Die Woche, 1989. Januar-Juni (22. évfolyam, 1099-1124. szám)

1989-06-09 / 1121. szám

Die Woche Nr. >121 / 9. Juni 1989 Übersetzungen und Betrachtungen Mihai Eminescu und sein Werk in den Hermannstädter Periodika (1904-1939) Eines der Kapitel, welche „die noch ungeschriebene, nur zu oft nicht eben erquickliche, nur selten von wirklich Erfreulichem unterbrochene Geschich­te der deutschen Übertragung von Eminescus dichterischem Werk“ aus­machen (Oscar Walter Cisek im Jahre 1957), ist auch die Rezeption Emines­cus in der Hermannstädter deutschen Presse. Wir haben in zwei der wich­tigeren Periodika geblättert: im „Sie­­benbürgisch-Deutschen Tageblatt“ (1874 bis 1944) und in der „Neuen Zeitung" (1930—1943). Im »Tageblatt“ findet sich die erste Stellungnahme zum Werk Eminescus im Jahre 1904 (Nr. 9352). Es ist eine Rezension von Ludwig Klein zu ei­nem Band mit Übersetzungen von V. Teconţia. Das Fazit des Rezensenten: „Die uns vorliegende Übersetzung Emi­nescus durch V. Teconţia gibt die Stim­mung und den Gedankengehalt der Gedichte sehr gut wieder; das Wesent­liche an den Gedichten Eminescus tritt also in der Übersetzung mit gan­zer Kraft entgegen und nimmt uns ge­fangen. Aber einige sprachliche Unge­schicklichkeiten werden oft dem gan­zen Gedicht gefährlich.“ Klein versucht, Eminescus Lyrik in Verbindung zu bringen mit der deut­schen Literatur. So vergleicht er die Waldbeschreibungen des rumänischen Dichters mit jenen Adalbert Stifters und meint, Stifter könnte Eminescus Lehrer gewesen sein. Das ist nun al­lerdings etwas danebengegriffen, denn der eine war ein Lyriker und Postro­mantiker, dér andere ein Epiker und Vertreter des poetischen Realismus. Glaubhafter scheint dann schon der Vergleich mit Goethe: „An Goethes ’Mahomets Gesang’ erinnert ein kleines Sonett [gemeint ist Coborlrea apelor], das die Entstehung des Stromes ver­anschaulicht. Aber während Goethe den Strom seine Kinder dem erwarten­den Erzeuger freudebrausend an das Herz tragen lässt, klingt bei dem ru­mänischen Lyriker das Lied des Stro­mes dumpf und traurig: ’Bis sie [die Bäche und Quellen] zum Strom vereint, der mit Gebrülle, ] Und müd’ zum Meer sich wälzt in mächt’gem Schwal­le —/ Der Jugend Klänge längst ver­gessen!’“ In demselben Artikel zitiert Klein die Schlusszeilen der Eminescu­­schen Ode (Antik) im Sinne „Nietz­­scheischer Erhabenheit und zugleich Eindringlichkeit“. Der Dichter sei vol­ler Kraft und Selbstvertrauen: „Weder glaub’ ich, dass ich einst sterben könn­te, / Stolz und mächtig, umhüllt von meinem Mantel, / Stieg herab ich fe­sten Blick’s in die Menge, / Sie tief erschütternd.“ Das lässt irgendwie an die Gestalt und Haltung Zarathustras denken. Klein vergleicht Eminescu auch mit Novalis, Heine und Leopardi. Uber die Geistesverwandtschaft mit Heine sagt er: „aber der romänische Dichter hat mehr Würde, er wird mit seinem un­geheuren Weltschmerz selber fertig, trägt ihn ganz allein: ’Traurig, tief traurig durch mich selber’ und wird infolgedessen selten bitter gegen an­dere.“ Dass Eminescu im Vergleich besser abschneidet, ist verständlich: Heine war wegen seines ätzenden Spotts auch in siebenbürgisch-sächsi­­schen Kreisen nicht gerade beliebt. Erst 1931 begegnen die Leser des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts“ Eminescu wieder (Nr. 17 411). Der Ver­mittler ist diesmal Artur Bosch, der die Übersetzungen folgender Gedichte veröffentlicht: Der See (Lacul), In dam-Mihai Eminescu 15. Januar 1850 — 15. Juni 1889 (Die Fotografie wurde 1869 von Jan Tornas in Prag aufgenommen.) selben Gässchen (Pe aceeaşi ulicioară), Nachts (Noaptea), Wo bleibst du nur? (De ce nu-mi vii?). Der Stern (La steaua). Von den aufgezählten ist die Übersetzung des Gedichts Der See wohl die gelungenste: „Auf dem blauen See des Waldes / Schwimmen gelbe Was­serrosen, / ruht ein Nachen, den die Wellen / unablässig wiegend kosen.