Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. Dezember (Jahrgang 11, nr. 3336-3360)

1884-12-03 / nr. 3338

—"T # 3 ” Siebenbürdi­­ch-Deutsches Medaktion und Adminiffrafion 90 Heltanergafie 29. Erscheint mit Ausnahme der Honn- und Heier­­­tage täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährlich 2. 50 fl, Halbjährig 5, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung ins Haus, mit Zustellung 1 SL, 3 fl., 6 fl. 12 fl. Abonnement mit Wortversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 fl., Halbjährig 7 fl., ganzjährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 ARM. oder 10 Fres., Halbjährig 14 HM. oder 20 Fres., ganzjährig 28 RM. oder 40 res. Unfrankirte Briefe werden nicht angenommen, Meanusktripte nicht zurückgestellt. Hermannfa­­dt, Mittwoch, 3. Dezember — N 3338, X1. Jahrgang. x Pränumerationen und Inserate übernehmen außer­­dem Hauptdurean, Heltauengasse Nr. 28, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresz­­­wandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz Fr. Wachsmann Nr. 187, Sächs.­Regen Carl Fronius,­­­ Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Maasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt a. M. @. L. Daube & Co. Infertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile Foster beim einmaligen Ginrüden 7 fr., das zweitemal je 6 %., das drittemal je 5 Fr. d. W. exclusive ber Stempelgebläir von je MD Er. 1884. Aus dem Leben der evangelischen Kirche. (Litteratur.) Wie nach unserem großen Dichter in jenem Thal bei armen Hirten mit jedem jungen Sahr das schöne wunderbare Mädchen erschien, das jedem eine Gabe brachte, so ist mit dem ersten Schnee des frühen Winters der ernste wehrreiche Bote wieder bei uns eingeführt, der uns Kunde bringt von jener tiefbedeutenden Lebensäußerung der evangelischen Kirche, welche in der Arbeit des Gustav-Adolf-Vereines ihren Ausdruck findet. Es ist das der „Bericht über die 38. Hauptversammlung des evange­­­lischen Vereines der Gustav-Adolf-Stiftung, abgehalten in Wiesbaden am 9, 10. und 11. September 1884" (Mitteloftar, 249 Seiten, Preis 1 Mark 20 Pfennige). Das große, oft nahezu ans Wunderbare grenzende Werk evangelischer Liebesthätigkeit, das in der, auf dem Boden christlicher Freiheit erwachsenen Digaktintion des genannten Bereines zu immer­­­ vollerem Leben kommt, tritt im jenem Bericht e in tausend,, das Herz macht voll ergreifenden Zügen in einer Anschaulichkeit hervor, daß kaum jemand dabei wird kalt bleiben künnen. Es kommt daz­r, daß der Ort jener Hauptversammlung, Wiesbaden, für die evangelische Landeskirche Siebenbürgens nach ihrem Verhältnis zum Gustav-Adolf- Verein von besonderer Bedeutung ist. An der Hauptversammlung, die der Verein dort 1852 hielt, nahmen zum erstenmal Vertreter dieser Kirche teil. Superintendent Binder und Stadtpfarrer Schuller von Schäßburg, im September jenes Jahres in kirchlichen Angelegenheiten in Wien thätig, be­­suchten, nachdem sie nicht ohne Mühe und Umstände zu den erforderlichen Pässen gekommen, die Versammlung und traten zuerst, allerdings fast nur wie flüchtige Wanderer, mit den Leitern des Vereines, “aus dem ihrer Kirche ein Jahrzei­t später so großes Heil widerfahren sollte, in Verkehr. Set waren die Glieder derselben Kirche als Vertreter des eigenen Haupt­­­vereines auf derselben Stätte zu gemein­samer