Banater Deutsche Zeitung, August 1929 (Jahrgang 11, nr. 171-196)

1929-08-01 / nr. 171

_ Eeite 2. Banater Deutsche Zeitung Donnerstag, 1. August 1929 lichung des Kommunismus in Rußland entgegenste­­hen, ebenso die jahrelangen Versprechungen in bezug auf die Weltrevolution, und die wachsende Unlust der Arbeiterschaft in anderen Ländern, den kommu­­­nistischen Losungen zu folgen, die zu keinen sichtba­­ren Erfolgen führen, wenn schwüle Paris, 31. Juli. „Mut Sicherung der Ordnung in Paris am 1. August ist neben den 22.000 Polizisten auch eine Kavalle­­riedivision mobilisiert worden, um die Garni­­son von Paris zu verstärken. Die Kommunisten haben für die großen Demonstra­­tionen am 1. August ihre Taktik geändert. Die Erd­­arbeiter der Pariser Untergrundbahn, 9000 an der Zahl, die bisher im Streik waren, sind heute wieder zur Arbeit zurückgekehrt. Sie sollen Befehl erhalten haben, am 1. August auf ein bestimmtes Zeichen hin, die Arbeitsstellen wieder zu verlassen und der Poli­­zei eventuell mit ihren Werkzeugen als Waffen entge­­genzutreten. Eine Aktion der Moskauer Exekutive in der Schweiz Zürich, 31. Juli. Schon vor zwei Monaten hat Moskau dem Füh­­rer der Schweizer kommunistischen Partei ein Miß­­trauensvotum ausgesprochen und den revolutionären Kurs der Schweiz neu vorgeschrieben. Parteipräsident Wieser Kanzlung erfahren, hat in öffentliche Ab­­Ein besonderer Delegierter, ein Turkestaner, ist eigens für diese Prozedur aus Ruß­­­land gekommen. Um die Schweizer Partei vorwärts zu bringen, soll in Berlin eine Zentrale besonders für Die Schweiz geschaffen worden sein, deren Leiter, ein gewisser Dombrowski, demnächst in die Schweiz reisen wird, um dort zum Rechten zu sehen. Verhaftung von Kommunisten in Riga und Libau Atmosphäre verdeutlicht, die sich unter dieser Verhältnisse im Kreml entwicklt hat, dem Druck so kann­ man nicht länger daran zweifeln, daß der Bolsche­­wismus in eine Krise hineingeraten ist, aus der er einen gewaltsamen Ausweg sucht. Propaganda diente. Im Biologischen Institut der Universität entdeckte man eine geheime kommu­­nistische Druckerei, in der Flugschriften ge­­druckt wurden. Kommunistenverhaftungen in Bulgarien . Da Groß­polizeischen Verbotes Sofia, 31. Juli, von kommunisti­­schen Kreisen Vorbereitungen zu Demonstrationen am 1. August festgestellt wurden, hat die Polizei im Laufe des gestrigen Tages zahlreiche Hausdurchsu­­cungen vorgenommen und 33 Personen verhaftet. Geplante Straßendemonstrationen in Wien Wien, 31. Juli. Kommunistische Führer haben unumwunden­er­ Märt, auch dann unter allen Umständen demonstrie­­ren zu wollen, wenn der Landeshauptmann das poli­­zeiliche Verbot mit Rücksicht auf die öffentliche Ruhe und Sicherheit bestätigt. Sofern diese Bestätigung er­­t wird die Polizei umfassende Vorkehrungen reifen. „Viitorul“ warnt vor Ereignissen wie in Temeswar Bukarest, 31. Juli.