Kaschauer Zeitung, Januar-März 1873 (Jahrgang 35, nr. 1-26)

1873-01-29 / nr. 9

6. Gegen die Nordseite hin und zum Sulze der Anlage gegen die rauhen Nordwinde wird ein doppelter Zaun aus zwei Reihen von Bäumen hergestellt, wovon die äußere höhere Reihe aus Waldbäumen, die innere niedrigere aber aus Obstbäumen zu bestehen hat. 7. Außer den Versuchsfeldern für den Aerbau bes finden sich in diesem Entwurfe­ die erforderlichen Parcellen für die Cultur der Handelsgewächse, und abgesondert für diejenige der Gräser, weiters für eine venologische Sam­m­­lung, eine Baumschule und eine für Oberungarn so über­­aus wichtige pomologische Sammlung. Eine Wasserleitung dient zum Bezuge des Trinkwassers aus den Quellen des benachbarten Höhenzugs, ein Theil der Bo­­denfläche wird trainirt, für die ökonomische Benütung des Train­­wassers, für die Herstellung von Teichen zur künstlichen Fisch­­­zucht, für die Berieselung und Cultur der Wiesen und dgl. ist Sorge getragen, indem zur Benütung des Calvarienberger­ Baches zu diesen Zwecken die Vorrichtungen angeordnet sind. 9. Schließlich ist nom hervorzuheben, daß die Anlage der Gebäude des Meierhofes mit zwei mäßiger Berücksichtigung der dortigen Bodenconfiguration entworfen wurde. Herr Gleviczky hat mit dieser Arbeit­ bewiesen, daß er ein tüchtiger Fachmann ist, der seinen Erwerb an Bildung durch müh­­sames Selbststudium weit über die Grenzen seiner bürgerlichen Lebenssphäre hinaus practisch und didakttisch zu verwerthen weiß, und unsere Regierung hat anderseits mit der Annahme dieses Entwurfes den erfreulichen Beweis geliefert, daß es die Sache prüft und hierbei nicht­ darnach fragt, ob der Autor­­ derselben einer Körperschaft von diplomirter Gelehrsamkeit und welcher politischen Partei er angehört, was wir ihr hiermit gerne öffentlich Dank wissen. Allein höher als die Persönlichkeiten, deren Verdienst wir bereitwillig a­nerkennen, steht uns der Gewinn, welchen die Allgemeinheit aus diesem Vorgange zieht, und sprechen wir schließlich den Wunsch aus, es möge sich dieser Entwurf der hiesigen landwirthschaftlichen Lehranstalt in Hinkunft als so vortrefflich bewähren, wie wir ihn err­ichten, und zwar zur Wohlfahrt der Stadt Kaschau und des ganzen großen Vaterlandes ! Neueste Nachrichten. Ungarn. Pest, 22. Jänner. Die Zahl der für die Budget-Debatte vorgemerkten Redner nimmt Tag für Tag zu. Lonyay wird nun doch sprechen, und zwar noch Ghiczy. Nach Lonyay aber wird Soms sich sprechen. Sennhyey ist noch nicht zum Wort gemeldet. — „Pesti Naplo“ erfährt, daß die Re­­gierung demnächst ihr Finanzprogramm entwickeln wird. — Kerkapolyi fährt in der Bankangelegenheit nach Wien. — Die Vertheilung der Erträgnisse aus dem Grenzwäldergeschäft auf die einzelnen Sta­atsausgaben wird durch ein Gesetz geregelt werden, welches während der letzten hiesigen Anwesenheit Mollinary's bereits festgestellt wurde. — Auf Antrag Madarasz' wird im Abgeordnetenhause der Katalog verlesen. Das Haus ist sehr sowach besucht. Agram, 22. Jänner. Die kroatischen Mitglieder des ungarischen Reichstages und der Negnicolar-Deputation wurden schleunigst nach Pest berufen. Oesterreich. Wien, 22. Jänner. Mehrere Abend­­blätter konstatiren, daß in Regierungskreisen volle Zuversicht betreffs Durchführung der Wahlreform herrsche. Die Schlußredaktion des Wahlreformentwurfes erfolgte gestern Abends in einem sechsstündigen von Lasser präsidirten Minister­­rathe. Die Anwesenheit des Cardinals Schwarzenberg hängt mit der montägigen Herrenhausberathung über Universitäts­­reform zusammen, gegen welche der Cardinal auftreten will. — Heute wurde dem Bürgermeister eine Vertrauens-Adresse mit 14.000 Unterschriften überreicht. Hier herrscht wahres Frühlingswetter und war große Praterfahrt, an welcher der Hof theilnahm. — Der Länder Bankenverein wird morgen eine 60- perzentige Einzahlung