiben in den Niederungen, weit entfernt für ihre Deutschkeit mehr einzufegen als Worte und wenn’s endlich eine Hass-Sache wird, von freiem deutschem Sinn zu sprechen, dann sind sie „aus lauter Noth“ bereit, sich beim remden Prämien zu verdienen. Ihnen gilt Klopstod’s Wort: „Undeutsche Deutsche! Dem Fremden, den ihr vor­­­zieht, kam es nie ein, den Fremden vorzuziehn. Er haft die Empfindung dieser Kriechsucht, verachtet euch, weil ihr ihn vorzieht." Es gibt nur ein Mittel, die Lockungen des heimlichen Verraths, die heuchlerische Verkehrung und freche Verleumdung des Deutschen Wesens zu bestmpfen, auch dem Heinen Manme die Kenntnig des deutschen Charakters zu geben, ihm zu zeigen, was er geschaffen, was ihm überantwortet ist, was in den Tiefen de­­s deutschen Lebens an eigenartigen Kräften verborgen liegt. Vor die Augen soll er ihm treten, der deutsche Wolfscharakter, wie er immer und überall derselbe gewesen und derselbe geblieben. Wenn wir nicht mit den Andern Spötter sein wollen und Verächter des Höchsten und Heiligsten, was Menschenherz bewegt und begeistert, so miüssen wir ihn Schauen, den Charakter des deutschen Bolfes, wesenhaft, leibhaftig, beharrend in dem un­­­vergänglichen Bilde der großen, welthistorischen, deutschen Männer, so müssen wir ihn erblicen in der großartigen Entfaltung, seines Lebens, im Krieg und im Frieden, in seinem unermüdlichen Streben nach tiefer Harer Erkenntniß und im feinem freudigen Schaffen und todesmuthigen Dingen. Dann kan das heilsame Gefühl der Gemeinschaft mit dem großen Ganzen nimmer ausgewurzelt werden, das nationale Bewußtsein niemals völlig ersterben. Von hier aus allein wird die Frage nach unserm Sein und Nichtsein beantwortet werden. RB. we as essen ERELY, REIS ERBE BINNEN ER ERTL = Dokitifche Neberiicht, Hermannstadt, 19. April, „Der Drang nach Osten” gelangt im Bewustsein des deutschen Volkes immer mehr zum Durchbruche. Ein Leitartikel „Deutschland und der DOften" in der Osternummer der Berliner „Nationalzeitung" (Nr. 181 vom 17. d. M.) führt aus, daß der Often Europas, nachdem die Deutien und Italiener ihre Einheit errungen, in den Vordergrund der Betrachtung trete, während bisher der Weiten "beinahe ausschließlich die Aufmerksamkeit der Politiker in Anspruch genommen habe. „Die Entwickklung OOsteuropas, an die sich unmittelbar die Aufreichung und Erhebung Klein­­­asiens und Syriens anschließen muß, bringt all die Landschaften, die im Jugendalter der Welt und der Menschheit die Schaupläge höchster Kultur gewesen und einen Schimmer des früheren Glanzes fi) bis in das zwölfte Jahrhundert unserer Zeitrechnung gegenüber dem barbarischen Westen, er­­halten hatten, wieder der GCivilisation zurück. . . . Diese Bildung gewinnt im Osten dem Mohamedanismus mehr und mehr Raum und Licht ab. Sie bereitet si vor, die ältesten Stätten ihres ursprünglichen Glaubens, Palästina, Syrien, Aegypten wieder mit ihrem Geiste, ihren Formen zu derbringen und zu erfüllen In diesem U­­wandlungsprozeß ist zunächst für die Balkanhalbinsel von Deutschen eine Haupt­­rolle, aber auch eine schwierige Aufgabe zugefallen. Ohne die gewaltige Macht, welche das deutsche Reich in der Mitte des Erstheils behauptet, wäre der gegenwärtige Zustand im Osten nicht hergestellt worden. Oesterreich würde ohne unfern Rüh­alt in Bosnien und der Herzegowina wie in der Luft schweben. Wir haben Rumänien seinen König, Bul­­­garien seinen Fürsten gegeben. Wie sehr beide auch mit den Interessen ihrer D­örfer verschmolzen sind, zunächst sind es Deutsche. Die Sicherung ihrer