Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1851-1852 (Jahrgang 12, nr. 1-22)

1852-02-14 / nr. 5

Nr. 8. Hermannstadt, am 44. Februar Transsilvania, Reibsatz zum Siebenbürger Boten, Vorlesungen über Bolfsglauben, Volkssitten, und Bolfssprache der Siebenbürger Sachsen. — In den Versammlungen des Hermannstädter Zweigvereins für siebenbürgische Landeskunde gehalten von I. K. Schuller. (Zweite Vorlesung.) (Fortlegung.) Wenn wir bedenken, daß­­ der Donnergott nach der Edda ein Gespann Böe vor seinem Wagen hat , daß sie dem Teufel, d. i. des Donnergottes jüngerem Stellvertreter an die Erschaffung der Böcke und Geiße beilegt, und daher auch dem Schweizer die Ziege für et­­was teuflisches gilt: 15) so kommen wir in Versuchung in einem hie und da im Sachsenlande gewöhnlichen Knabenspiele eine Beziehung auf uralten Thorsdienst zu erkennen. Jedenfalls ist wohl hier der paffendste Ort dieses Volksspiel zu beschreiben und dessen ursprünglicher Bedeutung nachzuspüren. Sie errathen gewiß, meine Herren, daß ich dabei an das Um­­werfen dreibeiniger hölzerner Böse mit Knitteln denke, welche die Spielenden aus der Entfernung nach ihnen schleudern. Weit ge­­wöhnlicher wird dieses Spiel mit dem romanischen Namen capre, als mit dem gleichbedeutenden fächsischen Sies (Geis, Ziege) genannt. Daraus aber schließen zu wollen, daß es selbst blos eine Nachahmung romänischer Volkssitze sei, wäre voreilig. Geiß bezeichnet Baiern einen dreibeinigen Baumast oder Giebel von einem Bäumchen, welcher bei einem Kinderspiele als einzuwerfendes Ziel aufgestellt wird, und dieses Spiel selbst wird das Geistwerfen genannt 46). Mag die Symbolik dieses Spieles längst vergessen sein , daß es ursprünglich einen tiefern Sinn gehabt, dafür bürgt uns die Ver­­gleichung ähnliger Volkssitten in Deutschland, deren mythische Bezie­­hung unverkennbar ist. Als die Apostel der Deutschen das Volk zum Christenthum bekehrten, da ließen sie die Säulen, auf welchen Göt­­terbilder standen, und die heiligen Baumstämme umwerfen und zer­­stören. 17) Lange Zeit nachher hat sie in einigen Gegenden Deutsch­­lands die Erinnerung an dieses Zeichen des Sieges erhalten, welchen die Predigt des Evangeliums über den heidnischen Naturdienst durch die Zertrümmerung seiner Idole feierte. Als ob man dnen Rückfall in Abgötterei fürchte, wurde namentlich in niederdeutschen Städten dem Volke durch das Niederwerfen hölzerner Klöße, welche man auf den Markt stellte, der Sturz des Heidenthums vorgehalten. Am merks­würdigsten ist, d was der sogenannte pirnaische Mond Johann Lindner (Tilianus + um 1530) über diesen Volksbrauch aus Halberstadt bes kichtet­: „an die stat des abgotstempel, erzählt er uns, der czu Hals­berstadt czurüddet, wart auch in gots und sant Steffans ehr ein huwkir<e erbawer, des czum gedehhtniß sollen daselbst die tumherren jung und alt auf montag letare alle jar einen holzern kegel an stat des abgots aufseczen und darnach allesamb werfen 48.) Es wäre wohl lächerlich die Identität und den gleichen Ursprung des bairischen und siebenbürgisch-sächsischen Geisspiels bestreiten zu wol­­len. Aus „Deutschland in einem Jahrhunderte nach Siebenbürgen verpflanzt, wo es vom Noth b­at, dem Volk von Zeit zu Zeit die gebiegliche Ohnmacht zertrümmerter Gegenbilder vorzuhalten, mochte es Anfangs auch hier in gemeinfaßlicher und derber Symbolik den Sturz des Heidenthums bezeichnen. Was ursprünglich einen ernsten Sinn gehabt, das hat ss, nachdem die Bedeutung vergessen worden, als Knabenspiel und Volkssitte erhalten. Steht nun aber dieser Ursprung des Geisspieles fest, so ist es wohl erlaubt einen Schritt weiter zu gehen, und in dem Umwerfen der Bode neben dem allgemeinen Bezug auf den Gegendienst übers haupt, namentli auch eine Anspielung auf den Untergang des Ton­­oder Donardienstes zu vermuthen. Was von dem Dorfe Algermissen bei Hildesheim erzählt wird, berechtigt dazu. Unter