“ Artur Bosch hängt den Übersetzun­gen ein eigenes „Gedicht“ an, eine Paraphrase auf Alexandru Vlahuţă, der ein verniedlichtes Bild Eminescus entworfen hatte. Wir zitieren aus dem literarisch belanglosen Text bloss vier Verszeilen: „Er, dessen Herz so bittern Leides voll, / Er, dessen Mund so rei­ches Lied entquoll, / Er, dessen Geist so tiefes Wort ersann, / ist in des Wahnsinns unrettbarem Bann.“ Das Eminescu-Jahr 1939 wird in zwei Ausgaben des „Siebenbürgisch-Deut­schen Tageblatts“ begangen (Nr. 19 840 und 20 013). In der ersten veröffentlicht Artur Bosch drei Übersetzungen: Blaue Blume (Floare albastră), Ich bin von dir so ferne (Departe sunt de tine) und Ich liebte dich (Iubind în taină), ge­folgt von einer Paraphrase auf I. L. Caragiales în Nirvana unter dem Titel Der Stallknecht. Die zweite Ausgabe enthält Übersetzungen von Ernst Her­bert Groh. In Wiedersehen (Revedere) trifft Groh nur ungenau den Tonfall des rumänischen Volksliedes, den Emi­nescu nachgeahmt hatte: „Wäldchen, liebes Wäldchen mein, / Was machst du noch, Schätzelein?“ Die zwei ande­ren Übersetzungen (Und wenn vor’m Fenster Zweige wehn. ■. und O Mut­ter) sind leider auch nicht besser. Die Hermannstädter „Neue Zeitung“ veröffentlicht 1939 in vier aufeinander­folgenden Ausgaben (Nr. 1477—1480) einen Aufsatz von Leopold Kosch über „Die deutschen Übersetzer Eminescus“. Kosch nennt 36 Übersetzer, darunter auch sich selbst mit dem Vermerk: „übersetzte alle Gedichte Eminescus“. Dem Artikel sind einige Verse voran­gestellt, deren Autor wahrscheinlich Kosch ist: „Es klingt so süss und es klingt so zart, / So singt Eminescu, so klingt seine Art.“ So holprig hier ge­reimt wurde, so gründlich wurde Emi­nescu missverstanden. Die einleitenden Worte allerdings bringen die Situation auf den Punkt: „Wenn wir die Reihe der bisherigen Übersetzer Eminescus in deutscher Sprache durchgehen, fin­den wir eine beträchtliche Anzahl von Dichtern und Übersetzern, die sich an dieses schwierige Thema herangewagt haben, jedoch ist das Ergebnis nicht sehr befriedigend und muss man gar oft mit dem guten Willen fürlieb neh­men.“ Kosch hat wahrscheinlich selbst mit dem guten Willen der Leser ge­rechnet, denn er versucht nicht einmal, die Übersetzer, die er aufzählt, chro­nologisch zu ordnen, und auch sonst lässt sein Aufsatz kein Bewertungskri­terium erkennen, so dass er kaum zu einer richtigen Einschätzung von Emi­nescus Lyrik im deutschen Sprachraum beitragen konnte. Trotz all der aufgezeigten Schwächen hat die Hermannstädter deutsche Pres­se ihren Beitrag zur Verbreitung des Eminescuschen Werks in deutscher Sprache geleistet. Dieser Beitrag ist bescheiden, vor allem im Hinblick auf die Übersetzungen, die kaum je dem Original in die Nähe kamen, es viel­mehr oftmals missverstanden. Auch die kritische Beleuchtung von Eminescus Werk war oberflächlich. Den Autoren der genannten Artikel fehlte offenbar die notwendige Kompetenz, um einen Einblick zu bieten in die Tiefen des dichterischen Ausdrucks, der bei Emi­nescu zwar weitgehend der deutschen Romantik verpflichtet war, aber denn­­noch eigenständig und unverwechsel­bar lst' Beatrice UNGAR Benefizvorstellung für die Armen 'Zwei Hermannstädter Archivzeugnisse über Mihai Eminescu Es