Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1936. September (Jahrgang 63, nr. 19011-19036)
1936-09-01 / nr. 19011
«’l·-oloplä- tite in numerar ord, Dir, Gen, Pr: z T 22372/927 — Allgemeine Volkszeitung für das tschtmn in Rumänien Schriftleitung m. Verwaltung: Uoram Jancu-Reiiper-Jgasse 10, Fernsprecher: Scriftl. Nr. 11 u. 12, Verw. Nr. 237, Boftschedfonto: in Rumänien Nr. 62,119, Oesterreich 4.590, Tschechoslowakei 501, 114 Ungarn 3.474, ©. 9. ©. 7.598, Deutiäland: Sanf-Konto 77.211/22 Dresdner Bant, Berlin W. 56. Bezugspreis: für einen Monat IV Lei, mit Zustellung oder Bostversand 100 Lei; ins Ausland 135 Lei Nr, 19011 Dienstag, den 1. September 1936 63. Jahrgang b Rücktritt und Wiederbetranung der Negierung Zatarescu Zitulescu ausgeschieden . Äußeres, Finanzen und Inneres neu belegt Bukarest, 30. August. Die Unruhe der legten drei Tage hat gestern abend überraschend jnell eine Lösung gefunden. Ministerpräsident Tatarescu ist es gelungen, die vollständige Umbildung der Regierung durchzuführen. Die Bedeutung dieser Umbildung geht dorn aus der Tatsache hervor, das die wichtigsten Ministerien für Aeuteres, Finanzen und Inneres neubelest worden sind. Neu in die Regierung wurden aufgenommen: Mircen Djupara, Tiberiiu Morovi, 8. Barca M. Berceanu, Florian Stefanescu- Goanga und 3. Balabri. Die bisherigen Unter- Staatssekretäre Juca und Cancicop haben das Innen- bzw. das Finanzministerium übernommen, während der bisherige Finanzminister Antonescu Außenminister geworden ist. Innenminister üecutes ii P Vizepräsident _ des Ministerrates ohne i - Minister haben außer allem. Außenminister Titulesceu und sein Untertaatsfefre ejenille gepagben, a tär Radulescu, ferner die Unterstaatssekretäre Teon, der sein Amt als Aufsichtsrat der Nationalbank übernimmt, und Baler Roman vom Arbeitsministerium. Die Regierung ist nun wie folgt gebildet: Die neue Regierungsliste Ministerpräsident: Gheorghe Tatarescen. Vizepräsident des Ministerrates: Staatsminister Jon Snceulep. Innenminister: D. Juca. Außenminister: Victor Antoniescu. Justizminister: Mircea Djupara. Verkehrsminister: Nidard Franmjodici. Finanzminister: M. Cancicov. Arbeitsminister: 3. Niftor. Gesundheitsminister: Dr. Bostinescu. ‚Industrie- und Handelsminister: Valer Pop. "Bandwirtschaftsminister: "B. Sajju. Unterrichtsminister: Dr. Angelescen. Kultusminister: B. Jamandi. Staatsminister f. Senossenshhaftshvesen: M. Negura. Staatsminister ohne Geschäftsbereich: U. Lapedatu. Pe. für Landesverteidigung: General Anabeescu. Folgende Unterstaatsseketäre wurden den betreffenden Nejjsztministern zur Seite gegeben: Venheres Viktor Badulescu. Suneres: U. Bentoiu und ©. Barca. Finanzen: D. Alimanisteanu. ... haft: “ns Berceanu. Sr Br: „seu, 3. Bala ori und Florian Gtefanesew. a Goanga. Luftfahrt: NR. Caramfil. Kultus: Tiberiu Morovi. Im Einzelnen widerten sich die Ereignisse des gefreienen Tages wie folgt ab: N Rüchtritt und Wiederbetrauung Der Ministerpräsident in Sinaia Ministerpräsident Tatarescu verlieh Sonnabend früh Bukarest, um sich nach Sinaia zu begeben. Er (Fortsetzung auf Seite 2) dem ihre Rollen « 5 Die neue Regierung (9. FI) Die Umbildung der Regierung Tatarescu it als ein Ereignis von europäischer Bedeutung zu mwerten. Wohl bleibt Ministerpräsident Gh. Tatarescu weiter an der Seite der Regierung und unter den gewichtigen Persönlichkeiten seines Kabinetts Hat sich eher ein Ressortwechsel als ein Wechsel der politisch exponierten Persönlichkeiten vollzogen. Aber das Bejeiden Titulescus von der Leitung unseres Auswärtigen Amtes ist ein Ereignis für die europäische PRolitif im allgemeinen und für die PRolitif der