der Benennung des Jupitergeldes mußte dieses Dorf jährlich 49 gr. 4 pf. an den Todtengräber der Domkirche dieser Stadt entrichten, ein. Algermister Bauer mußte jedes Jahr einen drei Fuß hohen Fuß d­en, achteligen Klos in einen Sack gesteckt auf den Domhof bringen. Die Schüler bekleideten diesen Kloß mit Mantel und Krone, griffen den nun so­­genannten Juviter erst von der einen, dann von der andern Seite mit Steinwürfen an, und verbrannten ihn endlich. Dieses nicht sel­­ten von Unordnungen begleitete Volksfest wurde nachher untersagt; aufgestellte Wachen sollten das Verbot wirksam machen; zulest erließ die königliche Kammer das Jupitergeld. 49­ Jupiter wird von den deutschen Schriftstellern seit der Einfüh­­rung des Christenthums dem altgermanischen Donnergotte gleichges­­egt 20) ( was hindert uns das Spiel, welches von dem ihm ver­heiligten Thiere den Namen führt, auf diesen Gott zu beziehen ! Fassen wir das Ergebniß unserer bisherigen Untersuchungen kurz zusammen, so stellt es sich­ klar heraus, daß jene mächtigen Götter des altnordischen und altdeutschen Cultus in dem Bewußtsein des Wol­­fes untergegangen sind. Von Wuotan oder Wodan ist keine einzige sichere Spur; Donar oder Tor hat der Metamorphose in den Teufel bei uns so wenig, als anderwärts widerstehen können ; sein Hammer fährt ohnmächtig durch die Lüfte, seine heiligen Böke sind eine Ziel­­scheibe spielender Anaben geworden. Finden ss aber hie und da vielleicht unter dem sächsischen Landvolke außer der weit verbreiteten bangen Besorgniß heftiger Ungewitter am Elias rage noch andere Spuren von einer Uebertragung der Geschäfte des Donnergottes auf den Propheten Elias, so ist dieser Mythus aus dem Verkehr mit den Walachen gekommen. Wie in der­ christlichen Mythologie der Slawen aus in 45­ Grimm a. a. O. 468 f. Von Ziegenopfern redet einmal Gregor der Große, die Langobarden sollten, seiner Ansicht nach dem Teufel, d. i. einem ihrer Götter Caput caprae darbringen. Grimm a. a. O. 18) Grimm a. a. D. 743. Äh­nliches berichtet Lehner Chistoria Caroli magnis etc.­ das. 172). von Hildesheim: Alle Jahr Sonnabends nach Läzare kommt auf den kleinen Hildesheimer Domhof ein Bauersmann, sonderlich dazu bes­­tellt, und bringt mit sich zwei Hölzer, jegliches eine Klafter lang, daneben zwei andere kleinere kegelförmig gespißte. Die beiden großen feßt er gegen­einander in die Erde, die Kegel oben darauf, Bald und in der Eile ver­­sammeln sich dahin allerlei Buben und Junggesellen, und werfen mit Steinen oder Stöcken die Kegel von den Klößen herab; andere sehen sie wieder auf, und „das Abwerfen geht von neuem an. Unter diesen Kegeln sind die heid­­nischen,» teuflischen Gögen zu verstehen, welche die, c cristlich­ gewordenen Sach­­sen niedergeworfen“ haben. Grimm a. a. D. 172. Das Werfen nach den Klößen sol Beratung ausbrüchen. 19) Grimm a. a. D. 173. Er glaubt, die Bewohner jenes Dorfes hätten sich vielleicht bei Einführung des Christenthums durch ihre Anhänglichkeit an den alten Glauben diese Strafe zugezogen. 20) Grimm a. a. D. 172, daher auch dies Jovis Donnerstag. Offenbar der Jupiter Jonans der alten Welt. 16) Schmeller bairisches Wörterbuch. B. 2. ©. 73. 17) So Columban die­ drei Götterbilder (imagines aereas er bei Bregenz am Bodensee traf. fridus Strabo in der vita Simulacra et lapidibus Pit Nuvii — atque ibi­s. Galli in in frusta comminuens projicit in lacum; his visis Conversi sunt ad dominum. Aehnlich in der in Neuistrien — stips erat magnus, diversis imaginibus figuratus, in terram magna virtute immissus, et conspectu­­ omnium deauratas), welche Jussu venerandi abbatis, erzählt Wala­­bei’ Grimm a. a. DO. 97 f. Gallus coe- viam, veritatis pandere­­populo et 6 a rusticis coelebratur. Walarih ließ den Kloß umwerfen. 9. O. 108. arripiens vita Walariei: juxta ripam qui nimio cultu more ;genti- Grimm a, 1852.

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