Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1882. November (Jahrgang 9, nr. 2699-2724)

1882-11-22 / nr. 2717

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Hed­­­rich’s Erben, Schässburg Heinrich Zeidner’s Siliale, Bistritz Friedrich Wachsmann Nr. 187, Sächsisch - Regen Adolf Dengyel, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Brief Paul Battoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein + Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, Botter & O., H. Schalek Pos A. V. Goldberger, Fraskiari a. M. @. L. Danke & 6, · an Juvertisuspreis : Der Raum einer einspealtigen Garmondzeile kostet beim einmeligen @intiden 7 tr., be­­­iweitemal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. 5. ®. ozelusive der Stempelgebühr von je 30 r, 1882. Das unterdrükte Magyarenthum. (Original Korr. des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts“.) O0. W. Bie Wi­rfel sind in einer hochwichtigen Frage gefallen. In hoc­hgradiger patriotischer Entrüstung, wie sie kaum jemand besser der Feder zu entladen weiß, wie der dem Stamme Arpads aufgepfropfte Dänische Baron Ivor Kaas, schreibt hierüber „PBesti Naplo“ (in Nro. 311 vom 11. November):­­­­­­ „Die magyarische Militärakademie ist begraben, die ungarische Dele­­­gation hat auf sie verzichtet. Wir Alle fühlen die Entrüstung gegen Jene, welche Die rechtmäßigsten Forderungen der Nation in gewissenloser Leichte fertigfeit aufgegeben haben. Früher hatte die ungarische Delegation die Entschuldigung, daß nicht sie, sondern die Oesterreicher die Akademie zu Falle brachten. Heite, bei dem gegenwärtigen Grade des parlamentarischen Niederganges ist die ungarische Delegation in ihrer Unterthänigkeit so weit gegangen, selbst die Militärakademie aus der Neihe der nationalen Forde­­­rungen zu streichen. Herrliche Volfsvertreter das! Sie Frieden und m­ü­hen vor der Regierung und den Gewaltigen mie Hofbediente. Wären sie er­­­nannt und nicht erwählte Vertreter des Wortes, welches seine Interessen ihnen anvertraut hat, sie hätten doch Die Sache des Baterlandes nicht so im Stiche lasfen dürfen. · · »Die Nation ist damit im Reinen,daß sie eine Felome begangen haben,aber ohne der Menschlein zu achten,bricht sie den Stab über die Institution der Delegation,welche klarer als das Tageslicht bewiesen hat, daß sie Ungarn schädlich ist,nachdem sie 15 Jahre hindurch jedqurde­­rung der Wiener Regierung bewilligt,jede Handlung derselben gutgeheißen get- Mitglieder der sungarischen Reichstages stimmen der Beh­auptung des­­riegsministers zu,daß die Militärakademie weder gegenwärtig,noch in nächster Zukunft nöthig sei und warten,bis nach den statistischen Daten die Errichtung einer noch dazu in jeder Beziehung deutlichen, um sein Haar mehr als die Wiener » Neustädter magyarischeren, Akademie genommen ein wird. „Es ist ein schrecklicher Zustand, Magyare zu sein! Fühlen Die Ab­­­geordneten, die sich bei Diesem Beischluffe beruhigt haben, nicht das Joch im Namen, fühlen sie nicht, daß sie ihr Vaterland beschimpft haben? Und haben sie nur über die Delegation den Spruch gefällt, daß sie nicht ma­­­gyarisch sei? Sie haben auch von der gemeinsamen Armee ausgesprochen, daß Ungar­r sie nicht mehr als die seinige betrachten solle, weil er mit ihr außer der Blutsteuer nichts gemeinsames Rat, noch haben wird. Wenn aber die ungarische Delegation die verkündet, dann machen Diejenigen, welche e8 acceptiren, Ungarn zum Vasallen Oesterreich. Die e8 nicht accep= tiren, werden vom Felde der Geseklichkeit abgedrängt.” Neben diesen in der ungarischen Delegation dem „unterbrühten“ Magyarenthum erwachsenen innen Feinden hat e3 aber wo mit all­ den Nationalitäten und auch noch mit dem Judenthum (l) zur­­­ümpfen. Die Freiburger Exzesse gegen