Neuer Weg, 1977. január (29. évfolyam, 8595-8618. szám)

1977-01-29 / 8617. szám

NEUER WEG / 29. Januar 1977 XWas man von Kindern im Theater lernt Zu den ersten Premieren der Spielzeit an Bukarester Bühnen Von Helga H ö f e r Man müsste öfter mit Kindern ins Theater gehn. Man kann manches von ihnen lernen, sie sind ein ideales Publi­kum. Nein, nicht weil sie anspruchslos sind, sondern ganz im Gegenteil, weil sie sehr genau und spontan reagieren auf das Bühnengeschehen, weil sie mit allen Sin­nen und mit echtem Mutterwitz das Spiel aufnehmen, wobei sie empfindlich jedes falsche Getue, jede unnötige Übertrei­bung, jede plumpe Anbiederung erfassen — und richtig erbarmungslos verurteilen. Ihre Kritik an einer Aufführung kleidet sich kaum in Worte, sie äussert sich im Mienenspiel und durch ihre Aufmerk­samkeit. Das Bukarester Ion-Creangä- Theater, seit gut einem Jahr ins Zentrum der Stadt, in den ehemaligen Saal des Nationaltheaters auf der Piaţa Amzei, um­gezogen, hat die schöne und schwere Auf­gabe, Theater für Kinder und Jugend­liche zu machen. Es gab Zeiten, da spiel­te man hier kindisches Theater. Nichts kann peinlicher sein als schon recht be­jahrte, nicht immer erstklassige Schau­spieler, die sich krampfhaft bemühen, ei­nen Saal von Fünf- bis Zehnjährigen samt einigen gelangweilten Eltern zum Lachen zu bringen. In der letzten Zeit ist an diesem Thea­ter aber der Wille spürbar, richtiges gu­tes Theater für Kinder zu machen. Dass guter Wille viel, aber noch nicht alles ist, beweist ein Beispiel aus dieser Spiel­zeit: „Hokuspokus und ein Eimer“, eine Komödie des holländischen Theaterautors und Regisseurs Aad Greidanus.' Antoane­­ta Ralian hat das Stück übersetzt und einige gute Verse von Tudor Arghezi in die rumänische Fassung aufgenommen, Regie führt Cornel' Todea, der als Kari­katurist bekannte Ion Dogar-Marinescu hat das Bühnenbild und die Kostüme ent­worfen, die Musik schrieb Johnny Rä­­ducanu. Es ist die Geschichte der dümm­lich-schnippischen Schwestern Sandra und Simplina (Genoveva Preda und Anca Zamfirescu), die sich nicht zur Heirat entschliessen können; nachdem der fah­rende Händler Hokuspokus (Gelu Colceag) ein bisschen nachgeholfen hat, bekommen der Schuster Dofilius (Dumitru Anghel) und der reiche Herr Alfonso (Gabriel Iencec) die zwei Töchter des ewig müden Polizisten Joris (Boris Petroff). der ne­benbei vom Wert der Arbeit überzeugt worden ist. Der Regisseur vergisst nur selten, für wen die Aufführung gedacht ist: ein ein­faches. zweckmässiges Bühnenbild, sehr farbenfrohe, geschmackvolle Kostüme, viel Wortwitz und Situationskomik erge­ben eine Aufführung, die den Kindern und auch den anwesenden Eltern Spass macht. Neben äusserst gelungenen Szenen (z. B. mit dem Teppich, der sich selbst klopft), gibt es allerdings auch schwäche­re bis langweilige Momente: Wenn die Schauspieler sich gehen lassen, wenn sie unverständlich und viel zu schnell den Text herunterleiern, wenn man es ihnen vom Gesicht ablesen kann, dass sie mehr Anstrengung und Konzentration nicht für nötig halten, weil sie ja „nur“ für Kin­der spielen. Und das ist umso bedauerns­werter. als das Stück und die Inszenie­rung genügend Voraussetzungen bieten für einen wirklich gelungenen Theater­nachmittag. Kurz sei noch das Programm­heft erwähnt: