Gutenberg, 1925 (Jahrgang 7, nr. 1-50)

1925-01-02 / nr. 1

ERSCHEINT jeden Donners­tag mit dem Datum des nächstfolgenden Tages. ABONNEMENT samt Post­zustellung Jährlich..............................Kc 40.— Halbjährig......................Kc 20.— Vierteljährig..................Kc 10.— Einzelnummer 80­­. REDAKTION Prag II.. Smecky 27 neu. ZUSCHRIFTEN werden nur frankiert angenommen. Nicht­ versiegelte Reklamationen sind portofrei und sind an die Expe­dition zu richten. Manuskripte werden nicht retourniert. VII. JAHRGANG PRAG, 2. JÄNNER 1925 NUMMER 1 ZEITSCHRIFT FÜR BUCHDRUCKER­ UND VERWANDTE INTERESSEN IN DER CECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ADMINISTRATION: O.Kinsky,Prag II,,Smecky n.27 POSTSCHECK-KONTO: _________Prag 33-837-_________ EXPEDITION : Deutsche agrarische Druckerei, Weinberge, tf. Marsala Foche j ANNONCEN werden bei der Administration angenommen und mit Kc 2.— pro Petitzeile berechnet. Für eine einmalige Einschaltung werden berech­net: ganze Seite KC 720, Drittel- SeiteC eine Spalte­ Kc 260, halbe Spalte Kc 150, Viertel-Spalte Kc 85, Achtel-Spalte Kc 46 und VERBAND DER BUCHDRUCKER IN DER CECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK, PraG II., SMeCký 27 n. Kundmachung. An die Kollegen Kassiere! Mit Rücksicht darauf, daß die Bestimmungen des § 1154 b, welche einen Bestandteil unseres Lohn­­tarifes bildeten, mit 1. Jänner 1925 ihre Gültigkeit verlieren, ist für die erste Krankheitswoche resp. für die ersten 6 Tage, die Krankenunterstützung im Sinne des Verbandsregulativs auszuzahlen. Prag, den 28. Dezember 1924. Der Verbandsvorstand. Zur Jahreswende. Wiederum stehen wir an der Wende des Jahres. Nur kurz ist die Spanne Zeit eines Jahres und doch enthält sie eine Fülle der verschiedensten Begebenheiten freud- und leidvoller Natur im Leben des Arbeiters, so daß es leicht verständlich ist, wenn er an der Wende des Jahres, am Be­ginn des neuen stehend, Rückschau über das ver­gangene hält. Auch im Leben der Arbeiterbewe­gung, in der Verbindung der Einzelnen zur Masse, im Leben der Gewerkschaftsorganisationen, spie­gelt sich der gleiche Vorgang wie beim Einzel­individuum wider. In der Geschichte der gewerk­schaftlichen Bewegung ist ein Jahr eine ver­schwindende Spanne Zeit, bemerkenswert nur “durch besondere Ereignisse­ während dieses Zeit­raumes. Aber gleich dem Einzelnen ist es doch nicht überflüssig, auch im Gewerkschaftsleben an der Wende des Jahres Rückschau zu halten und einen Blick in das kommende Jahr zu tun. Ein Rückblick in die Vergangenheit sagt aber auch, was für die Zukunft noch zu tun bleibt. Wenn wir heute über die Tätigkeit der Buch­druckerorganisationen, der einzelnen Landesver­eine und des Verbandes, einen Rückblick auf das vergangene Jahr 1924 werfen, so können wir dies naturgemäß nur in großen Umrissen tun. Es wäre unmöglich, aus dieser Fülle des Geschehens, das gerade unsere so hochentwickelte gewerkschaft­­iche Organisation in sich birgt, auf gedrängtem Raume alles Bemerkenswerte herauszuheben. Das müssen wir uns versagen und nur das wirklich Be­deutungsvolle im letztvergangenen Jahre in die Erinnerung zurückrufen. Das Jahr 1924 stand im Zeichen der Tarifbewe­gung. Schon zu Beginn des Jahres konnte man be­merken, daß im­ Prinzipalslager eine lebhafte Tä­tigkeit aus diesem Anlaß eingesetzt hatte, der auch in unserem Blatte Erwähnung getan wurde. Obzwar diese prompt von der Gegenseite abgeleugnet wurde, glaubte natürlich die Gehilfenschaft diesen Beteue­rungen keineswegs. Die Gehilfenschaft dachte nicht an Kampf, aber sie hatte damit durchaus nicht im Sinne, sich von den Ereignissen, die sich im La­ger der Unternehmer abspielten, überraschen zu lassen, und traf daher die notwendigen Vorberei­tungen. Und die spätere Zeit gab der Gehilfen­schaft Recht, denn was wir schon zu Beginn des Jahres voraussahen, was aber nie von der Gegen­seite klar zugegeben wurde, traf ein: der Tarifver­trag wurde gekündigt. Das war allerdings ein bedeutungsvolles, aber längst erwartetes