die Juden wären von der magyarischen Presse allerdings bewugt worden, um al­­solie der deutsgen Intoleranz die ma­­­gyarische Toleranz hervorzuheben. Nun hat aber kürzlich in Kaposvar eine zahlreich besuchte rein magyarische Antisemitenversammlung stattgefunden, in welcher s christliche Vereine natürlich unverfälscht magyarischen Charakters gegen das auserwählte Volt konstitiirt wurden. Mit wel­­chönen Nebens­­­arten fold’ patriotisches Thun verbrämt wird, wenn es von maghariischer Seite ausgeht, zeigt das Hirkulär, mittelst dessen die Versammlung einbe­­­rufen wurde, „Egyeterteg" theilt (Nro. 310 vom 9. November) den Wortlaut defselben in Folgenden mit: „Geehrter Gesinnungsgenosse! Jede größer angelegte Bewegung des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens wird von der Erkenntniß und vom Druce einer allgemein empfundenen Not­wendigkeit hervorgerufen. Einer­­­ foien Bewegung auszumeid­en oder gar gegen sie ankämpfen zu wollen, ist ein sündhaftes Vergehen gegen die Gesellschhaft, gegen die Menschheit. In unseren Tagen hat die christliche Gesellschaft, von einem alten Wipdrud fi­ befreiend, eine derartige groß angelegte Bewegung begonnen, deren Ziel Die Bügelung des gegen die christliche Gesellschaft kämpfenden Judenthums und die Wiederherstellung der Gesellschaft in christlichem Geist und crist­­­lien Tugenden ist. Wer nur immer genü­gendes Gefühl und genügende Intelligenz besigt, die ernften Interessen der Menschheit zu erkennen, muß einsehen, wie imminent die Gefahr it, welche Die ganze christliche Gesell­­­schaft durch die in riesigen Verhältnissen wahrende Macht und den Einfluß des Yudenihums bedroht. Dieser Gefahr künnen wir nicht aus dem Wege gehen; da sie aber unsere Religion, unsere Sitten, unser Vermögen, unsere Nationalität, ja unser Leben angreift, so ist es unsere Chhristen- und P­a­­­triotenpflicht, sie aus allen Sräften zu besümpfen. Uns Magyaren bedroht diese Gefahr vielfach. Der G­ift des Judenthums läßt fi nie und nimmer mit der ehrlichen Denkweise des ritterlichen Magyaren vereinigen, und wo der jüdische Geist in unserer Gesellschaft Wurzel faßt, dort bedeutet er den Triumph der Schlechtigkeit und Immoralität. ‹ Zehren uns bieg Die täglich vorkommenden Erspeinungen der Korruption, welche in der früheren magyarischen Gesellschaft, als wir dem Judent­um noch nicht Kräfte und Rechte verliehen hatten, ehr selten oder geradezu unerhört waren. Der Jude verdirbt die reinen Sitten unseres Volkes, um dann durch die nie­­­drigen Mittel des Betruges, Wucher, der Verführung und Hehlerei seinen Belik zu erwerben, auß dem Grundbefiger einen Proletarier, aus dem freien Menschen einen Sklaven, und die Sprucht der harten Arbeit und des Schweißes Desselben auf leichte Weise zum Opfer seiner unersättlichen Hab­­­sucht zu machen. „Weifen der Boden, dessen ist das Vaterland! Ein großes St­nd unsere Landes gehört nicht mehr ang! Die Grundelemente der magyarischen Nation, Herr und Bauer, sind gleichmäßig im Niedergange, der christliche Gewerbetreibende verfällt gänzlicher Verarmung. Ihren Plan nimmt der Jude ein, der nicht den ritterlichen Charakter, den P­atriotismus, das srenge Ehrgefühl des magyarischen Edelmannes, nicht die starre Hand und die einfachen Tugenden des christlichen Gewerbetreibenden und Landbauers befigt, und so an das edle Bild und den Charakter der magyarischen Nation und Gesellschaft fälscht. Das Judenthum arbeitet gegen ung eng verbunden, planmäßig als innerer Feind, und eben dies erklärt den unge­­heuern Erfolg, den er in der Versbreitung seiner Macht und seines Ein­­­flusses erreicht hat; und wenn wir b dieser Tätigkeit des Judenthums, wie bißher, mit gefalteten Händen unthätig zusehen, oder unter dem Vorwande des falsch verstandenen Liberalismus und der Humanität zur Förderung seiner Bestrebungen noch behilflich sind, so wird die Prophezeiung: „Ungarn war nicht, e8 wird erst sein“, sich nicht erfüllen, sondern wir werden e8 erleben, daß die Nation, zu deren Unterjochung die gesammte Scraft ihrer mächtigen Feinde nicht genügend war, gezwungen sein wird, das Sklaven­­­joch des feigsten Wolfes der Erde zu tragen. 