Banater Deutsche Zeitung, Oktober 1928 (Jahrgang 10, nr. 221-246)

1928-10-02 / nr. 221

Seite 9 Eine Schlacht zwischen streiken­­den Arbeitern und Gendarmen Paris, 1. Oktober. (Dp.) In Lille kam es gestern zwischen streikenden Arbeitern und Gendarmen wegen eines Versamm­­lungsverbotes zu einem blutigen Zusammenstoß. Bevor die Gendarmen noch von ihren Waffen Gebrauch machen konnten, wurden sie von der erbit­­terten Arbeiterschaft überfallen und in die Flucht ge­­trieben. Zwei Gendarmen und ein Stra­ßenpassant blieben schwer verletzt auf dem Kampfplatz liegen. Eine Gendarmerieabteilung, jung wurden die wollte es, zur Verstär­­ker beieilte, geriet irr­­tümlich in eine andere Gasse und trieb hier die Leute zu Paaren. Das Unglück daß gerade zu dieser Zeit eine Kinovorstellung beendet wurde und die Besucher das Lokal in dichten Reihen verließen. Die­ Gendarmen waren nun in der Annahme, daß sie es mit den Streifenden zu tun hätten und attac­­kierten die unschuldigen Leute in brutalster Weise. Eine Frau und zwei Kinder, die sich nicht schnell genug flüchten konnten, einfach niederge­­hauen und liegen in sterbendem Zustand im Spital. Ganz Lille ist über diesen Vorfall empört fordert die strengste Bestrafung der Schuldigen. Attackierte Kinobesucher der Ordnungsorgane in Lille und Boincare schlägt versöhnliche Töne an Bereitwilligkeit zur Verhandlung über das Repara­­tionsproblem Paris, 1. Oktober. (Dp.) Poincare hat bei der Enthüllung eines Krie­­gerdenkmals eine Rede gehalten, in der er auch auf die Reparation zu sprechen kam. Er erklärte u. a.: — Jede Lösung des Reparationsproblemes ist ungerecht, wenn wir über die Summen hinaus, die wir unseren Gläubigern schulden, nicht auch eine ge­­wisse Deckung und Entschädigung für unsere Kriegs­­verluste erhalten. Wenn die Vorsicht auch ein Festhalten an unse­­ren Pfändern gebietet, beabsichtigen wir doch nicht, „die Verhandlungen mit dem Hintergedanken einem Hinausziehen derselben zu beginnen oder an sie sich zerschlagen zu lassen. Wir werden sie vielmehr je eher anknüpfen und mit größtmöglichster Zuver­­kommenheit und mit Vertrauen fortsetzen. . Eine Statistik der Ernte - Das Regierungsorgan „L'Independance Rou­­maine“ bringt in seiner lezten Nummer folgende Sta­­tistik der Ernte des Jahres 1928 und der exportierba­­ren Getreidemengen. Weizen Produktion: 355.150 Waggons, interner Ver­­brauch: 279.360 Waggons. Davon werden 56.120 Waggons als Samen und 223.240 Waggons zur Er­­nährung verbraucht werden. Weberfluß für den Ex­­port: 75.790 Waggons. ; „Banater “Deutsche Zeitung“ Dienstag, den 2. Oktober 1928 Das Ergebnis des schriftlichen Bakfalam­eats von den 310 Kandidaten haben Zu Nähe der Mädchenanstalt „Carmen Sylva“ und des Lyzeums „Diaconovici Loga“ sieht man sehr viele Burschen und Mädchen, die mit gerö­­teten Wangen und gemischten Gefühlen diesen Insti­­tuten rang des der zur Durchfüh­­eingesetzten Kommissionen ihres Amtes walten und über Schicksale zu entschei­­den berufen sind. Zum ersten Male im Leben stehen die jugendlichen Leute vor einer Entscheidung, die ihnen durchaus es doch dabei um die Lösung der Frage ihrer Zukunft, ja sozusagen um ihr Sein oder Nichtsein. Bei der im Lyzeum „Carmen Sylva“ Amtes waltenden Prüfungskommission sich zur schriftlichen Prüfung insgesamt 178 Kandidaten gemeldet, von welchen 11 nicht erschienen, 2 aber im legten Moment zurückgetreten sind, so daß das Er­­gebnis bloß über 165 Schüler vorliegt. Von diesen entsprachen 111, während 54 durchfielen. Prüfungskommission, die im Lyzeum „Diaconovici Loga“ eingesett ist, meldeten sich insgesamt 145 Kan­­didaten, von welchen 79 die Prüfung bestanden, wäh­­rend 66 zurückgestellt wurden. Die nachstehend angegebenen Zahlen, die auf die im Lyzeum „Carmen Sylva“ vorgenomme­­sich folgender­ HEROIRSOSEOEASGECEEBTOHECIEERCHELIHERATT Lyzeum „Moisi Nicoara“, Arad: 67. Durchgefallen sind 25. Röm.