­­ „Viitorul“ nimmt von der Erklärung des Re­­gierungsblattes „Dreptatea“, daß niemandem am 1. August Agitationen gestattet sein werden, Kenntnis und erwartet von der Regierung Maßnahmen, die verhindern sollen, daß im August Ereignisse, wie in Temeswar schon, sich wiederholen. &o gelte dies im Besonderen für Bessarabien, man sich die Die kommunistischen Pläne für den 1. August Umfassende Sicherheitsvorkehrungen in allen Ländern eine der Partei Riga, 31. Juli. Die Polizei hat eine Reihe von Hausdurchsu­­chungen bei Kommunisten vorgenommen und zahl­­reiche Dokumente sowie Aufrufe der kommunistischen Internationale zu Kundgebungen am 1. August be­­schlagnahmt. Siebzehn Personen wurden verhaftet. Auch in Libau wurden zehn Kommunisten festgenom­­men. Beschlagnahme eines Flugzeuges für kommunistische Propaganda in Agram Belgrad, 31. Juli. In Agram wurde im Hofe einer Fabrik ein Flugzeug beschlagnahmt, das der kommunistischen in Abwehr gegen die kommunistischen Agitationen Prag Prag, 31. Juli. Die Behörden haben in Prag über tausend Mann Gendarmen zusammengezogen, um für alle Eventualitäten der kommunistischen Demonstrationen am 1. August gerüstet zu sein. Bisher sind 28 Zeitun­­gen u Zeitschriften der Kommunisten eingestellt worden. Pkk6kbBbBÖÖBeBb6]HBL4]Z,,;oe[qqg],ÄFRR,ÄÄ„ÄÖÖÄÄWzz=EBBBOQÖWeEHBbwwwweweZewaETwern TTT in Ägypten wird selbständig London, 31. Juli. (Dp.) Der englische Staatssekretär im Kriegsdeparte­­ment, Shaw, erklärte gestern den Vertretern der Presse gegenüber, die englische Regierung sei entschlossen, die ge­­rechten Forderungen Aegyptens di­e Unabhängigkeit anzuerkennen, auf vollstän­­u­ter der Bedingung, daß Das gute Verhältnis zu England auch weiterhin bestehen bleibe und die Ver­­bindung Englands mit den östlichen Kolonien keine Hemmung erleide. Die Temeswar-Tsc­hanader Staatsstraße wird hergestellt Der Kriegsminister verharrt beim alten System der Pferdeassentierungen­­ Antworten auf die Interpellationen des Abgeordneten Dr. Reitter Bukarest, 31. Juli. (Ed.) Das Ministerium für öffentliche Arbeiten ver­­ständigte Abgeordneten Dr. Reitter unter Zahl 40.201/1929, , daß die Wiederherstellungsarbeiten an der Staatsstraße Temeswar— Tihanad in das Arbeitsprogramm des nächsten Jahres aufge­­nommen wurden und daß der dazu notwendige Kredit im Kostenvor­­anschlage des künftigen Jahres vorgesehen wird. Nicht so günstig lautet die Antwort des Kriegs­­ministers8 auf die Interpellation des Abgeordneten Dr. Reitter vom 23. März. Der Vorschlag, die zu von Manövern benötigten Pferde durc die Armee auflaufen und nach Beendigung eine Investition und außerdem Futter, bzw. Spesen der Kaufs­- und Verkaufskommissionen. Der Kriegsminister sieht den Schaden der Landwirte nicht als so groß an. Die Pferde werden in­ der Zeit zwischen dem 1. und 20. Oktober einberufen und zwar von 1.180.721 assentier­­ten Tieren nur 9886, also weniger als 1 Prozent, genommen wird, sondern darin, nommen werden.­­ Für diese Pferde wurden über 10,5 Millionen Lei als Miete ausgezahlt, eine jedenfalls nennens­­werte Summe. Der Minister bleibt also beim alten System der Pferdebeschaffung. Dr. Reitter wird die Sache weiter verfolgen. Denn das größte Unrecht besteht nicht da­­rin, daß eine gewisse Zahl von Pferden daß dies aus wenigen Gemeinden geschieht, so daß in diesen Gemeinden nicht ein, sondern­­ über 10 Prozent der tauglichen Pferde wegge­­verlaufen zu lassen, würde von zirka 1506 Millionen Lei­kosten­­ in Anspruch j Der Vater