sein Inhalt ist zwar mehr für die Eltern der zuschauenden Kinder bestimmt (Aussprüche über das Theater von Shakespeare über Gogol bis Mihail Sebastian, mit denen die Kinder, nichts anfangen können), man kann es aber aus­einanderfalten und sehr gut als Plakat für das Kinderzimmer verwenden ... Im­merhin zeigt diese Aufführung: Es ist möglich und mehr als dankbar, unter­haltsames und lustiges Theater für Kin­der zu machen, auch und gerade dann, wenn man auf Geblödel verzichtet. Und es lohnt sich, gute Regisseure heranzu­ziehen. (Nebenbei ein Vorschlag: Absol­venten der Regieklasse des Theaterinsti­tuts sollten als eine Art Abschlussprü­fung ein Stück am Kindertheater insze­nieren ...) Die Premiere am Creangä-Theater ge­hört zu den recht wenigen, die seit Be­ginn dieser Spielzeit in Bukarest zu se­hen sind. Das Nationaltheater zum Bei­spiel spielt in dieser Woche nicht weni­ger als siebzehn Stücke — aber bloss zwei davon kamen in dieser Saison neu heraus. Nicht viel anders ist die Situa­tion an den übrigen Bühnen der Haupt­stadt: Bis in den Dezember konnte man, mit zwei-drei Ausnahmen, nur Auffüh­rungen aus vergangenen Spielzeiten se­hen, gute bis sehr gute Aufführungen al­lerdings. Ende des vorigen Jahres mel­deten das Bulandra-Theater und das Kleine Theater zwei Jubiläumsvorstellun­gen : je 200mal wurden Paul Forsters „Eli­sabeth I.“ und Arthur Millers „Sündenfall“ aufgeführt. Mit dem neuen Jahr scheint etwas mehr Leben in die Bukarester Theater gekommen zu sein: es gibt seit kurzem Strindbergs „Pelikan“ (Bulandra- Theater), Lucian Blagas „Zamolxe“ (Giuleşti-Theater) und Kleists „Zerbro­chenen Krug“ (Nottara-Theater). In die­ser ruhigen Theaterlandschaft hatte Eca­­terina Oproius Stück „Das Interview“ e3 keinesfalls schwer, für etwas Wirbel zu sorgen. Das zweite Theaterstück der bekann­ten Journalistin — es kam Ende Dezem­ber in der Regie Cătălina Buzoianus am Bulandra-Theater heraus — behandelt die Situation der Frau in der rumänischen Gesellschaft von heute. Weil noch mancher herablassend lächelt oder ge­langweilt abwinkt, wenn die Rede kommt auf die Emanzipation der Frau — darum und nicht nur darum ist das Stück ge­­wissermassen aktuell. Wobei spätestens jetzt gesagt werden muss, dass die Au­torin keinesfalls die in unserem Land durch die Verfassung garantierte Gleich­berechtigung von Mann und Frau in. Abrede stellt; sie untersucht vielmehr Formen und Folgen der praktischen Um­setzung dieser Gleichberechtigung. Eine Reporterin moderiert mit ihrem Kollegen und Ex-Gatten eine Fernseh­sendung zum Internationalen Frauentag: zwischen den einzelnen Interviews mit typisch atypischen Frauen verschiedener sozialer Kategorien wird die Ehe und das Scheitern dieser Ehe analysiert — zum Gaudi des Publikums, kann man sagen. Denn worüber sprechen hauptsächlich die Reporterin und der Reporter, diese moderne Frau (in Hosen) und dieser et­was altmodische Mann (das Hemd zuge­knöpft und mit Krawatte) ? Uber den lee­ren Kühlschrank und über Stapel von schmutzigen Tellern, über die welter­­schüttemde Tatsache, dass sie ihm nie — „nicht einmal symbolisch!