Kaschauer Zeitung, Januar-März 1879 (Jahrgang 41, nr. 1-37)

1879-01-14 / nr. 5

­ — Laut Zuschrift des Stuhlweißenburger Landes- Ausstellungs-Comites machen wir alle Diejenigen, welche die Ausstellung beschrken wollen, aufmerksam, daß sie ihre Anmeldungen behufs Erleichterung der Arbeiten des mit der Raumeintheilung betrauten Comites, bis 15. Februar S. 9. bewerkstelligen mögen. Der Termin der Anmeldungen ist bis 1. März l. IZ. festgelegt; wegen Annahme später ange­meldeter Gegenstände — so weit es der Raum zuläßt — bestimmt von Fall zu Fall das Bewerkstelligungs-Comits. Gleichzeitig sind wir in der Lage mitzutheilen, daß die Thier­­ausstellung nach neuerlicher Bestimmung nic­ht bis zum Schluß der Ausstellung, sondern vom 2. Juni bis 7. desselben Monates abgehalten wird. — Rechtliche Stellung der Apotheker. Der Cassa­­tionshof hat in seiner jüngsten Plenarfigung folgenden Be­­schluß gefaßt: Die Apotheken fallen im Sinne des 8 128 des Sanitätsgesezes nicht unter das Gewerbegeseß und sind demselben auf im Sinne des Punktes 1­­8 105 des Gewerbegesetzes nicht unterworfen. Daher können auch die in den Apotheken angestellten Gehilfen nicht als Gewerbe-, beziehungsweise Handlungsgehilfen angesehen werden, woraus folgt, daß zwischen den Apothekergehilfen und ihren Prinzipalen auftauchenden Streitigkeiten nicht vor die Gewerbebehörden, sondern vor die Gerichte gehören. Die Eigenthümer der Apotheken sind aber als Kaufleute anzusehen, da sie sich mit dem Kaufe und Verkaufe von Waaren beständig beschäftigen und dies ihre bestän­­dige Erwerbsquelle bildet. Solche Geschäftsleute sind im Sinne des § 3 des Handels­gesezes ausnahmslos als Kauf­­leute zu betrachten. Dies folgt auch nor aus § 127 des Sanitäts­gesetzes, nach welchem die Geschäftsbücher der Apotheker zu den anderen kaufmännischen Büchern gerechnet und mit der Beweiskraft ausgestattet werden, die im Sinne des 8­31 des Handelsgesetzes blos den Büchern der protokollirten Kaufleute zukommt. — Aufhebung der Verkaufsverbote. Der Handels- Minister hat — wie dem „P. Lloyd“ mitgetheilt wird — die Verordnung eines Comitats­-Vicegespans, mit welcher den Händlern und Verkäuferinen der Einkauf vor einer bestimmten Stunde untersagt wurde, mit folgender Motivirung außer Kraft geb­t: Es ist aus wirthschaftlichen Gründen wünschenswerth, daß die Einkaufs- Verbote nach Möglichkeit beschränkt und mit der Zeit ganz aufgehoben werden. Dies vorausgeachtet, muß bemerkt werden, daß die sogenannten B Verkaufsverbote bes­­onders im vermeintlichen Interesse der Consumenten erlassen werden; do< verlegen dieselben nicht nur die individuellen Rechte eines Theiles der Käufer, sondern sie lassen auch die Interessen der Verkäufer außer Acht. Die Lektoren bleiben aus­­ diesem Grunde in einem solchen Falle von dem Markte fern und wenden sich einem solchen Markte zu, wo die Unbeschränktheit der Nachfrage eine natürliche Preisbildung gestattet.