Ereignis. Bekanntlich begannen die Verhandlungen zur Revision des Lohntarifes, nachdem alle Formalitäten schon lange vorher er­füllt waren, am 18. November und währten bis 17. Dezember. Die Gehilfenschaft wurde über die zu den Tarifrevisionsverhandlungen seitens der Un­ternehmer und der Gehilfenschaft gestellten For­derungen in Versammlungen unterrichtet. Man wird keinesfalls behaupten können, daß die Forderungen der Prinzipale bescheiden waren, wenn sie auf der einen Seite eine Erhöhung der Lehrlingsskala für­ derten, so nahmen sie auf der anderen Seite „Kompensation" die Abschaffung der Feiertage in Anspruch und dergleichen schöne Dinge. Wer die beiden Elaborate zu den Tarifrevisionsverhandlun­gen vergleicht, mußte sich unwillkürlich sagen, daß sie sich gleich dem Feuer und dem Wasser von­einander unterscheiden. Und heute, nach Abschluß der Verhandlungen, können wir konstatieren, daß es gelungen ist, zwar nicht alle diese Gegensätze auf eine Linie zu brin­gen, aber doch als Erfolg entweder Verbesserungen oder die Beibehaltung der bisherigen Bestimmun­gen zu erreichen. Das muß jeder Unvoreingenom­mene, der die politische und wirtschaftliche Lage der Arbeiterklasse und die jüngsten Ereignisse im Wirtschaftsleben dieses Staates kennt, zugeben. Wir wollen damit durchaus nicht sagen, daß wir als Sieger aus diesem Kampfe hervorgegangen sind. Das wäre zuviel gesagt­. Aber das können wir auf jeden Fall konstatieren, daß unsere Organisa­tion auf friedlichem Wege einen unbestreitbaren Erfolg errungen hat. Die Mentalität der Verhandlungsteilnehmer war zu Beginn der Verhandlungen auf Unnachgiebigkeit gestimmt. Hartnäckig zogen die Unternehmerver­treter die Verhandlungen hin und sie wurden erst merklich umgestimmt, als sich die Erregung unter der Buchdruckergehilfenschaft in den Betrieben spontan äußerte. Der Abschluß der Verhandlungen danach ziemlich rasch herbeigeführt. Ueberblicken wir den Erfolg der Verhandlungen, über den die Kollegenschaft auf anderem Wege in­formiert wurde, so können wir vor allem hervor­heben, daß der Anschlag auf die Lehrlingsskala, der eine Erhöhung derselben gebracht hätte, ab­gewehrt wurde. Die fadenscheinige Begründung von Unternehmerseite beweist wiederum, daß sie oder ihr Wortführer aus der Vergangenheit nichts gelernt und nichts vergessen hat. Daß die Gehil­fenschaft in der Frage der Klasseneinteilung einen Erfolg zu buchen hat, ist ein Zeichen, daß dies­mal die Erkenntnis der Notwendigkeit dieser Ver­schiebung und Neuordnung doch auch bei den in Betracht kommenden Verhandlungsteilnehmern die Oberhand gewonnen hatte, was dann in der Zustimmung der Verschiebung nach oben ihren konkreten Ausdruck fand. Die Feiertagsfrage bil­dete den Angelpunkt der ganzen Verhandlungen. Die Beibehaltung der bisherigen Bestimmungen war gewiß der beste Ausweg, der gefunden wer­den konnte. Wenn auch noch einige andere Zuge­ständnisse erzielt wurden, so beweist das nur, daß die Vertreter der Gehilfenschaft ihre Pflicht rest­los getan haben, was gewiß jeder Einsichtige an­erkennen wird und muß. Bringt der neue Lohntarif vieles von dem von uns Geforderten nicht oder nur in ganz unzulänglichem Maße oder beläßt er zumeist die alte Fassung, so müssen wir aber doch anerkennen, daß wir er­reichten, was zu erreichen möglich war. Und dies auf friedlichem Wege! Daß dies nicht zu unter­schätzen ist, brauchen wir wohl nicht besonders zu unterstreichen. Der Abschluß des neuen Lohntarifes wird uns die Gelegenheit geben, daran zu arbei­ten, daß der nächste Vertragsabschluß unseren Wünschen entspricht. Der Abschluß des Tarifvertrages in den histo­rischen Ländern lenkt die Aufmerksamkeit auf den Kampf der slowakischen Buchdrucker um die Postulate ihres Tarifes. Bereits seit dem 13. Okto­ber ziehen sich die diesbezüglichen Verhandlungen zur Erneuerung des Tarifvertrages hin und sie mündeten am 20. November zu partiellen Streiks, dem dann die Gesamtaussperrung folgte. Die Hartnäckigkeit, mit der die slowakischen Unter­nehmer ihr Ziel verfolgen, läßt­ vermuten, daß die slowakischen Unternehmer in den Unternehmern der historischen Ländern eine mehr wie nur mora­lische Stütze finden. Schon die Starrsinnigkeit, mit der auf der Einführung des „Prager Tarifes" be­inv.cT. 35217 als standen wird, läßt klar e erkennen, daß auch die slowakischen Unternehmer den Weg zum Zentra­lismus gefunden und zum Allheilmittel auserkoren haben. Allerdings schiebt ihnen die feste Ge­schlossenheit unserer slowakischen Kollegen einen Riegel vor, der ihre Gelüste arg dämpft und sie aus dem Katzenjammer dieser für sie unrühm­lichen Bewegung bald erwachen lassen wird. Mit der Besprechung der Tarifbewegung ist das Hauptsächliche des vergangenen Jahres erschöpft. Es könnte wohl noch manches herausgehoben wer­den, das im Laufe des Jahres zur Debatte stand, aber das hieße nur, zu wiederholen, ohne wesent­liches noch dazu zu sagen. Dafür wollen wir nun noch einen Blick in die Zukunft werfen, ohne uns dabei aber in Prophezeiungen einzulassen. Das ist ein undankbares Geschäft und gewöhnlich gilt auch der Prophet im eigenen Lande nichts. Halten wir uns dafür an das Reale und ziehen wir die Schlußfolgerungen daraus. Der Abschluß des Tarifvertrages auf fünf Jahre gibt uns genügend Zeit, seine Vervollkommnung und Ausgestaltung vorzubereiten. Wir sind uns der Mängel des heutigen Tarifvertrages bewußt und wir müssen unser Streben darauf richten, diese zu beseitigen. Vor allem dürfen wir uns nicht das nehmen lassen, was wir bereits außerhalb des Tarifvertrages erreicht haben, wozu besonders der bereits in den meisten Betrieben gewährte Urlaub zu rechnen ist. Das muß unser bleiben! Aber wir dürfen auch nicht daran vergessen, daß noch so vieles in den Betrieben änderungswürdig ist, wo­bei nur auf die sanitären Zustände verwiesen sei. Die Gesundheit ist des Arbeiters höchstes Gut und hygienische Zustände in den Betrieben schüt­zen diese am besten. Obzwar die Lohnfrage bei den Tarifverhandlungen nicht zur Sprache kam, so ist diese derzeit wieder eine sehr aktuelle. Die Teuerung steigt, ohne daß aber der Lohn sich in gleichem Maße erhöhen würde. Auch in dieser Frage muß jeder einzelne trachten, ein entspre­chendes Aequivalent durch Fordern hohen Lohnes sich selbst zu schaffen. Die Konsequenz ist: für Leistungen entsprechender Lohn! Die Unternehmer waren bei den Tarifrevisionsverhandlungen nicht zu bewegen, auch in der Lehrlingsfrage bezüglich der Ausbildung des Nachwuchses ein Entgegen­kommen zu zeigen. Das kann uns natürlich nicht abhalten, auch weiterhin dieser hochwichtigen Angelegenheit das ihr gebührende Augenmerk zu­zuwenden. Der im Jahre 1925 stattfindende ordent­liche Verbandstag wird auch zu dieser Frage Stel­lung nehmen und sicherlich die Beschlüsse fassen, die notwendig sind, um endlich auch einmal hier eine Angelegenheit zu bereinigen, die dringend einer Regelung bedarf. Das gleiche gilt auch in der Frage der beruflichen Fortbildung, der die Unternehmer zumeist noch ganz verständnislos gegenüberstehen und die auch nur durch die Ge­hilfenschaft in Fluß gebracht wurde und einem erfolgreichen Ziele zugeführt werden muß. Vor allem aber ist es notwendig, den Organi­sationsgedanken zu stärken. Es ist eine hoffent­lich vorübergehende Erscheinung unserer Zeit, daß besonders die jüngere Kollegenschaft eine höchst bedauerliche Gleichgültigkeit zu den Vor­kommnissen im organisatorischen Leben an den Tag legt. Das muß natürlich anders werden, wenn die Organisation auch weiterhin das sein soll, was ihr Sinn und Wesen ist: Schutz und Wehr gegen den vereinten Kapitalismus. Individuelle Auf­klärung wird auch hier das Ziel erreichen. Die Ereignisse des vergangenen Jahres haben neuerlich gezeigt, daß die Organisation unser be­währtester Schutz ist. Blicken wir um uns, sehen wir in die Vergangenheit, so muß es uns mit Freude erfüllen, daß wiederum die Organisation der Buch­drucker ungebrochen und erfolgreich an der Spitze marschiert. Aber deshalb dürfen wir uns nicht ein­bilden, daß unsere Unternehmer etwa eine be-

Next