Unabhängigkeit finden beide Staaten nur in Oester­­­reich und im bdeutichen Weihe. Wie das politische Verhältniß mweist sie der Handel auf uns. Große Kolonialveiche sind einzig noch in Afrika zu gründen, im Süden, nach der Mitte des geheimnisvollen Erptheils den Blick gerichtet, sehen wir die Engländer, im Norden die Franzosen bei dieser Arbeit. Den Deutschen hat von dem Zeitpunkt an, wo sie unter dem Sachen Heinrich I. sich als ein besonderes Volk und Reich zu fühlen begannen, ver Often als das Feld ihrer Ausbreitung gegolten. Dorthin unfern Einfluß friedlich und fördernd auszudehnen, ladet ung wieder das Geshhc ein, Saß doch einst in jenen Landschaften an der unteren Donau der edelste germanische Stamm, die Cothen, nahm dort das Christen­­­thum an und befuhr mit seinen Schiffen das Schwarze Meer. Die Franzosen w te IE­­M - „ — feuilleton Treu bis in den Tod. Amerikanischer Roman, frei bearbeitet von M. v. Weißenthurn. (41. Fortlegung.) „Ihrem Freunde?“ vennt Longworth, dem schönen Drüdchen den Arm bietend; „ist er denn auch Marien’s Freund? wäre er ihr tödlichster Feind, so könne ihr Dich kaum größern Widerwillen befunden“ Er Hat es fon oft ausgesprochen umb sich gedacht, daß diese junge Dame etwas an sich habe, wovon er nicht weiß, was er daraus machen sol. Sie erinnert ihn öfters an einen Spiegel, der auf den ersten Anblick war und durchsichtig erscheint. Alles wie vergiebt und nichts verbirgt, aber man fehre um und man sieht nichts. Was auch in der Tiefe verborgen sein mag, man gewahrt nichts als das glatte, schöne Gesicht . Alles hinter dem­­­selben ist wie die Kehrseite des Spiegels, undurchdringlich. Es liegt eine Art von ruhiger Kraft in ihrem Charakter, so will er Longworth vorkommen, die jahrelang ihrem nächsten Freund verborgen bleiben mag, bis irgend ein besonderes Ereigniß sie hervorruft. Oft ein solches eingetreten? Hat sie irgend einen Grund, diesem Manne feindlich gesinnt zu sein? Daß er Beiden unerwartet und unwillkommen angelangt ist, Liegt auf der Hand, aber der Unterschien, so weit Longworth die Sache beurtheilt, liegt darin, daß ih­n Reine geneigt ist, ja ihn vielleicht liebt, während die ältere Schwester ihn gradezu haft. · · · Sie gehen eine Zeit lang schweigend neben­­einander. ·· Dann beginnt Marie zu sprechen, und selbst in ihrer Stimme ist eine Veränderung zu be­­­merken, sie klingt fast so hart und fast wie jene der Mrs. Windfer. »Hat Reine Ihnen Monsieur Durand vorgestellt?« »Ja.« »Er ist Reine’s Vetter,beinahe ihr Bruder.«­ »Wirklich?Fräulein Rein­e’s Großtante war seine Stiefmutter.Macht das in Frankreich zum Retter oder­ Bruder?« Sie wirft einen raschen­ Blick au­f ihn und lacht dann etwas ges zwangen .Das ist einerlei; sie waren ihr Leben lang wie Bruder und Schwester. Reine könnte ihn nicht lieber haben, wenn es ihr wirklicher Bruder wäre !" „Nach dem Wenigen, was ich gesehen habe, bin ich nicht dieser Meinung." &8 tritt wieder eine Pause ein. „Hat Moenstein Durvand gesagt, wie oder warum er gekommen ist?“ wagt sie.