ausschreiben, wovon die im Feber, die andere in Mai eingezahlt werden muß, eine Hälfte — Der diesmalige Bankausweis ist sehr günstig. Durch Abnahme von Escompte und Lombard ist die Bank- und Staatsnoten-Reserve auf 23%,, die Gesammtreserve incl. Devisenbesitz auf 28% Millionen Gulden gestiegen. — Die Abgeordnetenzahl für Galizien wurde um zwei erhöht, 10 daß der Reichsrath 341 Abgeordnete zählen wird. — Die Nachrags-Forderung der Regierung für die Weltaus­­stellungszwecke ist mit 7 Millionen bemessen ; nach einem Gerüchte hatten Abgeordnetenkreise diesen Posten für zu niedrig bemessen ; es werden mindestens 9 Millionen erfor­­derlich sein. Prag, 21. Jänner. In Folge Erlasses des Unter­­richtsministeriums steht die Einführung eines Lehrkurses für Kindergärtnerinnen an den hiesigen zwei sprachlich verschiedenen Lehrerinnen-Bildungsanstalten bevor. Im Landesschulrathe haben heute die clericalschechischen Mitglieder, durch die offi­­zielle Abwesenheit zweier deutscher Mitglieder begünstigt, die Aufnahme der Religionslehre in den Unterrichtsplan des Lehrkurses durchgesetzt. Der deutscherseits gestellte Antrag eine Lehrerin für den deutschen Lehrkurs aus Deutschland zu berufen, blieb durch denselben Umstand ebenfalls in der Mi­­norität, jedoch wurde ein Separat-Votum angemeldet. Frankreich. Versailles, 21. Jänner. In der National-Versammlung brachte Tolain einen Antrag ein auf Eröffnung eines Credits von 100.000 Francs behufs Ent­­sendung französischer Arbeiter zur Wiener Weltausstellung. Die Dringlichkeit des Antrages wurde angenommen. 22. Jänner. Tenouillat, Decamp und Benot, welche des Mordes und der Brandlegung während der Com­­mune überwiesen wurden, sind heute Früh hingerichtet worden. Es fanden sich nur wenige Zuschauer ein. Bei zehn anderen zum Tode Beru­rtheilten wurde die Todesstrafe in Gefängnishaft umgewandelt. Italien. Ro­m, 21. Jänner. Eine Anfrage Staccardi's über die Beschränkung der Escomptirung bei der Nationalbank beantwortet der Finanzminister Sella dahin, daß er der Bank einen dreimonatlichen Aufschub zur Zahlung der 40 Millionen bewilligt und die von der Nationalbank zu leistende Zahlung von 20 Millionen hinaus­geschoben habe, um dem Handel zu Hilfe zu kommen; auch habe er die anticipir­e Zahlung der Coupons der öffentlichen Rente veranlaßt. Der Minister erklärt endlich, er werde niemals in die Vermehrung nicht convertirbaren Papiergeldes auf Rechnung der Bank einwilligen, weil er der Ansicht sei, daß eine weitere Ausdehnung des Zwangs­­kurses nur im Interesse des Staates geschehen könne. England. London, 22. Jänner. Gestern wurde in Sehffield durch den Herzog von Norfolk und Erzbischof Manning ein katholischer Verein gegründet zur Vereinigung der Katholiken zu einmüthig­em Handeln in katholischen Fragen. Die katholischen Prälaten Irlands hielten in Dublin unter dem Vorsitze des Cardinals Cullen eine angeblich wichtige geheime Sitzung. — Man glaubt, daß die Arbeitseinstellung der Berg­­arbeiter in Südwales bald aufhören werde. — Prinz Napoleon und Prinzessin Clotilde besuchten gestern die Königin Victoria. Amerika. Newyork, 21. Jänner. Vierhundert Soldaten und Freiwillige griffen die in ihren Behausungen bei Klamath (Oxegon) verschanzten Modoc-Indianer an. Nach einem lebhaften Kampfe zogen sich die Truppen mit einem Verluste von 40 Todten und Verwundeten zurück. Lokal-Nachrichten. Das Budget der Stadt Kaschau pro 1873 wird demnächst in der Gemeinde-Repräsentanz fir ein Deficit in Berathung gezogen. — Der Voranschlag der städtischen Buchhaltung beziffert. Einnahmen „den Betrag mit 493.061 fl. 65 fl., 72 fl., wornach Der Magistrat veranschlagt die Einnahmen für das Jahr 1873 mit 490.855 fl. 471.301 19.553 fl. 34­31 kr., die Ausgaben Besprechung dieses höchst . Eine eingehendere wichtigen Gegenstandes, der ein­­zelnen Einnahms- und Ausgabsposten, sowie über