Deutsche Tagespost, August 1920 (Jahrgang 13, nr. 166-190)

1920-08-04 / nr. 168

/ Beilage zur „Deutschen Tagespost“ Herr Minister! Im Zusammenhange mit unserem Memoran­­dum hinsichtlich der Vereinheitlichung des Wäh­­rungssystems, das wir so frei waren in der vorigen Woche Ihnen zu überreichen und in dem wir diese Frage nur in allgemeinen­­ Er­­wägungen behandelten, bitten wir Sie, uns zu gestatten, auf die­ vorgeschlagenen Lösungen zurückzukommen, sie zu ergänzen und auch mit anderen Einzelheiten zu rechtfertigen, wobei wir auch die Art und­ Weise zeigen wollen, in der sie in der Praxis durchzuführen sein würden. Wir bedauern, daß diese Frage, die nach ihrer Natur in »camera caritatis« hätte behandelt werden müssen, zum Gegenstand der Publicität wurde. Jedoch sind nicht wir die Ursache hievon. Wenn die vom Finanzministerium eingesetzte Kommission für Vereinheitlichung der Währung im März i.J. sich geflissentlicher mit den Pro­­blemen dieser Frage befaßt hätte, wäre sie sicher zur Gewüre geklärt worden, ohne — in dieser Form — in die öffentliche Diskussion zu kommen. Heute aber, in der 12. Stunde, wo die Geehrte Regierung unmittelbar davor steht, sie endgültig zu entscheiden, sind wir verpflichtet, sie auf welchem Wege immer zu besprechen und zu klären. 5. Im früheren Memorandum haben wir ge­­­zeigt, daß die Grundlage einer Vereinheitlichung des Währungssystems durch Einziehung und Einstellung der Noten der österr.-ung. Bank in die nationale Währung das Wertverhältnis, der Kurs der Parität zwischen Krone und Leu zur­ Zeit unserer Vereinigung mit dem alten Königreiche sein muß­ ..« Diese unsere Meinung hat, obwohl wir sie «x-sj.e.ohz««-z»—"ehtk913 tigst0ds«ztroiz:«­­----­ees:seixis3sioixs« übertriebene Ohne daß wir bezüglich des Meritums der vorgebrachten Argumente bekämpft wurden, hat man uns das jetzige Wertverhältnis, den heu­­tigen Handelskurs zwischen Krone und Leu, als den einzigen entgegengestellt, der berechtigter­­weise die Grundlage der Einziehung und des Ersatzes der Noten der österr­-ung, Bank bilden könne. Dieser Meinung gegenüber sehen wir uns gezwungen zu betonen, daß der heutige Kurs ein vorübergehender Kurs ist, bestimmt durch momentane Umstände, die ihn von einem Tag zum­ andern nach oben oder nach unten ändern können. Nach einem solchen Kurs kann man wohl Handelsgeschäfte abschließen, die von der Einwilligung und dem Interesse der Parteien abhängen. Keinesfalls aber kann eine finanzielle Operation des Staates danach vorgenommen werden, die von den Bedingungen und Inten­­tionen der Friedensverträge und von Erwägungen bestimmt wird, die höher stehen, als einzelne reine Handelsgeschäfte. Die Verfügungen der Friedensverträge­) ver­­pflichten den Staat die Noten der österr.-ung. "Bank einzuziehen und mit nationaler Währung zu ersetzen.?) Und,wenn auch die Konferenz von Paris gestattete, daß der Staat allein die Bedin­­gungen des Ersatzes bestimmt, folgt ‘doch aus keiner Verfügung, daß dieser Ersatz identisch sein dürfte mit einer Einlösung auf Grund eines schwankenden Handelskurses in einem Augen­­blick, in dem er für die eine der Parteien ange­­messen, für die andere aber nachteilig sein kann. Die Friedensverträge enthalten im Gegenteil Verttgungen?), welche den Bürgern die möglichst­ billige Behandlung in­­ allen finanziellen Anord­­nungen sichern sollen, die infolge der Auflösung der alten Österr­­ing, Monarchie und der Reor­­ganisation der Staatsschulden und des Währungs­­systems "notwendig werden. Die Verträge be­­stimmen ‚in allen finanziellen und Währungs­­fragen, die durch eine Einlösung zu erledigen sind, fixe Kurse, nach welchen sie zu beurteilen sind. Gerade nur in den Verfügungen bezüglich des Ersatzes der Kronennoten wird‘ keine­ Er­­wähnung eines Kurses getan. Aus der Gesamt­­heit dieser Verfügungen ergibt sich jedoch, daß der Ersatz eine billige Entschädigung sein soll für die Nachteile, die aus der Devalvation und Vernichtung des dösterr.