3 ist Die höäfte Zeit, daß auch wir ung der in der ganzen Welt gegen das Judenthum eingeleiteten Bewegung anschliegen und unsere Kraft und Fähigkeit auf den Kampfplag tragen, um Die heilige Sache der ristlichen Gesellschaft und der ganzen M­­enchheit zum Biere zu führen. Nie festes Zusammenhalten und ernster Wille führt zum Ziele, gegen eine chriftliche Gejrlsschaft aber, die ohne Unterschied des Ranges, Standes und Vermögens demselben zustrebt, wird und dann sein Feind fienen. ‘Ferne bleibe von uns in diesem Sampfe die brutale Anwendung von Waffen, die mit der Civilisation und den christlichen Prinzipien nicht vereinbar sind. Wir wollen nur im Rahmen des Gesehes die Interessen der Menschheit und der christlichen Gesellschaft mit solcher Thätigkeit und solchen Thaten gegen die jildische Macht vertheidigen, welche unserem Ziele und den Anforderungen der Bildung entsprechen. Vorläufig erscheint 8 angezeigt, so wie in der übrigen Welt „christliche Schuß­­­vereine“ auf Grund des bekannten Programmes des Dresdener Antisemiten­­­n zu gründen." a8 it dem­ auch) in Saposvar geschehn. Ob es denn aber noch begründet erscheint, in ungarischen Blättern vom bentischen Giftsamen des Antisemitismus zu weben, dürfte wohl rar gelegt sein. Die vom Ofenpester Universitätsprofessor Paul Hoffmann dieser Tage veröffentlichte Broschü­re, welche der antisemitischen Strömung entgegentritt, formulirt ihrerseits ver­­­schiedene Forderungen an die Juden, Die in dem Wipha und Omega fulmi­­­niren, daß sich dieselben mehr dem nationalen Geist anschließen, d. h. magya­­­risiren sollen. Bielleicht gelingt e83 auf diese Weise doch wo, das von Slawen, Rumänen und Sachsen so sehr verfolgte, von den ungarländischen Deutschen durch Namensmagyarisirung nie ungenügend unterfragte, einer zur Selbst­­­vertheidigung dienenden Militärakademie entbehrende Magyarenthum vor dem, nach der patriotischen Befürchtung Berti Naplos, demselben drohenden Untergang zu retten. Detitite Niebersicht. Herwsnnfedt, 21. November. Ohne Emotion widert fi die Debatte im Beiter Abgeordneten baufe über den Beamterqualifikations-Gefegentwurf ab, und ist dieselbe in der Sagung vom 20. d. bis zum Paragrafen 23 gelangt. Damit aber eine Würze dem Hause nicht fehle, richtete der Abgeordnete Hentaller eine Interpellation an den Innenminister, die, wenn auch unter unverfäng­­­licher Außenseite, der antisemitischen Strömung in Ungarn reichlichen Stoff geben dürfte. Die Interpellation lautet: » Rat der Ministeringnn ein Kenntniß davon,daß der Israelit David muß,Einwohner zu Szabad Ballaö,als er die Mobilien eines seiner Schuldner in der Wohnung desselben nicht fand,unter dem Vor­­­wande, daß der Schuldner mit dem reformirten Kirchendiener auf gutem Fuße stehe, am 10. November 1. 3. in Begleitung des Waisenvaters und Gemeinderathe Stefan Gyenes in die S­abadfallajer reformirte Kirche eindrang und dort Alles durchsuchte, ohne aber etwas Anderes als die Kirchenrequisiten zu finden ? „Hat er Kenntniß davon, daß die Durchsuchung der reformirten Kirche zu Szabad Kallas mit Einwilligung der Gemeindevorstegung, namentlich des Richters Gregor Kovach und des Obernotars Stefan Pal geschah ? „Wen der Herr Minister des Innern hie von Kenntniß hat, gedenkt er Verfügungen zu treffen — und welche —, daß diese ungefegliche Ver­­­legung des religiösfen Gefühls der Mitglieder der Szabad Ballajer reformirten Kirchengemeinde streng geahndet und Dadurch die Gemüther des in seiner Religiosität tief verlegten Volkes befegwichtigt werden ?