Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. September (Jahrgang 11, nr. 3258-3283)

1884-09-18 / nr. 3273

Reduktion undeministration Heltauergasse 23. Ä scheint mit zuguap un der smms undJei­rs tagetäscr­g. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährlich 2 $1. 50fl , Halbjährig 5. fl, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’3 Haus, hi mit Zustellung 1 fl., 3 fl., 6 fl, 12 fl. Abonnement mit Postversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 ft. Ba aeg TAL., ganzjährig Für das Ausland: vierteljährig 7 NM. oder 10 Fres., Halbjährig 14 RM. oder 20 Fres., ganzjährig 285 RM. oder 40 Free. Unfrantisrte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurü­ckgestellt. N= 3273. X. Shen. —- Siebenbirgist-Deutsches Hermannstadt, Donnerslag, 18. September 1884. Bewahranfalten in unsern Dörfern. Der Hauptvereinsausschuß des allgemeinen evangelischen Frauenvereins hat während der Vereinstage in Hermannstadt am 22. August seine erste Sigung gehalten, in der beichlußmäßig ausgesprochen wurde, die Gründung von Bewahranstalten im Bereich der ev. Landeskirche in Angriff zu nehmen. Der Beschluß, in welchem sich der Ausschuß geeinigt hat, geht aus von den thatsächlichen Verhältnissen, die in unseren Dörfern herrschen, und von dem Bedürfnis, das schon lange vielseitig empfunden wurde. Es giebt nämlich nicht wenige Dörfer, in welchen den Sommer über, besonders in den Tagen dringendster Arbeit, die Hausbewohner alle hinaus aufs Feld gehen. Da entsteht nun immer wieder die schwere Frage, was soll mit den Kindern geschehen, die auf dem Felde doch nichts helfen können, ja geradezu auch der Arbeit in vielen Fällen Hinderlich sind, die man aber doch auch zu Hause, ohne Aufsicht, ohne Pflege nicht laffen möchte und nicht laffen kann, i um icht­ viell offen. Entweder man nimmt die Kleinen mit und set sie allen Unbilden, hier des heißen Sonnenbrandes, dort des Negenz und des Windes aus, oft zur Schädigung der Gesundheit für das ganze Leben. Oder man läßt sie zu Hause unter der ungenügenden Aufsicht älterer Geschwister, oder auch vielleicht ganz aussichtl­os, wobei das Kind dem Zufall und jenem sprüchwörtlichen Glück preisgegeben bleibt, das nach dem Bolfsglauben die Kinder vor Beschädigungen bewahrt. Es liegt auf der Hand, welchen Noten e3 gewähren wü­rde, wenn dur Errichtung von Bewahranstalten nach zwei Seiten hin eine Erleich­­­terung geschaffen wü­rde. Zunächst würden die Eltern der Sorge für die Kinder enthoben, die auf dem Felde draußen doch nur eine ungenügende sein fan, und die Kinder selbst würden, unter jener guten Aufsicht im Dorfe zurücgehalten, vor körperlichem, oft auch vor sittlichem Schaden bewahrt. Dber ist die Einrichtung einer solchen Bewahranstalt gar seine schwie­­­rige Sache. 3 ließe sich in der Regel einfach so gestalten, daß mit dem Frühjahr, wenn die erdarbeiten beginnen und die Schulen teils gesperrt, teils auf Frühunterricht beschränkt werden, eben die Schule die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügung stelle, wo Hof und Garten zugleich genü­­­genden Plan zu Spiel, freier Luft und früh­er Bewegung bieten. Aufge­­­nommen werden alle Kinder, die besser nicht auf, das Feld mitgenommen ,werden den ganzen Tag über, biß die Eltern von Felde heimkehren, und die Anstalt