Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1843 (Jahrgang 4, nr. 2-100)
1843-05-26 / nr. 42
179 Kirche in der ganzen Welt, und wegen ihrer Flexibilität auch dazu vorzüglich geeignet. Wirklich spreche ich sie auch , weil sie biegsamer ist, fertiger, als die Deutsche , doch ist diese mir lieber. Als mich Friedrich entließ, sprach er: „Nun Friß, werde was Tüchtiges, par excellence. Es wartet Großes auf Didh. I< bin am Ende meiner Carriere und mein Tagewerk ist bald absolvirt. Io fürchte, nach meinem Tode wird's pele mele gehen. Ueberall liegen Gährungsstoffe, und leider nähren sie die regierenden Herren , vorzüglich in Frankreich statt zu calmiren und exstirpiren. Die Massen fangen schon an, von unten auf zu drängen, und wenn dies zum Ausbruche kommt , ist der Teufel los Ich fürchte, Du wirst mal einen schweren, bösen Stand haben. Habilitire, rüste Dich , sei ihm ; denke an mich, Wache über unsere Ehre und unsern Ruhm. Begehe keine Ungerechtigkeit, dulde aber auch keine.“ Unter solchen Aeußerungen war er in Sanssouci bis zum Ausgange gekommen, wo der Obelisk steht. „Lieh ihn an,” — sprach er zu mir. — „Schlank, aufstrebend und hoch z'und“do<“"*fest im Sturm und Ungewitter. Die Pyramide spricht zu Dir: Ma force est ma droiture. Der Culminationspunkt , die höchste Spige, überschauet und krönet das Ganze ; aber trägt nicht, sondern wird getragen von Allem, was unter ihr liegt, vorzüglich vom unsichtbaren, tief untergebauten Fundament... Das tragende Fundament ist das Volk in seiner Einheit. Halte es stets mit ihm, daß es Dich liebe und Dir vertraue, darin nur allein kannst Du stark und glücklich sein.“ Er maß mich mit festem Blick von der Fußsohle bis zum Scheitel, reichte mir die Hand, küßte mich und entließ mich mit den Worten: „Vergiß diese Stunde nicht.“ Ich habe sie nicht vergessen und eben jeßt steht sie lebhaft vor meiner Seele. Was sagen Sie dazu?” — „Bei solchen herzerhebenden Erinnerungen,“ — antwortete iM — „welche die stille Größe des unvergleichlichen Königs treu und wahr darstellen, erscheint die Mäkelei der Tadler noch kaum der Beachtung werth. Mir fällt dabei eine in dieser Berziehung treffende, kurze, naive und geistreiche Recension ein, die im in der Jenaer Allgemeinen Literaturs Zeitung las.“ — „Wie lautet sie ?“' — „Der Ober-Consistorialrath Büsching zu Berlin, ein zu seiner Zeit hochgeachteter Geistlicher und Schriftsteller , hat eine Biographie Friedrichs des Großen herausgegeben, und weil er sich von diesem zurügeseßt und verlegt glaubte, und manche scharfe, sarkastische Gabinetsordre nicht verschmerzen konnte, beurtheilte er auf seinem individuellen Standpunkte Friedrich II. einseitig, und sammelte in seiner Schrift alles nachtheilige und schwärzende , was er über seinen Charakter, namentlich in religiöser Beziehung, zusammen bringen konnte. Ueber dieses Buch sagte nun der Recensent kurz und treffend: „Es gibt wenig Menschen, die ein gescheutes Gefihe machen, wenn sie in die Sonne sehen.“ A", — „„Scharmant, ganz scharmant! “ — fiel der König ein, und um Seinen Mund schwebte ein satyrisches Lächeln , das, immer gemischt mit Gut,müthigkeit‘, einen eigenthümlichen Zauber hatte. Einmal, eingegangen in den interessanten Gegenstand , erlaubte im mir die Bemerkung, daß Friedrich am Meisten getadelt sei in religiöser Beziehung. Der König runzelte die Stirn und sagte : „Sie berühren da einen Punkt, über den iM nicht gern spreche. J< habe darüber so viel Einseitiges und Verkehrtes hören und lesen müssen , daß es mir widerwärtig geworden ist.““ Dann schwieg Er stille , aber aus tiefer Brust Athem holend , wie anseßend, fuhr Er fort: . Große , ausgezeichnete Menschen, an denen Alles individuell und originell ist, darf man nicht nach gewöhnlichem Maßstabe messen ; sie haben ihren eigenthümlichen , so wie Alles an ihnen eigenthümlich ist. Solchen können aber nur diejenigen anlegen , die sich selbst über das Mediocre erheben, und für die in Rede stehende Größe ein Auge haben. Sie muß nicht in einzelnen abgerissenen Stücken, Anekdoten, fragmentarischen Aeußerungen, sondern in ihrer Totalität aufgefaßt, und" das Ganze muß zusammengehalten werden. Wie schwer ist das schon bei gewöhnlichen Menschen ; ungewöhnliche „außerordentliche haben von jeher etwas Räthselhaftes gehabt, und sind daher mehr oder minder verkannt worden , bis die ruhig richtende Nachwelt ihnen Gerechtigkeit widerfahren ließ.“ Wo ist der Mensch , mit eigenen Irrthümern und Fehlern bescaftet, der über den wahren innern Werth des Anz dern sich ein absprechendes Urtheil erlauben dürfte ? Kennen wir uns doch selbst nicht! Und was ist zarter, geistiger, was zieht sich mehr in die geheimnißvolle Tiefe der Brust zurück, als das Religiöse mit feinen Ahnungen und Schreden? Da ist es oft am Wenigsten, wo die Zunge am Meisten darüber spricht, und da oft am Meisten , wo sie schweigt.“