Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1873 (Jahrgang 35, nr. 79-105)

1873-10-25 / nr. 86

, Kaschau, Samstag 25. Lem­ber XXXV. Jahrgang 1873. nn oo. po on un Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für­ Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 sendung fr., mit Postver­ 1 fl. 50 fr. Pränumeration wird jeden Tag angenom­­men bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­ten Postanstalten u. Buch­­handlungen. Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. — Inseratenstem­pel 30 kr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigung­­en und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Her­­ren A. Oppelik, Wollzeile Nr. 22, Haassenstein , Vogler, Neuer­ Markt Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition. Megjelen minden Szerdän 68 Szombaton, unfrankirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. Fokalblatt für Volks-, Haus- und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. 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Der finanzielle Saame, welchen beim Wieder­­erwachen unseres constitutionellen Lebens der damalige Finanz­­minister Lonyay gesägt, hat schnell in die Halme geschossen, in der Blüthezeit wurden Schulden gemacht, und die Ernte brachte uns, ganz der Saat entsprechend, taubes Korn, nämlich leere Staatscassen, und statt die gemachten Schulden abzahlen zu können, sind wir in der schönen Lage neue Schulden zu machen, d. h. wenn man uns gegen 15 bis 189­9 Zinsen noch etwas leihen möchte, denn unsere finanzielle Mißwirthschaft und unsere Justizmisere sind ganz und gar nicht geeignet uns im Auslande besonders creditfähig zu machen. Was hätte seit den sechs lezten Jahren, in welchen uns unser Selbstbestimmungsrecht wieder eingeräumt war, Alles geschehen können, wenn wir statt banquerotte Juristen, tüchtige Männer des gesunden Mittelstandes aus den Handels­­und Industriekreisen als Abgeordnete in das Parlament gefickt hätten, und was ist geschehen ? Statt an der Consolidirung des Landes zu arbeiten, statt eine gesunde finanzielle Basis zu schaffen, die Justizgeseßgebung zu regeln, besonders ein gutes Handels- und Wechselrecht zu schaffen, würde nur an den staatsrechtlichen Zopf herum gezupft; die finanzielle Lage gleicht einem Chaos, die Nichter urtheilen zum Theile noch nach einem dem 14. Jahrhunderte ent­­stammenden Codex, oder sind oft in Verlegenheit auf Grund welchen Gesees sie überhaupt ein Urtheil fällen sollen, daher sie oft genöthigt sind das verpönte k. k. österreichische bürgerliche Gesetbuch zu Hilfe zu nehmen , die uns unterm absolutistischen Regime hergerichteten Straßenzüge gleichen nach dem ersten Regenwetter nur noch Morästen, und zu all’ dem Elende kommt noch der Spott des Auslandes, welches succesive beginnt unser Land nach der Türkei zu rangiren. Jetzt endlich rafft man sich zusammen, jetzt denkt man an's Sparen, indem der Status des Beam­tenkörpers reducirt werden soll, aber die Soldatenspielerei wird im vollen Glanze aufrecht­erhalten, obgleich dieselbe das Mark des Landes auffrißt, und fortwährend uns in neue Schulden hineinreißt ; für volle Regimenter, stattliche Honv8d-Bataillone und Escadrone opfert man das Gut und Blut der Bevölkerung, wenn auch dabei Alles zu Grunde geht, das macht nichts ; dafür wurden dem Herrn Kriegsminister vom alten Soldatenkaiser Wilhelm über das stattliche Aussehen der vor ihm ausge­­rückten Paradetruppen Complimente gemacht; was ist gegen solch kaiserliche Complimente der etwa in Aussicht stehende moralische und materielle Banquerot eines Landes. — In Oesterreich hängt der Himmel voller Geigen, da bei den direkten Wahlen zum Reichsrathe die Verfassungs­­partei einen eclatanten Sieg davon getragen. Der zum Besuche in Wien anwesende deutsche Kaiser amüsirt sich dort sehr gut; er hat bereits die Weltausstellung besucht, wo er dagegen in der französischen Abtheilung demonstrativ feindlich, in der deutschen Abtheilung mit Enthusiasmus empfangen wurde; im übrigen lösen sich zu Ehren des hohen Herrn, Militärparaden, Schauspiel und Festessen eins das andere ab. — Frankreich steht wieder einmal an einem Wendepunkte seiner Geschte ; es ist nämlich den dortigen Königsmachern gelungen den Grafen von Chambord bei einer Zusammen­­kunft in Salzburg zu vermögen, in der Fahnenfrage einige Concessionen zu machen, wonach die Tricolore beibehalten, jedoch mit einer weißen Einfassung zu versehen sei. Die übrigen Abmachungen anbelangend, so soll die Nationalver­­sammlung den Grafen von Chambord ohne Beschränkung und ohne Vorbehalt zum König proclamiren, und der König in spe wird hierauf die Kammer beauftragen, eine Vers­fassung zu entwerfen, welche die neue Basis zu den Beziehungen zwischen Frankreich und dem Monarchen sein würde ; damit will man es ermöglichen, daß der Prätendent seinen Prin­­zipien treu bleiben kann, oder mit anderen Worten: Frank­­reich muß zum Kreuze kriechen.