kleinen Entente und der Balkanstaaten im besonderen. Seit rund einem Jahrzehnt hat Nicolae Titulescu die auswärtige Politik des rumänischen Staates mit fast Diktatorialer Machtbefugnis geleitet, sowohl als verantwortlicher Außenminister in den Jahren 1927—28 und seit 1932, wie auch in den Zichiihienzeiten an Gesandter Rumäniens in London. WS junger Politifier — er ist 1883 in Craiova gebswen — war er Mitglied unserer Delegation bei der Pariser Friedenstanferenz, seit 1920 Vertreter Rumäniens beim Völkerbund und bald darauf so massgebender Mann in der Bestimmung unserer Aufenpolitit, daß ohne seinen Willen sozusagen sein Der dom 2 Der Ang das Bj v iner t ei Bag v ec ; Doc. lets een die Sache unseres Landes Bea een Regenten und Tagungen. Er war aß Politiker geschäßt und als Redner behundert, oftmals fiel ihm die Aufgabe zu, im Rate der Geofen zu wichtigen Entscheidungen der europäischen Parlitit das mafigebente Wirt zu sprechen. Sein Einfluss gewann an Bedeutung für unser Land und für die Politit Südosteuropas, aß Eduard Benesh ji von der Vertretung der Kleinen Entente mehr und mehr zurückzog Titulescu wurde der Wortführer und der massgebende Politiker dieses Staatenbundes und seit der Schaffung der Balkankonferenz hat auch die Gesamtpolitik der Südoftstaaten Europas das Gepräge seiner staatsmännischen Führung getragen. So Hoch die auß unpolitischen Aufgaben Titulescus gestellt waren und so sehiierige Anforderungen an prolitier Aktivität und an Nervenkraft ihm daraus erwudyrten, hat er doch auch an den innenpolitischen Entscheidungen unseres Landes wegen Anteil genommen. Namentlich seit der Nachkehr König Karls II. wurde ihm vom Herrscher unter allen Pilitikern des Landes das massgeblichste Wort zuerkann. Wenn eine Negierungsfrise ausbrach oder aus sonstigem Grunde die Frage eines Negierungswechsels aufgewworfen wurde, wurde Titufescu stets ins Land berufen, um dem Herrscher mit seinem Nat für die zu treffende Lösung aufzuwarten. Er führte die Verhandlungen mit den mafachenden Rolititern, er sondierte die Stimmung der Parteien und bei allen Entscheidungen verlegten Zeit schien es, dass sein Nat für den Endguß des Königs maßgebend war. Titulescu hat seit einem Jahrzehnt in unserer Landespolitik eine faische Machfülle in seiner Person bereinigt, wie sie nur ganz auserwählten Staatsmännern von ihrem Herrscher zuerkannt wird und wie sie in unserm Land so bald sein zweiter Politiker sein eigen nennen wird. Deshalb haben wir es ein Ereignis von europäischer Bedeutung genannt, daß mit der eben vollzogenen Umbildung der Regierung Titulescu den Bosten des Außenministers nicht mehr befleidet. Welche Erwägungen diesen Vorschlag des Ministerpräsidenten und dessen Sutheißung fur den König veranlagt haben, das geht sowohl aus den programmatischen Neuerungen des Ministerpräsidenten vor den Pressevertretern, als auch aus den Veränderungen in der Führung der wichtigsten Resssorts mit ausreichender Deutlichkeit hervor. Die Umbildung der Regierung hat offenbar den Zimed, eine Gewährleistung der inneren Krenung im Land zu verbürgen. Die Vorgänge bei den vorjährigen Wahlen von Mehedin, die Studentenausschreitungen in Sinaia, die Ermordung Gteleseus und der Ueberfall in Gala im Zusammenhang mit dem Drohbrief an Madgearu waren für die Regierung eine ganz ernste Mahnung, ji über die Gefahren Rechenschaft abzulegen,denen unser öffentliches Leben entgegengeht oder in denen es eigentlich schon mittendrin steht.Der Ministerpräsident hat es offen ausgesprochen,daß in dem Gegenüberstehen bewaffneter Garden aus beiden Lagsern von rechts und links,die Gefahren des Bürgerkriegs sich abzeichnen.Die