“ — einen Knopf angenäht hat. Hier hat es sich die Autorin doch etwas zu leicht gemacht. Der Dialog ist mit leichter Feder ge­schrieben. spritzig und witzig. Doch man hat den Eindruck, dass zu oft haarscharf am eigentlichen Problem vorbeidiskutiert, dass über dem Effekt die Ursache ver­nachlässigt wird. Andererseits werden in den einzelnen Interviews einfach zu viele Probleme angeschnitten; manches wünsch­te man sich ausführlicher behandelt (die Reporterin hätte nicht locker lassen dür­fen ...), manches hätte einer Vertiefung bedurft. Diese ach so amüsanten Inter­views nämlich sind bloss zum Schein so lustig und harmlos und unbeschwert, in manchen Augenblicken sind sie nicht nur (Fortsetzung auf Seite 4) Rumänien ist ein fast reines Agrar­land... Den Boden des Landes beherr­schen: 1) die Grossgrundbesitzer: unter diesen ist der grösste der Staat; es folgt die Krone mit den Krondomänen; die wohl­tätigen Stiftungen, wie die Verwaltung der Spitäler; die Kulturstiftungen, wie die Akademie usw. und die privaten Grossgrundbesitzer; 2) und die Mittelgrundbesitzer, und 3) die Kleingrundbesitzer, die gewaltige Masse der Bauern, die in den Jahren 64 und 88 Boden erhalten haben. Alle Landwirte sind Ackerbauern; sie bebauen ihre Kleinbesitze und auch die grossen und mittleren Grundbesitze. Die­se Kleinbesitzer (beinahe 5 Millionen Seelen bei einer Gesamtbevölkerung von rund 6 Millionen) können mit dem Er­trag ihrer Besitze nicht auskommen; denn einerseits sind die Lebensbedürfnisse und die Abgaben gestiegen und steigen fort­dauernd, und anderseits ist ihr Boden­besitz kleiner geworden und verkleinert sich unausgesetzt, weil er im Erbweg nach dem gemeinen Recht zerstückelt auf die Kinder übergeht. Da die Veräusse­­rung gesetzlich ' untersagt und nur der Tausch gegen Vergütung zwischen Bauer und Bauer gestattet ist, zerstückeln sie ihren Besitz letzten Endes in so kleine Teile, dass diese höchstens noch zu einer verfeinerten intensiven Bewirtschaftung dienen könnten — hierzulande eine un­mögliche Bebaüungsart wegen der alther­gebrachten Arbeitsgewohnheiten, wegen mangelnder fachlicher Intelligenz und Geduld, wegen Unkenntnis der Methoden für eine so wissenschaftliche Kultur und wegen Mangel an Kapital und Kredit. Auf der andern Seite steht dem Gross­und Mittelgrundbesitz für seine extensi­ve Wirtschaft nur die Arbeitskraft der Bauern zur Verfügung. Diese überneh­men Bodenteile, um ihrem Leistungs­vermögen entsprechend möglichst viel zu arbeiten und zu erzeugen. Für die ge­pachteten Anteile zahlen sie, nach örtli­cher Gepflogenheit, entweder in Geld und Arbeit, wie in der Moldau, oder in natura, wie in Muntenien. In diesem Falle bearbeitet der Bauer den Boden, teilt aber den Ertrag mit dem Gross­grundbesitzer in der Art und Weise, wie es in den von der Gemeindebehörde be­glaubigten sogenannten Vereinbarungen vorgesehen ist. Zu dieser Vereinbarung ist der Bauer auch durch den Umstand gezwungen, dass der Kleingrundbesitz überhaupt keine Weide für sein Vieh hat; die Weide beherrscht ausschliesslich der Grossgrundbesitzer. Obwohl die landwirt­schaftlichen Vereinbarungen zivilrecht­liche Verpflichtungen sind, werden sie im Bedarfsfälle seitens der Behörden (manu militari) zur Durchführung gebracht, wie die sogenannte „Zwangsarbeit“ im Straf­recht. (Die körperliche Züchtigung wurde 1881 durch die Abänderungsnovelle zum vorangegangenen barbarischen Gesetz ab­geschafft. Von Rechts wegen besteht sie nicht mehr; in Wirklichkeit