gibt eine Episode in Mihai Emi­nescus Kindheit, über die seine Bio­graphen viel gerätselt haben. Die Rede ist von dem 1863 erfolgten Austritt des jungen Mihai aus dem Czernowitzer Gymnasium. Nach Verlassen der Schu­le blieb der Knabe eine Weile sich selbst überlassen. Er hatte sich zwar um ein Stipendium beworben, vom (Ministerium . jedoch eine abschlägige Antwort erhalten. Daraufhin bereitete er sich privat auf die Prüfungen vor und sein Vater suchte ihm eine Stellung als Praktikant am Gerichtshof in Botoşani. Dieser Zustand dauerte bis zum Okto­ber 1864, als der ältere Bruder Şerban von der Universität heimkehrte und die Eltern dazu bewog, Mihai wieder auf die Schule zu geben. George Călinescu hat als Grund, wa­rum der 13jährige Mihai Eminescu kurz vor Schulschluss die Sekunda ver­lassen musste, Geldnot angegeben. Dass in der Tat die Familie zu jenem Zeit­punkt mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, geht aus einem Brief hervor, durch den eine Schuld von über einhundert Gulden, für die „es meh­rere Belege“ gäbe, eingefordert wird, Dieser Brief — er befindet sich im Her­mannstädter Staatsarchiv — ist von Gheorghe Eminovici, dem Vater des Dichters, geschrieben und an Constan­tin Hurmuzachi gerichtet, welcher das Erbe des verstorbenen Constantin Balş verwaltete, auf dessen Gutsbesitz in Dumbräveni-Siret der alte Eminovici einige Jahre davor Verwalter gewesen war. Aus den Jahren 1863—1868 gibt es kaum biographische Zeugnisse. Man weiss bloss, dass in diese Zeit Emines­cus dichterisches Debüt fällt (1866), dass er das Gymnasium in Czernowitz und Blasendorf (und möglicherweise kurze Zeit auch in Hermannstadt) be­sucht hat und dass er von den Vor­stellungen der Theatertruppe Tardini- Vlădicescu angezogen war, die er bis nach Czernowitz begleitet hat. Diese Theaterleidenschaft war es auch, die ihn dazu bewog, sich im Al­ter von 18 Jahren der von Mihail Pas­­caly (1831—1882) geleiteten Truppe als Souffleur anzuschliessen, die eben im Begriff stand, zu einer Gastspielreise nach Siebenbürgen (Kronstadt, Her­mannstadt) und ins Banat (Eugosch, Temeswar, Arad und Grosswardein) aufgubrechen. Die Tournee dieser damals bedeutend­sten Bukarester Truppe war für die Rumänen diesseits der Karpaten ein Ereignis; für die Hermannstädter Ru­mänen waren es gar die ersten Thea­teraufführungen in ihrer Mutterspra­che. In Hermannstadt wurden die Vor­stellungen im Stadttheater im Dicken Turm gegeben. Zwischen dem 20. Juni und 1. Juli 1868 gelangten hier folgen­de Stücke rumänischer und ausländi­scher Autoren zur Aufführung: „Ein romantischer Dichter“, „Der arme Dich­ter“, „Wahn und Wahnsinn“, „Der Pa­riser Taugenichts“, „Weibertränen“, „Der Tapfere und der Furchtsame“, „Michael der Tapfere nach der Schlacht bei Cälugäreni“, „Zwei gelehrte Pro­fessoren“. Die Redakteure des „Telegraful Ro­mân“ und der „Hermannstädter Zei­tung vereinigt mit dem Siebenbürger Boten“ haben alle Vorstellungen gese­hen und über dieses Gastspiel, an dem Mihai Eminescu aus dem Souffleurka­sten beteiligt war, ausführlich berich­tet. Uber den Hermannstädter Aufent­halt der Pascalyschen Truppe gibt es im hiesigen Archiv ebenfalls ein do­kumentarisches Zeugnis, und zwar das Protokoll einer Magistratssitzung, auf der „dem Herrn Bittsteller“ erlaubt worden war, sechs bis acht Vorstellun­gen im Stadttheater unter folgenden Bedingungen zu geben: Er habe das Theaterreglement vom 25. November 1850 strengstens einzuhalten, sei ver­pflichtet, eine Benefizvorstellung zu­gunsten der Stadtarmen zu geben, müs­se für die Saalmiete 