Arbeit am edeln Liebeswerte versammelt; gewiß, es wird das Gefühl in ihnen lebendig gewesen sein, daß das lebte Meenschenalter doch nicht nur niedergerufen, sondern auch aufgebaut hat. Und dieselbe, Empfindung von der bauenden, schaffenden, erhaltenden Arbeit, die eine zielbewunßte Organisation evangelischer Kräfte auf dem so vielfach gefährdeten Boden evangelisch-kirchlichen Lebens und der mit ihn untrennbar verbundenen Güter — reinster und höchster Ziele menschlichen­ Seins — in selbstsuchtloser Hingabe vollzieht, weckt im Leer jedes Blatt des „Gerichtes". Die Macht des Geistes tritt überall hervor; der Accord, den der treffliche Bürgermeister von Wiesbaden Dr. von Schell schon bei der ersten Begrüßung anschlug : „Denn, meine Herren, man fan­n ja eine Provinz mit dem Schwert erobern, man kann die Grenzen der Staaten durch Friedens­­­instrumente bestimmen; aber ein großes, selbstbewußtes, einiges Volk kann nur entstehen in gemeinsamem geistigem Ringen, wenn auf idealem Feld die Geister sich zusammenfinden und gemeinschaftlich Geistesarbeit verrichten" — Kringt überall wider. Solchen Geistesflug nehmen insbesondere auch alle Reden, Ansprachen und Erwiderungen des für die Sache so begeisterten und begeisternden Präsidenten D. Price, den unsere Leser von der Oftwoche in Hermannstadt her unvergeblich im Herzen tragen. Alles, was wir im „Bericht“ davon finden, ist voll Hoher weitschauender Gedanken, tiefen Sinnes, rei, an wertvollster Erfahrung, so wenn die ergreifende Er­­­widerung auf Shhells Begrüßung konstatiert: „es ist doch gleichsam von selbst die Wirkung, daß, wo das Evangelium gepflegt wird, im ganzen und großen und weitaug an den meisten Orten zugleich das Deutsche in seinem Wesen, in seiner Sprache geirüßt zu werden pflegt." Von machtvollster Wirkung ist namentlich­ auch seine Eröffnungsrede vom 10. September, die Charakteristik der Gustav­ Adolfsgaben: „ein Lebensgruß, der Leben erweckt“, und die Hin­­­weisung auf den heilvollen Umschwung der Zeit, da vor 32 Jahren die Dänen einen der treuesten Mitarbeiter am Gustav-Adolfswerf, Dr. Nielsen, aus Eutin nicht herausließen, so daß er nicht zur Versammlung nach Wies­­­baden kommen konnte und nur zu Schreiben vermochte: „Im Geist bin ich mit Euch, wie ein Gefangener fiße % hier.“ (S. 40.) „Jeder Deutsche fühlt, daß eine Beschimpfung wie damals nicht mehr möglich ist.“ Unter den Begrüßungen, die dem Bereic in der ersten öffentlichen Sigung dargebracht wurden, ist Die des Vertreters des evangelischen Ober­­­kirchenrats in Berlin, des Oberkonsistorialrats Freiherrn von der Golß hochbedeutend (S. 45); wer sie denkend gelesen, wird gern noch einmal zu ihr zurückehren, ebenso zur Erwiderung, die D. Fride (S. 55) auf den Gruß gab, welchen im Namen der evangelischen Landeskirche Siebenbürgen Superintendent D. Teutsch der Versammlung brachte. Unter den schrift­­­lichen Begrüßungen ist die von Pfarrer Stehle in Budapest hochinteressant : „Kehmen Sie... . umseren herzlichsten Dank dafür, daß Sie nicht auf­­­hören, unserer armen Gemeinden in Liebe eingedenf zu sein... . troß des in den legten Jahren entbrannten Nationalitätenhaders und der damit ver­­­bundenen Verdächtigungen. Wir danken Ihnen, daß Sie sich hierüber Hin­­­­weggeseßt haben, eingedenf des Geistes, der den Verein der Gustav-Adolf- Stiftung durchweht und senft, jenes