­­Diese Verordnung des Herrn Ministers beweist, daß er sowie manches andere seines Ressorts, auch die Marktverhältnisse nicht kennt. Mit bloßen Theorieen, die sich sehr hübsch am Papier ausnehmen, läßt sich aber in der Praxis den thatsächlichen Bedürfnissen des Lebens nicht abhelfen. D. Red.) — Aus der Kaschauer Diöcese. Se. Hochw. Josef Fabian, Pfarrer von Kavecsa", hat auf vorbenannte Pfarr­­pfründe resignirt und unser Didcesan-Bischof diese Resignation acceptirt. Aus Anlaß dessen soll — wie wir vernehmen — Hochw. Pfarrer Fabian auch wohlthätige Legate für Diöcesanzwee gemacht "haben. — Das Ballfest der Kaschauer academ. Bürger, welches Samstag im großen Redoutensaale abgehalten wurde, reihte sich seinem Vorgänger, dem ersten Juristen - Balle, glänzend an. Dem rührigen Comite war es gelungen Frau Gräfin Hadik-Barköczy als Ladi Patroneß zu ge­­winnen. Dieser Ball verdient durch seine Antezedentien und die getroffenen Vorbereitungen zu den elegantesten der Saison gezählt zu werden. Der Saal wurde durch den hiesigen Kunst­­gärtner Herrn Uhl in einen lebenden Blumengarten verwandelt und die durch Herrn 3. Ratkowsky besorgte Decorirung war — was Feinheit des Geschmades anbelangt — tadellos, hervorleuchtend und ausgezeichnet schön. Beim Eintritt in den Saal rief das ganze Panorama die Erinnerung an jenes glänzende Ballfest in uns nach, welches im Jahre 1872 die Herren Eisenbahn-Ingenieure hier veranstatet hatten. In ungezwungener Heiterkeit wurde Terpsihoren bis zum Morgen gehuldigt und Allen, welche an diesem Ballfeste theilnahmen, wird es in „angenehmer Erinnerung bleiben. “ Eine Unbekannte. Im verflossenen Jahre am 24. November starb in unserem Comitate, in Bölzse, eine unbekannte junge Frauensperson in einem Alter von etwa 24 bis 25 Jahren, ohne daß ihr Name, ihre Abstammung oder Zuständigkeit bekannt geworden wäre. Niemand weiß wer sie war, woher sie kam und wohin sie sich eigentlich begeben wollte. Betreffenden durch diese Publicirung auf den Sterbefall hin­­lenken und die Angehörigen hiedurch von ihrem Hinscheiden etwa eine Kunde erhalten würden, schalten wir hier­ ihre Per­­sonenbeschreibung ein: Ihre Größe betrug 160 Zentimeter ; ihr Teint war gelblich-braun ; die Haare braun; das Gesicht länglich; die Augen blau; die Nase regelmäßig; der Mund groß; die Lippen offen; derart, daß die obere Zahnreihe zu sehen war ; die Zähne groß und gesund; die Hände fein und klein. Be­­sonderes Kennzeichen : ein im rechten Ohr befindliches silbernes Ohrgehänge. — Unglücksfall. Sonntag in der Mittagsstunde ver­­unglückte der schon seit längerer Zeit bei der Theißbahn am hiesigen Bahnhof als Wagenputzer angestellte, aus Livo (Sar. Com.) gebürtige Jos. M­aczko, und zwar im Dienste, durch eigene Unvorsichtigkeit bei Uebertragung der Wärm­­flaschen, während eine Verschiebung stattfand. Der Unglückliche wurde überfahren und todt von der Stelle getragen. Er hinterläßt eine Witwe mit 3 unmündigen Kindern. — Der Ausgang von dem Bahnhofgebäude hier, war am verflossenen Sonntag in so schlüpfrigem Zustand, daß mehrere mit dem Abendzuge anfangende Reisende eine unfrei­­willige, ganz unerwartete Erschütterung erleiden mußten, indem sie mit Sach und Bad zu Boden stürzten. Wir sind überzeugt, der Herr Stationschef wird so freundlich sein, diese schlüpfrige Passage in Hinkunft bei ähnlichen Witterungsverhältnissen mit Asche, Sand oder Sägespänen bestreuen zu lassen, um mögliche Arm- oder Beinbrüche zu verhindern. — Verlorene Wäsche. Der hiesige Hausdesiger Josef Weinfeld pflegt die Wäsche im größerer Menge auf seinem Gute in