wird sie aber weiter angewendet. Dies ist eine Tat-Ion Luca Caragiale, dessen Geburtstag sich heute zum 125. Male fährt,.war lan­ge ein einsamer Höhepunkt der rumäni­schen Dramatik. Auf dem Gebiet des ge­sellschaftskritischen Lustspiels, das seiner ausgeprägten satirischen Begabung am besten entsprach, ist er unübertroffen. Caragiale zählt zu den' grossen Klassi­kern der rumänischen Literatur — was seine Zeitgenossen Eminescu, Creangă und Slavici auf dem Gebiet der Lyrik, der volkstümlichen Erzählung und der epischen Prosa leisteten, vollbrachte er auf dem Gebiet des Theaters. Dabei war er zugleich ein Vollender und ein Neue­rer, er führte die Ansätze seiner Vorgän­ger aus der Generation von 1848 (nament­lich Vasile Alecsandris) auf dem Gebiet der bodenständigen und zeitbezogenen Sittenkomödie weiter, und erschloss der rumänischen Literatur vor allem durch seine Kurzprosa (zusammengefasst unter dem Titel „Momente şi schiţe“) neue Wege. Nicht wenige seiner satirischen Skizzen nehmen Darstellungsmethoden vorweg, die erst in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts durch das sogenann­sache, die niemand bestreiten kann, ge­nau so, wie kein Bauer den Mut aufbrin­gen würde, sich auf die gesetzliche Ab­schaffung- der körperlichen Züchtigung zu berufen, weil er genau weiss, dass er sich dann körperlichen Strafen aussetzen würde, obwohl diese noch früher, durch die Verfassung aus dem Jahre 1866, auf­gehoben worden waren.) Dies ist der allgemeine Zustand... Es te absurde Theater europäische Verbrei­tung fanden. Gleichzeitig hat ,Caragiale das in der sozialen Realität verankerte psychologische Drama („Năpasta“) und die psychologische Novelle („O făclie de paşti“) in der rumänischen Literatur Hö­hepunkten zugeführt. Die Wirkung seiner literarischen Wer­ke, ob Komödie oder satirische Kurzge­schichte, beruht vor allem auf der präzi­sen Wiedergabe des sprachlichen Verhal­tens der Personen, das deren gesellschaft­liches Verhalten auf deckt. Von scharfer Beobachtungsgabe zeugt auch seine Un­tersuchung über die Gründe des Bauern­aufstandes von 1907, aus der wir diese Auszüge entnehmen. Caragiale lebte be­reits in Berlin, wohin er sich zurückge­zogen hatte, angewidert von den kleinli­chen und peinlichen Intrigen und Schi­kanen, die irgend welche Pygmäen des da­maligen rumänischen Kulturbetriebs ge­gen den genialen Schriftsteller ausklügel­ten, als ihn die Nachricht vom Bauern­aufstand erreichte. Wer diese vernichten­de Anklageschrift mit ihrer weitgehend auch aus historischer Sicht noch zutref­gibt jedoch unglücklicherweise noch ei­nen weiteren „allgemeinen Zustand“. Nur wenige Grossgrundbesitzer und selbst Mittelbesitzer bebauen ihre Güter selbst; sehr viele, die meisten, verpachten sie im ganzen an den Meistbietenden.:. Mit et­was Kapital, aber auch mit entsprechen­dem Kredit, kann jedermann bei dem Versteigerungswucher der grossen und mittleren Güter mitbieten. In der Moldau fenden Analyse des wirtschaftlichen, ge­sellschaftlichen und politisch-institutionel­len Systems .liest, wird trotz aller Ver­bitterung über die dem Autor als aus­weglos erscheinende Lage, das warme Herz des Patrioten schlagen hören. Zu­mal seine Schilderung des korrupten und unfähigen Politikastertums und seiner skrupellosen Klientel liest