“ Hierauf wird der Graf von Chambord beweisen, „daß er ein Mann seiner Zeit sei“ und „die Freiheit liebe”, aber „um die Krone schachern,­­nämlich dem Volke seine Frei­­heiten und constitutionellen Errungenschaften garantiren) wird er nicht“. Wenn nur der Königscandidat sammt seinem ultra­­montanen und feudalen Anhange nicht wieder einmal die Rechnung ohne den Wirth, d. h. ohne die Franzosen, ge­­macht hat ; denn es sollte uns sehr wundern, wenn Frank­­reich, in welchem die republikanische Idee ziemlich feste Wurzeln gefaßt hat, sich mir nichts dir nichts einen gekrönten Popanz mit einer Ruthe in der Hand auf den Kopf stellen lassen sollte. — Die in deutscher Sprache abgefaßte Antwort des deutschen Kaisers an den römischen Papst wirbelt noch viel Staub auf, befriedigt aber im Allgemeinen alle liberalen Elemente aller Länder. Kaiser Wilhelm soll übrigens an der Abfassung seiner Antwort sich persönlich betheiligt, und Saß für Satz mit dem Fürsten Bismark vereinbart haben. Eigenhändig hat der Kaiser nur die Ergebenheits - Ver­­sicherungen und die Unterschrift dem Dokumente zugefügt. Den Herren Ultramontanen ist der Briefwechsel über­­haupt sehr unangenehm; der Cardinal - Staats - Secretär Antonelli soll weder von dem Inhalte, noch von der Abe sendung des päpstlichen Briefes etwas gewußt haben ; über­­haupt soll derselbe ein Machwerk der Jesuiten sein, womit sich dieselben aber gründlich blamirt haben ; endlich überlebt sich Alles, auch die Jesuiten. Aus der Türkei meldet der Telegraf wichtige Neuerungen, nämlich: G Säcularisation der Kirchengüter, Einführung des Tabaksmonopols, des Stempeltarifes, Auf­­hebung mehrerer den Aufschwung des Landes hemmende Steuern­de. Ferners hat der Sultan dem Staatsfchate sieben Millionen Pfund in Consolides aus seiner Privatchatouille zur Disposition gestellt, um den finanziellen Operationen des Staates Erleichterungen zu verschaffen. Kritik über die Entscheidungen der Wiener Weltausstellung3-Jury. Gleich nachdem die hochweise Jury der Weltaus­­stellung ihre Edicte bezüglich der zur Ausstellung gelangten Objecte erlassen und die Vertheilung der diversen Medaillen, Diplome 2c. vorgenommen hatte, schwirrten verschiedene Gerüchte in der Luft herum, welche die Gerechtigkeit der diesbezüglich gefaßten Beschlüsse stark in Zweifel zogen; nachdem wir jede< in Betracht nahmen, daß diese Jury aus den bedeutendsten und angesehensten Männern aller Länder zusammen­gestellt war, in deren Absicht es doch nicht liegen konnte sich dur„ Begehung von eklatanten Ungerechtigkeiten vor der ganzen“ civilisirten Welt zu compromittiren, so unters ließen wir es bisher, unsererseits diese so mäßige Angelegenheit vor das Forum der Oeffentlichkeit zu bringen. Die uns mittlerweile zugekommenen Nachrichten stem­­peln jedoc diese Gerüchte zu Thatsachen, daher wir im Interesse der Gerechtigkeit nicht umhin können, diesen Gegen­­stand einer näheren Besprechung zu unterziehen. Es wird uns unter vielen anderen Daten mitgetheilt, daß ein Aussteller seinem Concurrenten das Ausstellungs­­object stahl und es der Jury als sein eigenes vorwies. Obgleich nun denselben Tag noch die Polizei das gestohlene Ausstel­­lungsobject erüb­te, dasselbe dem­­ Eigenthümer zurückstellte und den Dieb verhaftete, so erhielt doch durch Chich der Jury der­ Dieb die Medaille, der Bestohlene aber, der Erzeuger und Aussteller des prämürten Objectes ging leer aus, troßdem die Jury von dem Vorgefallenen amtlich in Kenntniß gefegt wurde, damit sie den Bestohlenen und nicht den Dieb als Aussteller betrachte. Sehr viele, die gar nict ausgestellt hatten, wurden prämiert, ja fast in alle Länder kamen Medaillen und Diplome für Personen die Nichts ausgestellt hatten. Ein Uhrschlüsselfabrikant in Genf protestirte in den Zeitungen gegen eine ihm auf der Wiener