Regierung war verpflichtet,zur Aufrechthaltung der Ruhe im Land ihre Maßnahmen zu treffen.Dies erregte Stimmung in der Oeffentlichkeit unseres Landes hing auf der einen Seite zusammen mit der Auseinandersetzung zwischen Kommunissmus und Nationalismus,die heute eine ganze Anzahl europäischer Staaten in ihrem Bann hält.Die rußlandfreundliche Außenpolitik Titulescus hat in politischen Kreisen die Befürchtungen weckt,daß dadurch für die kommunistische Propaganda ein günstiger Boden bereitet werde. Seine bedingungslose Hingegebenheit an die, heute in rotem Fahrwasser segelnde Politis Frankreichs fand immer stärkeren Widerspruch bei führenden Köpfen unseres politischen Lebens. Auf der andern Seite wurde gegen den gewesenen Innenminister Inculeg der Vorwurf erhoben, daß er den, gleichfalls auf Gewalttat eingestellten Aktionen der äußerten Rechten nicht mit der nötigen Entschiedenheit entgegentrete. Ebenso wurde Kritik daran geübt, daß Justizminister Valer Pop durch die Organe der Staatsanwaltschaft nicht energisch genug gegen die Be Drohungen der öffentlichen Ordnung durchgreife. Aus diesen Drei Komponenten des Außenamts, des Innenund Justizministeriums fehlen ss für die Oeffentlichkeit einerseits die steigende Erregung des politischen Kampfes, andererseits die ungenügende Strenge seiner Bändigung auf fest umgrenzte Ausmaße zusammenzulegen. Mit der Umbildung der Regierung it nun hier ein scharfer Schnitt geführt worden. Auf der einen Seite ist Titulescu geopfert worden, auf der andern Seite wurde in den für die Aufrechthaltung der Innenordnung maßgebenden Nessorts eine Umbelegung vorgenommen. Inculeg bleibt als stellvertretender Voreigender des Ministerrates ein prominentes Mitglied der Regierung, aber die starre Hand des Innenminiesteriums ist ihm genommen, und Baler Pop hat dem bobegabten Vertreter der Parteijugend Diurdara Pla gemacht und ist im Handelsministerium der Eineflußnahme auf das politische Leben entrückt. Die Ers nennung Bihor Antonescus zum Außenminister aber läßt sie dahin deuten, daß unter voller Wahrung einer frankreichfreundlichen Politis doch eine deutliche Distanzierung von der Kommunistenfreundschaft zum Ausdruck gebracht wird. Mit dem bisherigen Unterestaatssekretär Granciov ist ein scharfblldender Sardie und gewandter Weltmann an die Leitung unseres Pienanziwesens gelangt, bei der Bestellung der Unterstaatssekretäre aber kommt das Bestreben zum Ausdruch, die jüngere Garde der Partei neuerlich zur Geltung kommen zu lassen. Mit aufrichtigem Bedauern sehen wir Kulusminister Qapedatı von seinem Bosten scheiden und freuen uns, daß er dem Kabinett als Staatsminister erhalten geblieben ist. Alles in allem: die Aenderungen in der Regierung sind viel weitergehend, als man je erwartet hätte, aber sie entsprechen der Aussage des Ministerpräsidenten, daß sie seine Wenderung an dem Kurs der bisherigen Regierungspolitik mit fi bringen werden. Wie si die Umbildung auf die Lebensdauer der Regierung auswirten wird, ist nit einfach zu sagen. An sid eriient die Regierung der einfachen Personenbewegung nach eher stärer als schwächer gegen früher. Aber eine so durchgreifende Umbesetzung isttmdnt den Les-etwaer ernest Regierung Immser eine gewagtecacyedermeststem Embekenntnis diessen daß mapchies umänderungsbedürftig war. Aber es ist an ein Beweis des küniglichen Vertrauens, das einer so alten Regierung die Möglicheeit einer so weitgehenden Erneuerung gegeben wurde. Die größte Kraftprobe war ohne Zweifel die Ausschifs fung Titulescus und man wird abwarten müssen, wie sie sie auswirten wird. — £ BE NN “ El. 54 3 USB Sen LE ka EIn RER « PARN, Lin Ern pe je Rn | ah