“ Zur Entstehungsgeschichte der Iegten Thronrede des deutschen Kaisers ist in Berlin eine interessante Version im Umlaufe. Die Rede war zuerst so abgefaßt worden, daß ihre Verlesung gerade n­ie fünf Minuten in Anspruch nehmen sollte; weder der Passus über die kirchenpolitische Lage, wo der über die auswärtigen Beziehungen war darin enthalten. Da empfing Herr Goßler Nachrichten aus Rom, welche ein wieder etwas ersprichlicheres Verhandeln mit der Kurie al möglich erscheinen lielten, und er reiste nach Varzin, von wo er die auf Die kirchenpolitische Lage bezügliche Aeußerung für die Thronrede mitbrachte. Al­­sun der Kaiser um die Genehmigung ersucht wurde, diesen Parsus nachträglich in Die Thronrede einfügen zu dürfen, sol er lächelnd geäußert haben, wenn man ihm nun doch die Verlesung einer längeren Rede zumuthe, so wolle er an einem Herzenswunsche Genüge ıh um, nämlich dem Volke‘ die Beru­­higerung zu geben, daß der Friede als gesichert anzusehen ei. Das werde nicht nur allgemein zur Beruhigung beitragen, sondern namentlich­ auch dem weiteren Aufblühen von Handel und Gewerbe Vorschub Leisten. Auf die Bemerkung, daß seit Errichtung des deutschen Reiches Aeußerungen über die auswärtigen Beziehungen Deutschlands nur in die für den Reichs­­­tag bestimmten Thronreden aufgenommen worden seien, soll der Kaiser bemerkt haben, daß ihm vielleicht nicht mehr, jedenfalls aber nicht schon in nächster Zeit Gelegenheit geboten sein werde, zum Neidhetage zu sprechen, und daß eine Stärkung der­­­ Friedensbürgischaften gerade jet Überall mit Genugthuung werde aufgenommen werden. So wurde die Thronrede auch­ noch um den auf die auswärtige Lage bezüglichen Sab vermehrt.­­­­­ Benilleton. Das Ringen nach Glük. Roman von %. Friedrich. (82. Fortlegung.) Ein anderes Papier fiel in seine Hände und erregte schon durch die Aufschrift seine Aufmerksamkeit, es war eine gerichtlich beglaubigte Abschrift des Testamentes, welches Kolbe’ Vater gemacht hatte. Er wußte ja von Kolbe, daß dieser von seinem Vater enterbt war, weil er Maler geworden war. Er las die vergilbte, aber doch noch deutliche Schrift. Mit ziemlich schroffen Worten hatte Kolbe's Vater seinen Sohn enterbt und außer dem geietlichen Pflichttheile Alles seinem ältesten Sohne vermacht. „Ich begreife nicht, wie ein Vater so verbl­endet und Hart sein kann !“ rief er unwillkürlich. Dann las er weiter. Plöglich suchte er zusammen, er las die Be­­­stimmung, daß das Gut in der Familie Kolbe bleiben und wenn der älteste Sohn ohne Erben sterbe, den Kindern des jüngsten und enterbten Sohnes anheim fallen solle. Er sprang auf und laß die Worte noch einmal, er durchlas das ganze Testament und griff mit der Nechten an die Stirne. War­­chied nur eine Zäuschung? Tragen ihn seine Augen? Dort stand die Bestimmung bar und unzweideutig ausgesproc­hen. Und dennoch konnte er nicht so sein, denn würde der Alte das Recht für seine Kinder nicht geltend gemacht haben ? War es möglich, daß er den Wortlaut des Testaments nicht kannte! Seiner Darmlosigkeit war dies zuzutrauen. “Alles bei Seite werfend, eilte er mit dem Testamente zu Kolbe, der ruhig in seinem Atelier arbeitete. „Kennen Sie das Testament Ihres Vaters ?