Banater Deutsche Zeitung, Juli 1928 (Jahrgang 10, nr. 144-169)

1928-07-01 / nr. 144

Seite I WI TTI TR TREE wesen genug darin, daß zwei Mörder dem Galgen entrinnen. Es ist Menschlichkeit geübt worden Un­­menschen gegenüber. Und das ist nicht richtig, denn das heißt Unmenschlichkeit üben der Gesamtmensch­­heit gegenüber. Die Todesstrafe abzuschaffen, ist schön gedacht, doch im Kampfe gegen bedenkenlose Vernichter von Menschenleben unangebracht. „Mit der Abschaffung der Todesstrafe sollten“, sagte ein geistreicher französischer Abgeordneter, „die Herren Mörder beginnen“. Wenn die Mörder nicht mehr morden, wird die menschliche Gesellschaft nicht mehr die Gräßlichkeit des Mordens von Amts wegen ver­­üben müssen. B. Bratianu möchte mit Hilfe Poincares stabilisieren Bukar est, 30. Juni. Wie „Cuvantul“. meldet,' soll Ministerpräsident Vintila Bratianu den franzö­­sischen Ministerpräsidenten Poincare um Inter­­vention in Angelegenheit der Stabilisierung unserer Währung ersucht haben. Poincare soll geantwortet haben, daß er das Vertrauens­votum der französi­­schen Kammer abwarte und dann erst eine bestimmte Antwort geben werde. Angebliche politische Propaganda durch den Budapester Sender Prag, 30. Juni. Die nationalistische Fraktion hat in der Kammer eine Interpellation über die Radiostation in Budapest eingebracht. Täglich­­ be­­kommt man, heißt es in der Anfrage, aus Budapest tendenziöse Meldungen, die hauptsächlich gegen die­­ Czechoslowakei gerichtet sind, zu hören. Dies ge­­schieht, um die Bevölkerung der Slowakei zu beun­­ruhigen. Die Budapester Sendestation ist aufs aller­­modernste engerichtet, so daß sie in den entlegen­­sten Gemeinden der Slowakei sehr gut zu hören sei. In den verflossenen Tagen hat der Budapester Sen­­der einen Hirtenbrief des ungarischen Bischofs M­i­­ses verbreitet, der an das katholische gläubige Volk in der Slowakei gerichtet war und die ärgsten Be­­schuldigungen gegen die czechoslowakische Republik enthielt. In der Interpellation wird gefragt, ob die Grechoflomwafei zu Retortionsmaßregeln bereit sei, und empfohlen, den Sender von Preßburg zur Pro­­paganda unter der ungarischen Bevölkerung zu be­­nützen. ' | 3Zwangsweise Italienisierung eines deut­­schen Familiennamens in Südtirol Inn S5brutc, 30. Juni. Ein Lehrer namens Tsc­holl, der im Vintschgau seinen Wohnsitz hat, er­­hielt kürzlich vom Präfekten der Provinz Bozen die Mitteilung, daß sein Name unter Bezugnahme auf das Dekret über die „Rückführung“ deutscher Fami­­­­liennamen in ihre ursprüngliche italienische Form in Cioli umgewandelt wurde. Bezeichnend ist, daß die Familie Tscholl ihren deutschen Namen nach­­weislich seit dem sechzehnten Jahrhundert führt. Es ist dies der erste Fall der zwangsweisen Italiani­­sierung eines deutschen Familiennamens. Fa ib di» a­FE. ‚Rune Bexifde Keitusp ® Sonntag, den 1. Juli 198 Erregte Debatte in der französischen Kammer über die elsässische Frage Die Rechte des Elsaß müssen unbedingt geschüßt werden Par­is, 30. Juni. In der Kammer wurde ge­­stern zum zweitenmal seit Beginn der Legislaturpe­­riode der Fall der in Colmar verurteilten und ge­­genwärtig in Haft befindlichen Deputierten Rose und Ri­etlin verhandelt. Der elsässische Deputierte Walter erklärte, er habe seinen Antrag auf Haft­­entlassung der beiden Deputierten vor zwei Wochen unter der stillschweigenden Voraussezung zurücge­­augen, daß die Regierung sie mittlerweile begnadi­­gen werde. Das Prestige Frankreichs, sagte er, steht auf dem Spiel. Will die Kammer eine Kluft zwischen Frankreich und dem Elsaß aufreißen? Der Depu­­tierte Walter, dessen Redezeit erschöpft war, wurde nunmehr vom Präsidenten der Kammer zum Ver­­lassen der Tribüne aufgefordert. Er kam Mahnung nur zögernd und widerwillig nach dieser und rief, kräftig mit der Faust auf das Rednerpult schla­­gend, schließlich in den Saal: „Die Rechte des Elsaß müssen unbedingt geschützt werden!