hat nun die Aufgabe, für diese Zeit über die Kinder die Aufsicht zu führen, sie vor körperlichem und sittlichem Schaden zu bewahren und im weiteren die so wichtige Entwiclungsperiode des kindlichen Alters zu seinem Nagen zu verwerten. So wü­rde denn Spiel und Bewegung, bei den größeren etwa ab­wechselnd auch geordnete Beschäftigung, die Zeit ausfüllen. Die Beköstigung wide sich so beweisstelligen Lassen, daß das Kind sich mitnimmt, was ihm sonst zu Hause geboten würde, oder einen Teil der Mundvorräte, welche die Eltern mit aufs Feld nehmen, zurückbehält. Die Hauptschwierigkeit dürfte wohl darin bestehen, eine geeignete P­erson in den betreffenden Orten zu finden, welche die Zeitung und Aufsicht übernähme. Aber auch sie wird sich praftlich leicht Lösen lassen. Hier wird es die Schulmeisterin, dort die Predigerin, an einem dritten Ort die Pfarrerin oder die Tochter des Pfarrers Yin, die sich, Hin und wieder auch alle zusammen, der Sache annehmen; häufig wird sich auch sonst eine Frau oder ein verständiges Mädchen finden, die im­­stande sind, der Aufgabe zu genügen. Die Entschädigung für die Mühe dieser Arbeit wird auch­ nicht schwierig sein. Für sie aufzukommen, wird mit eine Aufgabe der.. »Ortsvereine sein, die sich in dem Rahmen des allgemeinen Frauenvereins bilden; der Ortsverein in Deutsch-Kreuz hat geradezu die Errichtung eines Kindergartens für die Sommermonate in seine Sagungen aufgenommen. — € 3 braucht natü­rlich nicht überall gleich gemacht zu werden. Wo der Frauen­­­verein etwa Naturalien sammelt, mag er ohne Mühe Frucht geben, wo er Geld sammelt, solches. Das leicht zu bewerfstelligende Uebereinkommen zwischen der Leiterin der Bewahranstalt, welche Leßtere unter der Aufsicht des Presbyteriums stehen müßte, das auch die Kirchenfasse zur Erhaltung herbeiziehen kan, und dem Frauenverein dürfte nirgends auf Schwierig­­­keiten stoßen. Und wo die Ortsvereine nicht im­­stande sind, mit eigenen Mitteln aufzukommen, da wird der Gesamtverein es als seine Aufgabe betrachten, aus seinen Mitteln Beihülfe zu gewähren. Vor allem ist es angezeigt, daß in jenen Gemeinden, wo das Be­­­dürfnis nach solchen Anstalten vorhanden ist, die Errichtung schon mit dem nächsten Frühjahr ins Auge gefaßt­ werde. Zu dem Zweck muß erwogen werden, ob sich in dem betreffenden Ort eine geeignete Person finde, dann wie die Mittel Bet­­reien. Wenn jener Beschluß des Hauptvereinsausschusses eine allseitige Er­­­wägung des Gedankens zur Folge hätte, so wäre die Sache ins beste Ge­­­feife gebracht. « a-pstwo-daikk BedürfnisM--­­­sich in der Zusum!­­­ · ·­­­­­handen wäre,Letterinen für solche Anstalten(durch eine Unterweisung,die etliche Wochen nicht übersteigen dürfte)besonders heranzubilden,so wird der Hauptvereinsausschuß die Frage jedenfalls in Erwägung ziehen. Bei der Hand empfehlen wir die Erwägung der ganzen Angelegenheit unseren Gemeinden, speziell den Frauenvereinen, en­­g a Pränumerationen und A Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauergasse Nr. 28, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresz­­­wandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz Fr. Wachsmann Nr. 187, Sächs.­Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile Tostet beim einmaligen Einraden 7 fr., das zweitemal je 6 £r., das drittemal je 5 kr. ö. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 Kr. Bolitische Webersicht. Hermannstadt, 17. September. Die feierliche Eröffnung des für den 25. September einberufenen­­­ Reichstages findet erst am Montag den 29. d. M. in der küniglichen Burg statt. Se. Majestät wird an diesem Tage um 11 Uhr den Reichstag mit einer Thronrede eröffnen. Ueber das nächste Programm des Abgeord­­­netenhauses weiß „Nemzet“ zu melden, daß nach der Aprep-Debatte die Delegationen zus­ammentreten. Nach Wiedereröffnung seiner Sibungen wird er das Haus dann mit dem Budget beschäftigen, nach dessen Erledigung die Oberhaus-Reform aufs Tapet gelangt. Für die Adreßdebatte stellt der Führer der­ Antisemiten, Herr Viktor Istoczy, eine lebhafte Beteiligung­ der antisemitischen Abgeordneten in Aussicht. „Seit dem Zeitalter des Kreuzfahrers Andreas — schreibt er in seiner Monatsschrift „L2 repirat“ — wird er der erste Fall sein, daß die berufenen Abgeordneten der von den Juden bs aufs Blut gepeinigten magyarischen Nation sich an die Krone behufs Heilung der Leiden der Nation wenden werden. Die antisemitischen Abgeordneten werden als Ant­­­wort auf die Thronrede dem Abgeordnetenhause einen Adreßentwurf unter­­­breiten, in welchem sie Sr. Majestät die sc­­were Lage des Landes, in welche das Judentum samt den mit ihm verbiündeten Naubrittern es ge­­­stürzt hat, darstellen werden.“ Ueber die beabsichtigten Preßmaßregeln Tipa’S sprechend, kommt „Befti Naplo" auch auf die Affaire VBerhovay zu reden, und äußert sich Hiebei in folgender Weise :­­­ „Lulius VBerhovay ist der ärgste und Heftigste unter den anti­­­semitischen Agitatoren. Koloman Tipa hätte also, wenn anders seine Argu­­­mente für die Aufhebung der Preßfreiheit aufrichtig sind, in allererster Reihe gegenüber den Agitationen Verhovay’s zeigen müssen, daß er in denselben eine Gefahr für die Gesellschaft erblicke. Er fragt fi nun, ob der Minister­­­präsident dies gezeigt hat? Bei Jahresfrist gerade wurde gegen Julius B­erhovay ‚eine Anklage erhoben, welche in Ungarn jeden anderen unbedingt vernichtet hätte. Es war die Anklage der Veruntreuung. Und was ge­­schah? E83 geschah, daß diese Angelegenheit sich seit einem Jahre schon in den Händen der Gerichtshöfe befindet, ohne daß bislang in derselben ein geiegliches Urteil geschöpft worden wäre. Verhovay’s „eFügged­enfeg” war während dieser Zeit entgegen den Bestimmungen des Gesees durch volle sechs Monate ohne Kaution erschienen;sawohl,dieses Blatt durfte ohne Kaution seine Aufreizung ein halbes Jahr hindurch ungehindert forttreiben. Innerhalb dieses nämlichen Jahres fanden die Abgeordnetenwahlen statt und Verhovay wurde wieder Abgeordneter,trotzdem er sich im Anklage­­­zustande befindet.Und wir sehen ihn heute mit demselben Eifer weiter agitieren,wie im verwichenen Jahre.Darf nun Koloman Tipa behaupten, er hätte gegenüber Verhovay und dem»Függetlenfeg«nicht gesetzliche Mittel zu Gebote gehabt,durch welche er den Agitationen desselben ein Ziel hätte setzen­ können?Nein,er darf das nicht sagen.Hätte Koloman Tipa die gesetzlich­en Mittel die ihm zur Verfügung standen,mit ernster Strenge angewendeh die Angelegenheit des»Függetlenseg«wäre heute—indem einen oder dem andern Sinne—erledigt.Wahrscheinlicher ist wahrhaftig die Annahme,Koloman Tipa habe gegenüber Verhovay ein solches Vor­­­gehen befolgt damit Verhovay auch weiterhin gegen die Juden agitiere und­­­ darin einen Vorwand finde zur Unterdrückung der Pre­­­reiheit.