“ fragte er hastig, um­­­ebulbig. „Natürlich kenne ich es, denn ich bin in demselben enterbt," erwiderte der Alte lächeln. „Haben Sie­­­ je gelesen ?" Der Alte sehwieg und fann nach. „Ich weiß es wahrhaftig nicht," entgegnete Kolbe: „Ich war damals in Italten und geärgert hat ee mich, daß ich wie ein Ausgestoßener be­­­handelt wurde, ob ich nach meiner Rückkehr mich darum befümmert, weiß ich nicht mehr, ich glaube es jedoch kaum. Mein Anwalt, der ı­ich ver­­­treten hatte, war kurze Zeit vor meiner Heimkehr gestorben, ich erhielt dann die Kiste mit den Büchern von ihm — auf Näheres und mehr kann ich mich nicht mehr besinnen. Ich fühle wahrhaftig, daß ich alt werde, denn mein Gedächtniß wird immer schwächer." „Sie haben es nicht gelesen, denn. Dies — dies würden Sie nie ver« geffen Haben!” rief Merkel. „Hören Sie — hören Sie!“ und er las die ihm so bedeutungsvollen Worte vor. „Was ist das?" unterbac­h ihn der Alte und das Blut wich aus feinen Wangen. „Nein, das kann nicht sein, Sie müssen sich verlosen haben — zeigen Sie — zeigen Sie!" Er ergriff Hastig das Testament, allein er­­toftete ihm Menche, wasselbe zu lesen, denn seine Hände zitterten und vor seinen Augen tanzten die Buc­hstaben wie luftige Kobolde. „Nein, dies ist nicht möglich," fuhr er fort. „Dies kann nicht sein!“ „Und weshalb nicht? Diese Abschrift des Testamentes ist gerichtlich beglaubigt,“ warf Dierkes ein. „Es tun nicht fein!” wiederholte der Alte und ließ sich auf einem Stuhle nieder. „Gönnen Sie mir wenige Minuten Ruhe, lassen Sie mich besinnen — es tanzt Alles um mich leer und in meinem Kopfe wirbelt es. Dh — Ob, dies wäre zu viel, — ein Glück, auf welches ich nie gerechnet habe! Das Gut meines Vaters Einenthum meiner Kinder! Weerkel, ich kann nicht denken, Sie sind ruhiger wie ich, lesen Sie das Testament noch einmal, wir müssen uns getäuscht haben !" „Es steht hier so, wie Sie gelesen haben!” versicherte Deerkel. „Ich werde Gisbert rufen.” „Nein, nein!“ rief der Alte aufspringend und ihn zurückhaltend. „Niemand sei davon erfahren, bis ich völlige Gewißheit darüber erlangt habe. Wenn ich jegt in dem Herzen meiner­ Kinder und meiner Frau Hoffnungen und Wünsche erregte und dieselben wären nichts mehr als eine Zäuschung, so mür­de ein schmerzliches Gefühl in ihnen zurade­­­bleiben. Das will ich ihnen ersparen; ich , ich werde es ertragen und es ist genug, wenn einer dadurch­ leidet. Schweigen Sie weshalb, kommen Sie mit mir zu Darren, er muß mir Aufklärung geben können, denn er ist ja der Vollstreber des­­­ Testamentes, welches die Generalin gemacht hat, er muß auch willen, ob dies — dies noch Geltung hat. Ich selbst kann nicht darüber nachdenken, denn mein Kopf — mein Kopf — kommen Sie !" Er stürzte fort aus dem Zimmer und dem Hause, so daß Merkel ihn kaum zu folgen vermochte. Dieser suchte ihn zu beruhigen, seine Worte verhallten ungehört. Er hatte nicht geglaubt, daß der Alte so erregt sein werde, für sich selbst Hatte er nie Etwas gewünscht, dies war freilich ein­­en welches seinen Kindern bevorstand, und sie liebte er mehr als sich selöst. Bolten begegnete ihnen, Kolbe nahm sic­h nicht Zeit, ihm zu begrüßen, sondern rief ihm nur zu: „Kommen Sie mit, kommen Sie mit!“ Erschredt blickte der Arzt dem Weitereilenden nach. „Was ist geschehen ?” fragte er besorgt. Deexkel Härte ihn mit wenigen Worten auf: „Ha! Das wäre löstlich, davon muß ich mich überzeugen!“ rief Bolten und schloß sich dem Freunde an, um dem Alten zu folgen. So langten sie auf Darren’s Zimmer an. „Hier , hier, lesen Sie!” rief Kolbe, reichte dem Rechtsanwalte das Papier und fant dann erschöpft auf einen Stuhl, Darren las Anfangs mit der Nähe eines Geschäftsmannes, plöglich zuchte er zusammen und rief: „Was ist das?“ „Gilt das?" unterbrach ihn Kolbe, „Hat diese Bestimmung no Geltung ?” „Woher haben Sie dies ?" forschte der Anwalt. Merkel erzählte ihm, daß er die Schrift unter alten Büchern in Kolbe’s Haufe gefunden habe. „Hat e8 no) Geltung ?" wiederholte der Alte. Darren prüfte das so wichtige Schriftstück vorsichtig. „Es ist eine Abschrift des Testamentes —­ sie ist vom Gerichte bee

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