Gutenberg, 1924 (Jahrgang 6, nr. 1-52)

1924-03-28 / nr. 13

ERSCHEINT jeden Donnersr utg mit dem Datum des nächstfolgenden Tages. ABONNEMENT samt Post­zustellung Jährlich ........ Kc 40.— Halbjährig ...... Kc 20.—■ Vierteljährig.................Kc K­.— Einzelnummer 80 h. REDAKTION Prag II., Smecky 27 neu. ZUSCHRIFTEN werden nur frankiert angenommen. Nicht­­versiegelte Reklamationen sind portofrei und sind an die Expe­dition zu richten. Manuskripte werden nicht retourniert. VI JAHRGANG PRAG 28. MÄRZ 1924 NUMMER 13 ZEITSCHRIFT FÜR BUCHDRUCKER­ UND VERWANDTE INTERESSEN IN DER CECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ADMINISTRATION: O.Kinsky,Prag II,,Smecky 27 n. POSTSCHECK-KONTO: Prag 33.837.__________ EXPEDITION : Deutsche agrarische Druckerei, W­einberge, tf. Marsala F­oche j. ANNONCEN werden bei der Administration angenommen und mit Kc 2.— pro Petit­eile berechnet. Für eine einmalige Einschaltung werden berech­net: ganze Seite KC 720, Drittel- Seite (eine Spalte) Kc 206, halbe Spalte Kc 150, Viertel-Spalte Kc 85, Achtel-Spalte Kc 46 und eine Sechzehntel-Spalte Kc 25. Bei öfterer Insertion Rabatt, Undisziplin im graphischen Gewerbe. „Durch Erfahrung wird man klug“, sagt ein altes Sprichwort und „Böse Beispiele verderben gute Sitten/­ weissagt treffend ein anderes. Beide kann man in einer Angelegenheit anwenden, die unsere Herren Unternehmer betrifft, bei der aber auch wir in ziemliche Mitleidenschaft gezogen wer­den: der Schmutzkonkurrenz. Die Schmutzkonkurrenz ist ein Uebel, das ein legi­timer Sprößling der heutigen kapitalistischen Wirt­schaftsordnung ist, das ihr treu bleiben und be­stehen­ wird, solange diese nicht von einer gerech­ten Wirtschaftsordnung abgelöst werden wird. Die Gehilfenschaft hat aus vielerlei Gründen alle Ursache, dieser im wahren Sinne des Wortes schmutzigen Angelegenheit ihre vollste Aufmerk­samkeit zuzuwenden und sie auf jede nur irgend­wie mögliche Art zu bekämpfen und ihre Urheber unschädlich zu machen. Niemand kann und wird leugnen, daß die Gehilfenschaft diese ihre Auf­gabe nicht erkannt hat und daß sie nicht auch bereit war und ist, nicht nur allein, sondern auch mit dem eigentlich materiell betroffenen Teil, den Prinzipalen, den Urhebern an den Leib zu rücken und ihnen das Handwerk gründlich und für immer zu legen. In vielen Artikeln haben wir und andere Kollegen in dieser Sache das Wort ergriffen, haben klar den Weg zur Abhilfe gewiesen. Und was war der Erfolg all der aufgewendeten Mühe? Fanden wir in irgend­einer Weise hier Gegenliebe oder gar die Annahme der dargebotenen hilfreichen Hand bei den Prinzipalen? Mit­nichten! Noch im­mer blüht der Weizen derjenigen, die sich weder um gesetzliche, noch um tarifliche, organisatorische oder gar moralische Abmachungen scheren, noch immer lebt und „wirkt" die unsterbliche Schmutz­konkurrenz. Die Prinzipalität und ihre Organisation ist durch Erfahrung nicht klug geworden und wenn wir in den Spalten ihrer Blätter von dem Treiben der verschiedenen­ Schmutzkonkurrenten lesen, so kommt auch das zweite der oben angeführten Sprichwörter zur Geltung, daß hiedurch die guten Sitten verdorben, werden. Daß das letztere der Fall ist, wundert uns gar nicht, denn die guten Zeiten sind vorüber, da die Kundschaft von der Gnade des Unternehmers abhängig war, ob es diesen genehm war, den Auftrag überhaupt anzu­nehmen­, wobei die Ausführung noch immer frag­würdig blieb. Die Tatsache, daß die freie Wirt­schaft Angebot und Nachfrage regelt und nur der Tüchtige vorwärts kommt, hat naturgemäß zur Folge, daß so mancher, dem vieles oder alles dazu mangelt, als Parasit sein Leben mehr schlecht als recht zu fristen versucht. Es ist nun in mehr als einer Hinsicht symptomatisch, in welcher Weise die Unternehmer diese parasitäre Konkurrenz zu bekämpfen suchen und in der letzten Nummer der „Graphischen Blätter" liesen wir folgendes, das wir unseren Kollegen nicht vorenthalten wollen, damit auch sie einen Begriff von der Art des Kampfes bekommen, wo die Prinzipale die Ur­sache suchen und wie