Gutenberg, 1932 (Jahrgang 14, nr. 1-53)

1932-01-01 / nr. 1

GUTENBERG Erscheint jeden Donnerstag mit dem Datum des nächstfolgenden Tages. — Einzelnummer 80 h. — Zuschriften werden nur frankiert angenommen. Nichtv­er­sie­gelte Reklamationen sind portofrei und sind an die Expedition zu richten. Manuskripte werden nicht retourniert. ZEITSCHRIFT FÜR BUCHDRUCKER« UND VERWANDTE INTERESSEN IN DER CECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK Redaktion: Prag 11., Smecky 27 n. — /4 J mi­nis­tr­at­ion: O. Kinsky, Prag 11., Smecky 27 r.. Expedition: Grafia, Arbeiterdruckerei, Prag­­ 7„ Myslíkova 15 n. — Annoncen werden bei der Administration angenommen und mit Kö 2'— pro Petitzeile berechnet. Bei öfterer Insertion Rabatt. XIV. JAHRGANG. Prag, den 1. Jänner 1932* //vV­o . 352 2^t Nummer 1. Das Jahr der Abrüstung und der Arbeitszeitverkürzung. Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts und auch die Prophetie ist ein schlechtes Ge­schäft geworden in der heutigen Zeit. Noch immer sind diejenigen, die einen Blick in die Zukunft warfen und eine günstigere Entwick­lung der Wirtschaftslage voraussagten, durch die Tatsachen widerlegt worden, so daß sich heute niemand mehr so recht getraut, irgend­eine Prognose für die Zukunft der derzeitigen Weltwirtschaftslage zu stellen. Immer war es schon verlockend, am Ende eines alten und zu Beginn eines neuen Jahres den Propheten ins Geschäft zu pfuschen und irgendwie einen Blick in die Zukunft zu werfen. Aber angesichts der schlechten Erfahrungen, die damit gemacht wur­den, wenn der Ausblick trostreich ausklang, die Tatsachen aber das Elend noch weiter steiger­ten, ist es besser, dies zu unterlassen. Das Ver­sagen der sogenannten Wirtschaftsführer, der Großindustriellen aller Länder, aus der heuti­gen Wirtschaftskrise einen Ausweg zu finden, läßt es begreiflich erscheinen, wenn man auch die recht vorsichtige Voraussage des rheini­schen Großindustriellen Glöckner nur recht zweiflerisch aufnimmt, der sagte, daß der Tief­punkt der Wirtschaftskrise entweder gegen Ende des Frühjahrs des kommenden neuen Jahres oder zu Beginn des Sommers erreicht sein werde. Die vielen Erfahrungen, die die vergangene Zeit gerade in dieser Hinsicht ge­bracht hat, sieben den Zweiflern recht, wenn auch zu wünschen wäre, daß sie diesmal Un­recht hätten. Gegen siebzig Millionen Menschen sind nach Schätzungen von der Weltwirtschafts­krise durch Arbeitslosigkeit unmittel­bar und mittelbar betroffen, ein gewaltiges Heer von Menschen, die in Not und Elend leben, die auf eine karge Unterstützung seitens der Gewerkschaften oder des Staates angewiesen sind, vielfach aber von keiner Seite etwas er­halten, um ihr Leben fristen zu können, die also hungern müssen. Das bedeutet für die Volkswirtschaft eines jeden Staates einen un­ermeßlichen Verlust, der durch nichts wett­gemacht werden kann. Denn nicht nur, daß hunderttausende fleißige Hände tatenlos ruhen, aus dem Produktionsprozeß ausgeschaltet sind, sind die Arbeitslosen und ihre Angehörigen auch als Konsumenten zum Großteil ausgeschie­den, so daß die Volkswirtschaft doppelt da­durch belastet erscheint. Es ist daher begreif­lich, wenn mehr und mehr der vernünftige Gedanke durchdringt, daß unter allen Umstän­den eine Arbeitszeitverkürzung kom­men muß, um das wankende Wirtschafts­gebäude wieder in Ordnung zu bringen, da nur auf diese Weise ein großer Teil der heute Ar­beitslosen wieder Beschäftigung und dadurch Verdienst erhalten und als Käufer der produ­zierten Waren in das volkswirtschaftliche Ge­triebe eintreten kann. Es ist schon mehr als dumm, wenn man die Stimmen der Industriellen hört, die heute noch davon reden, daß eine Arbeitszeitverkürzung unmöglich sei, weil da­durch die Industrie zugrundegerichtet werde, und die im Gegenteil von einer Arbeitszeit­verlängerung schwefeln. Von dieser Seite hat die Menschheit wohl kaum einen Fortschritt zu erwarten, so daß die Arbeiterschaft nunmehr daran gehen muß, selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Der Wille zur Tat ist ohne Zweifel bei der Arbeiterschaft vorhanden, da sich die Überzeu­gung von der Notwendigkeit einer Arbeitszeit­verkürzung bei den Arbeitern zuerst durch­gerungen hat. Die Arbeiter haben vor allen anderen erkannt, daß bei dem heutigen Stande der Technik, die in allen Zweigen der Wirt­schaft die Menschenkraft durch Maschinen er­setzte und dadurch ein Vielfaches dessen lie­ferte, was einst die menschliche Kraft zu leisten vermochte, kein anderer Ausweg bleibt als eben nur die Verkürzung der Arbeitszeit. Wieviel fruchtlose Zeit wurde schon ver­geudet bei der Erörterung dieses Themas! Und doch wurde kein Fortschritt erzielt! Wie ein Lichtblick erscheinen deshalb die Worte des tschechoslowakischen Ministers für soziale Für­sorge Dr. Czech, wenn er in seinem kürzlichen Exposé einen Gesetzantrag zur Einführung der vierzigstündigen Arbeitswoche für die