1 fl. 5 kr., für die Bekanntmachung 1 fl. 50 kr. zah­len und eine weitere Taxe von 50 Kreu­zern entrichten. Überdies sei dem Ver­treter der Polizeibehörde eine separate Loge zur Verfügung zu stellen. Lidia und Mircea STOIA FEUILLETON Suite 5 MIHAI EMINESCU Und wenn... Und wenn vor’m Fenster Zweige i wehn, < und wenn die Pappeln rauschen, ist’s, dass im Geist ich dich muss ’ sehii und deinem Nahen lauschen. Und wenn der Stern erblinkt im See, erleuchtend seine Tiefe, ist’s, dass mir schwinde alles Weh und heitern Sinn mir schüfe. Und wenn aus dichten Wolken hin des Mondes Strahlen gleiten, ist’s, dass ich, dein gedenkend, bin bei dir zu allen Zeiten. Deutsch von Ernst Herber.t GROH Im Nachlass des Hermannstädter Schauspielers und Sängers Ernst Herbert Groh (1914—1989) befinden sich ausser zahlreichen eigenen Ge­dichten die Übertragungen von rund zweihundert Eminescu-Gedichten, einschliesslich des „Abend sterns“, sowie Übersetzungen von Blaga­­und Arghezi-Texten. Aus Spenden errichtet Eine Büste und eine Gedenktafel erinnern an den Dichter Mihai Eminescu ist nachweislich zweimal in Hermannstadt gewesen: das erste Mal im Herbst 1866, als er seinen Bruder Nicolae besuchte, der an der hiesigen Rechtsakademie studierte, das zweite Mal im Juni 1868, als er die Theatergruppe des Mihail Pascaly be­gleitete. Zur Verewigung von Eminescus An­denken wurde am 2. März 1938 in Her­mannstadt ein Ausschuss mit der Auf­gabe betraut, eine Büste des Dichters in der Stadt aufzustellen. Dem Aus­schuss stand die Lyzeallehrerin Ecate­­rina Sändulescu vor, deren tatkräfti­gem Einsatz es zu verdanken war, dass innerhalb einiger Monate die nötigen Spendengelder — über einhunderttau­send Lei — einliefen. Mit der Ausführung der Arbeit wur­de der Bildhauer Radu Moga beauf­tragt, der am Lyzeum in Brad unter­richtete. Die Büste, die er bald darauf lieferte, ist aus Bronze; sie ist neunzig Zentimeter hoch und steht auf einem prismatischen, an der Basis rechtecki­gen, zwei Meter hohen Sockel, der sich seinerseits auf- einem treppenförmigen Steinpodest erhebt. Auf der Vordersei­te des Sockels sind der Name „Emine­­cu“ und darunter eine von einem Lor­beerkranz umgebene Lyra eingemeisselt. Die Rückseite trägt folgende Inschrift:’ „Errichtet von den Bewunderern des grossen Genius der Nation. Eine Ini­tiative von Prof. Ecaterina Sändulescu.“ Die Büste wurde im Erlenpark in der Nähe des Bächleins aufgestellt und an einem Sonntag, dem 2. Oktober 1938, 17 Uhr in einer Feierstunde enthüllt. An der Festlichkeit beteiligten sich die Vertreter der Behörden, der Kulte, der Lehrerschaft und der Armee, Schüler­delegationen aus allen Schulen der Stadt, eine Ärztedelegation an der Spit­ze mit Dr. Constantin Parhon, zahlrei­che Schriftsteller und Künstler. Die Ansprachen hielten der Dichter Ion Minulescu namens des Kultusministe­riums, die Schriftsteller Cezar Petres­­cu und Paul Constant, der Kommandant des 7. Armeekorps, General Gheorghe Oprescu, Dr. Valeriu Bologa seitens der ASTRA, Bürgermeister Dr. Sever Pop und Ecaterina Sändulescu. An den Hermannstädter Aufenthalt Mihai Eminescus erinnert auch die mar­morne Gedenkplatte, die im Auftrag des Volksrates im Jahre 1964 am Haus Nr. 22 in der l.-Mai-Gasse (Fleischer­gasse) angebracht wurde. Sie trägt die folgende Inschrift: „In diesem Haus hat sich Mihai Eminescu zwischen dem 18. und 30. Juni 1868 aufgehalten, als er mit der Theatertruppe des Mihai Pascaly auf der Durchreise durch Her­mannstadt war.“ Paul ABRUDAN Gedenktafel am Haus Nr. 22 in der l.-Mai-Gasse in Sibiu.

Next