Banater Deutsche Zeitung, Juni 1933 (Jahrgang 15, nr. 122-143)

1933-06-01 / nr. 122

Ungarn, das "verzweifelt zusieht, wie seine Kinder entdeutscht werden, wie sie ohne deutschen Unterricht, ohne deutsches Gebet aufwachsen. Diese Beschwerden waren, so reicht das „Deli Hirlap“, Dr. Bleyer schon vor Jahren bekannt, warum hat er so lange geschwiegen und jeht plötzlich die Tribüne des Parlaments betreten? Ja, diese Beschwerden sind jahrealt und sind im Laufe der Jahre immer größer und bitterer ge­­worden. Umsonst waren die Mahnungen der deutschen Führer, man glaubte in Budapest, ein in seinem Innersten Leidendes Volk mit schönen Worten abspeisen zu können. Unzähligemal hat der frühere Ministerpräsident Ungarns Graf Bethlen, Prof. Dr. Bleyer angefleht, den Beschwerden seines Volkes nicht vor dem Par­­lament Ausdruck zu geben, es werde alles zu ihrer Behebung geschehen.­­­ Nichts ist geschehen! Umsonst waren die vielen Vorstellun­­gen, umsonst die unendliche Reihe von Denkschriften! Sie versanken in der Gruft der stäubigen Akten­­schränke und mit ihnen glaubte man auch das deutsche Herz von 500.000 Menschen in Ungarn begraben zu haben. In der gestrigen Situng des Budapester Par­­laments wurde von einem hervorragenden ma­gyari­­schen Publizisten, der für eine aufrichtige Lösung der deutschen Minderheitenfrage in Ungarn eintritt, festgestellt, daß eine ausführliche Denkschrift über Minderheitsbeschwerden in 1928, also vor fünf Jah­­ren der Regierung vorgelegt wurde. Diesen unbe­­quemen und der großen „Enthüllung“ von dem plöglichen Auftreten Bleyers im Parlament wider­­sprechenden Satz unterschlägt das „Deli Hirlap“ aus ihrem Bericht (s. Seite 4) und fälscht dafür einen anderen Saß hinein, der lautet: „In dieser Hinsicht können die ungarländischen Minderheiten gar keine Beschwerde führen, denn sie sind mit den Magyaren gleichberechtigt.“ Sie sind gleichberechtigt — ihre Kinder werden nämlich ebenso magyarisch, unterrichtet, wie die Kinder der magyarischen Eltern. In ebenso­­vielen Wochenstunden und mit derselben Gründ­­lichkeit. Die wirkliche Gleichberechtigung einer nationalen Minderheit sieht aber ganz anders aus. Die Herren in Budapest müßten die Führer der magyarischen Minderheiten einmal im Ausland zu einer Aussprache darüber einla­­den. Da könnten sie viel lernen. Der heldenmütige und opfervolle Kampf des Deutschtums in Ungarn und seiner Führer hat nichts mit einem Komplott zu tun. Mit solchen Anschuldi­­gungen kann­ man heute niemanden mehr mundtot machen. Die Beschwerden des ungarländischen .. Bemer Deutsche Zeitung DomieiSläg, T. ai 1933 Nach der schändlichen, Budapest, 31. Mai (Dp) in aller Welt entrüsteten Widerhall erregenden Hetze gegen Dr. Jakob Bleyer im ungarischen Parlament, scheint man nun in Budapest auch etwas zur Besinnung gelangt zu sein. Darauf lassen wenigstens zwei Ansprachen im Abgeordnetenhaus schließen, die gestern bei der Verhandlun­g des Kultusbudgets erfolgten und in denen eine ernste Mahnung an die Regierung und sonstigen verantwortlichen Stellen enthalten sind. Tibor Ew­ar­dt trat zunächst dafür ein, daß in den ungarischen Mittel- und Hochschulen die Spra­­cen der Nachbarstaaten unterrichtet werden mögen. Nur wenn die ungarischen Staatsbürger sich diese in je breiterem Ausmaße aneignen, könne Ungarn sich seine Stellung im Donauboden erhalten und ein ge­­genseitiges Verständnis anbahnen. Daraufhin ergriff der Abg. Milotay das Wort und erklärte: „ Wir müssen eine solce Nationalitätenpolitik befolgen, die den Interessen unserer abgetrennten 35 Millionen Volks­genossen in den Nachfolgestaa­­ten dient und entspricht. Das Minderheitsproblem im neuen Ungarn muß so gelöst werden, daß die In­­teressen des Staates ebenfalls gewahrt bleiben. So muß aber betonen, daß die nationalen Minderheiten im Jahre 1928 der Regierung ein Memorandum, in dem alle ihre Forderungen enthalten waren, über­­reichten, welches in keiner Hinsicht