Weltausstellung verliehene Auszeichnung, da er auch nicht im Traume daran gedacht hatte, diese Ausstellung zu beschten. Der englischen Ausstellungscommission wurde bis jetzt von sechs Engländern offizielle Mittheilung, daß sie Prämien erhielten ohne ausgestellt zu haben, und es gibt so ziemlich sein Land, bei dessen Ausstellungskommissären nicht ähnliche Proteste oder Erkundigungen verwunderter und überraschter „Ausgezeichneter“ einliefen und fortdauernd einlaufen. Diese und unzählige andere derartige Vorkommnisse veranlaßte die Aussteller, aus ihrer Mitte eine Deputation an den Präsidenten der Weltausstellung Erzherzog Rainer zu entsenden, um demselben eine bezüglich dieser Anstände von der Gesammtheit der Aussteller beschlossene Petition zu überreichen. Die Petition ist ein recht umfängliches Actenstü> und wird überdies von m­it weniger umfänglichen Beilagen und zahlreichen Beweis- und Belegschriften begleitet. Die Peti­­­tion selbst erhebt vom prinzipiellen Standpunkte und unter prinzipiellen Gesichtspunkten Beschwerde ; die Aufzählung der Besc­hwerdepunkte geschieht in einer eigenen Tabelle, die eine der Beilagen bildet, und die übrigen Beilagen führen die einzelnen Fälle, die zur Kenntniß des die Angelegenheit lei­­tenden Comit6­8 bisher gelangten, vor.­­ Der Tenor des SchriftstüFes ruht in den folgenden Sagen: „Wir sind überzeugt, daß Euere kaiserl. Hoheit uns beistimmen werden, daß diese Entscheidungen, welche im Widerspruche mit so vielen Paragraphen des Organisations­­statutes stehen, unmöglich aufrecht­erhalten werden können. Es liegen Fälle vor, welche nicht nur die Interessen der Aus­­steller, sondern auch das Rechtsgefühl jedes Unbetheiligten verlegen. Wir erlauben uns aber Euere kaiserl. Hoheit be­­sonders darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn auch nur durch einen einzelnen Fall das öffentliche Vertrauen in die Entscheidungen der Jury erschüttert wird, ein nachtheiliges Licht auf alle Aussprüche der Jury fällt und daß dadurch selbst diejenigen Auszeichnungen, welche unter strenger Beob­­achtung der organisatorischen Bestimmung mit größtem Recht und Verdienst verliehen wurden, entwer­tet werden. Es steht daher das Interesse aller Aussteller ohne Ausnahme­ auf unserer Seite“. „Die hohe Generaldirection hat die Beschwerden ein­­zelner Aussteller bisher mit dem Bescheide abgewiesen, daß die internationale Jury sich aufgelöst, ihre Thätigkeit ge­­schlossen habe und Niemand zur nachträglichen Änderung ihrer Beschlüsse befugt sei“. ee „Wir geben die Richtigkeit dieser Auffassung allerdings zu, bestreiten­ aber, daß in irgend einem Paragraph­ des all­­gemeinen Reglements oder des Organisationsstatutes der Jury die Möglichkeit einer Nachprüfung ausgeschlossen sei. Es­­liegt vollständig in der Macht und Competenz der k.k. Com­­mission der Wiener Weltausstellung und der Generaldirection­,“ die Zusammenberufung einer zweiten Jury zu beschließen, welche ihre Arbeiten, da sie unter Beachtung der Protocolle der ersten Jury nur diejenigen Beschlüsse zu prüfen hätte, welche sich auf die Objecte, gegen deren Veurtheilung Bes­­c­hwerde geführt wird, beziehen, in sehr kurzer Zeit vollendet haben könnte“. ae Die Einberufung einer zweiten Jury oder einer inter­­nationalen Commission von Fachmännern „zum Zwecke der Prüfung der eingelaufenen Beschwerden und der nachträg­­­lichen Ueberprüfung der unrichtig oder gar nicht beurtheilten Obdrrecte“ ist denn auch das Begehren, welches das Schlup­­pen­tum der Adresse stellt. Die erhobenen Beschwerden gliedern sich in 12 Gruppen. Sie werden erhoben: 1. Wegen nicht statutengerechter Expertenernennung. (8. 6.d. O. St.) selben 2. Wegen Beurtheilung von Objecten durch für die­­nicht competente Gruppen- und Sectionsjury's. (8. 9.d. O. St.) 3. Wegen unterbliebener Prüfung der beurtheilten Objecte. (8. 10 d. O. St.) 4. Gegen Beschlüsse, die in nicht stimmfähigen Jury- Situngen gefaßt wurden. (8. 15 d. O. St.) 5. Gegen die erfolgte Prämiirung von Mitgliedern der Jury. (8. 15 d. O. St.) 6. Gegen die Beurtheilung und Prämiirung von Ob­­jecten, die gar nicht ausgestellt wurden, oder aber freiwillig „außer Preisbewerbung“ erklärt wurden. (8. 16 b. O. St.) 7. Wegen der unterbliebenen Beurtheilung der einzelnen Theilnehmer von Collectivausstellungen. (8. 17 b. 9. St.) ; ; Bi Ds

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