Lapispatak reinigen zu lassen. Gestern glitt ein ganzer Bad in welchem 140 Stüd diverse Tisch- und Leibwäsche enthalten waren, auf dem Wege von der Faulgasse­­ bis zur großen Brühe vom Wagen, ohne daß der Verlust durch den Kutscher früher wahrgenommen worden war. Die Wäsche ist theilweise mit dem ganzen Namen „Weinfeld“, theilweise mit I. W. bezeichnet. Der Finder wird aufgefordert, den Fund im Stadthauptmannamte gegen eine angemessene Belohnung zu deponiren ; andernt­eild wird vor etwaigen An­­kauf dieser Wäsche gewarnt. — Zu Gunsten der Armenküche sind der Admini­­stration unseres Blattes noch machverzeichnete hocherzige Spenden zugekommen, und zwar: Von Baronessen v. Meltzer fl. 5. —, von Frau Martha Neuhold 50 kr. Zu Gunsten des Fröbelgartens und des Waisenhauses wurde ferner von Frau Martha Neuhold 1 ff. gespendet. Diese milden Gaben wurden ihrer Bestimmung zugeführt und wird gleichzeitig hiefür der Dank der Armen ausgesprochen. Zu Gunsten der Armentüde werden welch immer geringe Gaben noch ferner erbeten, und dankend quittirt. — Typhuss&pidemie. In S.-A.-U­jhely grassirt der Typhus in erschre>ender Ausdehnung. Wie man schreibt werden besonders Frauen aus den bessern Ständen von dem­­selben ergriffen, doch kam bis jetzt noch kein Fall mit tödtlichem Ausgang vor. — Zeichen der Zeit. Bei den ungar. Instituten der Oesterreichisch- Ungarischen Bank sind zwölf Amtsdiener-Stellen zu besetzen. Wie „Pesti Naplo“ mittheilt, sind um diese zwölf Stellen 1600 Gesuche eingelaufen. — Unter den Petenten befinden sich aug vormalige Advocaten. — Ein schreiliches Grubenunglüc. Im Hodrus­­bänhyaer Leopold-Stollen ist — wie man aus Schemnit telegraphirt — vorgestern in Folge der Unvorsichtigkeit der Grubens Arbeiter Feuer ausgebrochen. Der Bergwerks-Beamte Geza Nagy und zwanzig Gruben-Arbeiter, zumeist Familienväter, wurden todt aus dem Stollen geschafft. Wahrscheinlich sind noch weitere Opfer zu beklagen. — Ein Wiener Preiswettfrisiren. Donnerstag Abends hatte sich in den Blumensälen eine höchst zahlreiche Gesellschaft eingefunden, welche vor Mitternacht theils frisirte, theils frisirt wurde und nach Mitternacht tanzte. Die Ge­nossenschaft der Friseure Bat , ihren Mitgliedern und deren schönen Hälften es jeder Richtung vergnügten Abend In der Absicht, daß Yale viel leist die Aufmachsamtilt pre ee DGE: Ich Nichten Ernie DUE bereitet, denn das Frisiren, sowie nicht minder das Tanzen stand auf der Höhe der Zeit. Das Publikum hatte im großen Saale zwischen dem Orcester, welches das Frisiren mit Thönen Walzern accompagnirte, und der Estrade, auf der die Friseure ihre Kunst zeigten, Posto gefaßt. Zuerst kam ein Schaufrisiren, welches etwas unbeachtet vorbeiging, da dessen Bedeutung nicht ganz klar war. Diesem folgte das Conk­­urrenz-Frisihen. Ernst schritten neun Paare zur Cstrade, die Damen nahmen auf den bereitstehenden Sesseln Platz, die meisten lösten sofort mit großer Geschielichkeit ihr Haar und warteten geduldig, heiter lächelnd, auf den Augenblic, wo das Zerstörte wieder aufgebaut werden sollte. Hinter ihnen standen die Herren, jeder einzelne kampfbereit, wie Soldaten, die dem Commando zur Schlacht entgegenharren, den Kamm in der Hand schwingend. Endlich ertönte das Glo>enzeichen. Der