-kath. Lyzeum, Arad: 21 (8), Verschiedene Lyzeen: 6 (3), Piaristengymnasium, Temeswar: 22 (9), Jü­­disches Lyzeum, Temeswar: 8 (1). „Notre Dame“ Mädchenschule, Temeswar 8 (1). Ly­­zeum „Carmen Sylva“, Temeswar: 35 (7). Ergebnis bei der Prüfungskommission im Ly­­zeum „Diaconovici Loga.“ Lyzeum „Diaconovici Loga“, Temetswar: 58. Durchgefallen sind 30, Deutsches Gymna­­sium, Temeswar: 45 (15). Orawitzaer Lyzeum: 22 (11). Arader Lyzeum: 20 (10). Gestern wurde vor beiden Kommissionen auch mit dem mündlichen Bakkaulaureat begonnen. Vor der im Lyzeum „Carmen Sylva“ amtierenden Kom­­mission waren 16 Kandidaten erschienen, von wel­­­en 12 entsprachen. Die im Lyzeum „Diaconovici Loga“ eingesetzte Kommission befand von 21 Kandi­­daten 11 als gut, während 10 von ihnen zurückgestellt wurden. Die mündlichen Prüfungen werden wahrschein­­lich erst am Freitag abgeschlossen. 28 BGGLGSCHTSESTOEGRGEESSGBGESDGAEGESSASESSEGOGS während 120 zustreben, wo gegenwärtig Bakkalaureats neu Prüfungen beziehen, die verteilen haben sich 190 die Prüfung zurückgestellt wurden nicht gleichgültig sein kann, geht ihres Bei­der­maßen: bestanden, Gerste Produktion: 164.658 Waggons, interner Ver­­brauch: 96.630 Waggons. Davon 28.000 Waggons für Samen und 68.030 Waggons für Ernährung und Industriezwekke. Ueberfluß für den Export: 68.020 Waggons. Roggen . Produktion: 30.050 Waggons, interner Ver­­brauch: 20.950 Waggons. Davon 4729 Waggons für Samen und 16.230 Waggons für den Konsum. Ueber­­fluß für den Export: 9100 Waggons. Hafer Produktion: 93.272< Waggons, interner Ver­­brauch: 78.570 Waggons. Davon 15.420 Waggons für Samen und 63.150 Waggons für Futterzwecke. Ueberfluß für den Export: 14.700 Waggons. Zusammen werden 168.210 Waggons exportiert. Mais Ras die Maisproduktion anbetrifft, ist die dies­­jährige Ernte wegen Regenmangels in den leßten zwei Monaten, schlechter als die der vorhergegange­­nen Jahre. Im Hoclande Siebenbürgens, in der Bukowina, in Nordbessarab­ien, im Norden der Moldau und in den Karphathengegenden ist die Ernte gut. In Oltenien, im Süden Bessarabiens und in den Bezirken Tulcea, Argeș, Jalomißa, Buzeu, R. Sarat, Tutova und Maramureș ist die Mais­ernte , schlecht. In allen anderen Gegenden des Landes va­­­riiert die Ernte nach der Menge des gefallenen Re­­­gens. Auf jeden Fall ist die diesjährige Malzernte­ nicht um vieles schlechter als die vorjährige.­­ Porzellan Elsaß­ und Ergänzungsstücke für sämtliche Rosenthal-P­or­­­­zellangeschirre liefern wir großenteils ab Lager, oder bei­­ Bestellungen in kürzester Zeit zu mäßigen Preisen. 33 S. A. R. peniru Porcelanum­ ROSENTHAL 1784 . Lloydzeils 3. 087: Jose Fernandez Die Geschichte eines Austwanderers Einer wahren Begebenheit nacherzählt von Harris Brackett Der „Canovas de Castillo“ stampfte aus dem Hafen von Gijon in die aufgewühlte Biskaya hinaus. Auf dem niederen Zwischendeg stand ein junger Mann im braunen Manchesteranzug der Nordleone­­ser Landarbeiter und sah zu den Spitzen des Canta­­brischen Gebirges hinüber, die aus den niederen Wöl­­fen in den Himmel ragten. Das Elend daheim in der Hütte am Fuß des­­ Übina trieb Jose Fernandez in die Fremde hinaus, nach Argentinien, dem alten Silberland, von dessen sagenhaftem Reichtum die Leute im armen Leon noch heute sprachen. Deshalb hoffte Fernandez jenseits des Ozeans Das bescheidene materielle Glü> zu fin­­den, das ihm die Heimat nicht geben konnte; er hoffte, in Südamerika genügend zu verdienen, um seiner Mutter, der Witwe eines armen Landarbeiters, einen sorgenfreien Lebensabend zu bieten.