UNGARN-JAHRBUCH 1980-1981

ABHANDLUNGEN - Götz Mavius: Ungarische Denkmalkunst zwischen Tafelrichterstil und Millenium

160 GÖTZ MAVIUS Im gleichen Jahre 1861 wurde in Debrecen ein Grabdenkmal für die Gefallenen der revolutionären Bürgerwehr, der »Honvéd«, aufgestellt. Der Schöpfer war János Marsalkó32. Nur in dem Rahmen eines Grabes, das das Moment des Trauerns mit dem Monument verband, war es über­haupt möglich zu diesem Zeitpunkt, für die »Honvéd« etwas derart Denk­malähnliches aufzustellen. Eine Verherrlichung und Heroisierung hätten die offiziellen Stellen nicht zugelassen. 1862 wurde im Geburtsort Sándor Petőfis33, in Kiskőrös, sein Denk­mal errichtet. Es stammte von Antal Gerenday, der wie oben schon er­wähnt den Grabstein für Marton Lendvay gestaltet hatte. Petőfi war der Sänger der Revolution von 1848/49 gewesen. Ihm und den gefallenen Aufständlischen ein Denkmal zu setzen, war genauso ein Affront wie das Hentzi-Denkmal zehn Jahre zuvor in umgekehrter Rich­tung. Nun standen die Denkmäler weit genug von Wien entfernt, um nicht allzu großes Aufsehen zu erregen. Das erstere war ja zudem durch die Pietät des Grabes geschützt. Andererseits war Kaiser Franz Joseph I.34 gezwungen gewesen einzulenken. Nachdem es im Krimkrieg zwischen Österreich und Rußland zum Bruch gekommen war, nachdem Österreich mit dem Krieg gegen Sardinien-Piemont und Frankreich seine oberitalie­nischen Besitzungen verloren hatte und nachdem sich der Dualismus im Deutschen Bund nicht zu einer Habsburgischen Hegemonie umwandeln ließ, war Kaiser Franz Joseph I. genötigt, sein Reich von innen heraus zu stärken und zu befriedigen. Dazu gehörte auch ein gutes Verhältnis zu dem ungarischen Reichsteil. Die ungarischen Politiker sahen nun ihre Chance gekommen und unterbreiteten ein Memorandum mit dem Entwurf eines Vertrages zwischen Österreich und Ungarn. Das Ziel einer inneren ungarischen Autonomie wurde zwar nicht erreicht, doch die kaiserliche Antwort bedeutete Morgenluft für Ungarn. In dieser Situation entstanden die beiden erwähnten Denkmäler. 32 Marsalkó (Marschalkó) János (1819—1877) Bildhauer. 33 Petőfi Sándor (1823—1849) Dichter, Revolutionär Kiskőrös, Komitat Bács. Kiskun, heute Jugoslawien. 34 Franz Joseph I. Karl Kaiser von Österreich, apostolischer König von Ungarn, König von Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slavonien. Galizien, Lodo­merien und Illyrien, König von Jerusalem usw., Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana und Krakau, Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnten, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren, Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piazenca und Guastella, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara, gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradisca, Fürst von Trient und Brixen, Markgraf der Ober- und Niederlausitz und in Istrien, Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bergenz, Sonnenberg usw., Herr von Triest, von Vattaro und auf der win­dischen Mark, Großwojwod der Wojwodschaft Serbien usw., Kaiserliche und königliche apostolische Majestät; * 18. August 1830 Schönbrunn, f 21. No­vember 1916 Schönbrunn, seit 2. Dezember 1848 Kaiser und König, folgte nach Verzichtleistung seines Vaters seinem Oheim, des Kaisers Ferdinand I., als König von Ungarn und Böhmen als Ferdinand V. (Wien 19. 4. 1793 — Prag 29. 6. 1875) (nach: Wer ist's 1909).

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