städtische Erfordernisse und die Verwaltung der städtischen Regalien bringen wir in den nächsten Nummern dieses Blattes in über­­­sichtlicher Darstellung. — Das Institut der Feuerwehr betreffend, ergeht von Seite der Oberstadthauptmannschaft eine Verordnung, der um dem p. t. Publikum bedeutet wird: die Feuer­­wehr sowohl bei Abhaltung ihrer Uebungen, als Gelegenheit eines Feuer-Ausbruches ten, bei in Ausübung der Pflich­­Hilfeleistung von keiner Weise zu beengen frei zu belassen. =Virilisten für das Jahr 1873. Laut Geset vom Jahre 1870, art. XLII, wurden nachbenannte Höchst­­besteuerte der Rectifications-Commission der Gemeinde in den Gemeinde­­Török Sámuel, Rimanoczy Ferencz, Tschida Mihály, Kéler József, Friedler Károly, Madarász János, Koll­­"mann Vilmos*), Herschkovits Manó, Hoffmann József"), Szabad Ferencz, Schäffer József, Eder Ferencz, Csorba Károly, Schifbeck Mátyás, Dr. Vojnarovits Lipót, Schalk­­ház Lipót, Markó Lajos, Löderer András, Bazel Károly, Czitó Sámuel, Friedmann Sámuel, Maléter Vilmos, id. Vandracsek Károly, Aranyossy Lászlót), Gazsik Ferencz, Francsek Jözsef*), Freyberg Károly, id. Moll József, "Dendely Károly"), Szekerák Gyula"), Spirkó Ágoston"). — Unter den Virilisten ist der Höchstbesteuerte mit 1240 fl. 28 fl. Der Niedrigstbesteuerte mit 339 fl. 76 kr. verzeichnet. — Der „Kaichauer Lehrerverein“ hält am 2. Februar l. Sy Nachmittags 5 Uhr, im Locale der städt. Musikschule, seine erste Generalversammlung ab, und ladet alle Freunde der Erziehung und des Unterrichts zur Theilnahme an derselben höflichst ein. "=, Kaschauer Gesangverein. Von Donnerstag den 30. Jänner an, beginnen die regelmäßigen Gesangs­­übungen, welche wegen der hier herrschenden Epidemie ein Monat lang unterbleiben mußten. — In der grieschischzunirten Kirchengemeinde betrug im Jahre 1872 die Zahl der Gebornen 92, näm­­lich 43 Knaben und 49 Mädchen Die Gestorbenen dieser Gemeinde beziffern sich im abgelaufenen Jahre auf 143, in hievon waren 71 männlichen und 72 weiblichen Geschlechtes, von denen 17 männliche und 19 weibliche, zusammen 37 Personen an der Cholera starben. *) Die mit * bezeichneten Herren sind neueingetretene Virilisten. > Weise zu und die Ausgaben mit 477.412 fl. welche mit 97 fl., stören und 15.648 mit diesem Berufe in Anspruch nimmt in Hammersberg Gábor, Koch Lajos, fl. wornad­ fich welches Károly, Brody József, Szilez István, Gerster Miklós, Hegedüs Varjon fl. 93 kr. ein tr. herausstellen würde, zu beeinträchtigen, kommenden Fällen das Terrain, vorgelegt und als functionirende Virilisten rath aufgenommen : Feldheim Benczúr Vilmos, Lajos, László, Stark Fülöp, János, dei ergibt, verbunden sind, Brosz Jonáth, Adler Münster auch in solch mit Deficit mit keiner vor­­die Feuerwehr zur Ferencz,­­ in­­ ; . Sevilleton. Novelle aus dem Leben eines Musikers. (Schluß.) Die Stürme der Revolution von 1793 standen auf; die heitere Scene veränderte sich ; bekannte Gestalten ver­­schwanden, neue, wunderliche, gräßliche tauchten auf,­­ es war eine furchtbare Zeit.­­­ Etienne Mehul hatte nichts zu fürchten, die Wellen der Volksgunst trugen ihn; er compo­­nirte den Revolutionsmännern “feurige Gesänge und seine Melodien waren auf den Lippen Aller. In den Salons der Aristokraten kannte und liebte man seine Weisen, wie draußen auf den Gassen. Und ein kleines Haus, ganz am Ende des Faubourg Montmartre zwischen Gebüsch und Bäumen, versteht, nannte man Mehul's Haus, und dieses Asyl des Musikers8 war gefeit. Allda wohnte sein alter ehemaliger Lehrer, der gelähmt von Krankheit und gebeugt von Kummer und Screen über die grauenhaften Ereig­­nisse der Zeit, dort eine friedliche Freistatt gefun­­den, mit seiner Tochter, mit deren Freundin. Aber Feder­­ball spielten sie doch nicht mehr — dagegen stand der kleine Etienne am Clavier, den Tad­ schlagend, und Defiide war es, die irgend eine