Skizze von Wenzel Leyer Ferdinand Singer war Kontorist in einer Fahr­­radfabrik. Er wohnte­ mit seiner Frau und der ein­­zigen Tochter Jette in einem schmucken Hause der Neubaukolonie am Ende der Stadt. Im Sommer hatte er eine Stunde zu gehen, winters mußte er noch in Nachtdunkel zur Haltestelle der Elektrischen. Um nicht durch Zufall einmal zu spät in die Kanz­­lei zu kommen, erschien er wochenlang vorzeitig an seiner Arbeitsstätte, was auf Kosten seiner Ruhe­­zeit ging. Eine Entschuldigung hätte man ihm nicht gelten lassen. Er tat für seine Familie fast mehr, als er konnte, verzichtete auf vieles, was Männer zu er­­heitern pflegt. Er war klein, schwach, verschüchtert und sah kränklich aus. Seine Kleider schlotterten an seinem Körper. Seine Frau, stattlich und sauber, stach zu ihrem Vorteil von ihm ab. Jette hatte mit Töch­­tern guter Familien ein Lyzeum besucht. Sie war ein elegantes, bildschönes Mädel, rank und blond. Man wunderte sich oft, wie der unscheinbare Herr Singer zu solch einem Kinde kam. Frau und Tochter lehnten seine Güte nach Möglichkeit, Liebe, Ord­­nung, Sauberkeit, rücsichtsvolles Betreuen umgaä­­ben ihn zu Hause.­­­­ seiner empfindsamen, kindlichen Seele. Er war ein Er ertrug in seinem Berufe ein jämmerliches Le­­ben. Von seinem Chef wurde er wegen seines schwächlichen Körpers nur als mittelmäßige Kraft angesehen. Er arbeitete, duldete und schwieg. Er mußte aushalten, des täglichen Brotes, der Leinen wegen. Bösartige, Kollegen, freche Kanzleidiener, vorlaute Lehrlinge, sc­hnippische Tippfräulein quäl­­ten und­ verlachten ihn. Er besaß nicht das geringste Ansehen, da er bei all den Ränken und BohSheiten mit keinem Rückhalt von oben rechnen konnte und sich nicht zu wehren imstande war. Bald fühlte er sich nur als geduldete, lächerliche Spottgestalt. Immer wie­­der war er friedlich und gefällig. Seine Bereitwillig­­keit wurde schonung 1198 aus­genübt. Die Seinen ahnten die Größe seines Opfers nicht. Die Last seines demütigenden Leides mußte er während des Rückwe­­ges von sich schütteln, um mit freundlichem Gesicht in sein stilles Daheim zu kommen. Dies alles trug er viele Jahre auf seinen schwachen Schultern und in Held im zermürbenden Daseinstampf. Heute hatte er seinen achtundvierzigsten Ge­­burtstag. Ihm zu Ehren war schon gestern großes Reinemachen. Am Tisch, den eine feierliche rote Plüschvecke schmücke, stand ein großer Strauß. Jette wollte den Vater erfreuen und ihn aus der Fabrik, Die sie seit Jahren nicht mehr gesehen, abholen. Sie hatte auch Hans Velder, den jungen Maschineninge­­nieur, das erste Mal eingeladen. So war wenigstens alles auf einmal abgetan. Der Mutter hatte sie die Erlaubnis dazu abgeschmeichelt, den Vater wollte sie überraschen. Troß aller Bescheidenheit kannte sie den Wert und die Macht ihrer unberührten Schönheit. Deshalb stand sie dem Werben des stattlichen Veldes anfangs fühl gegenüber, weder durch Lebensweise noc“Worte hatte er merken lassen, daß er der Sohn eines großen Stahlwerkbesiters war. Durch Zufall hatte sie davon erfah­ren, ihr Verhalten jedoch nicht geändert. Werden wich nicht. Ihre strahlenden, grau­­blauen Augen hatten es dem Manne angetan. Jette stand vor dem rohen Ziegelbau, in dem die Büroräume untergebracht waren. Ohne zu ahnen, welche Rolle ihr Vater hier spielte, fragte­ sie den Por­­tier nach der Kanzlei des Herrn Singer: „Der kleine Singer? Wird halt wieder Ueber­­stunden schinden müssen. Zweiter Stück, Tür Num­­mer 9.