sich wie eine soziologische Studie über die Typen, die seine berühmten Komödien bevölkern. Der erste Teil dieser politischen Streitschrift erschien übrigens als Arti­kel in der Wiener Zeitung „Die Zeit“, ins Deutsche übertragen von Mite Krem­nitz, der ersten deutschen Übersetzerin Eminescus und gezeichnet mit „ein ru­mänischer Patriot“. Der ausgearbeitete Text erschien dann als Broschüre in der Druckerei der Zeitung „Adevărul“ und erreichte eine Auflage von 12 000 Exemplaren. Als erste Publikation durch­brach Mihail Dragomirescus Zeitschrift „Convorbiri“ den Gürtel des Schweigens, den die rumänischen Offizialitäten um diese für sie kompromittierende Schrift angeordnet hatten, und brachte den Text in vollem Wortlaut. braucht es mehr Kapital dazu, weil nach örtlicher Gepflogenheit die Güter an Bauern gegen Geld und Arbeit in Unter­pacht weitergegeben werden, und der Grosspächter Vieh, Fuhrwerke, Maschi­nen usw. nötig hat. In Muntenien braucht man viel weniger; hier nimmt man ein Gut in Pacht, bezahlt eine Pachtrate, verwendet etwas Geld für Saatgut und für Darlehensvorschüsse, an die bedürfti­gen Bauern: danach rückverpachtet man fast alles in Anteilen an die Bauern. Die­se arbeiten vom Frühjahr bis zum Herbst, vom Morgen bis in die Nacht, aber im Herbst führt der Bauer vereinbarungs­­gemäss zuerst den Anteil des Pächters in dessen Lagerhaus oder auf den Bahnhof, und nur danach darf er auch den ihm gebührenden Teil in Anspruch nehmen. Verges'sen wir nicht zu erwähnen, dass die armen Bauern im. Winter, wenn sie keine Arbeit haben und im allgemeinen nichts erzeugen können, sooft sie Geld brauchen, ebenfalls bei den Pächtern ge­gen mehr oder weniger hohe Wucher­zinsen Darlehen aufnehmen, die sie im kommenden Herbst bei der Abrechnung tilgen müssen. Oft bleiben die Bauern nach einer Arbeit von mehr als acht Mo­naten auf Rechnung des nächsten Jahres in Schulden stecken. Und wieder bricht ein harter Winter über ihr trübes und geknechtetes Dasein herein, und wieder betteln sie mit der Mütze irf der Hand um ein neues Darlehen ... Sowohl der unvorstellbare Luxus der Grundeigentümer als auch die masslose Bereicherung der Pächter und die hohen Bankgewinne, die Bestechungsgelder in der öffentlichen Verwaltung und ferner die ständige Zunahme der staatlichen Einnahmen ergaben sich' letztlich aus der Aussaugung der Bauern. Angesichts dieser Binsenwahrheit wol­len wir nun die Politik, die Verwaltung und die Geistesbildung dieses Staates un­tersuchen. Politische Parteien im europäischen Sinne des Wortes, die also auf Tradition, auf alte oder neue Klasseninteresseh und demnach auf Programme von Grundsät­zen und Ideen gegründet wären, gibt es in Rumänien nicht. (Fortsetzung auf Seite 4) Ion Luca Caragiale: Der allgemeine Zustand Auszüge aus dem Pamphlet „1907 — Vom Frühjahr bis zum Herbst“ Vor 125 Jahren wurde I. L. Caragiale geboren Kultur Henri Clouzot gestorben Henri Clouzot, der französische Regis­seur, der im November 70 Jahre alt ge­worden wäre, ist gestorben. Clouzots künstlerischer Rang weist weit zurück in die grosse Zeit des französischen Ki­nos, als Carné „Die Kinder des Olymp“ drehte, Clair „Schweigen ist Gold“ und Clouzot „Quai des Orfévres“, Filme, die das französische Kino so faszinierend, interessant und vielseitig erscheinen