Neuer Weg - Almanach, 1953 (Anul 5)

Ion Luca Caragiale 1. L. Caragiale ist dm Jahre 1852 auf einem Klostergut in der Nähe von Ploeşti als Sohn eines kleinen Verwaltungsbeamten, der einer berühmten rumänischen Schauspielerfamilie ent tammte, geboren. Mit achtzehn Jahren wurde I. L. Caragiale Souffleur und Kopist am Theater in Bukarest. Er blieb der Bühne auch später treu, wenngleich er die verschiedensten Berufe ausgeübt: Redakteur und Korrektor bei verschiedenen Tageszeitungen, Schul­revisor und Theaterdirektor, Beamter und Gastwdrt gewesen ist, denn sein ganzes Leben lang verfolgte er mit scharfkritischem Auge seine Zeitgenossen und verewigte ihre Charakterschwächen — ihre Jagd nach Geld, Stel­lung und Geltung — in seinen Skizzen, Erzählungen, Novellen, Komödien und Dramen. Er war ein verbitterter Feind der Hohenzollerndynastie und kämpfte schon frühzeitdg gegen das schimpfliche Bündnis zwischen Bürgern und Großgrundbesitzern. Seine satirische Zeitschrift „Rumänische Flausen“ war von der hohen Gesellschaft des Altreiches gefürchtet. Als er jeden Versuchen, welche die Regierungskreise ansteliten um ihn durch Korruption und Verfolgungen weich zu machen, widerstand, mußte er ins „freiwillige“ Exil nach Deutschland gehen, wo er im Jahre 1912 starb. In seiner Novelle „Eine Osterkerze“, zeiigt I. L. Caragiale in der Gestalt Leiba Zibals den durch die verschiedensten Machenschaften der bürgerlichen Welt in den Wahnsinn getriebenen rechtschaffenen Bürger seiner Zeit. Die Novelle „Eine Osterkerze“ kann diesbezüglich mit dem Drama „Woyzek“ von Georg Büchner verglichen werden. Eine Osterlcerse Von Ion Cuca Caragiale Draußen geht die Arbeöt methodisch und beharrlich weiter. Viermal hat nun Leiba die stählerne Bohrerspitze gesehen, die drinnen erschien und wieder zurückgezogen wurde. „Bring mir jetzt die Säge...“ sagte George. Ein schmales Sägeblatt glitt durch das erste Loch und sirrte in schnellen regelmäßigen Bewegungen... Der Plan war leicht einzusehn; die vier Löcher bildeten die vier Ecken eines Rechtecks; die Säge zog die Linien nach: in der Mitte des Rechtecks stand der Bohrer von vorhin; wenn das Stück aus dem übrigen Holz herausgesägt war, brauchte man es nur herauszuziehen; durch diie entstandene Öffnung kennte eine starke Hand hindurchgreifen, den Querbalken fassen und zur Seite schieben und... die Gois waren in Leibas Haus Und derselbe Bohrer würde dann in wenigen Minuten zum Folter­instrument für Leiba und die Seinen werden... Zwei Henker würden das ausgestreckte Opfer am Boden festhalten, und George würde ihm den 189

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