sie den Kampf führen. Es heißt dort u. a.: „Leider", sagt der Artikelschreiber, „müssen wir die neugegründeten — allerdings kleinen — Un­ternehmungen als Betriebe bezeichnen,­ welche ohne jedes Ziel, ohne eine Idee, programmlos ar­beiten, Betriebe, die sich kopflos zu einem aus­geprägten Konkurrenzkämpfe hinreißen lassen und mit der Zeit zu Vegetierern werden! Besitzer dieser neuen Betriebe sind junge — wenn auch arbeitsfreudige­n Leute, denen es am Kasten nicht wohl getan hat, denen der gesetz­liche Achtstundenarbeitstag nicht gepaßt hat, Leute, die es vorgezogen haben, nach Selbständig­keit zu blinzeln, wenn auch ihre eigentliche Frei­heit und Selbständigkeit verloren gehen. „Die Sehnsucht nach Selbständigkeit liegt doch schon im Egoismus eines jeden Menschen"! — wird so mancher sagen. Ja, sehr wohl, ein jeder mag ein Lebensziel, eine Idee haben, er mag nach einem Programm ersprießlich arbeiten! Die Sehnsucht und die Aussicht auf die Selbständigkeit wären die Lichtseiten! Nun, jetzt kommen die Schattenseiten! Die erste Sorge der meisten neugebackenen Prinzipale ist, einen­ Lehrjungen aufzutreiben, um in ihm eine billige Arbeitskraft und einen Ersatz für den Hilfs­arbeiter, Anlegerin, Boten, ja manchmal auch Dienstmädel zu schaffen, die zweite Sorge: er fischt seinem ehemaligen Brotgeber einige Auf­träge — selbstredend um 40—60% billiger — ab, und rackert bis tief in die Nacht, zeitlich früh, oft auch an Sonntagen. Als Gehilfe hätte er gewiß nach einer amtlichen Bewilligung gefragt, die Sonn­tagsruhe will ich gar nicht berühren. Der sich an­häufende Satz wird sodann druckreif und da wird nach Vornahme einer primitivsten Zurichtung zum eigentlichen Druckverfahren geschritten. Jetzt heißt es aber, tüchtig „anziehen!“ Und in so einem kritischen Moment springt halt die Schwester, Ge­mahlin oder sogar die Schwiegermutter ein! Die Rollen werden kurz und gut verteilt und die ganze Familie beteiligt sich an den vorkommenden Ar­beiten, um nur den Auftrag raschest bewältigen zu können. Es ist vollbracht! Es folgt die Lieferung, die Kundschaft überzeugt sich aber, daß zwar bil­liger geliefert wurde, jedoch nicht mustertreu „Hier hat’s einen Haken — beim Papier­­— darum also der Preisunterschied! Uns­ die Ausführung! Nie wieder!” Künftighin geht der Kunde den ehemaligen Drucker aufsuchen, steckt ihm unter die Nase die Faktura des „frisch sich Etablierten “ und verlangt von ihm dieselben Preise, wie vom letzten, Drucker gehabt. Nur das Papier konveniert ihm nicht, ob­zwar die Papierdifferenz eine ansehnliche Summe repräsentiert. Man bemüht sich aber, die Kund­schaft wieder zu gewinnen, man will nicht als Be­stehler der Kundschaft gelten, man nickt mit dem Kopfe zu — und man akkomodiert sich dem letzten Preise, dem Preise eines Schädigers der ganzen Branche, einem Preisunterbieterpreise, welcher regelmäßig nicht einmal die Gestehungskosten decken kann. Welch traurige Erscheinungen! Darum ist es nötig, die Einheitlichkeit in der Berechnungsweise streng zu bewahren, sich stets nach den Kalkulationsnormen zu halten, durch schlechte Beispiele und Konkurrenzneid sich nicht verführen lassen und das Wohl des Gewerbes hoch zu schätzen! Erfolge müßten sich zeitigen, wenn jedermann sich nach unserem, durch den Verband der graphischen Gremien im Jahre 1920 heraus­gegebenen Kalkulationsnormal und nach dem im Jahre 1923 herausgegebenen Nachtrag zum Kalku­lationsnormal richten möchte und diese Normen als Gesetz ansehen möchte, denn die Unkenntnis der Grundsätze des Kalkulationsnormales und die Nichtbeachtung der dort enthaltenen Normen bringt Schaden allen Angehörigen des Gewerbes, unterminiert die Prosperität des eigenen Unter­nehmens und führt schließlich zum —• Krach! Der Artikelschreiber bemüht sich allerdings, die Ursache der Schmutzkonkurrenz darin zu suchen, daß so viele Gehilfen das unbezähmbare Verlangen haben, selbständig zu werden und dann „natürlich die „Erfolge“ ihrer Tätigkeit die Prinzipale ver­spüren. Das hat schon seine Richtigkeit. Aber nicht immer ist das der