Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1843 (Jahrgang 4, nr. 2-100)

1843-03-28 / nr. 25

102 die Anwesenden bei Seite nahm , dessen Noch mit zitternden Händen krampfhaft faßte, um ihn zurüc­­zuhalten und zu fragen, ob er nicht auf eine Mil­­derung seines traurigen Urtheils hoffen dürfe. Ich sah und hörte nie von einem Elend, das einen so tiefen Cindrus auf mich gemacht hätte, wie die Ver­­zweiflung dieses Mannes. In einer dritten Zelle befand sich ein langer, starker Schwarzer, ein Hauseinbrecher, und war in seinem Metier beschäftigt, indem er Schrauben und dergleichen verfertigte. Seine Strafzeit war fast abgelaufen. Er war nicht nur ein sehr listiger Dieb, sondern auch bekannt wegen seiner Kühnheit und seines Muthes , und war schon früher oft überführt worden. Er unterhielt uns mit einer langen Be­­schreibung seiner Thaten , die er mit so unendlichem Vergnügen schilderte, daß ihm ordentlich der Mund wässerte bei den pikanten Anekdoten von gestohlenem Silberzeuge und alten Frauen, die er, wenn sie mit silbernen Brillen, auf der Nase an ihren Fen­­stern saßen (er mußte ein scharfes Auge für das Metall haben, um es von der andern Seite der Straße aus zu erkennen), belauert und dann beraubt hatte. Dieser Kerl würde bei der geringsten Auf­­munterung seine Diebserinnerungen mit dem gräus­­ichsten Cant gespickt haben ; aber ich müßte mich sehr irren, wenn ich sagen wollte, daß etwas über die verstockte Heuchelei hätte gehen können , mit der er erklärte, daß er den Tag segne, an welchem er in dies Gefängniß gekommen, und daß er in seinem Le­­ben keinen Diebstahl mehr begehen wolle. Es befand sich auch ein Mann hier, dem als besondere Vergünstigung erlaubt war, Kaninchen zu halten. Da in seinem Gemach daher eine sehr übelriechende Luft war, so wurde ihm an der Thür zugerufen , auf den Gang heraus zu kommen. Er gehorchte natürlich. Mit der Hand sein hageres­ Ge­­ist vor den durch das große Fenster hereinfallenden, ungewohnten Sonnenstrahlen beschattend , stand er vor uns und sah so abgezehrt und geisterhaft aus, als ob er eben aus dem Grabe heraufbeschworen wäre. Er hatte ein weißes Kaninchen an seiner Brust , und als das Thierchen, auf den Boden fal­­lend, sie wieder in die Zelle zurückstahl , und er selbst, nachdem er entlassen worden, schüchtern dem­­selben nachfromm , kam es mir schwer zu bestimmen vor, worin eigentlich der Mensch das edlere von den beiden Thieren sei. Auch ein englischer Dieb war da, der auf sieben Jahre verurtheilt worden, von denen erst einige Tage verflossen waren: ein schurkischer Kerl mit niedrer Stirn, dünnen Lippen­ und weißem“ Gesicht, der bis jeit noch keine Lust zeigte, sich von Fremden besuchen zu lassen , und der, wäre es ihm nicht um die verschärfte Strafe gewesen , mich gern mit sei­­nem Schuhmacherkneif erstochen hätte. Auch sah i­h noch einen andern Deutschen, der das Gefängniß erst gestern betreten hatte; als wir in seine Zelle tra­­ten, fuhr er von seinem Bette auf, und bat in sei­­nem gebrochenen Englisch recht inständig um Arbeit. Ein anderer war ein Poet, der alle vierundzwanzig Stunden doppelte Tagesarbeit verrichtete , für sich und für das Gefängniß , und dann Seelieder (er war ein Seemann), Gedichte auf „den berauschen­­den Rebensast” und seine Freunde zu Hause schrieb! Ueberhaupt waren die Gefangenen sehr zahlreich. Manche erretheten beim Anblick von Fremden, an­­dere wurden bloß. Zwei oder drei hatten Gefangens­tärker bei sich, weil sie sehr krank waren, und einer, ein fetter alter Neger , dem im Gefängnisse das Bein abgenommen worden , hatte einen gelehrten und ausgebildeten Chirurgen, der selbst auf Strafe sich hier befand , zum Wärter. Auf der Treppe saß , mit einer leichten Arbeit beschäftigt , ein hüb­­scher farbiger Junge. „In Philadelphia gibt es also kein Asyl für jugendliche Verbrecher ? “ fragte ich. „D ja, aber blos für weiße Kinder.“ D edle Ari­­stokratie des Verbrechens ! ;­­ I< interessirte mich sehr für einen Matrosen, der über elf Jahre hier war und in einigen Monaten frei werden sollte. Elf Jahre einsamer Einker­­kerung! „Es freut mich sehr, zu hören , daß Eure Zeit bald abgelaufen ist.““ Was antwortet er? Nichts. Warum starrt er auf seine Hände, was zerrt er an seinen Fingern und hebt dann und wann den Bli zu den kahlen Wänden empor, die sein Haupt er­­grauen sahen ? Das ist so seine Gewohnheit, zu­­weilen. Sieht er nie einem Menschen ins Gesicht und kaut er immer an seinen Händen, als wolle er die Haut von dem Knochen trennen ? Das ist so eine Grille von ihm, weiter nichts. Es ist auch eine Grille von ihm, zu sagen, daß er nie ans Freiwerden denke, daß er sich nicht freue, weil die Zeit seiner Entlassung heranrückt , daß er wohl einst daran gedacht habe, aber das sei lange her, und daß er sich um nichts in der Welt mehr bekümmere. Es ist ein Eigensinn von ihm, ein hilfloser , gebeugter , herabgewürdigter Mensch sein

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