“ Im ersten Sto> erkundigte sich­ ein Diener, wohin sie gehe. Als sie nach Herrn Singer fragte, antwortete der Mann in einem unverschämt ver­­trauten Ton, Tür Nummer 9: Sie klopfte. Ein Lehrling öff­­nete von innen. — „Kann ich Herrn Singer spre­­chen .“ ABN . Jette schob den Jungen beiseite und trat ein. Zwei Tippfräulein und ein Kontorjüngling von bil­­liger Eleganz standen horchend an einer Tür, die in einen zweiten Raum führte. „Sie verdienen nicht den geringsten Taglohn!“ schrie jemand mit scheidender Stimme drinnen. Ein robuster, junger Mann in einem gut geschnittenen Anzug, mit zornrotem, gewöhnlichem Gesicht, riß die Tür auf. Einen Augenblick sah Jette den Vater, zu­­sammengefunden unter den harten Worten. Der Herr warf den Flügel krachend hinter sich ins Schloß und kam höflich auf Jette zu. „Die Dame wünscht?“ und„ habe mich in der Tür geirrt, verzeihen Sie“, sagte sie und eilte davon. Die Ausflucht gelang, die Horcher hatten sich verzogen. “.­­ „Fräuleinchen, was wollten Sie eigentlich von­­ Singer?” knarrte ihr die häßliche Stimme des Diden Portiers nach. Der Vater durfte um alles in der Welt nichts ahnen, auch die Mutter nichts erfahren. Jette­ nahm ein Auto, um noch rechtzeitig nach Hause zu kommen. Vor einen Blumenladen ließ sie halten und kaufte einen größeren, schöneren Strauß. Ihr schauderte noch immer. Sie hatte zum ersten Mal dem Leben ganz nahe ins grausame Antliß ge­­blickt, davor der Vater sie mit seinem abgearbeiteten Leibe­ gedeckt. Noch immer erregt, durch die­ lechten Stunden gereift und abgeklärt, empfing sie den Gast. Ha4x3 warb wieder, er bat... , vH „Sei auf zu meinem Vater, ich liebe ihn über 0 BEEIN „Fette?“­­. Da bot sie ihm zum erstenmal ihre vom warmen, gesunden Blut durchströmten Lippen.“­­­­ Dort kam der Vater. Sie ging ihm bis zur Gar­­tentür entgegen, reichte ihm den Strauß, küßte seine blaugeäderten, zittrigen Hände. Chrerbietig näherte sich Hand. Sie lachte ihm zu und nickte. Da bat er Herrn Singer, kaum vorgestellt, um die Hand seines Kindes. Der Vatter sah Jette lächeln — er sagte ja. Voll Stolz betrachtete er seinen hochgef­achsenen, vornehmen Schwiegersohn, der zu seiner schönen Tochter so gut paßte. Die Mutter wußte sich vor Rührseligkeit und Hausfrauensorgen keinen Rat. Der lezte­ Sonnen­­strahl schimmerte in des Vaters schütterem, erblei­­bendem Haar. „Erlösung!“ dachte Jette. .Das Leben nahm seinen Weg. Ferdinand Singer fand in einem Stahlwerk seines Schwiegersohnes ruhige Betätigung. Zwei Entelfinder sahen die El­­tern noch heran­wachsen. Als­ die Mutter gestorben war, erhielt Herr Singer in dem großen Hause­ seiner Kinder liebevolle Ruhe und Pflege. Noch nach Jahren sah Jette den toten Vater im­­ Geiste nur in der zusammengesunkenen, gedemütig­­ten Gestalt, wie sie ihn einst nur einen Augenblick durch die Tür beobachtet. zT Ku Y

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