Fall, wenn auch gerade diese Art von Buchprinzipalen einen großen Teil der Schuld tragen. Es wird in dem Artikel auch ein zweiter Artikel über die Buchdruckerei-Aktien­gesellschaften angekündigt, auf den auch wir sehr neugierig sind. Wenn man die Protokolle der Gremialsitzungen aufmerksam durchliest, so findet man darin sehr oft, daß ebenfalls lebhafteste Klage über die Schmutzkonkurrenz geführt wird, die aber in diesen Fällen dem „Ehrengerichte“ übergeben wurden. Daß das nicht immer die kleinsten der Klei­nen, sondern vielfach auch große und größte Be­triebe sein werden, glauben wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen zu können. Die Schmutz­konkurrenz treibt eben die sonderbarsten Blüten, sieht niemals auf Reinlichkeit — denn das würde ihrem Wesen zuwiderlaufen — und nicht immer nur die Kleinen wandern auf unsauberer Bahn; auch andere versuchen mit mehr oder weniger Ge­schick, auf krummem Wege Kundschaften an sich zu fesseln. Wir verteidigen weder die kleinen, noch die großen Schmutzkonkurrenten, wir bekämpfen beide. Wir wissen eben ganz genau, welche Schäden sie uns zufügen. Beider Treiben ist ver­­dammenswert und wir wiederholen auch heute wieder, daß wir jederzeit bereit sind, unter gewissen Voraussetzungen aktiv an diesem Kampfe teilzunehmen. Wir wissen aber heute schon, daß wir wiederum damit keinen Erfolg haben werden, denn die Prinzipalität ist durch die Er­­­fahrungen, die sie mit der Art ihrer Bekämpfung der Schmutzkonkurrenz gemacht hat, nicht klug geworden, so daß sie unsere Mithilfe hiebei be­grüßen und annehmen würde. Sie wird auch weiter­hin bei einer Methode bleiben, deren Ungefährlich­keit klar auf der Hand liegt, wird auch weiterhin einen Kampf mit Windmühlen führen und sich dann entrüstet zeigen, wenn die guten Sitten immer ärger vernachlässigt werden. Die U­nternehmer ver­gessen, daß ein drittes Sprichwort sagt: „Der Appetit kommt mit dem­ Essen“, und derjenige, der einmal Schmutzkonkurrenz betreibt und merkt, daß die Gefahr des Erwischtwerdens und die zu erwartende Strafe zum Gewinn in keinem Ver­hältnis steht, der wird sich auch von einem „Ehrengericht” nicht abschrecken lassen. Der Zusammenhang zwischen Lohn und Leistung, Lohn und Leistung sind zwei untrennbar mitein­ander verbundene Begriffe der Arbeitsökonomie. Es ist unmöglich, Lohn und Arbeitszeit, die wiederum beide ein festes Ganzes bilden, auf ein tieferes oder höheres Niveau zu bringen, ohne daß die Leistung, der Arbeitseffekt, nicht ebenfalls in mehr oder weniger zum Ausdruck kommender Weise in Mitleidenschaft gezogen wird. Die vom Kapitalismus nicht beeinflußten Nationalökonomen haben zur Genüge diese Zusammenhänge fest­­gelegt, sie haben untrüglich die Richtigkeit dieser These bewiesen, aber der Kapitalismus und seine Trabanten haben noch immer nicht ihre Liebe zu dem alten­ System auf­gegeben, sie sehen noch im­mer im Lohn des Arbeiters dasjenige Objekt, das an allem die Schuld trägt. Man rufe sich zum Beweis noch einmal die Er­innerung an die Vorgänge der letzten Zeit in Deutschland zurück. Durch die Verwässerung der deutschen Reichsmark waren die Industriellen in der Lage, die Konkurrenz ihrer Produkte auf dem Weltmarkt in einer Weise zu heben, daß sie un­geheuere Gewinne einheimsten­, von denen aber der Arbeiter nur einen Brocken erhielt, gerade genug, um ihn vor dem Verhungern zu schützen. Lohn und Leistung hielten sich durch die fort­gesetzte Entwertung des Papiergeldes in keiner Weise die Wage. Als diese Quelle der Bereiche­rung durch die Einführung der Rentenmark und die Stabilisierung der Papiermark versiegte, muß­ten die Industriellen trachten, eine neue zu er­schließen. Neben der Tiefhaltung der Löhne grif­fen sie zu dem Mittel der Produktionssteigerung durch Verlängerung der Arbeitszeit. Wieder woll­ten sie auf Kosten der Arbeiter, Erhöhung der Leistung durch verlängerte Arbeitszeit, ihre Kon­kurrenzfähigkeit sicherstellen. Einmal war es der Währungsverfall, der ihnen das ermöglichte, nun

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