mit der ungari­­schen Staatsidee im Widerspruch steht. Wir mügen jedenfalls auch trachten, Verbindungen mit unseren Nachbarn zu suchen. Stimmen der Vernunft im ungarischen Parlament die Lösung des Minderheitenproblems muß den Interessen des Landes und der magyarischen Minderheiten entsprechen und Memorandum von 1928 Deutschtums werden verstummen, wenn ihm die Rechte a­ngeräumt werden, auf die er als Minder­­heitsvolt auf Grund einer großen sittlichen dee Anspruch erhebt: deutsche Kindergärten, deutsche Rolle und Mittelschulen und das deutsce Vaterunser vor dem An­­gesicht des Herrn! : Einfuhr nach dem Kompensa­­tionssystem Bukarest, 31. Mai Die Wirtschaftskommission der Regierung hielt gestern nachmittags eine Sitzung ab und wandelte sich dann zum Ministerrat­ um. Der Ministerrat ver­­handelte all jene Fragen, die in der Sitzung der „Wirtschaftskommiss­ion vorgebracht wu­r­­den, nochmals. Ueber den Ministerrat wurde ein Kommunique herausgegeben, in welchem mitgeteilt wird, daß der Ministerrat auf Grund des Berichtes der Wirtschaftskommission all jene Beschränkungs­­maßnahmen, die von verschiedenen Staaten erbracht wurden und dem rumänischen Export Schwierigkei­­ten bereiten, behandelte. Es wurde beschlossen, die­ Einfuhr auf Grund des Kompensationssystems abzu­­wickeln und alles daran sein, um die Ausfuhr des Landes zu heben. Von der dem landwirtschaftlichen Kreditinstitut gewährten Anleihen werden dem Ader­­bauministerium zur Vollziehung verschiedener land­­wirtschaftlicher Maßnahmen, zur Unterstützung landwirtschaftlicher Institutionen und für andere landwirtschaftliche Bedürfnisse größere Summen zur Verfügung gestellt. Der Ministerrat beschloß noch, die öffentlichen Lagerhäuser vollkommen in Ordnung zu bringen, außerdem Lagerkredite flüssig zu machen, damit die Landwirte für die neue Ernte Vorschüsse­ bekommen können. Im Ministerrat erstattete Han­­delsminister Lugojeanu über den Stand der rumä­­nisch-italienischen Wirtschaftsverhandlungen Bericht. Das Kind Von Florian Seidl “E35 war, als unser bayerisches Korps in den Ta­­gen nach der Marneschlacht nach dem rechten Flügel geworfen wurde, um regimenter-, ja bataillons- und­­ kompagnieweise, wie wir eben eintrafen, ins Gefecht zu treten. Damals kamen wir durch ein Dorf. Wie es heißt, weiß ich nicht mehr; aber es war an dem Tag, an dem wir auf den Feind stießen und an dem wir am Abend gegen Lihon3 anstürmten, wobei der größte Teil der­ Kompagnie auf dem Felde blieb. Wir waren seit Wochen nicht aus den Kleidern gekommen und hat­­ten daher ein ziemlich verwildertes Aussehen; dazu kam jene landsknechtartige Berauschtheit der ersten Kriegsmonate,die so wenig sie auch unser Wesen selbst veränderte, und dennoch ein gewaltsames, rauhes Auftreten lieh. Wir hatten da einen Unteroffizier, Benedikt Brandl hieß er,der war der Tollste von uns, jung,un­­bändig, aufsässig auch gegen Vorgesechte,­ trotzdem Wohlgelitten, denn kein Gang war ihm zu gefährlich, kein Wagnis zu groß. Weil er jede Patrouille aus­nahm, kam es, daß zum Schluß gar nicht mehr nach Freiwilligen Meldungen gefragt wurde, daß es ein­­fach hieß: „Gruppe Brendl!*, und dann hatten wir Loszuziehen. Während der paar Tage, die wir in „Metz in Quartier lagen, hatte er sich eine Art Bart­­flechte zugezogen, doch hinderte ihn dies nicht, mit­­zuziehen, der Stabsarzt pinselte ihn mit Joc em, damit war die Sache abgetan. Es gab ihm aber ein noch verwildertes Aussehen. „Dir möchte ich begegnen“, sagten„ wir “scherzweise zu ihm u­nd wicht er Lachte mit und es war ihm so recht. Nun kamen wir also als Patrouille in das Dorf. Wir hatten zu erkunden, ob es bereits vom Feind besetzt sei oder ob das Regiment nachrücken könne. Das hatte rasch zu geschehen. Wir teilten uns,­­zu zwei und zwei stürmten wir in die Höfe, die Sei­ Fengewehre aufgepflanzt, jederzeit darauf gefaßt, daß aus den Fenstern und von den Dächern herab das Feuer auf uns eröffnet würde, wie es oft genug vorgekommen war. Wir drangen in die Häuser, rissen die Türen auf, blickten rasch in die leeren Stu­­ben und eilten wieder ins Freie, über die Höfe in die Ställe, durch sie hindurch und in den Bauernhof und so suchten wir das­ Dorf ab. nächsten Wir fanden in einer verlassenen Stube ein Kind in einer Wiege. Die Leute mochten es bei ihrer Flucht,­­als sie nun auf das Dorf zukommen h­astigen vergessen haben. „Ein Kind!