Geistes, „qui per diversitatem linguarum cunctarum gentes in unitatem fidei congregavit." Wenn dieser Geist, der „Durch die Verschiedenheit aller Sprachen hindurch Die Bölfer zur Einheit des Glaubens sammelt“, doch nur auch in der evange­­­lischen Kirche Ungarns so herrschte, wie im Gustav-Adolf-Verein, in der Fire, wo eine Deinderheit immer aufs neue terroristische, dem Geist des Evangeliums geradezu Hohn sprechende Versuche macht, der Mehrheit in Verwaltung, Gottesdienst und Schule eine von ihr nicht verstandene Sprache aufzubringen! Auch was Stehle in jenem Begrüßungsschreiben weiter, jagt von dem „erfreulichen” Umstand, „daß nämlich unseren Mittelschulen in der legten Zeit Staatssubventionen bewilligt werden, wenn sie solche nach­­­suchen und zwar ohne Nachteil ihrer Autonomie“, ist doch einfach” — un­­­richtig, da nicht nur nach 8­­47 des XXX. Geseb-Artsfeld von 1883, sondern auch nach der Praxis der Staat der Höhe, seiner Unterftügung entsprechend an dem unterstütten evangelischen Gymnasium Lehrer ernennt, was doch unzweifelhaft ein „Nachteil ihrer Autonomie” ist. Einen ebenso anziehenden als Iehrreichen Teil des Buches (S. 63 bis 133) bildet der Bericht des Zentralvorstandes über die Thätigkeit des Gustav-Adolf-Vereines im 52. Bereicsjahr 1882—83, erstattet, von dem so verdienstvollen Schriftführer des Zentralvorstandes, (Diafonus Dr. von Srieuern. .Es ist ein, aus koneingaad­entesten Zügen im sprechender, Darstellung zusammengefaßtes einheitlices Bild der großen­ Vereinearbeit, an der 1779 Zweigvereine — 8 mehr al im Vorjahr — 392 Frauen­­­vereine und 11 Studentenvereine thätig waren. Die Summe der Ver­­­wendungen betrug 1882­­ 83 885,535 M., 83,288 M. mehr als iım V­orjahre. Unter den Stiftungen, welche die Zentralwaffe erhielt, ist zum ersten Male eine auch­ aus der siebenbürgisch-evangelischen Landeskirche, die den Schul­­­lehrer­ Mich. Grampes aus Dürrbach aufgeführt. Auch unter den litte­­­rarischen Gaben, deren der Bericht zahlreiche erwähnt, in die genannte Kirche nicht lang vertreten. Nach der Höhe der Jahreseinnahmen nimmt der Hauptverein Wien die erste Stelle ein mit 119,108 Mark, wozu allerdings die Prinzessin Marianne der Niederlande 50.000 fl. für Freiwaldau in Oesterreich-Schle­­­sien beigetragen; dann folgt Düsseldorf mit 63,836 Mark, Stuttgart mit 61,614 Mark, Leipzig mit 50,824 Mark. Hermannstadt mit 6725 Mark nimmt unter den aufgeführten 50 Hauptvereinen die 27. Stelle ein, zwischen Oldenburg und Lübel. Bon den, dem Gustav-Adolf-Vereine verwandten, mit ihm in Verbindung stehenden Vereinen hatte die evangelische Hülfs­­­anstalt in Ungarn eine Einnahme von 11.051 Gulden; hievon sandte sie als Gabe an den Zentralvorstand 627 Mark; die Unterstügungen des Gustav-Adolf-Vereins für Ungarn betrugen 19.089 Mark. Zu den sehrreichsten und ergreifendsten Teilen des Buches gehört der Bericht des Konsistorialpräsidenten von der Gröben aus Bojen über die notleidenden evangelischen Gemeinden v dieser Provinz (S. 135–146). Es leben dort auf 532 Quadratmeilen unter einer Bevölkerung von 1.703,000 Seelen 531,000 Evangelische, vorwiegend Deutsche, beinahe eine große Gemeinde in der Zerstreuung, deren kirchliche Notstände mit um so größerer Schärfe hervortreten, „weil die Evangelischen dort sich nicht allein von religiösem, sondern au) von einem, durch eine fana­­­tische