­­en „Nichte, Das ich wüßte, ich glaube, daß er gesagt hat, es sei ihm unmöglich gewesen, länger von ihm entfernt zu sein , daß sechs endlose Monate vergangen, seit er und ihre Schwester sich nicht gesehen haben, und daß er die Trennung nicht länger habe aushalten können. Sind „Brüder“ in Frankreich­ gewöhnlich so anhänglich? Hier ist das nicht gebräuchlich." Marie wirft ihm von der Seite einen waschen, scharfen Blick zu, der ihn wieder sehr an Ders. Windsor erinnert. Marie Lan­delle hat in mancher Beziehung einige Aehnlichkeit mit ihrer Großmutter. Aber bevor sie ant­­­worten kann, zeigen sich ihnen die beiden Gesuchten. Die Musik spielt gerade eine lebhafte Melodie und das elegante Publikum ist noch immer um sie geschaart, doc für Mehrere haben die munteren Weisen ihre Anziehungs­­­kraft verloren. Durrand ist bereits für manches shöne Auge der Gegenstand der Bewunderung geworden. Marie läßt Longworth’s Arm fallen, nähert sie Leonce, nimmt aber trog der gaffenden Menge sein bewillkommnendes, fünftliches Lächeln an. Ihr Blid ist kalt und zornig ; sie weicht ihm nicht einmal die Hand, um ihn zu begrüßen, sondern macht nur eine leichte, frostige, unfreundliche Verbeugung und will es nicht sehen, wie er ihr an­­­gelegentlich nie Hand entgegenstrebt, welch’ befümmerten, flehenden, vorwurfs­­­vollen Bild er auf sie wirft. ·· »Da giebt es keine liebevolle Umarmung«denkt Longworth grimm­ig. «Fräulein Marie ist eine resolute junge Dame und weiß ihr Mißfall·enfü­hl­­­bar zu machen.Monsieur Durand wird von ihr augenscheinlich nicht als Bruder betrachtet." · Denn diese erste Begrüßung haftet fest in seinem Gedächtniß.Er hat Reine Landelle zum Weibe begehrt,sie hat ihm ihr Jawort gegeb­en,aber sie haben sich vom Anfang bie zuletzt mit der kalten Höflichkeit gewöhnlicher Bekannter getrennt und dieser Mensch nimmt es sich heraus sie zu küssen. Leitet er das Recht dazu von dem Umstande her,daß sie zusammen aufges wachsen sind,oder aus dem Recht gegenseitiger siehe.Er hat die Freude in ihren Augen gesehen—ja,trotz Ueberraschung und nicht hat freudiges Willkom­men aus ihnen geleuchtet.Er hat sie für ernst und muthig,vielleicht auch für etwas eigensinnig gehalten,ohne daß sie ihm deßhalb minder reizend erschienen wäre,aber auch für offen und aufrichtig.Sie hat ihn an­­­genommen und kein früheres Verhältniß erwähnt.Warum trägt sie Durand’s Bild bei sich.Warum erschrickt sie ü­ber seine Ankunft?Longworth ist bereit, zu warten und Alles aufzubieten,um­ ihr Herz zu gewinnen,aber er hat nicht im Mindesten im­ Sinn­­ sich um ein Herz zu bemühen,das bereits einem Andern gehört.Und andersein­,welche ihm­ dieser bloße Gedanke verursacht,erkennt in diesem Augenblick Longworth den wahren Stand seiner Gefühle besser,als er ihn je zuvor gekannt. Er steht da und beobachtet verstohlen,wie n­och so manche Andere, die vor ihm sich abspielende Pantomime. Er kann sein Wort verstehen, aber so viel ist augenscheinlich, daß Durand daran gelegen ist, mit Marie aus dem Gepränge herauszukommen, um ihr die Sache aufzuklären; auch ist eben so offenbar, daß M­arie weder gehen, noch ihn anhören will. Ihr altes, ent­­­schlosfenes Gesicht sagt deutlich: ··· »Sie sind gegen meine annsch hierhergekom­men—ich zu­·nne Ihnen. Sie sind unwillkommen. Ich will weder mit Ihnen gehen, noch Sie anhören oder Ihnen verzeihen." Er blict niedergeschlagen auf Reine, Reine ficht ängstlich und verlegen aus und scheint Durand’s Wunsch zu theilen; sie vertritt augenscheinlich feine Sache. Aber Marie ist so unerbittlich, wie das Schicjai selbst; sie kehrt sich entschlossen ab und gesellt sich zu einer Gruppe von Bekannten. Es­­­ bleibt den Anderen nichts übrig, als ihrem Beispiel zu folgen. Der schöne und elegante Herr wird vorgestellt. Er legt die ernste und flehende Diiene ab, die sein Antlig bewegte, und zeigt sich sogleich zu Hause mit Jeder­­mann, indem er dabei alle Gewandtheit eines Mannes entfaltet, der an die G­esellsihaft von Frauen gewöhnt ist. (Bortfegung folgt.) · — ns:

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