Vorstand der Genossenschaft gab bekannt, daß jeder Friseur 30 Minuten Zeit habe, seiner Dame den Kopf zurecht zu ri<ten. Wer länger brauche, sei von der Concurrenz aus­ gesclossen. Es war halb 11 Uhr, als die neun Friseure begannen. Das Publikum schaute voll Spannung und offenbar voll des lebhaftesten Interesses auf den Frisirkampf. Man hörte fleißig den Austausch sachverständiger Bemerkungen über diese und jene Frisur, den Aufbau des Haares, mehr oder weniger kunstgerecht erscheinenden als piöklich das Orchester einen Tusch in die Versammlung hineinschmetterte. Der erste Friseur war fertig. Nach sechs Minuten! Die Dame, die in so fabelhaft kurzer Zeit frisirt war, zeigte triumphirend ein Papier herum, auf welchem eine Nummer stand. Um nämlich den Verdacht nicht aufkommen zu lassen, als ob etwa die Friseure nur solche Damen bekämen, welche sie täglich frisiren, so daß die Kunst unter der Uebung leiden könnte, sind die Damen ausgelost worden, worauf der Friseur die Nummer der ihm zufallenden Dame Damen erhielt. Innerhalb 28 Minuten waren dann sämmtliche in completer elegantester Ballfrisur. Das Orchester war so artig, neunmal Tusch zu blasen. Nach 11 Uhr begann das Sculerfrisiren. Die Genossen­­schaft hat eine Fachschule, deren Angehörige nun zeigen sollten, was sie gelernt haben. Die öffentliche Aufmerksamkeit concen­­trirte sich indessen ausscließlich auf das Concurrenzfrisiren, während das Soulfrisk­en nur ein etwas spärliches Publikum fand. Während ein Theil des jungen Volkes schon beim Tanze war, befaßte sich die Jury non immer mit der schwierigen Aufgabe, wem die Preise zuzusprechen seien. Denn als maß­­gebend erschien nicht allein Schnelligkeit, sondern auf der Ge­schmach und die Phantasie, mit der die Frisuren arrangirt wurden. Die Jury nahm ihre Aufgabe so ernst, daß sie sänstliche Damen, die im Ballsaal frisirt wurden, zu sich ins Berathungszimmer bat, wo deren Frisuren, einer genauen Be­­sichtigung und Prüfung nach allen Regeln der Friseurkunst unterzogen wurden. Nach 12 Uhr wurde von der Jury das Ergebniß der Berathungen, zunächst bezüglich des Concurrenz- Frisirens, publizirt. Den ersten Preis, eine goldene Medaille erhielt Herr V. F. Pillat für eine Frisur, vorne a la Pom­­padour, oben offene Scleifen, rückwärts zwei über die Finger frisirte Lo>en. Der zweite Preis fiel Herrn Janik zu: Frisur ohne Bund aus nicht gebrannten und nicht präparirten Haaren, vorne schief getheilt, Schläfenhaare rü>wärts ausgezogen, von dem oberen Stirnhaare zwei Locen gedreht, nach rücwärts frischt, das rüFwärtige Haar in vier Theile getheilt, die oberen zwei Theile über's Kreuz geschlungen, die unteren Theile in Locken hinaufgedreht, dann links und rechts die verschlungenen Theile in Lo>en gedreht, nach vorn gelegt und die Enden nach rüFwärts gedreht. Den dritten Preis erhielt Herr Körber für eine Frisur a la Pompadour mit offenen Schleifen. Aus Heimat und Fremde. emez eze SR SZS NS RENI EE I FETT LG Seuilleton. Das Haus an der Promenade. Novellette von W. H. (Fortsetzung.) Statt aller Antwort küßte er flüchtig die todtkalte Hand der alten Dame und dann fuhr diese fort. „Es kam zum Bru, wir trennten uns ohne Abschied, ohne einen guten ver­­söhnlichen Gedanken und bald darnach heirathete