polnische Presse geflissentlich genährten nationalen Gegnertum umgeben sehen und weil, was dort dem Protestantismu­s verloren geht, umviederbringlich zugleich für das Deutschtum verloren ist“. Die Lektüre dieseg, sachlich außerordentlich klaren und inhaltreichen Vortrags wird grade in unserm Lande tiefes V­erständnis finden und fruchtbarste Gedanken er­­­weden, nicht an fester Stelle die ü­ber den Segen fermtnigreicher, gewissen­­­hafter und von der Liebe zur Sache getragener Beamten. Ebenso spannend, wie in einzelnen Teilen tief erschü­tternd ist der Bericht des Hofpredigers D. Nogge (S. 166–187) über die zur Berei­­­fung mit der BE­­lektei Liebesgabe (17,544 Mark) vorgeschlagenen drei Gemeinden: Camberg, Rosenheim und Weißbriach. Namentlich die Dar­­­stellung des Hoftes der sestgenannten Gemeinde — in Kärnten —, dag ung hier fast dramatisch vor die Seele geführt wird, wird nirgends ohne Ein­­­druck sein und grade jene Glieder unserer Landeskirche, deren Väter vor bald anderthalbhundert Jahren mit aus jenem Land zur Auswanderung­ nach Siebenbürgen gezwungen worden sind, werden die Blätter nicht ohn­e tiefste Erregung lesen. Noch 1741 wurde dort der Bauer Johann Vetscher um seines Glaubens willen enthauptet ; jeßt erfüllt sich seine Weissagung, die er auf dem Gang zum Nichtplan aussprach: „nach meinem Tod wird das Evangelium in Kärnten aufblühen, wie der Kirchbaum im Frühjahr“ ; auch die Kirche auf dem Weißbriacher Kogel, die jene Liebesgabe aufbauen hilft, wird dazu beitragen. Auf anderes, wiewohl vielseitig Anregendes, so auf die vom Divi­­­sionspfarrer Dr. Hermens betonte Wichtigkeit der Verbreitung evangelischer Schriften (S. 155), auf die Notwendigkeit der Hereinziehung der Jugend auch in die Arbeit des Gustav-Adolf-Vereins, worauf D. Nogge Himwies (S. 157), auf das Gedeihen der Lutherstiftung, welche von der Golf­­furz besprach (S. 195) . Hoffentlich wird auch unsere Landeskirche bald eine Haben — auf die zahlreichen anderen Mitteilungen und Ansprachen, dar­unter auch die des siebenbürgischen Abgeordneten, Dechanten Brandid (S. 163) kann wegen Raummangel hier nicht näher eingegangen werden , doch darf nicht unerwähnt bleiben der herzerfrischende Bericht über die Rheinfahrt und die Feier auf dem­ Niederwahd (S 231­­ 241) mit der großen, gedankenvollen, geisterbezwingenden­ T­eftrede von Konsistoriarius Natorp: „Unser Glaube ist der Sieg. Gebt Gott allein die Ehre!“ So möge denn der Bote, den der Gustav-Adolf-Verein in seinem Bericht ü­ber die 38. Hauptversammlung ausgesandt hat. Zutritt finden auch in unsve Häuser und sein Wort gerne gehört werden in den Kreisen unserer Treuen. Die langen Winterabende sind da, wer ein erfrischendes, herzstärfendes Buch sucht, auch für jene gemeinsamen Stunden, welche in so vielen Gemeinden Gute und Strebende zusammenführten: hier ist e8. Politische Nebersicht. Hermannstadt, 2. Dezember. 