-ung. Währungssystems entstanden. · "Gewiss infolge solcher Erwägungen wurde in keinem einzigen der Staaten, die ihre­­ Wäh­­rung vereinheitlichten, die fremde Währung auf Grund­ des Handelskurses eingezogen und ersetzt. Frankreich und Belgien haben die deutsche Mark mit ihrer Nationalwährung nach der Parität 1 Mark = 1 France 25 ersetzt, obwohl weder damals als der Ersatz erfolgte, noch heute der Handelskurs einer Mark 30-32 Centimes über­­stieg und übersteigt. Man sagt zwar, Frankreich und Belgien hätten die deutsche­­ Währung in der Parität ersetzen können, da Deutschland zur Beibehaltung seines Währungs­­systems verpflichtet ist!) und daher die beiden Regierungen — die französische und belgische — die eingezogenen Noten noch verwerten werden können. Richtig. Aber trotz alldem hat sowohl Frankreich als auch Belgien infolge ‘des Er­­verwerten­s Devalvation­­ die Zinsen der zwecks Einziehung und Ersatzes der deutschen Noten aufgenommenen Summen zu tragen. Schliesslich sagt man noch, dass die Lasten,die Frankreich und Belgien auf sich nahmen, geringer sind, als die, die — im Falle einer gleichen Finanzoperation — unser Staat über­­nähme. Richtig, doch sind auch unsere Gebiete mit ihren Reichtümern unvergleichlich grösser und mehr. Italien schos­s nach jeder österr.-ung. Krone 60 Centesimi vor, ein Vorschuss, der, wie uns mitgeteilt wurde, in letzter Zeit auf 80 Centesimi erhöht wurde und es ist nicht ausgeschlossen, dass es ihn auf die Parität ergänzt. Ebenso wie bei Frankreich und Belgien hatte auch dort die fremde Währung bei ihrer Einziehung und ihrem Ersatze einen, um vieles geringeren Handelskurs als die gegebenen Vorschüsse. Heute macht eine Krone kaum­ 10 Centesim­i aus. In der Tschechoslowakei wurden die österr­­­ung. Kronen mit tschechoslowakischen Kronen ersetzt, die heute — infolge einer zielbewussten Wirtschafts- und Finanzpolitik — auf den fremden Plätzen mit den rumänischen Lei gleichstehen. Der tschechoslowakische Bürger hat von seiner früheren Krone nichts verloren, die um nichts besser war, als diejenige, die bei uns vorhanden war. Im Gegenteil, er hat gewonnen, obwohl der Staat — durch Einziehung und Ersatz — eine Last von zirka­ 16 Milliarden Kronen auf sich nahm.­­ Man sagt zwar, dass der tschechoslowakische Staat,­­da er keine andere nationale Währung hatte, so vorgehen musste. Wahr ist aber, dass er eine andere Währung, den­ »Sokol«, gleich dem französischen Frank hätte schaffen können und es auch wollte. Er musste aber darauf ver­­zichten, um­ seine eigenen Bürger nicht zu schädigen. Man beruft sich auf das Beispiel Jugo­­slaviens, wo, wie man glaubt, die österr.-ung. Kronen im Kurse von 1 : 4 eingezogen und ersetzt wurden. Tatsächlich ist es nicht so. In Jugo­­slawien wurde die Vereinheitlichung der Wäh­­rungen nicht durchgeführt und die neuen Gebiete sind nicht auf die Dinarwährung übergegangen. Die in letzter Zeit ausgegebenen Noten sind­ pro­­visorische Noten, die für den internen Verkehr den fixen Kurs 1 Dinar = 4 K aufweisen. Dies Verhältnis ist günstiger als unser Handelskurs 1:3. Er entspricht, wenn man den Auslandskurs des Leu und Dinar zur Basis nimmt, einer Re­­lation 1:1­60. Wir sind aber, wenigstens nach der Art, wie die Frage in der jugoslawischen Presse!) behandelt wurde, überzeugt, dass die definitive Einziehung und Ersetzung­ auch hier nicht unter ungünstigeren Bedingungen als in Italien und der Tschechoslowakei