“ Dagegen sucht ein Budapester Brief Herrn v. Tipa von dem Vorwurf, daß er sich das Stichwort zu den vo ihm angekündigten reaktionären Maßregeln anderswoher geholt, reinzu­­­waschen. 3 heißt da: „Die Vermutung, daß die gegen die Au­sschrei­­­tungen der Presse beabsichtigten Maßregeln dem Techten Aufenthalte des Herrn dr. Tipa am Hoflager in SiHl ihren Ursprung verdanken, ist eine ganz willkürliche Aufstellung. Diese Maßregeln wurden weder erst in Sicht ing Auge gefaßt, noch daselbst festgestellt und sind überhaupt mit dem Aufenthalte des Ministerpräsidenten in Fischl nicht in Zusammenhang zu bringen. &o kann nunmehr der nicht uninteressante Umstand mitgeteilt werden, daß Herr v. Tipa den gegen die Ausschreitungen der Vresse ge­­­richteten Gelegentwurf bereits vor anderthalb Jahren vollständig ausgearbeitet, ihn jedoch aus dem Grunde wieder zur Seite gelegt hatte, da er damals noch glaubte, daß ein solcher Schritt sich immerhin noch hinausschieben lassen könne“ Ist das hier Hinsichtlich der Ausarbeitung des Gefegentwurfes ange­­­gebene Datum richtig, so würde der Gedanke, die P­resse und unbequeme Abgeordnete zu maßregeln, Herrn v. Tipa in der Mittelschulgefeg- Debatte harfgefeimnt sein,­­­ würde dies ein Helles Schlaglicht auf die Tendenz des reaktionären Gelegentwurfes werfen: Antisemitismus und Sozialdemokratie wären nur der Vorwand, der Sand für die Augen Eu­­­ropa’s, und die eigentlichen angeb­orenen Opfer wären die Nationalitäten, deren Breffe und Wortführer. . Der»Telegraful Roman«schreibt in einem Leitartikel,welchen das über Nacht gouvernemental gewordene«Neue Pester Journal«zu»einem indianischen Schlachtruf«stempelt: »Die drastischen Maßregeln werden das Verstummen der Presse nach sich ziehen;die Rumänen werden genötigt sein,den Schmerz über die fort­­­währenden Ungerechtigkeiten stumm im Herzen zu tragen.Wir wollennir erörtern,wie lange dies dauern wird.Allein jene Maßregeln werden die Wiederholung der vor hundert Jahren stattgehabten Ereignisse provozieren, denn der Mensch ist in seiner Verzweiflung bei Anwendung der Mittel nicht wählerisch.Man kann die Presse erwürgen,allein wenn die Presse nicht spricht,werden die Leidenschaften sprechen z wir sind zahlreich und den Repressalien gegenüber werden wir seinerzeit zu zählen sein.Mit Galgen und Kerkern kann man Ungarn nicht regieren,denn es steht geschriebem daß nur die Gerechtigkeit die Grundlage des Staates is.« Aus dem Wellenschlage der durch die nahenden Reichstagswahlen entfesselten ee in Deutschland hebt sich die Rede hervor, mit welcher Rudolf v. Bennigsen, der während der Iegten Reichs­­­tagssession vom Schauplage der Aktion zurückgetretene Parteiführer der Nationalliberalen, die am 14. d. M. in der Stadt Hannover abgehaltene Parteiversammlung der Nationalliberalen der Provinz Hannover eröffnete. Herr dr. Bennigsen forderte seine P­arteigenossen auf, in dem Wahlkampfe die frühere Stellung durch angriffsweises Vorgehen auch gegen die Fort­­­ier der offiziösen „Polit. Kore" Fi Benilleton. Der Auswanderer. Roman von Karl Zastrom. (14. Fortlegung.) Um 1 Uhr traten die Musiker wieder in