0 Benilleton. Aus der Jugendzeit. Bon L. Migaula. (30. Fortseßung.) Mit tourde der Aitschied von Defar so sehwer; e3 war das erste Mal, daßs wir für kurze Zeit getrennt wurden nach den glück­chen drei Monaten. Kaum konnte ich die Thränen zurückhalten. Er bemerkte es, und als er mir mein Tuch umgab, flüsterte er Seife: „Ich komme oft hinüber, mein Liebling, und jehe, wie es dir geht, ob die alte Freundschaft mein Recht nicht zu sehr schmälert.” ’ Befremdet sah ich zu ihm auf. Was meinte er nur? Aber mir blieb seine Zeit zum Fragen. Die Baronin mahnte zum Aufbruch, so konnte ich ihn nur mit einem herzlichen „auf Wiedersehen”“ die Hand reichen. Gelette Hatte sich zurückgezogen, auch beim Abendbrod ließ­­te sich ent­­­schuldigen, sie sei müde und habe Mopsvieh. Früh Morgens beim Kaffee sah ich sie nie, denn sie pflegte selten vor zehn Uhr aufzustehen. Erst nach der Stunde traf ich unten im PBarf mit ihr zusammen. „Nun, Fräulein Magdalene, was sagen Sie zu den interessanten Neuig­­­keiten, die Mama aus Schöne mitbringt?” „Ich freue mich von ganzem Herzen darü­ber, Baronesse, wenn ich Johanna auch einen längeren, fröhlicheren Brautstand gewünscht hätte.“ „Um Himmelswillen nur seinen langen Brautstand, es ist das Ent­­­seglichste, was ich mir denken kann, und wenn ich mich einmal verlobe, so muß einige Wochen darauf die Hochzeit sein. Wie ich höre, will Comund, sobald er wieder wohl ist, nach Berlin und die ganze Ausstattung von A bis 8 be­­­sorgen, natürlich alles auf das Kroft darfte.“ „Es muß sehr Hübsch sein, alles so schwer und ohne Umstände fertig zu haben”, ent­segnete ich.­­­ „Hm, ja, ehr Hübich allerdings, aber ehr Fortspielig auch. Nun, Schönhaufen kann das, er ist ja reich genug. Der arme Osfar wird einmal nicht so nach Herzenswahl heiraten können, er muß eine sehr reiche Frau haben." „Weshalb ?" fragte ich, bereute aber sofort das Wort ausgesprochen­­­ zu haben. „Weshalb ? Mein Gott, Sie sind wirklich köstlich naiv, M­agdalene. Natürlich weil er selbst arm ist und nur für den Fall, daß er nach dem Wunsche seines Onkels wählt, dessen Vermögen erbt, Glauben Sie denn, daß ein Mann von Osfars Gewohnheiten, die, wenn auch bescheiden für seinen Stand, doch ziemlich kostspielig sind, sich und seine Familie von seinem geringen Gehalt ernähren und dabei seiner Stellung gemäß repräsentieren kann? Nein, das ist nicht möglich, jeder bald wird er seine beschränzte Lage als eine drühende Fessel empfinden.” Mich reizte diese Rede und etwas hastig antwortete ich: „Ich sehe nicht ein, weshalb ein Mann sich in weniger glängender Umgebung und weniger fostspieliger Lebens­weise unglücklich Fihlen sol, wenn er die rechte Liebe für, —” „ch, ich bitte Sie“, unterbrach sie mich ironisch, „ein Herz und eine Hütte, das sind außerordentlich romantlsche Illusionen, wie sie fü­r unsere jenige Zeit nicht mehr» paffen; sie realisieren sich nie im wirklichen Leben, sondern bleiben eben Illusionen. ° Aber wir wollen nicht teeiten, er würde doch zu seinem Ziele führen. Behalten Sie immerhin ihre poetische L­ebens­­­auffassung und träumen Sie von unaergänglicher Liebe.” Ich antiwortete nicht, das Gespräch hatte mich verstimmt.­­­ Ich erhob mich, um ins Schloß zu gehen, aber sie hielt mich noch einmal zurück: „Haben Sie vielleicht etwas an Schönhausen’s auszurichten? Sch­­reite heute Nach­­­mittag hinüber.” „Nach Schönek?* fragte ich, mich erstaunt zurückwendend. . „Samohl, nach­ Schönek! Ich habe es neulich mit den Mädchen vers­­abredet und sie würden es übel nehmen, wenn ich nicht käme.