Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-01-14 / nr. 4

1842. Dritter Nr. 4. Seide. Erscheinet mir ein Geist? Erhebet mir Soph­ sich aus dem Grabe ? Palmire. . . + Ah! er ist's! Der unglücfelige Mann. 3 Goethe. Der Senator von Bremen. (Fortseßung.) Katharine machte der Großmutter Vorwürfe wegen dieser Rede, und sagte ihr, sie dürfe nicht so sprechen. Die alte Frau sagte ihre Gebete und Ka­­tharine geleitete sie in ihre Kammer. Es schlug ein­, es schlug zwölf und man hörte seinen Fußtritt mehr­­ vor­ den Thüren schallen.“ Die Straßen wa­­ren öde und ruhig; das Horn des Wächters wurde in weiter Entfernung gehört, und aus dem offnen Hinterfenster eines Nachbarhauses erschallten die tie­­fen traurigen Töne­ von Frauen , welche sangen, während sie einen Leichnam bewachten. Der Him­­mel war bedeckt, nur hier und da schimmerten einige wenige Sterne — so wenige, daß Katharine sie zäh­­len konnte — durch die Wolken. Sie stand am Fenster und wähnte, jeder an der andern Seite der Straße hingleitende Schatten sei ihr endlich heim­­kehrender Mann, aber er kam nicht. Als sie zur Tafel nach ihrer Arbeit zurückgegangen war, übers fiel sie eine große Seelenangst. Sie dachte jekr daran, daß es nicht Sebald's Weise sei, so plößlich wegzugehen ohne ein Werk zu sagen und so spät wegzubleiben. Wenn er seine Absicht geändert hatte und den Abend auszugehen gezwungen war, so hätte er sicher seiner Frau ein Wort davon sagen können, da sie doch nicht weit von ihm las! Nie ging er ei­­ne einzige Stunde aus, ohne es ihr mitzutheilen und sie zu bitten, das Abendessen für ihn aufzubewahren, und jetzt war er die ganze Nacht wer" Sie dachte über sein Betragen während des Tags nach, und re­­dete sich, unheimlich wie ihr nun einmal zu Muthe war, ein, daß nicht Alles wie gewöhnlich gewesen sei; aber bei reiferem Nachdenken konnte sie seinen besondern Umstand­ auffinden. Die­ besorgte Frau suchte sich zu erinnern, ob nicht ein kleiner Streit zwischen ihnen vorgefallen war, aber sie sagte als­­bald zu sich selbst: »Wie könnte ich mir nur einen Streit so ernsthaft denken , daß er den Gatten von seiner­ Frau treiben könnte! Bewahre, es liegt nicht in Sebald's Charakter etwas nachzutragen.« Katha­­rinens Gedanken wendeten sich dann auf ihre Vermö­­gensumstände, aber, so viel sie wußte, waren diesel­­ben blühend, wären sie aber auch noch so zerrüttet gewesen, so hätte der Senator, ein allgemein belieb­­ter und geachteter Mann, nicht nöthig gehabt, sich deshalb des Nachts zu entfernen, indem er­­ Freunde und bemittelte Verwandte hatte, die an seiner Wohl­­fahrt Antheil nahmen. 3 * * > * 13 Während sie so nachdachte fing es an zutagen, und sie löschte ihre Lampe aus. Kein Schlaf kam der ängstlichen Frau in die Augen. Nach und nach wurde die Familie wach, und der kurze Husten der Großmutter zeigte an, daß auch diese aufgewacht war. Die Kinder kamen, aber Katharine sagte we­ „der ihnen noch der alten Frau etwas von der Ab­­wesenheit ihres Gemahls: Allein sie konnte es nicht lange verbergen, Leute kamen in Geschäften , der Senatsbote verlangte nach ihm; Freunde wollten ihn besuchen, und zulegt war sie gezwungen, zu be­­kennen, daß sie nicht wüßte, wo ihr Gatte sei. Man TRANSSILVANIA, Beiblatt zum Siebenbürger Boten. Hermannstadt, den 14. Jänner. Jahrgang.

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