ich, von Trotz und Widervergeltungssucht getrieben, meinen später verstorbenen, damals s<on sechzigjährigen Gemahl, wodurch dann die arme Clavierlehrerin plöglich zu einer der reichsten Damen der Stadt erhoben wurde, während Hermann und Charlotte be­­ständig unter dem Druck der kleinlichsten Sorgen zu kämpfen hatten und endlich durch eine längere Krankheit, die ihn befiel, vollständig ruinirt wurden. Wie verödet und unselig es in Meinem Herzen aussah, darüber lassen sie mich so weigen, Herr Doctor, ich Unglück irgend lebte nur dann wirklich, wenn mir von Charlottens eine Nachricht zu Ohren kam, ich betete Tag und Nacht um Gottes Strafe für die beiden, welche mich so furchtbar betrogen hatten. Und als endlich Hermann gestorben war, da konnte ich es kaum erwarten, bis seine Witwe, mit drei Kindern dem bittersten Mangel preisgegeben, bei mir um Barmherzigkeit bitten würde. Sie konnte nicht anders, ich wußte es, ihr blieb kein Ausweg. Und dann kam die Stunde, welche mir, meiner Meinung nach, den höchsten Triumph des Lebens bringen sollte. Char­­lottend vergrämtes, kaum no< erkennbares Antlig sah mir entgegen, schuldigen sie brachte ihre Kinder, zeigte der Betrogenen die in Geschöpfe, in deren Gesichtern ihre eigenen und Hermanns Züge so untrennbar verschmolzen waren, und­­­ bat für diese Kinder um ein Stüc Brod,­­ sagte, daß die Waisen Dunger litten ! In mir stürmte es und frohlobte es, daß ich kaum klares Bewußtsein behielt. So reich, so überreich entschädigte mich das Sisal ! Io führte sie doch mein ganzes Haus, ließ die Arme all den Glanz und das Behagen sehen, worin ich so weigte, ich gab ihr auf das, was sie sagte, auch nicht eine einzige Ant­­wort, so daß sie mich zuweilen scheu ansah, als seine ihr mein starrer Bli> beängstigend, — dann führte ich sie zurück in dies Zimmer und stand nun vor ihr, wie sie einst vor mir gestanden, damals, als ich die Verarmte war und sie die Siegerin. Heute gehörte mir alles, — ihr nichts! Berauschende Freude erfüllte mein Herz. Io sagte ihr, daß sie von mir auch nicht eine Brodrinde zu erwarten habe, daß ich Tausende über Tausende mein eigen nenne, ihr aber nie auch nur einzigen Pfennig geben würde. Hier an dieser Stelle war es, wo ich ihr hohnlachend nachsah, als sie mit den erschreckten Kindern fortging, wo ich fanatische Freude empfand, als sie auf der Straße ohnmächtig zusammenbrach und davongetragen wurde. Wieder verging eine Pause, erst nach längerer Zeit fuhr die Greisin fort zu sprechen. „Nach dieser Stunde kam lang­­sam der Racschlag. Hermann war todt, der verzehrende Groll, ihn in den Armen einer Andern zu wissen, allmählig verflogen und eine dumpfe Betäubung war an­ dessen Stelle getreten. Charlotte hatte die Stadt verlassen, ich hörte von ihr nichts wieder. Allmählich aber begann ich m ich zu fragen, ob nicht meine Härte gegen sie, die Unglückliche zu einem verzweifelten Schritt getrieben haben könne. Unter der Hand eingezogene Erkundigungen fruchteten nichts, ich trug die geheime innere Unruhe mit mir herum, bis einige Jahre später mein Mann starb und ich, nun im Besitz meines großen Vermögens, nach allen Richtungen freie Hand erhielt. Aber völlig vergebens ! Die besten Advocaten bemühten sich ohne irgend ein Resultat, die Zeitungen