Tschechoslowakei ankündigte, der nun­mehr auch zum Arbeitsprogramm des tschecho­slowakischen Parlaments gehören soll. Das wird vielleicht die rettende Tat sein, um aus der Wirtschaftskrise herauszukommen, denn endlich wird von einer berufenen Seite aus der Stein ins Rollen gebracht, der die ganze Frage der Arbeitszeitverkürzung aus dem Stande der Theorie auf den Weg der Tat­sachen bringen will. Damit wird endlich ein­mal der Weg gewiesen werden, wie aus der Wirtschaftskrise herauszuk­­ommlsch wäre, es wird der Anfang gemacht, um auf dem einzig möglichen Wege der Arbeitszeitverkür­zung das herrschende Elend zu mildern. Das Jahr 1932 wird also ein Jahr des Kampfes um die Arbeitszeitverkür­zung, um die vierzigstündige Arbeitswoche, sein! Die Arbeiterschaft steht zu der vom Mi­nister für soziale Fürsorge aufgestellten For­derung. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Sie wird auch bereit sein, alle ihre Machtmittel für die Erreichung dieses Zieles einzusetzen, da es jetzt schon um mehr geht als um den bloßen Gewinn einzelner Menschen, die in ver­brecherischer Verblendung ihr Profitinteresse noch immer höher einschätzen als das Gesamt­interesse des Statskollektivums, das Millionen fleißiger, aber trotzdem arbeitsloser und von Arbeitslosigkeit bedrohter Menschen umfaßt. Rettung kann nur die Arbeitszeitverkürzung bringen. Wenn sie nicht auf gütlichem Wege zu erreichen ist, dann müssen eben diejenigen Mittel angewendet werden, die notwendig sind, um die Macht derjenigen zu brechen, die in ihrer Borniertheit das Schicksal von Millionen aufs Spiel setzen. Ein alter Traum der Menschheit soll in diesem Jahre der Erfüllung näher­gebracht werden: die militärische Ab­rüstung. Im Feber oder im März soll in Genf die so lange vorbereitete Abrüstungs­konferenz ihren Anfang nehmen. Als vor siebzehn Jahren das große Völkermorden seinen Anfang nahm, da war sich wohl niemand über die Größe dieses Geschehens so recht im klaren, nicht einmal die sogenannten Fachleute, die Militaristen, selbst. Man hätte annehmen sollen, daß durch den Krieg selbst, durch sein grauen­haftes Beispiel, jeder zukünftige Krieg unmög­lich gemacht werden und damit auch der Ge­danke der Abrüstung eine solche Nahrung er­halten würde, daß jeder Staat und jede Nation von selbst das Verlangen nach Abschaffung der stehenden Heere, nach Auflassung der militä­rischen Rüstungen haben werde. Das Gegenteil ist eingetreten: statt abgerüstet, wurde in allen Staaten noch mehr aufgerüstet. War früher dem wilhelminischen Deutschland die Schuld an dem wahnsinnigen Wettrüsten als dem Urheber bei­gemessen werden, so hat nunmehr, nach der unfreiwilligen Abrüstung Deutschlands, das Kind einen anderen Namen bekommen und heißt jetzt »Sicherheit«. Kein Staat traut dem anderen, trotz aller Friedensverträge, trotz des Völker­bundes, trotz der vielseitigen Freundschafts­und Nichtangriffspakte. »Gebt mir Sicherheit, daß ich nicht angegriffen werde,« sagen die einen, »dann werde ich abrüsten.« »Unsere Armee dient nur der Verteidigung,« sagen die anderen, »wir werden niemanden angreifen und nur uns selbst schützen.« Niemand hat aus der großen Katastrophe des Jahres 1914/18 etwas gelernt, es wird weiter gerüstet: Millionen junger Männer tragen Uniform, Gewehr mit Bajonett, Geschütze werden gebaut, monströse Schiffe konstruiert. Chemiker verschwenden ihre Geisteskräfte zur Ersinnung tödlicher Gase, die sich auf friedliche Städte durch viele Zehn­tausende modernste Flugzeuge herabsenken sollen, um Tod und Verderben zu verbreiten. Milliarden des Volksvermögens werden in freigebiger Verschwendung für den Moloch Militarismus hergegeben, ob­zwar viele Zehntausende von Volksgenossen als Arbeitslose hungern müssen, weil zu ihrer Unterstützung kein Geld vorhanden ist. Nur die Arbeiterschaft hat aus den Erfahrun­gen des Krieges gelernt, nur sie hat das »Stahl­bad« nicht vergessen. Nie wieder Krieg­ ist ihr Friedensschlachtruf geworden. Für den Völkerfrieden! Gegen den Mili­tarismus! Für die Abrüstung! sind ihre Losungsworte. Sie waren es schon vor dem Kriege, sie sind es auch heute noch, sie werden es immer bleiben, bis dieses Ziel er­reicht ist. Nun soll endlich eine Abrüstungskonferenz in Genf stattfinden. Man kann sich von ihr schon heute einen Begriff machen und ihre Erfolge vorweg abschätzen, wenn man hört, daß so manche Staaten ihre Delegierten zur Konferenz aus den Kreisen der Berufsmilitaristen, der Generale, nehmen. Es wird mit allem Ernste behauptet, der Mensch sei allein von allen Lebe­wesen mit Vernunft begabt. Auf der Ab­ Die besten Wünsche zum neuen Jahre ALLEN UNSEREN MITARBEITERN UND KOLLEGEN ENTBIETEN der Verbandsvorstand die Ver­eins­vorstände die Vereinsbeamten die Redaktion und die Administration des Gutenberg Freudigstes und bequemstes Arbeiten nur an INTERTYPE- und MIEHLE-Maschinen.

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