Partitur, irgend eine neue Composition ihres Freundes spielte. Wie schön erschien sie mit ihrer schlanken, hohen Gestalt und mit dem feinen ernsten Antlil und den dunklen, tiefen Augen. Ganz wie "eine heimliche Aristokratin ! — Und daneben die üppige, reizende Marion, das Kind des Volks, die troß der schweren Zeiten ihr Scelmenlächeln nicht verlernt hatte und die man den Son­­nenstrahl des kleinen Hauses nannte, Marion, die mit einer Stimme wie Lerchenjubel die neuesten Gesänge des kleinen Etienne zuerst in die Welt sc metterte. — Da schaute der Musiker bald die Eine, bald die Andere voll Entzüden an, und begegnete bald einem warmen Blik aus Desirevs Au­­gen, bald legte sich Marions runde Hand schmeichelnd auf seine Schulter. Wie köstlich ließ sich's so schaffen, wie flo­­gen ihm die Melodien zu, wie arbeitete sich's so leicht! Bezaubernd, voll endlosen Gla>s erschien ihm dies Leben — bis ihn einmal ein Freund scherzend, fragte: „aber warum heiratest du nicht eine deiner schönen Freundinen ?" Von Stund' an war seine Unbefangenheit dahin. An dies em­e Wort mußte er fortan denken, so oft er die Mädchen­­gestalten sah. Heute blidte er zu Desiree herüber mit dem Entschluß: „sie soll dein Weib werden!” morgen kam ihm derselbe Verlag bei dem verführerischen Lachen Ma­rions. Darüber ging die Zeit hin,­­ Paris wurde wie­­der ruhiger, Desirée Edelmann fing an, Unterricht zu geben, auch wohl sich öffentlich hören zu lassen zu allgemeiner Be­­wunderung und zur stolzen Freude ihres Vaters. — Mas­­rion dagegen sah sich plötzlich als die Erbin des Vermögens einer weit entfernten Verwandten in eine Atmosphäre von Glanz verseßt. Die reizenden Uebungsstunden erlitten Folge dieser Veränderungen bedeutende Unterbrechungen. Da­nn geschah es denn, daß Etienne Mehul an einem Sommer­­abend unter dem Fliederbaum des Gartens der schönen De­­firde die Bitte vortrug, sein Herz und Leben anzunehmen für Zeit und Ewigkeit. Aber wehe — die Tochter seines Lehrers hörte ihn bleich und bebend an, um nachher ihm unter Thränen zu antworten: „Zu spät — Etienne Mes­hul! Seit gestern bin ich die Braut eines Mannes, der mir gelobt hat, meinem Vater sein geliebtes Eigenth­m wie­­der zu­ faufen, nach dem er sich ja so heiß sehnt. In vier Wochen heirate ich den Bürger D . . . — O warum habt Ihr nicht eher gesprochen — ich habe Euch so sehr geliebt, Etienne Mehul !" Und am Tage der Hochzeit Desirée's war es, wir müssen es erzählen, wo Etienne ganz heimlich der kleinen, no< immer hübschen Marion die Frage vorlegte, ob seiner Hand durch das Erdenleben pilgern wolle? — Sie sie an­sah eben gar verführerisch aus in ihrem rosenrothen Taffetkleide mit den zahllosen Buffen und den Rosen im gepuderten Haar. Aber die Kleine lachte ihm in­s Gesicht und­ sagte : „Zu spät Monsieur, einem Jahre noch wäre ich will nun nicht mehr heiraten. Vor ich willig Eure Sklavin geworden, jetzt gefällt es mir besser, selber über Sklaven zu gebieten“. Da hat denn der kleine Etienne aus Givet gar nicht geheiratet und sich mit dem Glüc begnügt, ein berühmter Mann zu sein. Und alle Lehren seines großen Meisters hat er gewissenhaft befolgt, nur die eine nicht : „Hütet Euch vor der Liebe“. Manch schönes Augenpaar hat ihm für eine Weile das Herz schwer gemacht. Aber melancholisch wurde er deshalb nicht, denn er war — kein Deutscher und ein wahrhafter und echter Musiker, bei dem Alles, Freude wie Leid, zur klingenden Weise wurde, die in der Luft lang­­sam verhallte. Geliebt und geehrt pilgerte er heiter weiter bis an sein seliges Ende. — Etienne Mehul, der vielgefeierte Com­­ponist des „Joseph in Egypten“ starb im Jahre 1817 als Professor des Pariser Conservatoriums und Mitglied der Ehrenlegion. Und sie sind doch am Besten daran von uns Allen, denen die Töne die Lasten vom Herzen nehmen. -

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