“ Als5 hierauf der ehemalige Minister Raibel von der rechtsstehenden Gruppe Maginot dagegen pro­­testierte, daß die Rechte des Elsaß in der französi­­sen Kammer kein Gehör finden können, brach im Haus ein heftiger Entrüstungssturm los. Kammer­­präsident Bouisson intervenierte und bezeichnete die Worte Raibels als vollkommen unzulässig, wobei ihm fast das ganze Haus und insbesondere Poincaré lange applaudierte. Die Debatte schloß mit den Wor­­­­ten des autonomistischen Abgeordneten Dahles: Gebet acht, daß ihr nicht die moralische Trennung des Elsaß von Frankreich zu einer Tatsache macht!“ Der Frauenmörder von Marseille verhaftet Ein halbes tausend Frauenbriefe --- Ein Dutzend Eine Reihe von Todesopfern Aus Paris wird gemeldet: Die Affäre des Mar­­seiller Frauenmörders Drat wird immer verwickel­­ter. Die Polizei befürchtet, daß diesem neuen L­and zu mehr als die bereits aufgedeckten vier Frauenmorde zuzuschreiben sind.­­ Ueber sein Verhalten gegenüber den Frauen­ ist volle Klarheit erzielt. Teils durch Heiratsanzeigen, teils durch Heiratsbann suchte er ältere Frauen zwischen 40 und 50 Jahren an sich zu loben. Zunächst stellte er deren Vermögensverhältnisse fest und wenn sie ihm genügten, so war er bestrebt, sein Opfer mit einem mehr oder weniger großen Geldbe­­trag an einem­ vorgetäuschten Häuserkauf zu beteili­­gen. Wenn in diesem Augenblick die Frau darauf be­­stand, das Haus zu kaufen und ihren­ Anteil nota­­riell festzulegen, bra dhen Mörder die Beziehun­­gen ab. 4 TZ IN 0 ?. Immerhin scheint Ter eine ganze" Reihe "von Opfern gefunden zu haben. In der von ihm bewohn­­ten Villa, deren Besitzerin er gleichfalls ermordet hatte, fand man Briefe von 500 Frauen, außerdem eine ungeheure Menge von weiblichen Garderobe­­stücken aller Art. Der Polizei gelang es auch, eine Liste von einem Dutzend „Bräuten“ des Mörders­­ aufzustellen. Aus verschiedenen Zeugenaussagen konnte festgestellt werden, daß der Mörder sich oft in seinem Auto nach einer in der Nähe befindlichen Schweinemästerei begab. Da man in seiner Woh­­nung einen blutigen Hackblot und ein großes bluti­­ges Beil gefunden hat, steht man vor dem grausigen Verdacht, daß der Mörder die Leichenteile seiner Opfer den Schweinen zum Fraße vorgeworfen hat. Laut eine Radiodepesche aus Algier wurde der Marseiller Frauenmörder Jerome Drat in dem Augenblick verhaftet, als er das Schiff, mit dem er aus Marseille flüchtete, verlassen wollte. Die ersten polizeilichen Nachforschungen führten zur Fe­ststel­­lung, daß Drat ein Deckname ist und der Mörder Pierre Rey heißt.­­ Die Schäßburger Seminaristinnen kommen nicht. Die für morgen, Sonntag abends in Temes­­war erwarteten Absolventinnen des Schäßburger l Lehrerseminars haben heute an die Hauptstelle ein Telegramm gerichtet, in dem sie mitteilen, daß ihr Eintreffen unterbleibt. * Dr. Franz Morath, gewesener mehrjähriger Assistent an den Kliniken München, Tübingen und Paris­, beginnt seine Ordination als Arzt und Frauenspezialist. Ordiniert in 3., Strada Virgil Onitiu (Josikagasse) Nr. 20, von 9 bis 11 Uhr vor­­­­mittags und 3 bis 4 Uhr nachmittags. 1954 Bräute — | Gesichts­­ausschlag Die Cadum Pomade trocknet die Bläschen oder Wimmerl aus; sie verschwinden und die­­ Haut wird gesund so glatt. Dieselbe ist un­­fehlbar gegen jede Reizung oder jede Ent­­­zündung der Haut. Die Cadum Pomade ist un­­­­feh­lbar wirksam gegen Ausschlag, bei schup­­piger Haut, Ausbruch von Geschwüren, Haut­­reizungen, Wunden,­ Brandwunden, Hämor­­rhoiden, Krätze, Krusten, Schorf, Schnitte. Die Flucht von Paulrichard Hensel An jedem Nachmittag fast fuhr Maya Graiit in ihrem elfenbeinfarbigen Cabriolet an den Strand. Wenn sie zu ihrer Badekabine schritt, stockte der Herz­­schlag der Männer. Eine halbe Stunde lang badete sie den prächtigen Körper unter der kalifornischen Sonne, fuhr wieder zurück, lautlos fast, mit einer feinen Staubwolke hundert sehnsüchtige Blicke ver­­schleiernd. Seit wenigen Wochen wohnte­ sie in einem der Woltenkragerhoitels. Niemand wußte, wer sie war. Eine Filmschauspielerin vielleicht oder einer der in­­differenten Kometen, die heute hier und morgen in Deauville oder Alexandrien