He­ssen. die ihm Weltgeltung verschafften. , Mit dem finster pessimistischen Thril­ler „Lohn der Angst“ schuf Clouzot 1952 seinen erfolgreichsten Film, zwei Jahre später lobte und tadelte man den bitter­bösen Zynismus des Horrorkrimis „Die Teuflischen“. Mit der Geschichte eines Mädchens vom Lande, das in der Gross­stadt Paris stufenweise zugrunde geht, entdeckte Clouzoţ in Brigitte Bardot die einfühlsame Charakterdarstellerin. Seine eigene Karriere begann, als Filmautor Henri Jeanson den jungen Lokalreporter des „Paris Midi“' für den Film begei­sterte. Clouzot begann als Cutter, Dreh­buchautor und Regieassistent bei Litvak und Dupont, bevor er dazu kam, seinen ersten eigenen Film zu inszenieren. Paula Wessely wurde 7C Als Paula Wessely auf der Bühne des Wiener Theaters an der Josefstadt ihre Laufbahn begann, waren es vor allem die leichtsinnigen jungen Frauen mit ein bisschen Gemüt, die Mädchen aus dem Volke, die sie darstellen konnte. Und so kam es eigentlich unerwartet, dass sie bei Max Reinhardt in Berlin als Rose Bernd grossen Erfolg hatte, dass sie in Shaws „Heiliger Johanna“ zu einem un­vergesslichen Auftritt fähig war. Alsdann aber die ersten Wessely-Filme um die Welt gingen, da war sie wieder das ein­fache Vorstadtmädel mit einem unver­gleichlichen Stimmtimbre, da war sie dem Publikum wieder vertrauter. Nach Kriegsende bekam sie die erste Rolle erneut im Theater an der Josef - stadt, und zwar jene der Shen Te ln Brechts „Gutem Menschen von Sezuan“. Aber bald wirkte sie auch wieder in leichten Komödien mit. Ihr liegen näm­lich die komödiantischen Rollen und es liegt ihr etwas an ihnen, doch wegen ihres Ruhms und wegen ihrer Grösse will man sie in den letzten Jahren immer wieder als Tragödin sehen. Ihre Kunst wurde immer mehr die Kunst der knappsten Andeutung, ihre reife Mensch­lichkeit, zu der sie gefunden hat, der Reichtum ihres Registers kommen auch jetzt zur Geltung, wo sie am Burgtheater die Rolle der kapriziösen Lady Bracknell in Wildes „Bunbury“ spielt. Unbekanntes Rubens- Gemälde entdeckt Ein bisher unbekanntes Rubens-Ge­mälde ist jetzt in der Schatzkammer einer Kirche in Luxemburg entdeckt worden. Das fünf mal fünf Meter grosse Bild „An­betung der Könige“ war bisher dem flä­mischen Maler Otto Venius, einem Lehr­meister Rubens’ zugeschrieben worden. Sachverständige stellten jetzt bei einer Restaurierung des Werkes fest, dass zahl­reiche technische und künstlerische De­tails auf die Handschrift Rubens’ ver­weisen. Caragiale-Ausstellung in Berlin Eine Ausstellung über Ion Luca Cara­giale (1852—1912) ist in Berlin anlässlich seines 125. Geburtstags eröffnet worden. Die Schau enthält u.a. Fotos, Skizzen, Texte, Plakate und Zeitungsausschnitte. Stücke Caragiales — u.a. „Faschingstrei­­ben“ und „Der verlorene Liebesbrief“ — wurden an DDR-Bühnen inszeniert, ein Dramen-Band erschien im Aufbau-Verlag. Beeindruckende Kulturschau Erster Zonenwettbewerb des Festivals „Cîntarea României“ im Kreis Sibiu Von Manfred Wittstock Rund 350 Laienkünstler — darunter nahezu ein Drittel deutscher Nationali­tät — aus Cisnädie, Talmesch, Cisnä­­dioara, Zoodt. Boita, Tălmăcel und Riul Sadului trafen sich vergangenen Sonntag im Kulturhaus der Gewerkschaften in Cisnädie beim ersten Zonenwettbewerb im Kreis Sibiu innerhalb des