aller Länder brachten Aufrufe und verhießen Be­­lohnungen, — alles umsonst. Meine Boten kamen leer zurück, Charlotte war und blieb verschollen, in einer kleineren Stadt Dänemarks gingen ihre Spuren verloren und Niemand wußte, wohin sie sie von dort aus gewendet. So oft sich eine Nach­frage als vergeblich erwies, durchlebte ich schredliche Stunden, „bis zuleßt alle weiteren Bemühungen unterblieben und für mich das isolirte Leben begann, welches ich seit einem halben Jahrhundert führe. Mehr und mehr hat mich der Zauber umsponnen, enger und immer enger hält mich der Bann meiner furchtbaren Schuld gefangen. Hier war es, wo ich die Arme von mir wies, da draußen vor den Fenstern trugen fremde Hände den leblosen Körper davon, dieser Plan wurde für meine geängstigte Seele der einzige, an dem er mich noch litt. I< spähte gleichsam aus nah der Verschwundenen, ich that Buße mit jedem Athemzug. Und allmählich unter fruchtlosem Harren kamen die Jahre, in denen meistens der Mensc zu sterben pflegt. Was mit mir jung gewesen, das ging Eins nach dem Andern heim, nur mich selbst vergaß der Tod, ob­­gleich ich ihn heimlich rief und dom auch wieder ein eisiges Grauen empfand, so oft er sich mir zu nähern schien. Wollte ich denn sterben? Kam nicht nach dem irdischen Tode das furchtbare mystische Etwas, das wir Gericht und Verantwortung nennen ? Aber auch diese Zeit ging vorüber, eine spätere Gene­­ration sank in das Grab, — ich lebte immer noch. Längst waren alle Zweifel, alle Befürstungen geschwunden, ich wollte nur erlöst sein von dieser Erde, nur vernichtet werden, schlafen dürfen, ich rief laut und verzweifelt den erbarmungslosen Tod, um ihn dennoch nie herbeiziehen zu können. JH soll nicht sterben, soll leiden, leiden, bis Charlottens Kinder gefunden sind!" ... Die alte Dame schwieg völlig erschöpft, sie lehnte den Kopf in die Polster zurück und sah so mit geschlossenen Augen weit mehr einer Leiche, als einem lebenden Menschen ähnlich. Der Advocat klingelte der Dienerin. Als diese erschien, bat er die Greisin nur noch, ihm alle einzelnen Daten zu notizen, er werde sich Morgen die Freiheit nehmen wieder vorzu­­sprechen, dann empfahl er sich, da die Kanzleiräthin nur schwach mit dem Kopfe nnden, aber kein Wort mehr hervorbringen konnte. Das alte Mädchen begleitete ihn auf den Flur hinaus und erzählte bei dieser Gelegenheit noch, daß schon zu ver­­schiedenen Malen Frauen und Männer versucht hätten, sich um der ausgesetzten hohen Belohnungen willen mit erfundenen Ber­­ih­ten über die Verschollene in­ s Haus zu drängen, sie bat ihn, das alles Erdenkliche aufzubieten, damit ihre Herrin eine ruhige Sterbestunde erhalte. Dann schloß sich hinter dem jungen Mann die Thür des gespenstigen Hauses, und nun war er draußen allein, seinen Gedanken und Eindrücken ohne Störung überlassen. Hier eine Seele, die sr unter den Qualen der Erinnerung schmerzlich wand, die inmitten colossalen Reichthumes ärmer war, als irgend ein heimathloser Bettler, — und dort hinter den düsteren Gefängnißmauern ein junges Mädchen, fast ein Kind noch, dem schon das Leben kein Gut mehr schien, das festen, kalten Bries dem Tode als einem Erlöser ins Auge sah. (Forts. folgt.) ,

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