“ staunte Brendl sähen, und trat auf die Wiege zu. Als das Kind den wilden, bärtigen Mann sah, fing es zu weinen an. Nun legte Brendl das Gewehr auf den Boden und be­­gann die Wiege zu schaukeln. Plötzlich stürzte die Mutter herein. Sie war vielleicht auf dem Feld ge­­wesen und darum mochte das Kind vergessen wor­­den sein. Nun wollte sie es dem wilden Mann ent­­reißen. Und plößlich waren Männer da und Frauen — weiß Gott, wo sie auf einmal alle herkamen und wo sie gesteht hätten! Die ganze Stube war voll, und ein­ Geschrei war! Aber dann sahen sie, daß die­­ser Mann ihnen zulachte, zu dem Kind niedergekniet war, Späße machte und es zum Lachen wollte. Da konterte sich die Mutter neben ihn bringen und neigte ihren Kopf gleich Brendl über die Wiege und ein scheues Lächeln war in ihrem Gesicht. Brendl sagte etwas zu ihr. Sie verstand ihn nicht und sagte, etwas auf Französisch,. Das nun verstand Brendl nicht. Doch das war gar nicht nötig. Sie wußten gut, was sie einander sagen wollten, wie sie da auf dem Boden knieten und die Köpfe neben­­einander über das Kind gebeugt hielten. Ganz glücklich war Brendl und wieder jung mit seinen zwanzig Jahren, wieder ein anderer „Brend­l!" rief ich von der Tür her mahnend, Mensch. Er nickte mir nur zu und blieb kauern. Doch dann sauste die erste Granate über das Dorf weg, hob in der Luft. Da nahm er das Kind das nun nicht mehr­ weinte, hoch, legte er der Mutter in den Arm, hob über Obstsäfte und Obstkuren zu Mun hat­ das Gewehr vom Boden auf und Wir stürzten zum Haus hinaus und liefen zum jenseitigen Dorfrand. Und als wir den Hang hinabrannten, pfiffen die­se Gewehrkugeln der Franzosen um unsere­öpfe. „Wenn ich heim komme“, sagte Brendl, „heirate ich die Annie. Wir haben uns am Tag vor dem Auf­­marsch verlobt!“ Das war am Vormittag. Am Abend machten wir dann den Sturm auf Lihon 3, und da fiel er. Das Gedächtnis Schlageters, dem Hanns Johst, der ständige Mitarbeiter von Belhagen . Klasings Monatsheften, das zurzeit über alle deutschen Bühnen gehende Drama ge­widmet hat, erneuert in einer padenden Skizze Hans Hen­ning Freiherr Grote in dem soeben erschienenen Heft der Zeitschrift (Juni). Ihnen voran geht der erste Teil des großen neuen Romans von Walter von Molo „Holun­­der in Polen“, ein Werk, das das unveräußerliche deutsche Recht auf dass unter polnischer Gewaltherrschaft hinsterbende , deutsche Land menschlich wie politisch gleich zwingend Gestalt werden läßt. Eine Novelle „Hab im Föhn“ von Winden führt uns in die Berge, eine andre „Die Vogelinsel“ von Schaper, an die See; sie ist mit vielen höchst wirkungsvol­­len farbigen Bildern K. E. Oo 3zewskis­ geschmück, eines Malers, den uns ein guter Kenner seiner Kunst, Dr. Peter Breuer, noch besonders nahe bringt. Eine prachtvolle Le­bensgeschichte der Menna von der Quelle bis zur Mündung in die Donau gibt Emil Luda. Gleich diesem Beitrag reich­ bebildert ist auch die Würdigung des Veit Stoß durc Prof. Dr. Georg Lill. Der bekannte Gießener Geschichts­­forscher Prof. Dr. Gustav Roloff schildert Napoleon der Dritten in seinen unehrlichen Maklergeschäften und de>t da­mit auf, weshalb diese Politik scheitern mußte. Sehr lustig zu lesen ist August Lämmles5 Plauderei „Schwaben un­ter sich." Farbige Bilder im Bunde mit Georg Bittrichs Darstellung bringen uns das Lausither Volkstum un­serer Wenden nahe. Auch praktisch beherzigenswert ist, was der Wiener Mediziner Prof. Dr. Carl von Noorder

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