Landesfestivals „Cîntarea României“. Die mehrstündige Veranstaltung wurde zur Mittagszeit un­terbrochen, und zu Ehren des Jahrestages der Vereinigung der rumänischen Für­stentümer reichten sich die Laienkünstler in den sehwarz-weissen Trachten der „Mărginimea Sibiului“ und die in den buntbestickten Trachten der Siebenbürger Sachsen mit dem zahlreich erschienenen Publikum die Hände zu Flechtenmachers berühmter „Hora Unirii“. Die neun Stunden währenden kulturel­len Darbietungen dieses Zonentreffens sind im wesentlichen der aufopferungs­freudigen Tätigkeit sowohl rumänischer als auch deutscher Persönlichkeiten zu verdanken, die mit leidenschaftlichem Unternehmungsgeist und Kompetenz Her­vorragendes für die geistige Bildung ihrer Mitmenschen leisten. So hat sich Pro­fessor Otto Böhm, der langjährige Leiter der deutschen Vortragsreihen der Volks­universität von Cisnädie, auch in diesem Winter mit Hingabe dem Laientheater gewidmet. Kurz nach erfolgreichen Vor­stellungen mit Nestroys „Der Zerrissene“ in Bogeschdorf, Baassen und Kleinschel­­ken hat er nun zusammen mit Martin Bernhardt, Paul Phleps, Rosemarie Kapp und Sandu Oltăţeanu, das Stück „Die Stufen“ von Paul Everac für den Wett­bewerb einstudiert. Er selbst trat dabei in einer Hauptrolle mit einer in Gestik und sprachlichem Ausdruck äusserst über­zeugend wirkenden Sicherheit auf, die manchem Berufsschauspieler zur Ehre ge­reicht hätte. Der dreissigjährige Werk­zeugschlosser im „Textila“-Betrieb, Gheorghe Stoica, stellte als preisgekrönter Autor eines Einakters, als Regisseur, Hauptdarsteller und Verfasser von Texten für die künstlerischen Brigaden eine viel­seitige kulturelle Tätigkeit unter Beweis, die allgemein beeindruckte. Der Vertreter des Kulturhauses der Ge­werkschaften, loan Gabálin, hat in den Betrieben und Institutionen des Weber­städtchens zahlreiche künstlerische Bri­gaden von Niveau aufgestellt, die neue, sozialistische Folklore pflegen. Im musi­kalischen Bereich unübertroffen sind Klaus Metz und Simon Müller. Ersterer brachte mit dem grossen städtischen Chor auf gediegendste Weise deutsches und siebenbürgisches Liedgut zu Gehört Der Zweite ist als Leiter von drei Blaskapel­len und einem rumänischen Volksmusik­orchester wohlbekannt. Nicht vergessen sei auch Nicolae Hampu, der nicht nur das bekannte Hirtenflötenensemble leitet, sondern auch anregend auf die gesamte kulturelle Tätigkeit in der Gemeinde Riul Sadului wirkt. Das Publikum folgte aufmerksam den vielseitigen Darbietungen, von denen die Theatervorstellung der Talmescher Ju­gendlichen mit Wilhelm Meitherts Mund­­artstück „Die Bräffrängdännen“ (Spiellei­tung Edda Harte) und Luise Marie Albu), sowie die lebhaften Musikstücke von Johann Wickete in der Darbietung der Blaskapelle von Cisnädioara (Dirigent Michael Guist) besondere Erwähnung fin­den sollen. Die elfköpfige Jury, der Vertreter des kulturellen Lebens von Sibiu und Cisnä­die angehörten, hatte es nicht leicht, einen gerechten Entscheid zu treffen. Die grössten Meinungsverschiedenheiten gab es bei der Bewertung der künstlerischen Brigaden. Nach einer langwährenden De­batte einigte man sich schliesslich über folgende Preisträger, die zur Kreisphase des Festivals „Cîntarea României“ zuge­lassen werden: die rumänische Theater­gruppe aus Talmesch (Spielleitung Lucia Dăncilă und Maria Verdeş), die deutsche Theatergruppe aus Cisnädie (Spielleitung Otto Böhm), die Vortragskünstlerin Rodica Bagalin aus Cisnädie (Lehrergewerkschaft), der deutsche Chor (Dirigent Klaus Metz), die rumänische Vokalgruppe aus Boiţa, die Blaskapelle des Kulturhauses der Ge­werkschaften Cisnädie (Leiter Simon Mül­ler), das Unterhaltungsmusikorchester „Sind-Grup“ aus Cisnädie, die Volksmu­siksängerin Maria Corbu von „Textila“, Cisnädie, die Unterhaltungmusiksänger Florentina Balte? und loan Nistor aus Cisnädie, die Volksmusik-Interpreten Iu­­liana Dane? (Zither), Petru Macău (Kla­rinette) und Hampu Nicolae (Hirtenflöte), das Hirtenflötenensemble von Tălmăcel und Boiţa sowie Zoodt, die künstlerische Brigade der Spinnerei von „Textila“, Cisnädie, die Gestalter der literarischen Montage von der Spinnerei „Textila“, Cisnädie sowie das rumänische Volksmu­sikorchester des Kulturhauses der Ge­werkschaften (Leiter Simon Müller). Au­sserdem wurden Otto Böhm, Rodica Ba­galin. Simon Müller und Traute Schulz Ehrenurkunden für ihre hervorragende kulturelle Tätigkeit zuerkannt. Beim Zonenwettbewerb von Cisnädie waren trotz der grossen Beteiligung nicht alle Kunstgattungen vertreten, welche von den Bewohnern des Weberstädtchens und der umliegenden Gemeinden gepflegt werden. Auf dem Gebiet der bildenden (Fortsetzung auf Seite 4) Seite 3 Buchveranstaltungen 1977 Im Zeichen der historischen Jubiläen dieses Jahres — 100 Jahre seit der Er­langung der staatlichen Unabhängigkeit Rumäniens, 70 Jahre seit den Bauernauf­ständen von 1907 und 30 Jahre seit der Ausrufung der Republik -r- stehen heuer die traditionellen Buchveranstaltungen, die innerhalb des Landesfestivals „Cîn­tarea României“ abgehalten werden. Fe­bruar ist der „Monat des Buches auf dem Lande“. Mehrere Tage dieses Monats sind dem politischen und gesellschaftswissen­schaftlichen Buch gewidmet, andere wie­derum der Belletristik, der wissenschaft­lichen und technischen Literatur. In der Gemeinde Flămînzi (Kreis Boto?ani) wird zu Beginn eine grossangelegte Veranstal­tung auf die Bedeutung der Bauernauf­stände von 1907 und die Errungenschaf­ten des sozialistischen Rumäniens hin­­weisen. Eine ähnliche Feier in der Ge­meinde Poiana Mare (Kreis Dolj) soll den „Monat des Buches auf dem Lande“ beschliessen. Kurz vor der Hundertjahrfeier der Er­langung der staatlichen Unabhängigkeit Rumäniens, Mitte April, wird in Bukarest der Landessalon des Buches eröffnet. Wie auch bei der vergangenen Auflage soll er eine Rückschau auf die Verlagstätigkeit unseres Landes- in den letzten Jahren er­möglichen. Für die kleinen Leser werden im Rah­men des internationalen Jahres des Kin­des die „Tage des Kinderbuches“ organi­siert. Die „Dekade des rumänischen Buches“ wurde für Anfang Oktober angesetzt. In den verschiedenen Kreisen des Landes werden aus diesem Anlass „Tage des wis­senschaftlichen und technischen Buches“ veranstaltet, während in Bukarest eine Ausstellung die repräsentativen Erschei­nungen der Jahre 1976—1977 vereinigen wird. Die in diesem Jahr vorgesehenen Buch­veranstaltungen werden auch wieder Ge­legenheit zu Begegnungen zwischen Schriftstellern. Lesern und Verlegern, zur Vorstellung neuer Arbeiten bieten.

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