“ Ich bat sie nur, Herzliche Grüße auszurichten und ging dann. Was wollte sie Heute doch drüben, nachdem sie sich gestern geweigert, mitzufahren? Denn an die Verabredung glaubte ich ebenso wenig, wie an ihr gestriges Un­wohlsein. Indessen wurden meine Gedanken bald auf ein anderes Geld gelenkt, als ich in meinem Zimmer einen Brief Onkel Berg’s vorfand. Das Vorhaben der französischen Regierung, den Getreide- und Vieh­­­zoll zu erhöhen, hat begreiflicherweis unsere Regierungskreise zum Versuche der Abwehr, einer in ihren Folgen für Ungarn volkswirtschaftlich äußerst schädlichen Maßregel bewogen. Man kann sagen, die ganze dualistische Staatsumgestaltung in ihrer nicht zu "eugnenden "Kostspiefigkeit wurde ungarischerseits fundiert auf den Getreideexport aus Ungarn, die Korn­­­kammer Europas, wie es damals hieß, da man annahmn, daß die Getreide bedürftigen Länder Europas ihren Bedarf vorzugsweis nur aus Ungarn decken konnten. zstanfreich gehörte zu den besten ungarischen Kundfebatten, und belief sie die Ausfuhr auf viele Millionen jährlich. ‚ Die ungarische Regierung hat denn auch am 30. November an das gemeinsame auswärtige Amt in Wien eine Note gerichtet, in welcher das­ der mich im höchsten Grade aufregte. Er teilte mir mit, daß er vor Kurzem erfahren, die alte Gräfin Seeburg lebe in Italien, um ihre sch­wache Gesund­­­heit zu kräftigen, doch seien seine Nachforschungen, die er auf meines Vaters Wunsch mit möglichster Vermeidung der Oeffentlichkeit betreibe, resultatios geblieben, nun hoffe er indes bald zum Ziele zu gelangen. Er bat mich aber zugleich, meine Hoffnungen und Erwartungen nicht zu Hoch zu spannen, da­­s3­­ie noch sehr zweifelhaft bliebe, ob sie mich als Enfeltochter amerkennen würde. Ach, ich konnte es nicht Laffen, doch recht Hochfliegende Pläne an diese Nachricht zu­ knüpfen. Wenn die alte Gräfin, die nach­ des Doktors Andeutungen ein sehr großes Vermögen haben mußte, wenn sie sich der armen, verlassenen Wafse annahm, so würde sie doch auch gewiß für ihre Zukunft sorgen. Da, dann war ich ja reich und Oskar hatte nicht nötig, sich meinetwegen Ent­­­behrungen aufzuerlegen und vielem zu entsagen, was ihm Lieb und angenehm war. Ich malte mir das Leben an seiner Seite aus, wie vorig und licht lag , der mir, alle meine eben noch so trüben Gedanken waren verflogen und ich lebte in sonnigen Zukunftsträumen. Wie ganz anderes sollte er fon­men, t wie bald verbütterte sich das Glück. » E85 dunfelte schon, als Pferdegetrappel mich an das Fenster zog. Gelette fand von ihrem Ausflug zurück. Ich verschloß meinen Brief und eilte hinab, in der Hoffnung, recht viel aus Schöned zu hören. Aber ich hatte mich ge­­­täuscht, sie lag schweigsam und verstimmt im einem Sessel und auf meine freundliche Frage, wie es Heren von Schönhausen ginge, antwortete sie kurz: „DO, gut, Johanna war da und läßt grüßen.” Ich dankte und jeßte mich mit einem Buche ans Fenster. Bald darauf kam Dodo mit Heren Aldenberg. Lebterer regte sich zu mir und knüpfte eine Unterhaltung mit mir an. Ich richtete ihm die Grüße Doktor Bergs aus und er erfumdigte sich dann eifrig nach seinem und Frau von Brühls Befinden. Eeleftens Eid ruhte mit leisem Hohn auf uns, ich ließ mich indessen nicht hindern, ihm freundlich auf seine Fragen zu antworten, obgleich mir ihr Beobachten unangenehm war, da sie jedenfalls wieder voreilige Schlüffe zog. Wir wurden bald zum Abendbrod gerufen, im Hinausgehen flüsterte sie mir ironisch zu: „Nun, die Verwirklichung ihrer idyllischen Ilusionen scheint nicht allzu fein, ich wünsche Ihnen alles Gute.”

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