sind. Niemand auch konnte sich rühmen, es in der Zweisamkeit eines Er­­lebnisses erfahren zu haben. Denn Maya Graiit war schön, kokett und verheißend — abends, wenn in den Hallen der Hotels die am Strand aufgestaute Freude vollere Akkorde schlug — aber das Feuer, das sie entfachte, löschte sie, wenn es zur Flamme werden wollte, mit einem kühlen Lächeln, mit einem spötti­­schen Blik — wie man ein Spielzeug beiseite legt, das man nicht apart genug befunden hat. Ein heim­­licher Kampf war in dem Badeort, ein Argwöhnen und Beneiden von Mann zu Mann, rücksichtsloses Werben — Haß =. Einer nur stand abseits, und darum von Maya Glaviti beachtet. Sie sah Horst Wilde, den blonden Deutschen mit dem ernsten Gesicht, oft in ihrem Ho­­tel. Dann begegneten sie sich am Strand. „Einen schönen Wagen haben Sie“, als sie einstieg. Sie sah ihn mit dunklen Augen an. „Man pflegt für die Dame im Wagen zuerst Komplimente zu haben.“ sagte er einfach. Und ohne auf das Zucker ihrer Mundwin­­kel zu achten, frage er weiter: „Sie lieben den Spott?“ „Nein den Luxus!“ Unwillig ließ den Wagen anfahren. Ein störri­­scher Geselle dachte sie. Und wußte nicht, daß der blonde Fremde ein Herz wie jeder hatte, das verlan­­gen und weh tun konnte . . . Und wieder eine Woche verging in versteckten Spiel und Kampf. An einem Spätnachmittag suchte Horst Wilde zum erstenmale Maya Graiit. An der Promenade sah er ihr Cabriolet — hastig schritt er durch den Sand — irgendwo leuchtete ihr Bademantel — dann stand er dicht vor ihr. „Miß Glavit, Sie haben Besuch bekommen — Sie werden im Hotel erwartet .“ Das schöne Gesicht entfärbte sich jäh. „Wer?“ „Zwei Herren — der eine schwarz, groß — der andere 3...“ Maya ließ ihn nicht weiter sprechen. Hastig und nervös griff sie nach seinem Arm: „Genug — ich muß fort! Wollen Sie mir hel­­fen? Eine Wette -- fragen Sie nicht -- -- Sie kön­­nen fahren, nicht wahr 2“ „Was leistet der Wagen?" . „Io weiß es nicht. Io kenne ihn kaum. Kom­­men sie mit, bitte, -- so schnell wie möglich -- irgend­­wohin — aber schnell .­“ Wilde erwiderte nichts. Schon saßen sie vor­ den erstaunten Bliden der Strandaäfte im Wagen­­paar Biegungen um Straßeneden, dann dehnte Ein sich die weiße Landstraße vor ihnen. NE Maya sah sich von Zeit zu Zeit um. Plötlich preßte sie Wildes Arm. „Schneller — sie kommen schon — oh, der Nach­­richtendienst funktioniert gut =“. Und leiser, gepreß­­ter: „Dankbar will ich Ihnen sein, wenn Sie mir helfen. 2:7 Wildes geschärftes Ohr hörte das Surren eines nachfolgenden Wagens. Sein Sporteifer erwachte, die Freude an dem vorzüglichen Wagen, der in seine Hände gegeben war. Den Bereich der Villen und­­ Gärten hatten sie hinter sich; nun kamen die Berge, steil stieg die Straße an, wand in Kurven an Abhän­­gen vorbei -- eine Brücke bebte -- neues Gefälle ließ den Atem stocken —. Ein Holzwagen schien den Weg zu versperren. Maya schrie auf. Sie glitten vorbei, schwebend fast — dann kamen Häuser, kreischende Frauen — und wieder Berge, Steine, Windungen, Ungemeißheit. Wildes Gesicht war wie aus Stein. E38 war seine eigene Sache geworden, dem unglaublich die Distanz verringernden Wagen hinter ihm zu entkommen — und es war auch eine stille Freude, der schönen Frau helfen zu können, die neben ihm saß — und die ihm Dank verheißen hatte —. Maya Gravit aber kauerte zitternd in dem Pol­­ster. Sie wagte nicht mehr zurückzublicken. Sie hatte vor Angst und Schreiben die Augen zusamengepreßt, um nicht bei jeder neuen Gefahr aufschreien zu müs­­sen. Und allmählich wuchs ein nie gekanntes war­­mes Gefühl in ihr, daß es einen Mann gab, der in dieser tollen Fahrt sein Leben für sie aufs Spiel fegte , ohne zu fragen, ohne zu fordern —. Von der Höhe herab sahen sie die Eisenbahn­­linie, die Rauchwolke des­ Expreßzuges. Wie gierige Arme kamen ihnen die Serpentinen der abfallenden Straße entgegen. Wilde wußte, wenn Zug die Strecke kreuzte, war der andere er vor dem Wagen, zum Aufenthalt an der Schranke gezwungen damit er,

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