Transilvania, 2017 (Anul 123, nr. 1-11)

2017-09-01 / nr. 9

TRANSILVANIA 9/2017 16 Opfer und Täter, historisch belegte Gestalten - Andreas Schmidt, Corneliu Zelea-Codreanu, Ion Antonescu, Victor Capesius u.a. - und eine fiktive Hauptgestalt, doch bei der Konstruktion ihrer Gestalten geht die Autorin nicht denunzierend vor bzw. weist sie nicht auf konkrete Identitäten im Realleben hin, sondern greift auf „entgrenzende“ Ähnlichkeiten. Ackrill nimmt sich alle Freiheiten, die es einer Autorin gestatten, den geschichtlichen Stoff zu fiktionalisieren und mit Hilfe von künstlerischen Verfahren umzuformen bzw. Fakten und Fiktionen zu “montieren und modellieren.”30 Im Roman können zahlreiche textimmanente Fiktionalisierungssignale wahrgenommen werden, die sich größtenteils mit postmodernen Elementen - wie inhaltlicher Pluralität, Multiperspektivität, Simultaneität, der Verschränkung von Vergangenheits- und Gegenwartsebenen, expliziter Selbstrenexivität des Textes oder der Verbindung nruchvoller und unterhaltender Elemente31 - en. Als postmodern sind in Zeiden, im Januar auch intertextuelle Referenzen32, die Sprache und die eigenwillige Form des Romans zu deuten: die Handlung weist keine einheitliche Struktur auf, diese besteht aus Fragmenten, Momentaufnahmen und vielen Rückblenden, die wie in einem Puzzlespiel ihren bestimmten Platz finden müssen, damit das Ganze einen Sinn bekommt. Einen unterhaltsamen Redefluss scheint die Autorin nicht anzustreben, im Gegenteil, sie zerhackt die Episoden, bald befindet sich der Leser am Anfang des 20. Jahrhunderts, bald im Sommer 1940 oder Winter 1941. Die Kapitel sind stark fragmentiert und tragen detailgetreue Ortsangaben, nicht bloß die Stadt, sondern auch die Straße, das Haus, die Institutionen (z.B. Leontines Haus, Zeidner Rathaus, Waldbad, Reimersapotheke) und minutengenaue Zeitangaben (z.B. “Quartier des SS-Sturmbahnführer Geißler in Bukarest, Sonntag, 19. Januar 1941, 9.45 Uhr”33) werden angeführt. Die Darstellung des 21. Januar 1941 beispielsweise, der für die Aussage des Romans zentral ist, setzt im ersten Teil des Romans ein, endet im dritten Teil auf der letzten Seite mit der Flucht Leontines und umfasst dreißig Fragmente: der Beginn ist um “6.45 Uhr, am Bahnhof in Kronstadt’34 und das Ende “Leontines Haus in Zeiden, Dienstag, 21. Januar 1941, 22.59 Uhr,”35 Der Wechsel von zeitlichen Ebenen ist eng mit der Darstellung von Raumstrukturen (Bukarest, Zeiden, Kronstadt, Freck....) verknüpft, dabei kommt der Darstellung von Reisen und Spaziergängen “die poetische Möglichkeit, die Dimensionen von Raum und Zeit miteinaäer zu vernetzen ’36 zu. So z.B. unternimmt Maria Zugreisen von Bukarest über Kronstadt nach Zeiden, Leontine nach Freck und andere Gestalten - Leontine, Herfurt.... u.a. - Spaziergänge durch Kronstadt und Zeiden. All diese bieten die Möglichkeit, einen “übergreifenden Dialog zwischen erlebter und besprochener Gegenwart und zitierter Vergangenheit zu inszenieren 31, dabei wird Zeiden in “einen Gedächtnisraum, eine materialisierte Historiographie”38 verwandelt. Interessant an der ganzen Darstellung ist die Blickschärfe der Erzählerin, ’ihr sicheres Gespür für die Verbindung von scheinbar banalem Alltagsgeschehen mit den politischen Schicksalsfiagen, die Genauigkeit, mit der die vielen, zumeist nur wenige Seiten umfassenden Szenen gebaut sind.”39 Alles ist konstruierte Geschichte - “Man hört förmlich die Uhr der Geschichte, der privaten wie der öffentlichen, ticken und das erhöht die Temperatur des Lesens.”40- doch die vielen Gespräche des Romans und die Figuren, die “nicht recht lebendig werden”4'wollen, wirken auf den Leser nicht sehr überzeugend. Ebenso die poetische Sprache, deren sich Ackrill bedient, - “die ihr off gelingt1'-” - bleibt für den Leser “sperrig”43, nicht wegen dem in Siebenbürgen gesprochenen Deutsch, sondern weil Ursula Ackrill eine stark metaphorische Kunstsprache wählt, die Zeiden, im Januar As einen sprachlich ungewöhnlichen Roman erscheinen lässt. (Beispiele: “Die Sonne kämpft gegen die grauen Hüllen, ein dampfender Knödel aus der Ursuppe. ’44-, “Mittag kippt über in Nachmittag, ein graublauer Dunst schleicht durch die Straßen und treibt Kinder aus den Häusern, witternd, dass nur wenig Licht übrig bleibt. ’H5;“Edith blinzelt, und ihre Ohrmuscheln scheinen durch wie Kameen”46). Diese ungewöhnliche Sprache hat der Autorin einerseits eine scharfe Kritik gebracht: in einer Rezension zum Roman meint Knut Cordsen, sie schreibe “in einer so seltsam-verquerten Sprache, dass man als Leser auf nahezu jeder Seite stecken bleibt."47 Andererseits vertritt Ernest Wichner die Ansicht, dass die Autorin einen Ton und Sprachgebrauch erarbeitet hat, der die sprachliche Fremdheit jener Region in eine Kunstsprache überführt. Grammatikalische und syntaktische Eigenheiten aus jenem Umgangsdeutsch Ursula Ackrill

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