­­­ Auf einer spanischen Farm im Norden des Lan­­des, im Gebiet des Rio Vermejo, fand Fernandez Arbeit. Betriffener Fleiß und seltene Anstelligkeit erwarben ihm bald das Vertrauen seines Dienstherrn, verschafften ihm die Stellung des Vorarbeiters. Er gab keinen Centavo unnötig aus und legte Peso um Beso zurück, bis er nach drei Jahren ein kleines Ver­­mögen erspart hatte. Da kam der Krieg und mit ihm die gesteigerte Nachfrage nach Erzeugnissen der argentinischen Landwirtschaft. Fernandez gab seine Stellung auf, kaufte sich Regierungsland für ein Spottgeld, ließ sich moderne Geräte kommen, und bei der übernächsten Ernte flapperten seine Mähmaschinen auf einem Quadratkilometer eigener Weizenfelder. Das Glück blieb ihm hold. Sechs Jahre nachdem der bettelarme Leoneser die Heimat verlassen hatte, war er zu einem der reichsten Grundbesiter Nord­­argentiniens geworden. Da gönnte er sich einige Wochen Ruhe und fuhr in den Süden des Landes, ein Mädchen zu suchen, das seinen Reichtum nicht kannte und ihn nur um seiner willen lieben sollte. Auf einer Castancia bei Santa Fe fand er die gesuchte Lebensgefährtin, ein armes fastilisches Bauernmädchen, ausgewandert gleich ihm. Er warb als einfacher Arbeiter um sie, und erst beim Einzug in die Hacienda Fernandez, ihre neue Heimat, erfuhr Inez, daß sie die Frau eines reichen Haciendero geworden war. Ueber seinem neuen Glück vergaß Fernandez die Heimat nicht. Er kehrte auf Wochen nach­ Spanien zurück, trat mit dem ganzen Stolz des Reichen im­­ ar­­men Dorf am Fuß der Cantabrischen Berge auf, be­­schenkte die Armen, seine Schicksalsgenossen von einst, und kaufte seiner Mutter das Gut des verarmten Hi­­dalg­o, bei dem sie noch kurze Zeit vorher ihr mageres Brot verdient hatte. Das Dorf klang wider vom Lob des reichen Jose Fernandez. Der Friede kam, und nun sank der Bedarf Euro­­pas am argentinischem­ Weizen. Als vorsorglicher Mann glaubte Fernandez, sich andere Verdienstquel­­len erschließen zu müssen, und legte sein flüssiges Vermögen in der argentinischen Industrie an. Das Glück schien ihm weiter günstig zu sein; seine Beteili­­gungen erbrachten ihm Verdienste. Da brach­ das Unglück über Fernandez herein. Eine Geburt kostete Inez nach siebenjähriger Ehe das Leben; das Kind starb wenige Tage später. Am To­­tenbett seiner Frau erreichte Fernandez die Nachricht vom plönlichen Zusammenbruch des Industrieunter­­nehmens, an dem er sich mit einem großen Teile sei­­nes Vermögens beteiligt hatte. Er begrub seine Frau, das Kind an der Seite der Mutter zu bestatten, und­­ deckte das kaum zugeworfene Grab wieder auf, un­d erfuhr den Zusammenbruch des zweiten industriel­­len Unternehmens, dessen stiller Teilhaber er gewor­­den war. Sein flüssiges Vermögen war verloren! Auch die Weizenpreise fielen kurz vor der Ernte, und das Korn vor Hacienda fand keine Abnehmer. Zwei Jahre spä­­ter war Fernandez wieder ein armer Mann, sein Gut ging in andere Hände über. Er versuchte, irgend­eine Stellung zu erhalten, als Inspektor, als Vorarbeiter, als Taglöhner, einerlei, niemand konnte oder wollte ihm Arbeit bieten. Da erinnerte er sich seiner Mutter, der er nichts von seinem Unglück geschrieben hatte. Ihr Gut, das sie seinem Geld verdankte, mußte ihm eine Zuflucht bieten. Die lebten zwanzig Pesos, die ihm geblieben waren, drückte er in Buenos Aires einem spanischen Schiffsmaschinisten in die Hand, um die Ueberfahrt nach Gijon als Heizer machen zu dürfen. Ohne einen Centavo in der Tasche, zerlumpt und zerrissen betrat Fernandez das Land, das er wenige Jahre vorher als reicher Mann besucht hatte. Zu Fuß machte er sich auf den Weg über das Cantabrische Ge­­birge in­ sein Heimatdorf am Südhang des Ubina. An einem Augustabend sah er die ärmlichen Häuser und das Gut der Mutter im Tal vor sich liegen. Und plötzlich, hier am Ende seiner langen Fahrt, überfiel ihn eine unüberwindbare, tiefe Beschämung. Er wollte im mütterlichen Haus Ruhe und Zuflucht suchen und konnte doch nicht einen Schritt ins Dorf hinunter tun, weil er sich schämte, als zerrissener Strolc­h in die Heimat zu kommen, als Bettler die Mutter um Aufnahme zu bitten. Die Nacht fiel herein, und noch stand Fernandez am Waldsaum über dem Tal. Der Hunger bohrte ihm in den Eingeweiden, denn in Gijon hatte er den feß­­ten Bissen Brot gegessen. Da schlich er im Dunkeln in das Dorf und auf den Hof seiner Mutter, nicht, um zurückzukehren, sondern um zu stehlen, um sich Le- |

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