Wirfsamkeit und das Gestampfe und Gesuchte unten begann von neuem. Indessen gab es je­ immer einen oder den andern unter den Spielenden, welcher das Strohlager aufsuchte, um auf kurze Zeit zu verschnaufen. Jedoch durfte niemand länger pausieren, als eine Stunde, und der Maestro m­achte darü­ber mit großer Gewissenhaftigkeit, damit niemand von seinen Leuten zu kurz kam. Er war bereits in der fünften Morgenstunde, als der rechte Tänzer mit warnenden Schritten das Lokal verließ. Gleichzeitig brachte Fich Die Rafette, welche die eingenommenen Eintrittsgelder enthielt. Jeder der Musiker erhielt einen Teil und stellte das Geld ein, ohne den geringsten Einwand zu erheben. Das Vertrauen in die unerschütterliche Rechtlichkeit ihres Maestro schien bei diesen Leuten derartig in Fleisch und Blut übergegangen zu sein, daß niemand nur im Traume den Verdacht hegte, mit künne sich eine größere Summe angeeignet haben, als jedem einzelnen von ihnen zufiel. Auch Borrmann ging, seine zwei Dollars in der Tasche, nach seiner Wohnung zurück, um sich nach den Anstrengungen der verflossenen Nacht nunmehr der Ruhe hinzugeben. Ein stilles Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er bedachte, unter welchen eigentümlichen Verhältnissen ihm dieser Verdienst zugeflossen war. « ,,Gleichviel«,flüsterte er vor sich hin,»es ist ehrliche Arbeit und jede Arbeit ernährt ihren Mann,wenn sie rechtschuf er und mit Fleiß und Pünkt­­­lichkeit««verrichtet wird.Ich werde mir diese Stelle zu erhalten suchen,bis sich etwas besseres gefunden haben wird­«— So verging eine Zeit,ohne daß sich in den Verhältnissen des Deutschen das geringste geändert hätte.Er erfüllte gewissenhaft die Pflichten,die er seinen schwarzen Kollegen gegenüber übernommen hatte,und fiel sein Verdienst leben und hin und wieder sogar eine Kleinigkeit für seine Familie zurücklegen konnte.Leider sollte bald darnach ein Fall eintreten,der ihm aufs neue den lieferte, wie schwer es sei, auf amerikanischem Boden festen Fuß zu fassen. Er war an einem prächtigen Sonntag Nachmittag, als der Musikchor sich früher ul­­gewöhnlich in dem Tanzsaal versammelt hatte und seine luftigen Weisen aufspielte, um die Tänzer von nah und fern herbeizulocken. Fit gab heute ganz besonders auf sein Publikum Acht, da ihm in der legten Zeit das Unerhörte passiert war, daß einige junge Leute nach seiner Klarinette getanzt hatten, ohne zu zahlen. Die Männer, welche sich diese Frechheit erlaubt hatten, gehörten jener gefährlichen Klasse des amerikanischen Volkes an, welche man mit dem Namen NRoundies bezeichnet, die selten ohne Revolver und Dolch sich auf die Straße begeben und, im Falle sie in einen Streit gezogen werden, zu den gefährlichsten Ausschreitungen geneigt sind. Besonders war es ein breitschultriger, baumtlanger Kerl, welcher Längst die Aufmerksamkeit des Maestro beschäftigte. Er war soeben wieder zum Tanz angetreten, ohne den schuldigen Tribut vorher in die Hände des Kaffiers, welcher in der Mitte des Saales stand, gelegt zu haben. Fit hatte er bemerkt, und mitten in dem begonnenen Galopp innehaltend, schwang er sich über das Geländer der Orchesterbühne, teilte sich, die unterbrochene Melodie wieder aufnehmend, in die Mitte des Saales, und als der lange Tänzer vorüber­ galoppierte, hielt er ihm, ruhig weiter