wird vorge­­nommen werden können. Bei uns, behaupten gewisse Kreise, könne die Einziehung und Ersetzung der Kronen heute nach keinem andern Kurse mehr erfolgen, als nach dem jetzigen Handelskurs. Es wird jedoch zugegeben, dass wenn die Einziehung früher oder sogleich nach der Vereinigung mit Rumänien erfolgt wäre, man sie in einem günstigern Kurs oder selbst auch in der Parität hätte durchführen können. Wir bekennen, wir verstehen diesen Gedankengang nicht. Wir würden ihn zum Teil verstehen, wenn wir uns in der Lage Frankreichs­­ oder Belgiens gegenüber Deutschland befänden. Dann könnte man noch zugeben, dass die fremde Währung zu einem Kurse einzuziehen sei, zu welchem man sie am leichtesten verwerten­­ kann. In der Lage aber, in der wir uns befinden, werden die eingezogenen Kronen die Währung ausschliesslich nur noch bei der Liquidierung der österr.-ung. Bank­ verwertet werden, von der wir ob nun früher oder später denselben Gegenwert erhalten­ werden. | werden die 18 em | keines Staates mehr sein und können daher » * ·. Bei uns hängt, wie auch in sämtlichen andern Staaten, die aus ‘österreich-ungarischem‘ Gebiete vergrössert oder gebildet würden, die Einziehung und Ersetzung der Kronennoten ‚ausschliesslich von­ der Last ab, die der Staat zum Zwecke dieser Operation auf sich nehmen muss. Und da ist es klar, dass wenn der Staat vor einen halben oder ganzen Jahr die Kronen al pari hätte ersetzen können, ein Grund nicht besteht, dass er dies nicht auch später tun Ein einziger Umstand könnte noch in Betracht gezogen werden. Die Tatsache, dass jetzt voraussichtlich grössere Summen im Ver­­ehre sein dürften als früher. Hiefür kann jedoch nicht die Bevölkerung verantwortlich sein. In der Tschechoslowakei und Jugoslawien fand man bei der Ersetzung nahezu doppelt soviel Kronen im Verkehr, als bei der Abstem­­elung. Und trotzdem dachte Niemand daran, arum die Inhaber der alten österreich-ungari­­schen Währung zu schädigen. — Was schliesslich die Befürchtung betrifft, dass bei einem gün­­stigeren Ersatz oder schon gar bei der Parität nur die Spekulanten gewinnen würden, braucht uns dies nicht zu beunruhigen und insbesondere nicht zu einem Akt der Ungerechtigkeit gegen­­über den grossen Massen des Volkes zu be­­stimmen. Denn der Staat kann sich das Recht vorbehalten, den Ersatz der Noten abzulehnen, die im­­ Wege der Spekulation in die Hände ihrer Inhaber kamen und denen, die das Ge­­genteil nicht beweisen können, sie zum Tages­­kurse zu ersetzen. « Zweites Memorandum des Zentralkomitees für D­lichstellung von Krone und Leu verfasst vom gewesenen Staatssekretär Ioanl I. Lapedatu und überreicht dem Herrn Finanzminister ad interim Take Ionescu. ı könnte. !) Siehe Art. 189 des Vertrages mit Ungarn und Art. 206 des Vertrages’mit Österreich. - Y-im Textsdok Ver­träge wird gesagt:realph­rcokc­ers-Zorns:hoiyettosjtoni»also ersetzen,ontschädigen. IISheArtJZödvsVertragesmthagsmuads Art..:·1ådesYortrsgesmjrosterrejoh. ?) Siehe Art. 58 des Vertrages mit Deutschland. Dieser Artikel schliesst übrigens die Möglichkeit­­ eines Wechsels im deutschen Währungssystem nicht aus. Deutschland kann die Kaufkraft und den gesetzlichen Wert seiner Währung herabsetzen, wenn es dies für­ sein ganzes Gebiet tut. 1) Der „Slovenska Narod*“ vom 19. Mai 1919 befasst sich umständlich mit der Bitte der Kroaten, den Ersatz der Krone nach dem Kurse der Parität 1 Dinar = 1,04 K vorzunehmen. Der „Jugoslavische­ Lloyd“ vom 30. August 1919 zeigt, dass­ die Vertreter der slowenischen, landwirt­­schaftlichen Föderationen in ihrer Enquete ebenfalls die Einziehung nach dem Verhältnis 1:1 baten, ' - -

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