Kirchliche Blätter, 1924 (Jahrgang 16, nr. 1-52)

1924-04-24 / nr. 17

KirchlinieBlätter Bezugspreis: Berlag: Inland: ganzjährlich Lei 100.—, aus Der ev, Landestirche U. B. vSouheunen! Buchdrucerei u. Ver halbjährlich Lei 50.—. Ausland: ganzjährl. Lei 100.—, halbj. 50.— Preis einer Einzelnummer 3 Lei. Sixjcheint jeden Donnerstag. Die eingespaltene Nonparettlezeile oder deren Raum Lei 6.—, bei größeren Aufträgen Nachlaß. Nummer 17 Hermannstadt, 24. April 1924 XVI. Jahrgang Inhalt: Kants philosophische Religionslehre (Schluß). — Erhaltung und Herstellung Kirchlicher Kunstaltertümer. — Zur Kalenderreform. — Nachrichten aus Zeit und Welt. — Bücher: und Zeitschriftenschau. — Amtliches. — Anzeigen. in Siebenbürgen Svangel. Wochenschrift für die Glaubensgenossen aller Stände De­d. ev. Landesfiche A.B. in Siebenbürgen, Hermannstadt. Suffertionspreis: Kants philosophische Religionslehre. Zur 200jährigen Wiederkehr seines Geburtstages. (Schluß). Es ist leicht nachhezuweisen, daß Kants Religions­­lehre im Ganzen seiner Begriffswelt nicht die feste Stellung einnimmt, die sie als ein notwendiges und gerade in dieser Form und Vermittlung notwendiges Glied derselben erscheinen ließe. Das Doppelwesen der Religion, die einmal reiner Begriff, nämlich der moralischen Bestimmung des Menschen in ihrem Endzweck vorgestellt, und zweitens eine ausgebreitete Mannigfaltigkeit von Lehren und Gebräuchen ist, dar) Dhe allein sie der Moral gegenüber das Ges­­icht eines selbständigen Daseins hat, wird von Kant nur nach der ersten Seite an das­ System aus­gegliedert. Die ganze wirkliche Religion wird aus der Erfahrung geschöpft und dei­st dem Groffe nach etwa mit der Gedankenwelt der pietistischen Kreise, in denen Kant aufgewachsen war. Sie wird eingeführt als etwas probeweis Angenommenes, das ich von der Vernunft durchleugten lassen muß, um ich als vernünftig zu erweisen. So wird der Ans­chein erwedt, als ob sich die ganze Untersuchung im Bereich­ der Vernunft abspiele. Aber während jener „reine“ Religionsbegriff Durch seine Angliederung an das System an an dessen Wahrheit vollen An­­teil hat, erscheint die Wahrheit der „geoffenbarten“ Religion als eine bedingte, ja nichtige — sein Wun­­der, wenn die starren Triebe, durch die sie im Erd­­reich der Geschichte verwurzelt ist, zum Zweck jener Umpfropfung auf die Moral erst sorgfältig durch­schnitten wurden. Doch wie immer die vorgetragenen­­ Gedanken untereinander und mit der übrigen Philosophie ver­­mittelt erscheinen, als Gedanken stellen sie eine geistige Macht dar, mit der auch Heute noch gerech­­net werden muß. Und zwar ist das Entscheidende nicht die Begründung, die ihnen Kant verleiht, son­­dern das darin zum Ausdruch kommende ursprüng­­lie Werturteil. Wenn wir die Grundeinstellung unserer Gebildeten zur Religion­­ und Theologe oder Nichttheologe macht da einen geringen Unter­­schied­­ mit derjenigen Kants vergleichen, so finden wir in der Tat eine weitgehende Verwandtschaft. Es sind fast dieselben Seiten an der­ Religion, die wo heute, sei es freundlich, sei es feindlich, beurteilt wer­­den, wobei dahingestellt bleiben mag, ob es sich um einen von Kant ausgehenden unmittelbaren Einfluß oder um eine allgemeine, geistige­ Bewegung handelt, in der auch er nur eine Welle war. Das Bezeichnendste an der Kantischen Auffassung der Religion ist, daß sie alles Licht von der­ Moral erhält, also wie der Mond nicht eigenes, sondern für geborgtes ausstrahlt. Eine solche Tra­­­bantenrolle wird der Religion auch in unserer Gegenwart fast durchgehends zugewissen. Wohl läßt man sich belehren, daß der Religion in unserem Gemüt eine „eigene Provinz“ zusomme, daß sie et­­was für sie sei, das aus sich selbst verstanden werden wolle. Aber wenn sie es einmal tatsächlich unter­­nimmt, etwas für sich zu sein, d. H. wenn sie, ohne nach Kunst oder Willenshhaft oder Volfstum oder was es sei, zu fragen, die in sie gelegten Kräfte frei entfalten will, so lehnt jie das allgemeine Empfin­­den dagegen auf. Man ist ji Durchaus nicht einig, wohin man die Zwedbestimmung der Religion ver­­legen soll, ob in die Erziehung der Gesellschaft, in die Befruchtung des persönlichen Lebens, in die Rettung des Volfstums, — . Das die Religion einen solchen außer ihr gelegenen Zweck haben müsse, ist eine­ selbst­­verständliche Vorauslegung. Je handgreiflicher der Noten der Religion, desto höher ist ihre Geltung. Wenn dabei eine Beziehung auf die Moral als und) abgelehnt wird, so entspricht das nur einem zufälli­­gen modernen Geschmach. Kant bringt Die Religion in Die engste Beziehung zur mangelhaften menschlichen Natur. Ihre Quelle liegt in der Niederung und führt nicht ganz reines Wasser. Es sollte eigentlich gar feiner Religion be­­dürfen. Der Höchste Standpunkt ist der der selbstge­­nügsamen Moral. So wird­ die Religion von oben herab ‚betrachtet und ‚erscheint Darum in einer Ebene mit dem für das Menschengeschlecht so beischämenden Aberglauben und von „Bek­unftwidrigkeiten einer

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