blasend, die rechte Hand ein. Der solchergestalt an seine Pflicht Gemahnte stieß jedoch die Hand zurüc und tanzte weiter, ohne sich um den Mahner zu fümmern. Nun wurde ich böse. Er unterbrach sein Spiel von neuem, sprang in verzweifelten Säßen hinter dem Rotwelie her und fchrie ihm mit gellender Stimme: „Geld her!” in die Ohren. Da in dem andern der Geduldfaden gleichfalls. Er gab dem Klarinet­­­tisten mit seiner wuchtigen Faust einen derben Schlag ins Genie und brüllte, von der Aufregung des Tanzes und reichlich geworfenem Gin erhikt: „Laß mi in Ruh’, Du Schwarzes Vieh!” Das war zu viel für den auf seine Meister-Ehre Haltenden Fik. Er geriet in eine grenzenlose Wut. Seine Augen funfelten in beinahe grünlichem ,auch nicht übermäßig reich aus, so war er doc so viel, daß er sorgenfrei Glanze, und das furze wollige Haar sträubte sich borstenartig empor. Wie er dazu kam, sein Instrument als Stichwaffe zu gebrauchen, und fie mit einem furchtbaren Sage auf den Romaolie zu stürzen, wußte er in der voll­­­ständigen Abwesenheit jedes klaren Gedankens nit. Er kam erst zur Be­­sinnung, als er den unglücklichen Tänzer mit blutüberströmtem Antlig und gräßlich Heulend fi) am Boden inwälzen sah. Ein einziger Blick genügte dem zur Bildfäule erstarrten Maestro, um zu erkennen, daß er dem Unglück­chen mit dem scharfen Schnabel seiner Klarinette das rechte Auge ausgestoßen hatte. Nunmehr geriet alles ring umher in Bewegung. Unter wilden Lärmen und Toben drangen die Männer auf Fuß ein, während die „Lady3” beifall­­­rauchzend und händeflatschend der Enttwickklung des Dramas zuschauten. Der Maestro sah fi mit angsterfüllten Biden nach seinen Leuten um, und in der That sollte ihm von dorther die erwartete Hülfe kommen, denn in dem Augenblick, als die erbitterten Tänzer ihre Arme ausstrebten, um sich zu er­­­greifen, schob sich der kolossale Kontrabaß des Bassisten Lufey über das Ge­­­länder der Tribüne. Lufey war ein wahrer Riese von Gestalt und K­örperkraft. Seine Stärke fohren fi in der Wut, die ihn beim Anblick des Krawalls erfaßt hatte, zu verdoppeln. Mit beiden Händen die gewichtige Baßgeige am Halse fassend, schwang er sie Hoch im die Luft, um sie gleich darauf mit einem milden Triumphgeschrei auf die Köpfe der Angreifer niederzuschmettern. Ein dumpfer Krach, dem­ ein alles übertönender Aufschrei folgte, und drei der Amerikaner lagen mit blutenden Köpfen am Boden. In demselben Augenblick aber war auch bereits der Riese heruntergelangt. Troß seiner verzweifelten Gegenmwehr wurde­­­ er jämmerlich durch­geprügelt, zu Boden geworfen und mit den Füßen getreten. Auch gegen die übrigen Mitglieder der Bande richtete sich die Wut der Ballgäste. Dem Trompeter Moced­, welcher durch grauenerregendes, langgezogenes Trompetengetrimmer gleich­ einem Brandsignale der Außenwelt Kunde von dem „Mob“ da drinnen zu geben suchte, wurde das Instrument dermaßen in die Zähne gestoßen, daß er den größten Teil seines Gebisses einbüßte. In ähnlicher Weise wurde den übrigen Musikern mitgespielt. Das Geschrei und Getümmel war wahrhaft entgeßlich. Das unerquidliche und widerliche des ganzen Auftritts wurde in wenigstens dadurch gemildert, daß der weibliche Teil der Versammlung den Saal vollständig geräumt hatte. | Eu

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